Nr. 167.
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31. Jahrg.
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Redaktion: S. 68, Lindenstraße 69. Fernsprecher: Amt Moritplak, Nr. 1983.
Maul halten!
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Montag, den 22. Juni 1914.
Geschichte lernen! In ihren dicken Schädel will die Er
Expedition: S. 68, Lindenstraße 69. Fernsprecher: Amt Moritplass, Nr. 1984.
fenntnis nicht hinein, daß die Erde rund ist und sich dreht Wie soll der Staat gerettet
und daß ihre unersättliche und raffgierige Rasse in das zwanzigste Jahrhundert hineinragt wie ein erratischer Block der Vorzeit. Auf die Bajonette gestüßt und die Maschinengewehre,
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werden?
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Als in der vergangenen Woche der Genosse a enisch wähnen sie ihre gottgewollte Herrschaft noch fest und sicher Die Junker leiden im allgemeinen nicht unter einem Ueberim preußischen Dreiklassenparlament die heimtückische Bereit- und glauben immer noch dem Volte ihr: Maul halten! ent- maß von Wissen, und ihre Kenntnis der Literatur des alten Roms willigkeit der reaktionären Parteien, den Genossen Lieb- gegenschnarren zu können. Zuweilen scheint ihnen sogar der beschränkt sich bei den meisten von ihnen auf zwei Zitate aus den knecht den Leipziger Disziplinarrichtern ans Messer zu Erfolg zu winken. Die Justiz macht gegenwärtig ganze Arbeit, Reden des seligen Cicero. Die werden dann um so häufiger anliefern, gebührend brandmarkte, tobte die Rechte wie besessen, die Staatsanwälte müssen lleberstunden einlegen, es praiselt gewandt, und es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht irgendein und als der Redner seinen dritten Ordnungsruf weghatte, nur so an Anklagen auf die Sozialdemokratie hernieder Mitarbeiter der Kreuzzeitung " fragt, wie lange Catilina ( dieser trähten ein paar ganz unverzagte Junker: Maul halten! Es was ist das anderes als auch ein Versuch, der Partei der adlige Umstürzler muß für die Sozialdemokratie verantwortlich läßt sich nichts daran drehen und deuteln, denn auch in dem Arbeiterklasse den Mund zu verbieten und ihrer Kritik an den zeichnen) noch unsere Geduld mißbrauchen wolle, und in denen Barlamentsbericht der konservativen Presse findet sich am tausend Mißständen unserer herrlichen Staatsordnung einen nicht an die Regierung die Mahnung gerichtet würde:„ Die Konjuln Schluß der Haenischschen Rede der Klammervermert: Maultorb vorzubinden! Im Vormärz wurde ein Berliner mögen darauf bedacht sein, daß das Staatswesen feinen Schaden ( Rufe rechts: Maul halten! Abg. Haenisch erhält seinen Referendar für ein Jahr auf Festung geschickt, weil er ver erleide." Jetzt ist es wieder der durch seine naiven Scharfmacherdritten Ordnungsruf.) sucht, Mißvergnügen gegen die Regierung zu erregen". Lieben reden im Herrenhause bekannte Herr von Puttkamer , der sich Es wird dadurch aller Welt offensichtlich, daß die sollt ihr mich, Kanaillen, nicht fürchten! schrie der erste in die Toga des klassischen Vaterlandsfreundes hüllt und den Sozialdemokraten das Niveau" des hohen Hauses" drücken Friedrich Wilhelm und ließ seinen derben Krückstock Lenkern des Staates seine Warnung zuruft. Er hat im Vorwärts" und daß zu dem Hausknechtsparagraphen schleunigst noch auf dem Rücken schen vorüberhuschender Bürger tanzen. Wenn frevelhafte Aufreizungen zum Treubruch, zum Hochverrat und zur andere Bestimmungen der Geschäftsordnung eingefügt werden