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Nr. 200. 32. Jehrgaag.

Sfiliijt des Jütmitls" Intet I0IWI11N.

Dsullerstag, 22. Juli 1915,

Regierung unö kohlenspnöikat. Von Otto H u e. Nun stehsn wir vor dem seit Jahren von den verschiedensten Seiten aus entgegengesetzten Eriinsen gefordertenEingriff der Negierung" in das montanindustrielle Syndikatswesen. Wie ist die BundeSratsverordnung betr. die Zwangssyndizierung im Stein- und Braunkohlenbergbau jjunachst vom national-wirtschaftlichen, dann vom speziellen Standpunkt der Wahrung der Slrbeiterinter essen zu bewerten? Meines Erachtens ubersieht ein in einer Anzahl unserer Parteiblätter abgedruckter Korrespondenzartikel..Kohle und Krieg" einige sehr wesentliche Umstände bei seiner verhältnismäßig günsti- gen Beurteilung der Bundesratsverordnung. Man soll sich doch nicht täuschen lassen durch die ablehnende Haltung gewisser Börsen- blätter. Diesen hat es schon das den Landeszentralbehörden ein- geräumte..Aufsichtsrecht" angetan, von dem indessen die Handels- zeitung desBerliner Tageblatts" skeptisch schreibt, es" komme darauf an.in welchem Geiste" es gehandhabt würde. Charakteristisch für die Tendenz der Bundesratsverordnung ist das ungeschminkte Eingeständnis solcher den Wertssyndikaten trouhelfendcn Blätter wie diePost", dieRheinisch-Westfälische Zeitung", die..Bergwerkszeitung" usw.: Die Regierung be- zw ecke durch ihre Verordnung, das durch innere Schwierigkeiten und Erstarken der Außenseiter bedrohte rhcinisch-we st sälische K'ohlensyndikat zu erhalten! Der angedrohte Zwang sollte demnach die widerstrebenden Elemente veranlassen, sich nochrechtzeitig"<bis 1. Oktober) zu einigen. Diese Absicht läßt sogar der amtlich in- sdirierte Kommentar dcs Wolff-Bureaus zu der Verordnung erkennen? und weiter vergesse man nicht, daß Syndikatsblätter selber(schon vor dem Kriege) das Eingreifen des sonst gerade von dieser Seite verpöntenVater Staat" z u g u n st e n der Syndikatsbefestigung angekündigt haben. Im No- vcmber 1914 forderte dieBergwerkSzeitung" die Regierung kate- gorisch auf, die Förderung der Nichtsyndikatszcchen mit einer Sonder st euer zu belegen! Mit diesen Feststellungen stehen die gegen die Bundesrats- Verordnung gerichteten Auslassungen des Herrn Geh. Kommerzien- rats Emil Kirdorf keineswegs im Widerspruch. Denn für ihn ist jedes Eingreifen des Staatesin die Industrie" ein�ver bängnisvoller Präzedenzfall", den dieindustrieseindlichen Staats sozialisten" zu weiteren Forderungen ausnützen können. Selbst einem staatlichen Eingriffin die Industrie", der den Industrie- berren nützt, wird Herr Kirdorf der Konsequenzen halber mit gemischten Gefühlen gegenüberstehen. Er weiß genau, was er will. Ist die Bundesratsverordnung aus den Gründen, die offiziell und unosfiziell angegeben sind, unumgänglich nötig? Ich bin der Ueberzeugung, daß die Regierung tief aufatmet, wenn die Bundes- ratsvcrordnung nicht zur Anwendung zu kommen braucht, was vor- aussichtlich der Fall sein wird. Dann aber ist eine privat- kapitalistische Syndizierung von nie zuvor er- rcichtcr Geschlossenheit zustande gekommen I Wer diese Situation genau kennt, der muß die Bundesratsverordnung vom 14. Juli 1315 volkswirtschaftlich auf eine Stufe stellen mit der sogenanntenLex Ganip", welche äußerlich betrachtet der privatkapitalistischen Monopolisierung des preußischen Bergbaues einen Riegel vorschob, tatsächlich ihr aber einen großen Vorschub