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Kr. 206. 3L IahrMg. t KeilM des, Amiirls" KMrMsdlM. M«z. Zt. Juli 1914 Gewerksthastliches. /lrbeiterbetrug. Ein durch und durch unehrliches Spiel treiben die christ- lichen Gewerkschaften in der Frage der Lebensmittelzölle. Die Leitungen erwecken bei den Mitgliedern den Anschein, als kämpfe man gegen eine neue Erhöhung und Erw'eiterung der Schutzzollmauern, den Agrariern aber zwinkert man zu: wir ziehen euren Karren! Auf dem 3. Deutschen   Arbeiterkongreß im November vorigen Jahres wurtfe nach einem Referat Stegerwaids eine Resolution angenommen, in der ausgesprochen wird: Bei der bevorstehenden Neuschaffung unserer Handelspolitik sind Erleichterugen zu schaffen: Eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Zölle und eine AuS- dehnung derselben auf bisher zollfreie Artikel, soweit sie als Rahrungsmittclbcdars in Frage kommen, ist abzulehnen." Auf dem am 16. Juni 1914 in Osnabrück   abgehaltenen Vertretertage des Windthorstbundes redete derselbe Herr Stegerwald wieder über die künftigen Handelsverträge. Von der in der vorstehenden Resolution erhobenen Forderung sprach er aber nicht! Nach dem Bericht derKölnischen Volkszcitung"(Nr. 512) bezeichnete er als a n z u st r e b e n d e s Ziel" der deutschen   Zoll- und Handelspolitikzunächst eine weitere Kräftigung des Inlandsmarktes durch Landwirtschaft und Konsummassen". Dazu empfahl- der Gewcrkschafts- führer neben angemessenem Zollschutz für die Landwirtschaft innerpolitische Maßnahmen zu ihren Gunsten; darunter auch Förderung des landwirtschaftlichen Kreditwesens auf Staats- kosten. Von den anwesenden Agrariern, die sich nicht etwa der Arbciterinteressen annahmen, sondern ebenfalls sehr energisch die agrarischen Forderungen vertraten und das Einfuhrscheinsystem als ein Kräutlein Rührmichnichtan bezeichneten, wurde der Herr Gewerkschaftssekretär für die von ihmbeobachtete Reserve" in der Kritik der Wucherpolitik verdientermaßen mehrfach belobigt. D i e Arbeiter, die nicht vollständig gedankenlos den Führern nachtrotten, müssen schon merken, daß man falsches spiel mit ihnen treibt. Das wird noch tMtlichcr gemacht durch die folgenden Tatsachen: Der Bayerische   Städteverband hat an das bayerische Ministerium eine Eingabe gerichtet, in der er gegen die von den Agrariern geforderten Obst- und Gemüsezölle Stellung nimmt. DieWestdeutsche Arbeiter- zeitung", ein Organ der M.-Gladbacher Gcwerkschaftschristcn, b?schäftigt sich in ihrer Nr. 30 vom 25. Juli 1914 mit der Angelegenheit. Das Blatt druckt aus der Eingabe u. a. folgende Stellen ab: Aus diesen Gründen muh die Einführung oder Erhöhung der Zölle auf Obst und Gemüse notwendigerweise zu einer Berteue« rung dieser Waren führen. Für den verbrauchenden Teil der Be- völkerung macht sich aber bei den zurzeit überhaupt herrschenden bohen Preisen für die Lebensmittel, vor allem für Fleisch, jede Verteuerung der Lebenshaltung besonders fühlbar. Die Ver» teurung des Obstes und Gemüses würde voraussichtlich zu einer Einschränkung des Verbrauchs führen. Deshalb ist es schon frag« lich, ob die Produzenten von der vorgeschlagenen Äenderung der Zollsätze wirklich den /Vorteil hoben würden, den sie offonbar erwarten. Die Minderung beS Verbrauchs von Obst und Gemüse wäre aber auherdem aus gesundheitlichen Rücksichten höchst be- baue r lich," Dazu bemerkt die Redaktion derWcstd. Arbeiterztg.": Diesem Borgehen des Bayerischen StädtcvcrbandcS ist in allen Teilen zuzustimmen. Andere Berbände sollten sich ein Beispiel