SO pEt. höher stand als im vergangenen Jahre. Die Ge-schichte der letzten acht Monate bereichert diese Beobachtungnoch in ganz besonderer Weise. In der Mitte des Junistand Silber in London noch über 38, heute ftehr esL9 Pence. Das ist ein Abstand von etwa 25 pCt., währenddie meisten Waarenprcise in diesen acht Monaten, wennüberhaupt, höchstens um ein bis zwei Prozent zurückgegangensind.—Neue Gegner erstehen dem Bunde der Land-w i r t h e, nachdem er erst vor kurzem einen unbestreitbarengroßen äußeren Erfolg aufzuweisen hatte. Am 8. Februarhielt der Pastor E. Borchmann in der Gencralvcrsanun-lung des Uckermärkischen Banernvereins einen Vortrag über„Die Noth wendigkeit politischer Bauern-Vereinigungen neben dem Bunde derL a n d w i r t h e". Ters elbe ivird jetzt von dem Vorstandedes deutschen Vauernbuu des an eine große Zahlvon Pastoren versandt. Derselbe richtet sich gegen denEinfluß der Großgrundbesitzer im Bunde der Land-wirthe. An der Spitze der Ausführungen finden sich sol-gende Leitsätze:t. Was ist der Bauernstand? Antwort: Er ist alles!Denn hat der Bauer Geld, so hat's die ganze Welt? DerBauernstand stellt die meisten und besten Soldaten und imBauernstand erkennt die Sozialdemokratie je langer, je mehr denWall, der für ihre stolzen Wellen ein machtvolles„Bis hierherund nickst weiter" bedeutet. 2. Was hat er bisher im Staategegolten? Nichts! Er hat sich bisher in politischer Be-vcljung von jedermann bevormunden lassen, bald wie inSchlesien und anderwärts von freisinnigen Stadtleuten, baldvon Landräthen und sonstigen Bureaumenschen ohne Ar undHali». bald und zumeist von adligen und nicht adlige» Groß-grundbesitzern; er hat sich bisher willenlos in das Schlepptaujeder politischen Partei nehmen lassen. 3. Was will er undwas soll tv? Antwort: Er m u ß durchaus einenseiner Kopfzahl und seiner Bedeutung ent-sprechenden Einfluß im öffentlichen Lebengewinnen und zwar als Bauernstand imUnterschied zun» Großgrundbesitzer st and!Letzterer ist ja freilich mit ihm in wirthschaftlicher Beziehungim wesentlichen gleich intcrcssirt. aber das darf niemand ver-wirren, obgleich jetzt, so weit ich sehe, sich sehr viele dadurchbeirren und verwirren lassen.Wenn der Herr Pastor auch in dem„antikollektivisti-schen Bammschädel" den Wall gegen die Sozialdemokratiesieht, so wird er ebenso«ine Enttäuschung erleben, wie diekatholischen Pfarrer, die in ihrer Kirche eine» Grenzwallgegen die Ausdehnung unseres Besitzstandes sahen. Wichtigerist, daß der Herr Pastor die von den Agrariern so ver«ketzerte Ansicht von der Verschiedenheit der Interessen desGroßgrundbesitzer- und Bauernstandes frank und frei aus-spricht. In der Broschüre heißt es dann:Uno darum müssen politische Bauern-vereinigungen neben dem Bund der Land-wirthe da sein zur Orientirung und Stellung-nähme des Bauernstandes in alleu politischenFragen, also zu seiner selbständigen Antheil-nah in e am gesammten politischen Leben.M. H.! So lange der Bund der Landwirthedurch seine gegenwärtige Leitung die Auflösung der bestehendenBancrnvereinigungen offen oder v e r st e ct t, mit Gewaltoder mit freundlichem Locken herbeizuführen sucht und dasWiederaufbühen des neuerstandeuen, ihm doch ausgesprochener-maßen freundlich gesinnten„Deutschen Buuernbundes" in derfeindseligsten Weise zu hintertreiben sucht,tritt er thatsächlich als Feind der politischenWeiterent Wickelung des Bauernstandes auf,will er ibn in politischer Unkenntniß