leistete! Womit natürlich nicht gesagt sein soll, daß die Befürworter derLex Gamp" und die Verfasser der in Rede stehenden Lundesratsverordnung im Einvernehmen oder gar im Auftrag der Monopolisten gehandelt hätten. Nein, die Ent- Wickelung in unserem Bergbau ist in der Richtung der privat-wirt- schaftlichen Kapitalskonzentration so weit gediehen, daß sie nur noch - durch eine Nationalisierung der Bergwerksförderung abgeschnitten werden kann. Was für ein nationales Bedürfnis liegt vor, ausgerechnet 97 Proz. der Gesamtförderung eines Bezirks als Mindestmaß für die Gestattungfreiwilliger" Syndizierung feitzusetzen? DaS rhei- ni'ch-tvestfälische Koblensyndikat kontrollierte 1914 nur noch 86.48 Prozent(1904: 98,28 Proz.) der Bezirkskohlenförderung. Dieser Rückgang kam den Nichtsyndikatszechen zugute, an deren Spitze 1914 mit 4,57 Proz. der totalen Bezirksförderung die nord-west- fältschen Staatsgrnben standen. Wie bereits vor Monaten mitgeteilt worden ist, haben damals schon die jetzigen Syndikats- zechen mit wenig Ausnahmen den neuen Vertrag(der jetzige läuft am 31. Dezember 1915 ab) unterschrieben. Dissereuzen bestehen innerhalb des Syndikats wegen der Beteiligungsquoten und den 1903 statuierten, zumKreuz" für das Syndikat gewordenen Vor- rechten der Hüttenzechen(Freigabe des Selbjtverbraiichs� usw.)... Was in aller Welt geht es denStaqt" an, ob sich die Syndikats- leute unter sich über ihre Sonderinteressen einigen oder nicht, wenn die B.R.V. weiter nichts bezweckt als, was freilich durchaus nötig ist, zunächst die Kohlen-, Koks- und Brikett-, sowie die Neben- produktionslieferungen für die Landesverteidigung, dann für den Privatverbrauch sicherzustellen? Eine Bedarfs-Sicherstellmig ist ja ohne ZwongSsyndizierung der Landwirtschaft und der sonstigen Produzenten für den Massenverbrauch gelungen durch Beschlag- nähme der nötigen Mengen und teilweiser Preisnormierung. Der Kahlenbergbau aber ist, selb st dann noch, wenn das we st deutsche Syndikat auf fchmalererals seiner gegenwärtigen Grundlage zustande käme. so konzentriert in relativ wenigHänden", die bei weitem ausschlaggebenden niedcrrhcinisch- we st fältschen Zechen haben sich durch Fusionie­rung und Jnieressengemei n schatten mit den be- deutend st en Handelsgesellschaften(außerhalb des Syndikats!) bereits s o g» t ans eine s y n d i k a t s- loseZeiteingerichtct.datzauchdaiineinc« t o ck u n g der Kahlenlieserung nicht zu befürchten ist! Eben dieseRückendeckung", an welcher hervorragend die«nragiertesten Syndikatsvertreter beteiligt sind, ist es ja gleichfalls, die, außer der noch viel bedeutsameren Bildung gewaltigergemischter Werkskonzerne" den Boden des Syndikats gründlich unterminiert hat. Schrieb doch dieRheinisch-Westfälische Zeitung" bereits im Herbst 1908, derGlaube an die alleinseligmacbenden Syndikate" seiauch in der Industrie in der Abnahme begriffen"; nicht mehr ferne" scheine die Zeit zu sein,in der eine neue Wirr» schaftsordnung an ihre Stelle tritt. Die vier Grundpfeiler dazu: Gelsenkirchen . Phönix . Krupp und Thyssen(Hauptrepräsentanten der �t r u st- artigen Werkskonzerne) sind schon aufgetürmt!" lind nun soll die Bundesratsverordnung dieser durch die stärk­sten Syndikatsgenossen selbst am meisten geförderten Entwickelung m den Arm fallen, nun soll derVater Staat" ein lückenloses Kohleiisyndikal schassen, obschon der offiziell angegebene Zweck der Bundesratsverordnung durch die eventuelle Beschlagnahme der