die Regierung den braven Untertanen kein Vergnügen macht, Meuterei entdeckt; in dem Beschluß, einen Massenstreitfonds an müssen, um dem Rüpelton der Sozialdemokratie ein Ziel spaziert er ins Loch. Und nur zum loyalen Hurra darf auch zulegen, sieht er die Aufforderung zu einer zielbewußten gewaltder Staatsbürger Anno 1914 den Mund aufreißen, sonst heißt samen Organisation der Revolution; es muß also unbedingt etwag Nun verstehe man uns nicht falsch: wir nehmen es es flugs: Maul halten! geschehen, etwas Großes, etwas Durchgreifendes, und wenn Herr Am meisten frißt es den Junkern natürlich am Herzen, v. Buttkamer auch selber nicht weiß, was, so hat er doch im Gegeneinem beliebigen Krautjunker gar nicht sonderlich übel, wenn er in höchster But so frächzt, wie ihm der Schnabel gewachsen daß in die preußische Landstube, wo man so schön unter sich saß zu den meisten seiner Standes- und Gesinnungsgenossen offenist. Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über, und war, die wirklichen Volksvertreter eingedrungen sind und hier var das Vertrauen zu den„ Konsuln", daß diese das Richtige finden diese hinterpommerschen und uckermärkischen Hüter des„ guten unbekümmert die Forderungen der Massen anmelden. Darum werden. Sei es nun, daß sie die bestehenden Geseze schärfer anTons" kennen den guten Ton eben nur vom Hörensagen. tam dieses junterliche: Maul halten!, das dem Genossen Maul halten! Du lieber Himmel, das hat man als Leuta enisch zugerufen wurde, wirklich aus tiefster Seele, und nant auf dem Kasernenhof so oft einem Sert ins Gesicht es galt nicht nur dem einen sozialdemokratischen Abgeordneten, gebrüllt, der gegen eine ungerechtfertigte Beschuldigung den sondern mehr noch den Millionen, die draußen stehen und Mund aufzutun wagte Maul halten! Damit hat man türmisch mit ihren Fäusten an die Lore des Dreiklajjen später als Gutsherr die Landarbeiter angeschnarrt, wenn sie parlaments trommeln: Unser Recht! Unser Recht! Aber wie man in den Wald. hineinrust, so schallt es mit irgendeiner bescheidenen Bitte tamen Maul halten! Das iſt dieſen fendalen Herren aus Ostelbien so in Fleisch hinaus, und ein Tag wird kommen, da aus Millionen Kehlen und Blut übergegangen, daß es ihnen auch im Landtag in der Handvoll frecher Junker ein so gewaltiges: Maul halten! entgegendonnert, daß auch dem Unverschämtesten vor Schreck
zit feßen.
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Der albanische Aufstand.
Scheitern der Verhandlungen.
vomi
und
wenden oder neue machen.
Der zweite Weg wäre ja der bessere. Aber es ist auch der schwierigere, und mit den bestehenden Gesezen ließe sich einſtveilen auch schon allerlei machen. Zum Beispiel wird Bethmann oliveg jest beweisen", daß er den politischen Massenstreit einfach verbieten fönnte. Das freifonservative Neue Jahrhundert" verficht diesen Satz und legt unter Aufwendung von viel juristischem Scharfsinn dar, daß bie$ 5 152 und 153 der Gewerbeordnung nur den ökonomischen Ausstand für ſtrafios erklärten. Diese Beweisführung erinnert ein wenig an die bange Frage des Königs von Sachsen , der im Jahre
1830, als nach Dresden die Kunde kam, daß die Franzosen ihren König verjagt hätten, erstaunt und unwillig ausrief:„ Ja dersen sie denn das?" Das soll nicht heißen, daß man nicht imstande ist, die politische und die gewerkschaftliche Arbeitetbewegung auf alle mögliche Weise zu schifanieren, aber das Gesetz, durch das die Vorbereitung eines politischen Streiks verboten wäre, soll man uns doch noch erst aufweisen.