daran nehmen." Ganz und gar vergaß die Redaktion zu bemerken, daß auch christliche Gewerkschaftsführer dem Beispiele folgen sollten. Aber dieWestd. Arbeiterztg." scheint manch- mal blind und taub zu sein. Am 20. Juli hat nämlich in Köln   der Provinzialverband des Verbandes der Handels- gärtncr Deutschlands   eine Versammlung abgehalten, in der man entschieden für erhöhte und neue Zölle auf Obst und Gemüse eintrat. Das wäre nicht weiter bemerkenswert, die agrarische Richtung der Handelsgärtner ist ja bekannt. Aber dieWestdeutsche Arbeiterzeitung" hätte doch, wollte sie ihre Leser in den christlichen Gewerkschaften nicht irre führen, mit- teilen müssen, daß einer ihrer ersten Hauptakteure, Sekretär und M. d. R. Behrens, der auch als Vorsitzender auf dem oben erwähnten dritten deutschen Arbeiterkongreß die antizöllnerische Resolution zur Abstimmung brachte, den Forderungen der Handelsgärtncr zustimmte und ihnen mit seinem Mandat, das er als Gewerkschaftssekretär er oberte, hilfreich beizuspringen in Aussicht stellte. Merkwürdig, sehr merkwürdig, daß dieWestdeutsche Arbeiterzeitung", die so gute Ratschläge erteilt, von den Seitensprüngen der beiden Hauptmänner in den christlichen Gewerkschaften nichts erfahren hat, Oder stellt sie sich nur unwissend, um die Mitglieder der christlichen Gewerkschaften nicht aufzuregen? Die Vorgänge zeigen mit wünschenswerter Deutlichkeit, wie die christlichen Gewerkschafter und Arbeiter hinters Licht geführt werden._ verlln und Umgegend. Ter Streik der Berliner   Holzbildhauer. Der Streik hat dem Unternehmerorgan, derFach- zeitung" der Holzindustriellen Veranlassung gegeben, gegen- über denArbeitswilligen" Stellung zu nehmen. Es ist immerhin von Interesse, aus dem Unternehmerlager auch einmal etwas anderes zu hören, als die sonst üblichen Schimpfereien über an- geblichen TerrorismuS, die regelmäßig in den Ruf nach verstärktem Arbeitswilligenschutz ausklingen. Allerdings handelt es sich dieS- mal nicht um Arbeiter, sondern um Unternehmer. Und zwar ist es der urgewaltige Obermeister der Berliner   Tischlerinnung und Vorsitzende des ArbeitgeberschutzverbandeS der Holzindustriellen Deutschlands  , R a h a r d t, der mit einerMahnung an alle, die es angeht", seinenAuchkollegen" zu Leibe rückt. Nachdem er die imVorwärts" mitgeteilten Bewilligungen der Gehilfenforderungcn aus der Welt disputiert hat, so daß eigentlich so gut wie gar keine Geschäfte und Gehilfen mehr vor- Händen sind, die zu den von den Bildhauergehilfen gsßvrderten Bedingungen arbeiten, werden die übrigbleibenden.?Wlicheren Kantonisten" angedonnert. Die Organisationen der V�hhauer- prinzipale hätten eine kombinierte Kommisston zur Kojtüolle der Betriebe eingesetzt, der Vollmacht erteilt wurde, die Zurücknahme etwa gemachter Bewilligungen mit rllen zu- lässigen Mitteln zu erzwingen und die Betreffenden auf- merksam zu machen, daß sie im Falle der Unbotmäßigkeit alle K o n s e q u e nz e n aus ihrem Verhalten zu ziehen haben werden." Einigenbekannten Tischlermeistern", die sichzu dem schimpflichen Mittel herbeigelassen" haben, zu bewilligen, werden dann im schönsten Jagow-Stil die fettgedruckten Worte zu- gerufen: Die Betreffenden mögen hiermit gewarnt sein!" Und weiter: Stellen sie sich nicht innerhalb acht Tagen in die Reihe der ehrlichen Leute, dann mutz ihrem Bleiben in der Organisation ein schleuniges Ziel gesetzt werden." Alle bekannten Ausreden werdendiesmal nicht verfangen, denn die Arbeit- geberorganisationen sind nicht willens, diese Ritter von der