nötigen Fördermengen und durch die Festsetzung von Höchstpreiscit für den Verkauf ab Zeche, für den Groß- und Kleinhandel erreicht werden kann. Eine Beschlagnahme würde aber gar nicht nötig seiii, denn die mineralischen Brennstoffe sind keine Stapelware wie Brotfrüchte und Kartoffeln und für den ganz unwahrscheinlichen Fall der Betriebsverweigerung hat schon daS Berggesetz Zwangs Maßregel n vorgesehen. Man muß ferner bedenken, daß das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat bereits längst�init den bedeutendsten Nichtsyndikats­zechen, abgesehen von den staatSgruben, Abmachungen gelroffeii bat. wonach das Syndikat auch den Verkauf der syndikatssreien Förderung wesentlich vcllzicbt! Ten Staatsgruben ist durch die BundeSratsverordnung das Recht des unmittelbaren Verkaufs an

Verwaltung?- und Betriebsstellen des Reichs und der Bundes- staaten eingeräumt, ohne Einschränkung hinsichtlich der Mengen und der Preise. DaS ist gut. Infolgedessen hat aber auch der Einschluß der Staatszechen in ein Zwangs syndikat für dieses keinen sonderlichen Wert mehr, und um so deutlicher tritt die Tendenz der BundeSratsverordnung hervor, den Privatzechen- be sitzern zu einem stärkeren Berkaufsverband als ti�e ihn jetzt besitzen, zu verhelfen. Hat der Vater Staat" ein vitales Interesse an der noch stärkeren Syndi- zierung eim.!. Jnteressentengruppe, über deren antisoziales Ge- baren allerhand sogar in offiziösen Aktenstücken nachzu- lesen ist?I Weil die Bundesratsverardnung allzu zag­haft in der Sicherung der Allgemeintnteressen gegenüber einem Gruppeninteresse ist, weil sie faktisch den privatkapitalistischen Monopolis- m u s fördert, darum muß der Reichstag ver- holen, was die Bundesratsverordnung ver- säumt hat. Bietet etwa die Klausel betr. die Beanstandung von Be- schlüssen, die das öffentliche Interesse verletzten(§ 7 der Bundes- ratsverordnung), hinreichende Sicherheit gegen Preistreibereien? Leider muß ich sagen, bei aller Anerkennung des arbeitersreund- liehen Entgegenkommens des preußischen Herrn Han- d e l s m i n i st e r s(auf dessen Initiative, wie dieRhein.-Wests. Zeitung" versichert, die Bundesratsverordnung zurückzuführen ist) während seiner Verhandlungen mit uns Arbeitervertretern mußte ich wiederholt wahrnehmen, daß hervorragende Vertreter des eigentlichen Bergbauressorts im Handelsministerium sich meist im völligen Einklang mit den syndizierten Privatgrubenbesitzern hinsichtlich ihrer Beurteilung der Verzinsungsrate des Bergwerks- kapitals befanden. Leicht verständlich, wenn man weiß, daß von pnvat-wirtschastlichcr Seite die fiskalische Zecycnverwaliung seit Jahren gedrängt wird,, die Staatsgrubennach kausmännischen Grundsätzen" zu leiten, das heißt sie sollen eine möglichst hohe Rente abwerfen. Den guten Grundsatz, die Staatsgruben müßten mehr sozial-wirtschastliche Rücksichten auf Verbraucher und Ar- dettcr nehmen, bekämpften die privat-wirtschastlichen Interessen entschieden. Ich erinnere in dieser Hinsicht nur an die einschlägt- gen Landtagsverhandlungen. So eigneten sich mit der Zeit auch Fiskalvertretcr die Ansichten der Syndikatsleutc über dienor- male Rentabilität des Grubenbetriebes" an; sie mochten doch nicht als unfähige oder lässige Kaufleute gelten. Darum kann ich läng st nicht so großen Wert auf das in der Bun- desratsverordnung ausgesprocheneEinspruchs- recht der Landeszentralbehörde" legen wie der Ver- fasser des ArtikelsKohle und Krieg". Man