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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.

Fernsprecher: Amt Morikplatz, Nr. 151 90-151 97.

Dienstag, den 20. Juli 1915.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplas, Nr. 151 90-151 97.

Die ganze russische Front erschüttert und zurückgedrängt.

Meldung des Großen Hauptquartiers.

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 19. Juli 1915.( 2. Z. B.)

Westlicher Kriegsschauplah.

In der Gegend von Souchez war nach verhältnis. mäßig ruhigem Verlauf des Tages die Gefechtstätigkeit nachts lebhafter. Ein französischer Angriff auf Souchez wurde abgeschlagen; Angriffsversuche südlich davon wurden, durch unser Feuer verhindert.

Auf der Front zwischen der Dise und den Argon. nen vielfach lebhafte Artillerie- und Minenkämpfe. Im Argonnerwalde schwache Angriffsversuche des Gegners ohne Bedeutung.

Auf den Ma a shöhen südwestlich von Les Eparges und an der Tranchée wurde mit wechselndem Erfolge weitergekämpft, unsere Truppen büßten kleine örtliche Vorteile, die am 17. d. M. errungen waren, wieder ein. Wir nahmen 3 Offiziere, 310 Mann gefangen.

Deftlicher Kriegsschauplatz. Deutsche   Truppen nahmen Tudum und Schiurt, Windau wurde befest.

In der Verfolgung des bei Alt- Auz geschlagenen Gegners erreichten wir gestern die Gegend von Hof­zumberge und nördlich. Westlich von Mitau   hält der Gegner eine vorbereitete Stellung.

Destlich von Popeljany und Kurschany wird gefämpft.

Zwischen Pisa   und Szkwa räumten die Russen ihre mehrfach von uns durchbrochenen Stellungen und zogen auf den Narew ab. Hier fechtende deutsche Re­serve- und Landwehrtruppen haben in den Kämpfen der letzten Tage in dem jeden feindlichen Widerstand be­günstigenden Wald- und Sumpfgelände Hervorragendes geleistet.

Die Armee des Generals v. Gallwit drang weiter vor. Sie steht jetzt mit allen Teilen an der Narewlinie südwestlich bon Ostrolenka- Nowo- Geor. giewsk. Wo die Russen nicht in ihren Befestigungen und Brückenkopfstellungen Schutz fanden, sind sie be. reits über den Narew zurüdgewichen. Die Zahl der Gefangenen hat sich auf 101 Offiziere, 28 760 Mann erhöht.

Auch in Polen   zwischen Weichsel   und Pilica  blieben die Russen im Abzuge nach Often.

Südöstlicher Kriegsschauplah.

Der am 17. Juli in der Gegend nordöstlich von Sienno von der Armee des Generalobersten v. Wohrsch geschlagene Feind versucht, in seinen vorbereiteten Stel­lungen hinter dem Jlzanka Abschnitt die Ver­folgung zum Stehen zu bringen; die feindlichen Vor­stellungen bei Ciepilow wurden von der tapferen schlesi­schen Landwehr bereits im Laufe des gestrigen Nach­mittags gestürmt; dieselben Truppen sind in der Nacht in die dahinterliegende feindliche Hauptstellung einge­drungen. Ebenso beginnt die feindliche Linie bei Ka sanow und Baranow zu wanken; die Entscheidung steht bevor.

Zwischen oberer Weichsel   und Bug dauerte der Kampf der unter dem Oberbefehl des Generalfeld­marschalls v. Mackensen stehenden verbündeten Armeen den ganzen Tag über in unverminderter Heftigkeit an. An der Durchbruchsstelle der deutschen   Truppen bei Pilaszkowice- Krasno sta w machten die Russen die verzweifeltsten Anstrengungen, die Niederlage abzu­wenden; eine ihrer Garde- Divisionen wurde frisch in den Kampf geworfen und von unseren Truppen geschlagen. Weiter östlich bis in die Gegend von Grabowiec er. zwangen österreichisch- ungarische und deutsche Truppen den Uebergang über die Wolica; bei und nördlich Sokal drangen österreichisch- ungarische Truppen über den Bug vor. Unter dem Zwange dieser Erfolge ist der Feind in der Nacht auf der ganzen Front zwischen Weichsel   und Bug zurüdgegangen; nur an der Durchbruchsstelle westlich von Krasnost a w ber­sucht er noch Widerstand zu leisten. Die Russen haben eine schwere Niederlage erlitten. Die deutschen   Truppen und das unter Befehl des Feldmarschalleutnants von Arz stehende Korps haben allein vom 16. bis 18. Juli

16 250 Gefangene gemacht und 23 Maschinen­gewehre erbeutet. Nach gefundenen schriftlichen Befehlen war die feindliche Heeresleitung entschlossen, ohne jede Rücksicht auf Verluste die nun von uns eroberten Stel­lungen bis zum Aeußersten zu halten.

Oberste Heeresleitung.

Der österreichische Generalstabsbericht.

Wien  , 19. Juli.  ( W. T. B.) Amtlich wird verlautbart: 19. Juli 1915, mittags:

Russischer Kriegsschauplas.