der Hike des Gefechts schnell einmal entfährt. Oder vielmehr: es handelt sich hier nicht um ein Ent- das Mundwerk stehen bleibt. fahren und nicht um Hike des Gefechts dieser unver fchämte Ruf: Maul halten! ist hier mehr als eine junkerliche Frechheit, es ist der innerste Ausdruck eines ganzen politischen Systems. Ein treffendes Spottwort hat ja die Rechte des preußischen Untertanen auf die Formel gebracht: Soldat werden, Steuern zahlen und das Maul halten. Freilich, so recht im Flor stand dieses politische System nur im Vormärz , Durazzo , 20. Juni .( Meldung der Agenzia Stefani von Der konservative Staatsrechtslehrer Professor Born hat ist auch wo der absolutistische Junkerstaat bei den leisesten Regungen 11 Uhr 30 Minuten nachts.) Bei den Verhandlungen überzeugt, daß eine Aenderung der Gesetzgebung nicht notwendig bürgerlicher Unzufriedenheit mit derbem: Maul halten! damit den Unterhändlern, welche in vollem Einver- sei, um die Abgeordneten, die bei Kaiserhochs sisen bleiben. zwischenfuhr. ständnis mit der Regierung im Namen der Stadt über den hinter Schloß und Riegel zu bringen. Die Immunität hätten die Der König Friedrich Wilhelm III. hatte Anno Frieden verhandeln sollten, verlangten die Aufständischen Demonstranten vom 20. Mai nicht mehr besessen und an der Ma1815 dent Volt sein königliches Wort für eine Verfassung Befreiung Militärdienst den jestätsbeleidigung lasse sich nicht zweifeln. Nun hat zwar das Reichsverpfändet, die Jahre gingen hin und das Versprechen blieb Steuern, sowie die Annahme anderer geringfügigerer gericht bekanntlich entschieden, daß das Sißenbleiben beim Kaiserhoch uneingelöst, aber wehe! wer daran auch nur zu erinnern Forderungen, die sie schon gestellt hätten. Außerdem ber noch keine Beleidigung im Sinne des§ 95 des Strafgesetzbuchs bewagte! Maul halten! schrie die Justiz und der unbequeme langten sie einen dreitägigen Waffenstil I stand. deute, und das war noch vor der Novelle von 1908, die befanntlich Mahner verschwand, stumm gemacht, hinter den dicken Mauern Da die Regierung auf die Forderung des dreitägigen Waffen- Absicht der Ehrverlegung, Böswilligkeit und leberlegen als Tatsolider Festungskasematten. Junge Schriftsteller verkündeten stillstandes nicht eingehen zu können erklärte, wurde schließlich bestandsmerkmale fordert. Doch das fümmert Herrn Bornhat wenig. in den dreißiger Jahren mit Mut und Talent die Gedanken vereinbart, daß, wenn bis Sonntag nachmittag 5 Uhr 30 mi. Sein Vertrauen in die Justiz ist unerschütterlich: der neuen Zeit und sangen der politischen Freiheit ein fühnes Lied Maul halten! zischte der Bundestag dazwischen und berbot in Bausch und Bogen alle Schriften des Jungen Deutschlands ", nicht nur, dic schon erschienen waren, sondern in staatsretterischer Weisheit auch die noch erscheinen würden. In den vierziger Jahren peitschte grimmste Not und bitterstes Elend die schlesischen Hungerweber, endlich einmal den Mund aufzutun, sie schrien ihre Misere zum Himmel empor, der sie nicht erhörte, sie gossen allen Haß, allen Groll, allen Troß gegen ihre schamlosen Ausbeuter in die ungefügen Verse des hr Schurken all', ihr Satansbrut, Ihr höllischen Dämone,
Weberliedes:
Ihr freßt der Armen Hab und Gut,
nuten feine Antwort erteilt werde, sämtliche Verhandlungen abgebrochen sein sollten. Eine Entscheidung hat die al banesische Regierung bisher nicht getroffen. Der Tag ist ruhig verlaufen..
Nene Beschießungen.
Nach einer mehr als zehnjährigen richterlichen Erfahrung als Berliner Strafrichter glaube ich behaupten zu dürfen, daß jede Berliner Stiafkammer die Genossen, deren Sißenbleiben nachgewiesen war, einfach wegen Majestätsbeleidigung verurteilt hätte.