traurigsten G e st a l t als Schrittmacher für denAcht- stundentag" der Tischler unter sich zu dulden." Zum Schluß wird an die Unternehmer appelliert,w i e Ehrenmänner zu handeln und keiner Firma Bildhauer- arbeiten zu übertragen, welche in der leichtfertigsten und unverantwortlichsten Weife die Forderungen der Gehilfen bewilligt hat." Dieses großen Aufwandes an Kraftworten, Drohungen und Ehrverlctzungen bedarf der Herr Obermeister, um ein bloßes Manöver" der Streikleitung abzuwehren. Nach seinen Angaben ist der Streik bisher vollständig wirkungslos gewesen. Die An- gaben über Bewilligungen seien nichts als ein Trick der Gehilfen- organisation, weshalb mit der Philippika der possierliche Eindruck erweckt wird, als sollten Spatzen mit Kanonen totgeschossen werden. Aber die Unternehmer werden schon wissen, warum sie jetzt mit allen terroristischen Mitteln noch einen Versuch machen, die wankenden eigenen Reihen aufrechtzuerhalten, Sie müssen sehr schlecht organisiert sein, daß sie nicht die J>9 Firmen mit den 179 Gehilfen feststellen können, die inzwischen zu den geforderten Bedingungen arbeiten. Bei einer so schlechten Organisation wird auch der durch den Obermeister ausgesprochene Bannfluch den weiteren Fortschritt der Bewegung nicht aufhalten können. Der Streik dauert jetzt sieben Wochen. Von Herrn Rahardt wird erklärt, er könne noch ein Jahr andauern und es seien keine Konzessionen zu erwarten. Da keiner der streikenden bOO Holz­bildhauer gewillt ist,' von der Forderung Abstand zu nehmen, so wird noch mit einer langen Kampfdauer und damit auf manchen weiteren ergötzlichen Zornesausbruch dieses UniernehmervertreterS zu rechnen sein._ deutsches Netch. a-, f Abgeschobene deutsche Streikbrecher. Der sozialdemokratische Bürgermeister von Zaandam  (Holland  ) hatte von Deutschland   kommende Streikbrecher nicht zugelassen, weil sie nicht im Besitze von Pässen oder Heimatscheinen waren. Die 49 Ausgewiesenen brachten im holländischen Grenzort Ensched« die Nacht aus der Polizeiwache zu und wurden andern Tag? nach dem nächsten deutschen   Grenzort transportiert. Die Zaandamer warteten dort auf sie. um sie über Amsterdam   wieder nach Zaandam   zurückzudirigieren. Jetzt sind die 49 Streikbrecher zum zweiten Male ausgewiesen und nach Hamburg   zurückbeordert worden. Der Streikbrecheragent H e s b e r g auS Blankenese   war selbst nach dort gekomme», mn zu versuchen, den Aufenthalt seiner Getreuen ohne Heimatschein zu bewirken. Er hatte aber keinen Erfolg. Der deutsch  « Konsul weigerte sich, ihn zu empfangen. Bei der Abreise der« sicherte der Agent, er werde mit seinen Leuten zurück» kommen, nachdem sie sich in Deutschland   die erforderliche» Heimatscheine besorgt hätten. Man bezweifelt aber tu Holland  , daß ihnen da« gelingen wird, wegen der gespannte» bxta» nationalen Lage und auch wegen der öfteren Bekanntschast mit de« Strafgesetzen, deren sich die Streikbrecherhelden rühmen können. Inzwischen aber wird berichtet, daß für einen anderen Streif der im Rotterdamer Hafen ausgebrochen ist, die Unternehmer aufs neue 899 Hamburger   Streikbrecher herbeischaffen wollen. Ausland. Siegreicher Generalstreik katholischer Gewerkschaften. Rom  , 28. Juli.  (Eig. Ber.) Daß auch die katholischen Gewerkschaften ganz tüchtige Kämpfe liefern können, zeigt ein recht interessanter Generalstreik in zwei kleinen Ortschaften der Tiefebene von Verona  . Dort hatten die alle in katholischen Gewerkschaften organisierten Landarbeiter beschlossen, sich bessere Arbeitsverhältnisse zu erringen, besonders zu dem Zweck, einigen hundert Landarbeitern, die alljährlich außer OrteS wandern muhten, um Arbeit zu suchen, im eigenen Ort Arbeit zu sichern. So trat der ganze Ort in den Streik, mit einer großen Zahl von Forderungen, darunter der des Sechs stundentages für den Winter und des Acht stundentages für den Sommer, Fest» setzung der Mindestzahl der Arbeiter fiir eine gegebene AuS- dehnung Land usw. Aus Solidarität traten die Maurer in den Streik und auch die Arbeiterinnen zweier Spinne- reien, die sich besonderes durch ausdauerndes Streikposten» stehen bewährten. Sie begaben sich auf Zweirädern auf die entlegensten Felder, um zu verhindern, daß die Grundbesitzer selbst arbeileteu. Der Zugang zu den Orten wurde durch Arbeiterkolounen versperrt. Nachdem diese Situation beinahe drei Wochen in ver- schiedener Schärfe angedauert hatte, und sogar die Schließung der Läden erzielt worden war, gaben die Grundbesitzer in allem Wesent- lichen nach. Vor allem wurde der Sechsstundentag für den Winter, der Siebenstundentag fiir den Frühling und der Achtstundentag für den Sommer zugestanden. Stundenlohn im Winter 22, im Sommer 49. unter der Ernte 69 Cent. Außerdem verpflichten sich die Grund» besiyer den bisher auswandernden Tagelöhnern Arbeit zu geben. Interessant ist, daß diese Leute bisher als Sachsengänger in die Ort» schaslen gingen, wo sie der organisierten sozialistischen   Arbeiterschaft in den Rücken fallen konnten. 1 2. Generalversammlung öer ßriseurgehilfen Hannover  , 29. Juli 1914. Zu einem Referat über Reichsgrsetzliche Grundlage für die örtliche Regelung de» Ladenschlusses erhält das Wort Th. Giese, Frankfurt   a. M. Neben dem Wege der gewerkschaftlichen Selbsthilfe gibt es noch die Möglichkeit, eine Regelung der Arbeitszeit auf dem Wege der Reichsgesetzgebung zu kleines Zeuilleton. Trauerkundgebung, weil Friede gemeldet wird. Wenn bei einer Veranstaltung die Musik spielt und es passiert irgend ein Unglück oder es trifft die Nachricht von einem Unglück ein, so bricht die Musik ab. Daß aber die Musik zum Zeichen der Trauer abbricht, weil Friede statt Krieg gemeldet wird, das ist wohl nur im Blut- rausch der deutsch  -öfterreichischen Kriegshetzer möglich. Und so schildert es ein Stimmungsbild derKölnischen Zettung" aus dem österreichischen Badeort Aussee   an der Traun:Der Friede ist gesichert! Als diese Meldung laut wurde, brach jäh die Musik ab. Und die plaudernden Gruppen verwuchsen zu einer einzigen stummen Maffe, zu einer großen, schweigenden Scham... Zum Glück wird eine Stunde später wieder Aussicht auf Krieg gemeldet.Na, Gott sei Tank!" heißt es da. Wörtlich:Gott   sei Dank!" Daß es nicht etwa nurScham" wegen derungesühnten" Mordtat von Sarajewo   war, folgt aus dem weiteren Ausruf:Wenn auch ein paar Dutzend Wochen zu spät". Man hätte also am liebsten schon vor Jahr und Tag losgeschlagen, und man schämt sich, daß eS nicht geschah, man staunl über den unterbliebenen Völkermord, wie man jetzt für den gesicherten Kneg dem lieben Gott dankt.. Natürlich sind die Bauernburschenzwar em bißchen verdutzt, ober immerhin fidel." Natürlich, denn wenn man die bürgerliche Presse Deutschlands   liest, herrscht in� der ganzen Habsburgischen Monarchie, vom eingetrocknetsten Greise biß zum emgeweichtesten Säugling, eitel Jubel über den Krieg. Die Burschen wollten zwar lieberfensterln gehen", aber �schließlich bekommt doch die bekannte älplerische Rauslust daß Uebergewicht". Das ist das einzige wahre Wort an so einem Bericht: Rauslust. Der Allgemeine Deutiche Sprachverein sollte sich das Wort nicht entgehen lassen, eine bessere Uebersetzung für das Fremdwort Patriotismus kann es gar nicht geben als das gute deutsche   Wort Rauflust! Kriegserklärung vor 200 Jahre«. In höchsten, zehn Zeilen hat Oesterreich   jetzt den Serben den Krieg erklärt. Ehemals waren Kriegserklärungen umständlicher. So pflegten dre Herrscher, die vor einem Vierteljahrtausend ihren Feinden den Krieg erklärten, ihrem Zorne in vielen Worten Lust zu machen. 