Die Offensive der Verbündeten in Polen   und Wolhh= nien wurde gestern fortgesetzt.

Westlich der Weichsel   wird an der Ilzanka gekämpft. Nordwestlich Jlza eroberten österreichisch- ungarische Truppen einige feindliche Stellungen, auf den Höhen westlich Kras. nostaw drangen die deutschen   Truppen unter schweren Kämpfen fiegreich vor. Zwischen Stierbieszow und Grabowiec bahnten sich im Anschluß an deutsche   Kräfte österreichisch- ungarische Regimenter in heißem, Ringen über die Wolica den Weg in die feindlichen Höhenstellungen. Dort fielen breitausend Gefangene in die Hände unserer tapferen Truppen. Nordöstlich und füdöstlich Sokal faßten nord­mährische, schlesische und westgalizische Landwehr nach wechsel­vollen Kämpfen am Ostufer des Bug festen Fuß. Unsere vom General   der Kavallerie Kirchbach   befehligten Kräfte machten hier zwölf Offisiere und eintaufend­fiebenhundert Mann zu Gefangenen und erbeus teten fünf Maschinengewehre.

Die Erfolge, die sonach die Verbündeten am 18. an ber ganzen Front errangen, erschütterten die Widerstandskraft des Feindes. Obwohl er in den letten Tagen alle erreichbaren Berstärkungen herangezogen hatte, vermochte er sich doch nicht mehr zu halten. Er trat in der Nacht vom 18. auf den 19. b. Monats an der ganzen Front den Rüdzug an und räumte das Schlachtfeld den fiegreichen verbündeten Heeren.

In Ogalizien blieb die Lage im allgemeinen unver­ändert. Nur abwärts 3 a les czcyki wählte der Gegner unsere Dnjestrfront abermals zum Ziele hartnäckiger Angriffe. Die Ruffen rüdten in sieben bis acht Gliedern vor: das erste war scheinbar unbewaffnet und erhob, als wollte es sich er­geben, die Hände. Der feindliche Angriff brach in unserem Feuer unter furchtbaren Berluften zusammen. Selbstverständ­lich wurde, wie es in Hinkunft unter ähnlichen Verhältnissen immer geschehen wird, auf die anscheinend unbewaffneten An­greifer geschoffen.

Südwestlicher Kriegsschauplak.

Im Gverzischen begannen gestern neue große Rämpfe. Zeitlich früh eröffnete die italienische Artillerie aller Kaliber gegen den Rand des Plateaus von Doberdo   und den Goerzer Brückenkopf das Feuer. Dieses steigerte sich mittags zur größten Heftigkeit. Sodann schritt sehr starte Infanterie zum Angriff auf den ganzen Plateaurand. In hartnäckigen, nachts über andauernden, vielfach zum Hand­gemenge führenden Kämpfen gelang es unseren Truppen, die Italiener, die stellenweise unsere vordersten Gräben erreichten, allenthalben zurückzuwerfen. Unsere Mörser brachten fünf schwere Batterien zum Schweigen. Heute morgen entbrannte ber Kampf aufs neue. Bereinzelte feindliche Vorstöße gegen den Goerzer Brückenkopf wurden gleichfalls abgewiesen. Auch am mittleren Isonzo  , im Krn- Gebiete und an der Kärntner   Grenze entfalteten die Italiener eine lebhafte Artillerietätigkeit, die teilweise auch nachts anhielt.

Im Tiroler Grenzgebiet wurde der Angriff meh­rerer Bataillone gegen unsere Höhenstellungen auf dem Eisen­reichkamm, der Pfannspiße und der Filmoorhöhe nordöstlich des Kreuzbergfattels abgeschlagen. In der Gegend von Schlu= berbach räumte eine eigene schwache Abteilung ihre vorge­schobene Stellung. In Südtirol   dauern die Geschütkämpfe fort. Besonderes Lob gebührt auch den braven Befagungen unferer Grenzforts, die in diesen Bollwerken jedem Feuer helbenmütig standhalten.

Südöstlicher Kriegsschauplatz.

Gestern früh erschienen vor Ragusa Vecchia und Gravosa zusammen acht italienische Kreuzer und zwölf Torpedoboote und eröffneten das Feuer gegen die Bahn, gegen den Bahnhof Gravosa, einige Ortschaften und gegen die Höhe bei Ragusa  - Becchia. Sie gaben insgesamt etwa tausend Schuß ab. Es wurden einige Privatgebäude leicht beschädigt. Menschenverlufte find nicht zu beklagen; auch Ber­wunbete gab es nicht.

Um 5 Uhr 45 Minuten früh erfolgte die bereits gemeldete Zorpebierung des Kreuzers Giuseppe Gari. balbi", worauf bas italienische Geschwader eilends unsere Rüftengewäffer verließ.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Soziale Arbeit und Frauen­wahlrecht.

Eine Genoffin schreibt uns:

Es gibt Frauen, die davon träumen, daß ihnen der Krieg die langersehnte politische Gleichberechtigung bringen werde, ohne daß sie weiter darum zu kämpfen brauchen. Sie berufen sich darauf, daß die deutschen   Frauen während des Krieges eine solche Fülle von Arbeit für das Allgemeinwohl geleistet haben, daß sie nicht unbelohnt bleiben dürfe. Der Lohn aber werde das Frauenwahlrecht, zum mindesten das kommunale Wahlrecht, sein.