Wir wollen Herrn Bornhat nicht widersprechen, denn er muß Durazzo , 20. Juni .( Meldung des Wiener K. K. Telegr.- Korr.- ja in der Tat den Geist unter den Richtern einigermaßen kennen. Bureaus.) In der vergangenen Nacht lief die Herzegowina" Aber leider bleibt einstweilen seine Hoffnung, daß während des abermals aus und beschoß die feindlichen Stellungen in der nächsten Winters die sozialdemokratische Reichstagsfraktion statt in Richtung von Porta Romana und Kawaja. Da in der verflossenen Reichstag im Gefängnis site, unerfüllt, und deshalb hält es die Nacht in Durazzo abermals Gewehrschüsse von unbe- Kreuzzcitung" auf alle Fälle für besser, das Gesch zu än= tannten abgegeben wurden, erließ der holländische Kommandant dern, das heißt auf der einen Seite die Immunität der AbgeordKroon die Anordnung, daß jedermann, der in der Stadt Schüsse ab- neten zu begrenzen und auf der andern Seite den Majestätsveleidifeuert, mit fünf Jahren Gefängnis bestraft wird. Nun haben die gungsparagraphen nach rückwärts zu revidieren. Und Fluch wird euch zum Lohne. Der heutige Tag verlief vollkommen ruhig. Um etwai- Konservativen im Jahre 1908 selbst für seine Wilderung gestimmt, Da pjefferte der König mit dem Salvenfeuer der Ingen abermaligen Ueberrumpelungsversuchen vorzubeugen, wurden aber, wie die Kreuzzeitung " so schön sagt, die heutige Fassung, gefanterie sein: Maul halten! dazwischen, und auch die schlesischen an sämtlichen einigermaßen gefährdeten Punkten Verschanzun- nügt nicht mehr, um den Anspruch des Volfes in seinen Gefühlen Weber wurden stumm gemacht. Das ging so lange, wo nicht gen und Drahtzäune errichtet, so daß ein Eindringen des Feindes der Ehrfurcht, der Anhänglichkeit und der Treue gegen den Monim Guten, so im Bösen, bis der 18. März 1848 fam und in die Stadt selbst im Falle eines unerwarteten überraschenden archen und gegen die Einrichtung der Monarchie geschützt zu werden", das Volk sich nicht mehr den Mund verbieten ließ, sondern Angriffes ausgeschlossen erscheint. Heute hat sich das frei zu erfüllen. Das Volf, das die„ Kreuzzeitung " meint, ist natürlich gleich mit scharfen Schüssen. hinter Barrikaden hervor seine willige Artilleristenkorps organisiert. Es wählte den das Volk der Junker. In deren Namen also muß der Träger der Ansicht über der Junker unwürdiges Snutenregime äußerten. preußischen Rittmeister von der Lippe zum Komman- Krone wirksamer geschützt werden. Wie jagte doch einer der Edlen Aber bald saßen Absolutismus und Junkertum wieder danten, der seinerseits den Befehlen der holländischen Offiziere vor kurzem in der„ Politisch- Anthropologischen Revue":" Wir haben um unserer selbst willen den Anspruch auf die Erhaltung der munter im Sattel, und hochfahrender und höhnischer Klang untersteht. Monarchie." den Recht heischenden Volksmassen das feudale: Maul halten! entgegen. Die Jahrzehnte verstrichen, die bürgerliche Demo- Durazzo, 20. Juni .( Meldung des Wiener K. K. Telegr.- Korr.Nun, und wir warten mit Interesse ab, welche Vorschläge zur tratie dankte ab, die Sozialdemokratie tam auf, wuchs, ent Bureaus.) Die allgemeine Lage ist sehr ungeklärt. Prent Durchsetzung dieses Anspruchs bis zum Herbst noch gemacht werden, wickelte sich, erstartte da klang auch für sie von den Lippen Bibdoda befindet sich mit seinen Leuten noch immer etwa vier des Gewaltmenschen Bismarck der Befehl: Maul halten! Stunden hinter Durazzo und scheint zu zögern, den Vormarsch Denn das Sozialistengeseh war ja nichts anderes als der gegen Schijak zum Angriffe auf die Aufständischen anzutreten. systematische Versuch, die Sozialdemokratie stumm zu machen. Auch herrscht teine Klarheit, wie Achmed Bei Mati, der über Wie kläglich dieser Versuch scheiterte, wie siegesfroh hinter Tirana vorrüden und den Kreis um die Aufständischen enger ziehen dem gestürzten Blut- und Eisen- Mann der Ruf erklang: Es sollte, sich verhält. Neber die Stellungnahme Aziz Paschas lebe die Sozialdemokratie!, ist allen Kennern der Geschichte Vrioni, der zu dem gleichen Zwecke von Süden über Fieri heran⚫ bekannt. rüden sollte, liegen teine günstigen Nachrichten vor.
Aber für der oftelbischen Junker Gezücht gilt Hegels Bort: Aus der Geschichte lernen wir, daß wir nichts aus der
Verzweifelte Lage.