1689 erklarte der Kursurit von Bra idenburg dem König von Frankreich   den Krieg, und einAnSzag" aus dieser Kriegserklärung, die damals»m.Frank- furter Journal" erschien und die Eberhard Buchner mitteilt, hat folgenden Wortlaut:Wir Friedrich III. u. s. w. tun kund und zu Wilsen, obwohl wir nichi mehrers gewünschct. alS daß die allgemeine Ruhe in der Christenheil erhallen wurde und Uniere Uns von Gott   anvertraute Lande die Früchte deS edlen Friedens genießen möchlen, demnach aber der König in Frankreich   nicht allem das ganze Heil. Römische Reich ohne einige Ursache angegriffen, ja ganze Kreis« und Provinzen in demselben auf eine barbarilS« und »nter den Christen nie erhörte Weise mit morden, rauben und brennen verwüstet, sondern auch Uns selber und unsere anverwandte Häuser und Alliierte mit der gleichen Grausamkeit bedrohet, so sind Wir unumgänglich genötigt worden. Uns zu resolvieren, wider sotane Gewalttätigkeiten der Franzosen alle dienliche Mittel vor die Hand zu nehmen und nicht allein amtS und eifetS- halben das Heil. Röm. Reich und Unser eigenes werten Vaterland für den androhenden Gewalttätigkeiten zu beschützen, sondern auch dieselben für daS zukünftige in Sicherheit zu stellen und dabenebenst für Uns und Unfern Alliierten und Mit-Ständen zugefügten Schaden behörige Satisfaktion zu bekommen. Wir haben auch zu der göttlichen Majestät das feste Vertrauen, es werde die- selbe unserer gerechten Sache beistehen; Unseren und Unserer Allicrten abgenötigten Waffen Glück, Sieg und Segen verleihen und diesen Krieg einen solchen Ausgang ge- Winnen lassen, wodurch der unmäßigen Ehr- und Regier- sucht des Königs in Frankreich   möge gesteuert und unser wertes Vaterland in sein altes Ansehen, Freiheit und beständiger Ruhe wieder mög gesetzet werden, wobei Wir Unser Leib und Leben getreulich aufzusetzen nicht unterlassen wollen. Gegeben in unserer Residenzstadt Collen an der Spree   den 13. April 1689." Die pathetischen und sentimentalen Lügen, die man damals in den Kriegserklärungen und Proklamationen unterbrachte, überläßt man heute der dienstbeflissenen Presse, die so was noch viel besser kann. Die Nase Kleopatras und die Blattern der Prinzessin Conti. Man kennt den Scherz von der Nase der Kleopatra, der dazu dient, jene oberflächliche Geschichtsauffassung abzuführen, die den Lauf historischer Dinge von ganz belanglosen Zufällen abhängen läßt. Für diese Art von Geschichtsforschung ist es wirklich ein Problem, wie sich die Weltgeschichte im Ältcrlnm entwickelt hätte, wenn Jleopätra eine schiefe Nase gehabt und Pompejus sich infolgedessen nicht in sie verliebt hätte. Von einem ganz ähnlich erhabenen Gesichtspunkt betrachtete der bekannte erotische Schriftsteller Casanova de Seingalt  , den Grabbe einenNapoleon der Unzucht" nannte, die stanzösische Revolution, denn die ausgezeichnete ZeitschristLa Revolution Franyaise" veröffentlicht einen Brief de, alten Schwerenöters von 1793 in dem e, heißt: .Ich halte eS für klar, daß ohne den letzten Herzog von Orleans die Revolution