und Bevormundung belassen wissen, wenn das auch vielleicht zehntausende seinerGlieder nicht ahnen und sehen mögen. Denn der Bund derLandwirthe orientirt und schult seine Mitglieder ja nur inwirthschaftspolitischen Fragen, also mir einseitig, in alleübrigen politischen Fragen führt er sie nicht ein und darfes nicht; wenn er also durch seine unfreundliche, jafeindliche Haltung gegen die allgemeinpolilischen Bauern-vereine dem Kleingrundbesitzer sagt und bedeutet, daß das.was er bei ihm hat und erhält, vollkommen für ihn genug sei,so ist doch das genau dasselbe, wie wenn jemand emem. derLehrer werden will, den Rath gäbe: Wenn Du nur gutrechnen lernst, so ist das vollkommen genug, um Lehrer zusein.— Ja, m. H., das Streben der gegen-wärtigen Leitung des Bundes der Land-wirthe. möglich st alle bestehenden Bauern-Vereinigungen in des Bundes allein selig-machenden Schoost auszunehmen und neueuistehende zu bekämpfen, bedeutet ent-schieden einen feindlichen Eingriff in diepolitische Selb st ändigkeits- Bewegung desBauernstandes.Ten Herren vom Bunde der Landwirthe und von der„Kreuz'Zeitungs''-Partei dürfte es wohl kaum sehr er-wünscht sein, daß der„Vorwärts" den Inhalt dieser be-achtenswerthen Broschüre weiteren Kreisen mittheilt.Die Solidarität der Landwirthschaft treibenden Be-völkerung wird bald durchbrochen sein, der Kleinbesitz willneben dem Großbcsitz in der Landwirthschaft zu Wortekommen; die Landarbeiter werden sozialdemokratisch, so daßdie Kämpfe, die wir in der Industrie mit jedem Jahreschroffer werden sehen, bald auch in der Landwirthschaftanheben werden.—Eine der wahren Ursache» der Roth der Grost-Grundbesitzer wird durch folgende durch die Zeitungengehende Noliz beleuchtet:Ueber das Vermögen des Vorwerkspächters Rittmeister derReserve Arthur Woltersdorff zu Lauban ist der Konkurs er-öffnet worden. Rittmeister Woltersdorff ist seit mehr als sechsWochen ins Ausland verreist. Noch vor wenigen Jahren warer Besitzer etnesVermögens von etwa 300 000 M.N y l> l e Passionen haben ihn zu gründe gerichtet. Unterden Gläubigern besindet sich auch die Stadtgemeinde Lauban,welcher das von Ä. gepachtete Vorwerk gehört. Im vorigenJahre noch wurde Herrn W. von den Stadtvätern 1000 M.von der Pachtsumme erlassen mit Rücksicht aus die„Roth derLandwirthschaft". gjittmeister Woltersdorsf war— so be-richten Laubaner Blätter— eine der Hauptstützen des„Bundesder Landwirthe". für den er namentlich im Frühjahr vorigenJahres in politischen und landwirthschastlichen Versammlungendurch Vorträge manche Lanze gebrochen hat und noch zurTivoliversammlung delegirt war. Charakteristisch ist geradeauch m diesem Falle, dast der Ruin nicht durch hohe Pacht.schlechte Ernte zc., sondern lediglich durch unverhältnist-mästigen Aufwand und schlechte Wirthschaftverursacht ist.— Der„abwesende" Arthur W. ist der ältesteSohn des Geheimen Kommissionsraths Arthur Woltersdorss.welcher ein großes Vermögen ererbt und dasselbe durch feineTheatersührung in Königsberg uud Berlin kolossal vermehrthatte.