mutz eben doch das in Betracht kommendeMilieu" in Rechnung stellen. UeberdicS hat die Regierung schon auf Grund des Gesetzes vom 4. August 1914 das Recht, auch für die Bcrgwertsprodukte Höchst- preise vorzuschreiben, wovon aber trotz verschiedener enormer Preissteigerungen noch kein Gebrauch gemacht worden ist. Wie ich nun schließlich vom Standpunkt des Arbeiters die Tendenz der BundesratSverordinmg als eine sozialpolitisch wrtschrittlichc akzeptieren könnte, soll mir erst jemand nachweisen. Fehlt es doch in der Verordnung an jeder Best im- mung, die auch die Stellung des Bergwerks- arbcitcrs bzw. seiner Gewerkschaft gegenüber dem angestrebten mächtigeren Werkssyndikat verstärkt. Nicht einmal in dem Beirat(ij 7), der vor dem Entscheid der Landeszentralbehörde über Beanstandung von Syndi- latsbeschlüssen zuhören" wäre, sind Arbeitervertreter vorgesehen! Was die nach wie vör auf eine Verständigung mit den syndizierten W e r k s v e r t re t e r n.bedachten Ver- treter der gewerkschaftlichen Bergarbeiterverbände� sselbst wähvend des gegenwärtigenBurgfriedens" erlebt haben, dürste keiner von uns eine weitere Verstärkung der Syndikatsmacht wünschen lassen; allermindestens nicht ohne eine zweifclsfreie Garantie der Anerkennung der Arbettergewerk- s lb a f t e n. Die BundeSratsverordnung schweigt sich hier aber völlig aus! In seinennational-ökonomischen Studien", Abteilung Stein- kohlenbergbau. schreibt Dr. Oskar Stil lrch über die Einwirkung des Rheinisch-westfälischen Kohlensyndikats auf das Verhältnis des Arbeiterlohnes zum Betriebsgewinn: Die wichtig st e Wirkung des Syndikats auf dieHibernia" war eine bedeutende Steigerung des llnternehmergewinns.... Das Lohnein- kommen der Arbeiter steht in einem unange- messenen Verhältnis zu dem arbeitslosen Ein- kommen der Aktionäre. Der Lohn ist zu niedrig, die Dividende zu hoch!" Mit der Anführung dieses Urteils eines keineswegsinhustrie- feindlichen" bürgerlichen sazialsorschers über die Nutzweisen der Syndikatsgebarung möchte ich mich begnügen und nur ergänzen, daßHibernia" nicht die schlechtesten Arbeiterlöhne zahlt. Wer noch an den Ernst des Widerstrebens der syndilatsapo- logeten gegen die Bundesratsverordnung glaubt, dem möchte ich mitteilen, daß nun schon, wo sie eben publiziert ist, sich die In- dustriellen im rheinisch-westfälischen Zement- syndikat anmelden und gleichfalls eine Art Zwangssyndtzie- rung vomVater Staat" fordern! Auch in der Zementindustrie, hier aber Wohl am ungeheuerlichsten, hat die sinnloseste PreiShoch- haltyng des Syndikats eine hypotrophische Ileberproduition, Ent- stehung zahlreicher Außenseiter und damit einen SyndikatsmaraZ- mus bewirkt. Der soll nun durch eine S o n d e r b e st e u c r u n g der autzersyndikatlichen Erzeugung beseitigt werden; die Regierung wird freundlichst eingeladen, eine Steuer von 50 Pf. auf pro Tonne Syndikatszement und eine, dr e i s a ch höhere Steuer auf Außensciterzement zu erheben. Ja,man" ist sogar bereit, der Re- gierungein gewisses Einspruchs- oder Mitbestimmungsrecht bei der Preissestsetzung" einzuräumenl So zu lesen in derBerg- Werkszeitung" vom 16. Juli. lind was daS Bezeichnendste ist, dieses Blatt, welches die Kohlenzechenbesitzer beschwört, dem Zwangssyndikat" zuvorzukommen durch rasche Erneuerung des slindikatSvertrages. empfiehlt nun demReichsfiskus" die Sonder- besteucrung des syndilatssreien Zements. Unkel Bräsig würde sagen:Nachtigall, ick hör dir laufen!"