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Wir glauben nicht daran, daß diese Frauen recht behalten werden und wir mahnen unsere Parteigenossinnen, sich nicht in Hoffnungsfreudigkeit zu wiegen, sondern daran zu denken, daß jedes Recht, das einen Wert hat, das uns vorwärts­bringen soll, errungen werden muß. Der Krieg hat uns vielleicht dem Wahlrecht näher gebracht insofern, als er den Frauengegnern viele ihrer ge­bräuchlichsten Argumente genommen hat, und bor allem, weil auch der uninteressiertesten Frau tlar ge­worden sein muß, wie dringend die weiblichen Staats­bürger politischen Einfluß brauchen, den sie nur durch das Wahlrecht ausüben können. Die Tatsache allein, daß ein Strieg bon so ungeheurer Wirkung, solcher Ausdehnung und mit fo schmerzlichen Verlusten in allen beteiligten Ländern entstehen fonnte, muß in den Frauen als den am stärksten Betroffenen den Willen auslösen, an der Verhinderung fünftiger Kriege mitzuwirken.

Aber denken wir selbst nicht an diese in das Gebiet der hohen Politik reichenden Fragen- auch die praktische Für­forgearbeit und die Einwirkungen des Krieges auf die von altersher als die ureigenste Interessensphäre der Frau aner­tannten Gebiete, auf Haus, Erziehung und Ernährung, lassen uns erkennen, wie machtlos wir den Dingen gegenüberstehen, wie wenig uns die energischsten Forderungen helfen, eben weil wir rechtlos sind.

Die Sozialdemokratinnen haben sich der kommunalen Hilfsarbeit zur Verfügung gestellt, und sie haben auch selbständig einzelne Gebiete bearbeitet. Was sie geleistet haben in andauernder, unermüdlicher Arbeit, und was viele von ihnen heute noch Tag für Tag für die Hilfsbedürftigen tun, darüber gibt uns eine Arbeit von Luise. Biez: Die sozialdemokratischen Frauen und der Krieg*) einen Ueberblick. Wir sehen, wie die Genossinnen fast überall mit den bürgerlichen Frauen gemeinsam in der Kriegshilfe der Kommunen arbeiten, und wie sie mit Erfolg versuchen, dort ihre Auffassung zur Geltung zu bringen, daß die Unterstützungen nicht als Wohl­taten angesehen werden müssen, sondern als ein Recht in An­spruch genommen werden können. Als selbständige Aktionen wurden in Berlin   die Beaufsichtigung und Beköstigung der Stinder organisiert, die leider nach einigen Monaten schon aufgegeben werden mußte, da die Stadt einen nochmaligen finanziellen Zuschuß verweigerte; und sodann die Kranken­und Wöchnerinnenfürsorge, an der sich zweihundert Genofsinnen beteiligten. So Wertvolles unsere Frauen sowohl hier wie als Leiterinnen als Leiterinnen und Helferinnen in den städtischen Kommissionen geleistet haben und noch leisten, immer kam doch der Punkt, am dem sie das Unzulängliche ihrer Tätigkeit erkannten, weil sie an den ent­scheidenden Stellen keinen Einfluß besaßen. Das kommt auch in der Broschüre von Quise Ziez deutlich zum Ausdruck. Hier und da klingt Bitterkeit durch, wenn sie erwähnt, wie die Petition der Helferinnen, die das Elend der Arbeitslosen in seinem ganzen Umfang kennen gelernt hatten, um durchgreifende Maßnahmen, wie die Forderung nach einer tatsächlichen Mutter­schaftsfürsorge für alle bedürftigen Mütter und nach der Fest­fegung niedriger Höchstpreise für die notwendigen Lebensmittel und nach ihrer Beschlagnahme, nur zu einem geringen Teil erfüllt wurden.

Die Mitarbeit der sozialdemokratischen Frauen hat zweifellos in vielen Einzelfällen Gutes zu wirken wermocht, sie hat manche unsoziale Handlung verhindert, und sie hat Tausenden von armen Frauen den Gang zu den städtischen Hilfsquellen erleichtert. Sie bertreten die Interessen der Bedürftigen mit größerer Energie, weil sie die Not und das Elend besser kennen als die meisten der bürgerlichen Leiterinnen und Helferinnen; aber das, was gewährt wird, sind und bleiben nur Nothilfen, targe Gaben; daran fann auch alle ihre aufopfernde Tätigkeit nichts ändern. Die Frauen haben durch ihre Arbeit einen Einblick in die städtischen Verwaltungszweige gewonnen, und ficher ist in vielen die Erkenntnis gefestigt worden, daß die

Luise Bieß, Die sozialdemokratischen Frauen und der Krieg. Ergänzungsheft Nr. 21 zur Neuen Zeit". Berlag J. H. W. Dies Nachf., Stuttgart  . Es wäre zu begrüßen, wenn von dem Heft eine billige Agitationsausgabe erscheinen würde.

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