—„Nur lauasam voran". daS ist der Wahlspruchnusercr Sozialretorm-r, das sieht man nicht nur an derDurchführung der Sonntagsruhe, sondern auch an dermangelhasten Durchführung des Schutzes der Kinderarbeit,wie aus der folgenden Notiz hervorgeht:In kurzer Zeit werden zwei Vorschriftenkategorien derletzten Gewerbe-Ordnungs-Novelle endgiltig inKraft treten, und zwar diejenigen, welche sich aus die Kinderu n d a u f die jugendlichen Arbeiter beziehen.Was die Kinderarbeit betrifft, so hat bekanntlich die Gewerbe-Ordnungs-Novelle festgesetzt, daß schulpflichtige Kinder über-Haupt nicht in Fabriken beschäftigt werden dürfen. Imgrößten Theile Teutschlands wurden dadurch die Kinder biszum Ztlter von 14 Jakren, in einem kleinen, hauptsächlichwohl nur in Bayern, bis zum 13. Lebensjahre vonden Fabriken ausgeschlossen. Für die jugendlichen Ar-beiter, d. h. diejenigen zwischen 14 und 16 Jahren, wurden diePausen zwischen der zulässigen zehnstündigen Arbeitszeit neugeregelt. Jedoch wurde zur endgiltigen Einführung dieserNeuerungen, so weit bereits beschäftigte Kinder und jugend-licke Arbeiter in Betracht kamen, eine llcbergaugSzeit fest-gesetzt. Diese Uebergangszcit erreicht nun mit dem 31. Märzd. I. ihr Ende. Bis dahin ist es möglich, daß noch schul-Pflichtige Kinder in Fabriken und in Werkstätten, in weichendurch elementare Kraft bewegte Triebwerke zur Anwendunggelangen, beschäftigt werden."Vom I. April 1894 ab wirdkein schnlpflichtigcs Kind mehr in den Fabriken und inden bezeichneten Werkstätten zur Arbeit herangezogen werdendürfen.,Vertrauensadrcsse». Von den verschiedensten Seiten,aus dem Osten'wie aus dem Westen Deutschlands gehtuns die Mittheilung zu, daß eine Anzahl übereifrigerhöherer Postbeamten ihren ganzen Einfluß aufbieten,um die Postbeamten zur Unterzeichnung von Vertrauens-adresscn an den Staatssekretär der Reichspost Dr. Stephanzu bewegen. In den Zuschriften wird hervorgehoben, daßdie Angriffe ini Reichstag aus die Leitung der Reichspostder Grund sei für diese Unterschriftensammlung und daßdie meisten Postbeamten die ihnen vorgelegten Schriftstückeunterzeichneten, weil sie unterzeichnen müßten.Das letztere ist ja selbstverständlich, aber deshalb trauenwir auch Herrn Dr. Stephan zu, daß er klug genug seinwird, auf diese erzwungenen Unterschriften keinen Werth zulegen. Ein Berufen ans dieselben im Reichstage dürfte mithomerischem Gelächter aufgenommen werden.—Tas uationalliberale Reaktionsvolk benutzt dievorgestrige Bcschlußunsähigkeit des Reichstags abermals zueiner Hätz gegen den Parlamentarismus und einer Geschäfts-reklame für die BiLmarck'sche Blut- und Raubpolitik. Daßunter Bismarck der Besuch des Reichstags ein noch weitschlechterer war als jetzt, wo die Rcgierungsvertreter derBolksvertretung gegenüber doch wenigstens die Regeln desAnstandes wahren, das erwähnt die nationalliberale Preß-meute natürlich nicht. Ueber die Ursachen der häufigenBeschlnßnnfähigkeit des Reichstags haben wir. uns schon sooft ausgesprochen, daß eine Wiederholung nur vom Ucbelwäre. Bemerkt sei blos, daß das ebenfalls diätenlosc englische Parlament— im Durchschnitt noch schlechter besuchtist, als der Deutsche Reichstag.Wenn wir des nationalliberalen Gebelsers Erwähnungthun, so geschieht es nur, um an einem eklatanten Beispielevon neuem die Verkommenheit des deutschen Bürgerthumsfestzustellen. Der Parlanieutarismus ist doch recht eigentlichdie Regierungsform des Bürgerthums, das in allen anderenLändern auch zäh an ihm festhält. Das deutsche Bürger-thum hat dagegen in seiner Angst vor dem Sozialismus einenso großen Abscheu vor seinen eigenen„liberalen" Grund-sätzen bekommen, daß es dieselben längst über Bord ge-morsen hat, und sehr froh wäre, wenn irgend ein brutalerCondottieri, vom Kaliber eines Bismarck, den ganzenparlamentarischen Plunder den Grundsätzen nachwerfenwürde. In anderen Ländern hat das Bürgerthum Revo-lutionen gemacht, um sich den Parlamentarismus zu er-kämpfen— in Deutschland bettelt es das reaktionäre Junker-und Beamtenthum an, es von dem Parlamentarismus zuerlösen, der blos dem Gottseibeiuns von SozialdemokratieGelegenheit giebt, das Volk zu verführen und aufzu-reizen.