nicht zum Ziele gelangt wäre... Welche Schicksalsfügung lag darin, daß sein Vater die Prinzessin Conti heiratete? Aber diese Prinzessin hätte nimmermehr das Ungeheuer in die Welt gesetzt, wenn der Abbs Des BrosseS sie nicht von den Blattern geheilt hätte, die sie derart entstellten, daß der Herzog von Chartres  , ihr Gatte, sie nicht anzusehen vermochte. Welche Schicksalsfügung lag nun darin, daß der AbbS De» BrosseS, ein unwissender Kurpfuscher, seine Pomade zu Madame de Polignoc ins Palais Royal   trug, damit diese sie der Prinzessin brachte, die von den Pusteln verunstaltet wurde. Die Pusteln verschwanden, ihr Gatte fand sie hübsch und sie empfing das Ungeheuer... Gott  hatte die Blatter  » der Herzogin von Chartres   geschickt, die der l Herzog abscheulich fand: die Hölle schickte die Pomade, die sie heilen sollte, durch einen Abbs, der nur geschaffen schien, um verachtet zu werden. Der böse Geist der französischen   Monarchie errang die Oberhand." Also: wenn der Abbö DeS BrosseS nicht eine Salbe gehabt hätte, um blatternarbige Gesichter wieder rein und weiß zu machen. hätte der Herzog von Chartres   sein EhegesponS Tag und Nacht weiter ignoriert, die Ehe wäre unfruchtbar geblieben, kein Herzog von Orleans hätte das Licht der Welt erblickt, um später unter dem Namen Philippe Egalitö zur Revolution überzugehen und so dem Königtum den letzten Stoß zu versetzen, und noch heute herrschten Absolutismus   und Feudalismus   in Frankreich   und Europa  . So steckte eigentlich in der Salbenschachtel des Abbe DeS Brosses der Grund, weshalb es heute keine Leibeigenschaft mehr gibt glor­reiche Salbenschachtel und glorreiche Geschichtsauffassung! Weil eS gut ist! Sonnabendabend war Vortrag eines Arztes. Da klärte derselbe ausführlich über die Giftigkeit des BleiweißeS, die Bleierkrankung und ihre Folgeerscheinungen auf. Unsere Werkstelle war vollzählig erschienen. Auch der alte Kühlmayer war da und hörte mit wackeligem Kopfe an, waS der Arzt erzählte. Einige Tage später kam ich in den Farbenkeller. Da stand der Alte, die Hände und Arme bis an den Ellenbogen mit Bleifarbe verschmiert und sein Frühstück. Trotzdem der Arzt am Sonn» abend größte Reinlichleit der Hände empfohlen hatte. Enrsetzt fragte ich ihn:Aber warum waschen Sie sich nicht das giftige Blei- weiß von den Fingern, bevor Sie essen?" Blöd schaut er mich an:Was Gift! Auf den Fässern steht doch.chemisch reines Bleiweiß" I" Und ich ließ ihn mit den schmutzigen Händen weiter essen. Weil eS besser ist, wenn solche Dummheit ausstirbt I H. St. Notizen. Sonnentemperatur herzustellen, ist dem Breslau  « Professor Lummer gelungen. Er steigerte die Temperatur des Bogenlampenkraters noch über die 6909 Grad der effektiven Sonnen» temperatur hinaus, indem er die Lampe unter erhöhtem äußeren Druck brennen ließ. Für die Praxis kommt die neue Erfindung einstweilen noch nicht in Frage. Johann Sperl  , der Landschaftsmaler und Freund Leibis, ist im Alter von 73 Jahren gestorben. Er hat u. a. mit Leibi zusammen eine Anzahl Gemälde geschaffen. S a ch s e- O p e r. Bei derTannhäuser  "-Aufführung am Sonnabend wird zum ersten Male in Berlin   nicht der übliche Sckiluß. sondern eine Fassung gegeben, die Richard Wagner   für die Aufführung im Züricher   Stodttheater im Jahre 1846 komponiert hat. Tokio  , die japanische   Hauptstadt, hat jetzt über 2 Millionen Einwohner, ist also ebenso groß wie Wien  . Das rapide Anwacksen ist der Zuwanderung vom Lande zu verdanken. Außer Tokio   zählt auch Osaka   bereits über eine Million.