—AuS dem hessische» Laudtag. Aus Darmstadt wird unsgeschrieben: Ter Gesetzgebungsausschust, welcher auch die Wahl-Prüfungen vorzuiiehmen hat, berielh vorige Woche über dieWahlen unseres Genossen Cramer, Wahlkreis Offenbach-Landund Orbig, Gießen-Land und beschloß am 21. Februar einstimmig,die beiden Wahlen für ungiltig zu erklären. Es unterliegt keinemZweifel, daß die Majorität der Kammer diesem Beschinsse bei-treten wird. Bei der stattfindenden Neuwahl wird allerdingseine wesentliche Verschiebung des Stimmenverhältnisses nicht ein«treten, da in Cremers Wahlkreis nur die Wahlmannerwahl inSprendlingen neu vorzunehmen ist, wodurch bestimmt vierWahlmänner, die jetzt der nationalliberalen Partei angehören,gewonnen werden dürften falls sich die deutschfrelsinnigen Wahl-männer, wie bei der letzten Wahl, der Abstimmung wiederumenthalten; geschieht dies, dann ist die Wahl Cremers gesichert,werfen sie sich dagegen aus die Seite der Nationalliberalen, dannwird dieser gewählt. In Orbigs Wahlkreis, Giesten-Land,soll zu Unrecht einem anitsemitischen Wahlmann aus demOrte Groß- Buseck, die Qualifikation als Wahlmannabgesprochen, und er demgemäß nicht zur Abgeordnetenwahl zu-zulassen sein. Wählen übrigens die Deutschfreisinnigen,um die Wahl eines Antisemiten zu verhindern, Orbig, so ist desLetzteren Wahl gesichert. Bekanntlich war in Gießen-Land derantisemitische Reichstags- Abgeordnete Köhler gewählt, wegenseiner Toppelwahl lehnte er Gießen-Land ab und bei der Neu-wähl erhielt unser Genosse Orbig das Mandat mit 2 StimmenMajorität. Wie auch die Kammer beschließt, auf alle Fällewerben wir unsere Pflicht thun» um die Sitze zurück zu erobern.«Der Abgeordnete Müller hat in der hessischen zweitenKammer folgende Interpellation eingereicht:„Ist der Regie-rung bekannt, daß der Kleesamen, welcher in den Nothstauds-gebieten verabreicht wurde, mit Hirsensamen gemischt war?Wurde derselbe in dieser Mischung von der landwirthschastlichenBehörde bestellt? Wenn nicht— beabsichtigt die Regierung dieLieferanten zur Rechenschast zu ziehen?"—Internationale Mastregeln gegen de» Anarchismusbeginnen sehr wahrscheinlich zu werden. Abmachungenzwischen England und Frankreich werden angebahnt, wiedie folgende Londoner Depesche beweist:Zwischen den Vertretern der französischen Polizei. diegegenwärtig in London weilen, und der englischen Polizei fandheute in Scotlanb Pard eine Konferenz statt betreffend dieUeberwachung der fremden Anarchisten in England und behufsEntveckung des Ortes, wo die Explosivstoffe hergestellt wordensinv.— Der Redakteur des„Pöre Peinard". Pouget, ist nachLondon gekommen, um hier die Herausgabe seines Blattes fort-zusetzen.Daß dies der erste Erfolg der Propaganda der Thatseil» werde, hätten sich die noch nicht ganz wahnwitzigenVertreter dieser Theorie, welche nicht blind sind für die. Wünsche der internationalen Reaktion, selbst sagen können.---Neber die Bomben-Epidemie äußert sich sehr ver-nlinftig ein Pariser Korrespondent der„Kreuz-Zeitung".Er schreibt in der heutigen Nummer:Die Hinrichtung Vaillants, die Verhaftung Henrys unddie neuesten Maßregeln gegen die Anarchisten scheinen diesenden Gedanken nahegelegt zu haben, den Beweis zu führen, daßdas alles nicht hilit, daß immer todesmnthige Kompagnonsübrig bleiben. Daher wohl die beiden mehr feigen, als todes-mulhigen Bombenhinterhalte, die sie der Polizei gelegt haben,wenn ich mich so ausdrücken darf. Ganz abgesehen davon, daßman Unglück hatte,— was würden diese Versuche, wenn siegeglückt wären, denn für die anarchistische Sache und derenendlichen Sieg beweisen? Es giebt so viel ansteckendeKrankheiten, die zumal in einer Großstadt drohen, daßdie Gefahr, beispielsweise am Typhus zust er den, hundert-, ja tausendmal größer ist,als die, von einer Bombe getödtet zu werden.Ich wiederhole es beständig: das w i r k l i ch G e f ä h r l i ch eist nicht das Bombenattentat an sich, sonderndie kindischeFurcht vor demselben. Im Augen-blick, wo man über derartige Schandthaten sokaltblütig zur Tagesordnung übergehen wird,wie über die nicht gerade seltenen Mord-anfülle auf den auswärtigen Boulevards,wird die Hauptgefahr beseitigt sein. Dieanarchistische Propaganda lebt von dem aber-gläubischen Schrecken, den sie ausübt. Es kommthinzu, daß das Publikum, je mehr es sich an diesen Bombenunfuggewöhnt, um so kaltblütiger und— wachsamersein wird. Es ist garnicht denkbar, daß Anarchisten in möbiirten Gastzimmern undsonstigen Räumen auf die Dauer ihre Sprenggeschosse an-fertigen können, ohne daß es die gewitzelt geworbenen Nach-barn und Wirthe merkte». Man malt sich die Zukunftschwärzer aus, als sie ist.Ohne die politische Fruktifizirung würde das, wasman heut unter Bomben-Attenlaten versteht, ein gemeinesVerbrechen sein, das nicht mehr Aufsehen machen� würde,als andere gemeine Verbrechen.—pKvlclnrenkKvisickxes.I» der Stempelsteuer-Kommissio» wurde der Theil desStenipelsteuer-Gesetzes, welcher die Besteuerung der Aktien,Renten und Schuldverschreibungen, der Kauf- und sonstigen An-schaffungsgeschäften sowie der Lotterieloose betrifft, in zweiterLesung beendet. Man hat den Rcgierungsentwurf über dieStempelsteuern in zwei Theile zerlegt und das. was man ge-wohnlich als Börsensteuer bezeichnet, mit einigen Abänderungenangenommen. Dieser Gesetzentwurf hatte viele Mitglieder desReichtages vor eine schwere Ausgabe gestellt. Sie hatten in derPresse, in Volksversammlungen und überall wo sich die Gelegen-heil dazu bot, verkünde; wir wollen der Börse schwereOpfer aufbürden. Das zustimmende Votum zur Militär-vorläge hatte man damit zu entschuldigen gesucht, daßdie Börse den Löwenantheil zahlen sollte. Es muß kräftigerzugegriffen werden, als die Regierung es vorschlägt, so schalltees aus den antisemitischen und konservativen Blättern. Manwußte, daß die Börsianer viel Geld im Sack haben und leichteinige Dutzend Millionen zahlen könnten, aber wie das Geld zuerlangen ist, das ist die schwierige Frage, welche auch die nichtgelöst haben, welche selbst noch bei ver ersten Lesung im Reichs«tage damit renomirten, daß die Börse bluten solle. Wie dasGefetz nun angenommen ist, bleibt es in der Hauptsache nur einDekorationsstück in dem Stenerbouquet, aber dce anderen Blumen,aus denen das Bouquet gebunden werden sollte, welken schon.Heute verkündete zwar der Staatssekretär des Reichsschatzamts.daß die verbündeten Regierungen daraus bestehen, daß alle neuenStenervorlagen in der Kommission durchberathen werden,aber die welkenden Blumen werden keine Früchte mehrtragen. Die nächste Sitzung der Kommisston findet amMontag, den 5. März statt. Bis dahin wird man übersehenkönnen, ob der Reichstag aufgelöst wird oder nicht. Die nochrückständigen Vorlagen, Quittungs- und Frachtbriefstempel,Tabakfabrikatsteuer und Weinsteuer biete» so viel Gelegenheitenfür Abgeordnete, sich zu blamiren und.ihre Wiederwahl in Fragezu stellen, daß sie schon aus diesem Grunde die Debatten so langeverzögern, bis man gewiß weiß, daß die Neuwahlen erst nachtahren stattstnden. Bevor man Sünden begeht, wollen dieeute wissen, ob daS Volk Zeit hat, sie zu vergessen.»Die WahlprüfungS- Kommission beschloß gestern, ohneDebatte, dem Reichstage die Giltigkeit der Wahl des AbgeordnetenHasse(Leipzig-Stadt) zu empfehlen. Gegen die Wahl lag einvon einem einzelnen Wähler ausgehender Protest vor. der sichdagegen wendet, daß die Leipzig einverleibten Vororte nach wievor mit dem Landkreis Leipzig stimmten. Da letzteres den Be-stimmungen des Wahlgesetzes entspricht, wurde der Protest fürunbegründet erklärt.«Ju der letzte» Sitzung der PetitionSkommission wurdeüber die bekannte Antisemiten-Petition, betreffend staatlichePrüfung der sogenannten„jüdischen Gehet mgesetze"(Talmud, Sckulchan-Aruch) verhandelt. Der Referent Abg.Frhr. von Langen wiederholte die im letzten Bericht er-wähnten Kraftstelle», die er durch Wiedergabe einiger andererUebersetzungs stellen noch zu ergänzen und zu bekräftigensuchte. Sein Votum ging dahin, die Petition dem Reichskanzlerzur Berücksichtigung zu überweisen, d. h. von Reichswegen diegewünschte Prüfung vorzunehmen. Der zur Berathung hinzu-gezogene Regierungs-Kommissar von Lenthe erklärte,daß das Reichs- Justizamt von der Existenz undWirkung solcher Geheimgesetze noch nicht das Ge-ringste gespürt habe, und zwar weder auf kriminellemnoch prwatrcchtlichei» Gebiet. Nur in einzelnen Ländernpflege man, wo es sich um Trennung rein jüdischer Ehen handele,lüdische Kultus- Sachverständige hinzuziehen. Der Regierungs-Kommissar hielt sonach die gewünschte Prüfung für ziel- uudzwecklos.— Der Korreferent Abg. V o g t h e r r wies an derHand reichhaltigen Materials nach, daß bei den etwa 170 Aus-gaben und ca. 2000 Mitarbeitern des Talmud von einer maß-gebenden Uebersetzung niemals die Rede sein könne. De» vomReferenten angeführten Stellen ließen sich ebensoviele gegenüber-stelle», die das Gegentheil jener aussprächen. Auch den Jesuitenwürden ähnliche Vorwürfe gemacht, uud diese stünden doch auf demBoden sogen, christlicher Moral! Die amtliche Kriminqlstatistikdes Deutschen Reichs spräche gerade in bezug auf die Vergehengegen das Eigenlhum zu Gunsten der Juden. Endlich sei dieHauptsache, daß die konfessionell berufene Vertretung der Judenin einer Erklärung von 218 deutschen Rabbinern einen. Aus-spruch des Talmuds, wonach das Staatsgesetz gilt, zu demihrige» machte.— In der folgenden Debatte wünschte u. A. derfreisinnige Abg. C a s s e l m a n», die Sache nicht allzu eingehendzu würdige» und namentlich eine Debatte darüber im Reichstagunter allen Umständen zu verhindern. Dem wurde namentlichvon sozialdemokratischer Seile mit dem Hinweis wider-sprachen, daß man eine solche Debatte keineswegs fürchte.Zum Beweis dessen stimmten auch die sozialdemokratischenAbgeordneten für Tagesordnung, deren Annahme eineBerlchterstattung und Debatte im Plenum zur Folge gehabthätte. Die Mehrheit erklärte jedoch die Petition fürungeeignet zur Erörterung im Plenum, wo-! durch die Petition als erledigt gilt.