politische Ueberftcht. Keine(Seschichtsklitterung. Einige Parteizeitungen veröffentlichen einen Artikel über das geplante dcutsch-österreichische Wirtschaftsbündnis, in dem eS heißt: So weit also ein deutsch -ö st er reicht scher Wirtschaftsbund von vornherein den Kampf gegen andere Länder in sich schließen soll, müßte die Sozialdemokratie ihn bekämpfen. Indessen wird sie dabei nicht vergessen dürfen, daß diese inögkichs Kanipsstelluiig des Bundes ja nicht von Oesterreich-Ungarn und Deutschland allein abhängt, sondern ebenso sehr davon, wie sich die anderen Länder der Weltwirtschaft und besonders unsere jetzigen Feinde zu einem solchen Bunde in der Zeit nach dem Kriege stellen werden. In dieser Hinsicht mutz man die Bestrebungen beachten, die gegenwärtig besonder? in Frankreich ihr Unwesen treiben und in einem Artikel des bekannten französischen National- ötonomen T h s r y ihre» klarsten Ausdruck gefunden haben

und in England bereits sehr lebhast unterstützt werden. Diese französisch-englischen Bestrebungen gehen dahin, Deutschland und Oesterreich-Ungarn jetzt während des Krieges vom Weltmarlt, so weit er überhaupt noch für sie existiert, mit ollen Mitteln der Gewalt ganz vollständig abzuschließen und für die Zeit nach dem Kriege auch nach Möglichkeit zu isolieren. Wenn diese Absichten jetzt und später Wirklichkeit werden sollten, so wird kein billig denkenver Mensch etwas dagegen ein- wenden können, daß die Zentralmächte sich gegen den Vierverband kräftig wehren und im Kampf hart gegen harr setzen. Wir haben aber die Hoffnung, daß. wenn auch schon jetzt hüben wie drüben nach einem solchen Wirlschaftskampf Much für die Zeit nach dem Kriege geschrien und agitiert wird, die wirtschaftlichen Notwendig- leiten, die nicht auf Kampf, sondern auf Verkehr und Verbindung drängen, die Stärkeren sein werden." Sehr zu Recht wird ein offensives Zollbündnis ab- gelehnt. Der geplante deutsch -österreichisch-ungarische Zollbund trägt aber, wie er von dem Deutsch -österreichisch-ungarischen WirtschaftSvcrein vorgeschlagen worden ist. höchst offen- siven Charakter. Er will durch den Ausschluß von dem Mitgenuß an den vielen von Deutschland Oesterreich- Ungarn gewährten Vorteilen nach dem Rechte der Meist- begünstigung die feindlichen Staaten zu großen Zugeständnissen zwingen. Das wäre an sich sehr hübsch, wenn nicht die Aussicht auf denZwang zum Abschluß eines ungünstigen Handelsvertrages unsere Feinde zum äußersten Widerstande ausstacheln und die Neutralen vor Deutschlands Plänen tn Furcht jagen würde. Da aber England, Frankreich , Rußland und Italien handelspolitisch widerstandsfähig sind, so werden sie sich amff dieses kühnen Vorstoßes zu erwehren wissen. Das einzige mögliche Resultat kann nur eine allgemeine zollpolitische Auf- rüstung sein. Ueber ihre überaus große Schädlichkeit wäre jedes Wort zu viel. Aber sind die Vierverbandsmächte nicht die Angreifer? Nach dem zitierten Artikel möchte es so scheinen. Darum lohnt sich zur Verhütung jedes Mißverständnisses die Fest- stellung, daß Thery seine Vorschläge imMatin" am 17. Juli gemacht hat, daß aber die Tagung, auf der der Deutsch - österreichisch- ungarische Wirtschaftsverein seinen Angriffsplan entworfen hat, Ende Juni stattgefunden hat. Zwei natürliche Umstände legen den Zentralmächten die Führerschaft auf diesem Wege nahe: die Nachbarschaft und die innige politische Verschmelzung. Der Vierverband ist viel weniger kongruent und kann, allen ausschweifenden Phantasien zum Trotz, nur durch einen starken Druck von außen zu einer handelspolitischen Einheit werden. Die österreichische Regierung hat imFremden blatt" den Propagandisten des Wirtschaftsbündnisse:- abgewinkt vielleicht aus Motiven, die nicht die unseren sind. DasBerliner Tageblatt" kündigt in recht unfreundlichem Tone an, daß die Abweisung die Förderer der Bündnisbestrebungen nicht genieren wird. Es handelt sich eben nicht um die Festigung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn das kann nur ein Nebenergebnis sein, sondern um ein handelspolitisches Kampfmittel, das Deutschlands Feinde treffen soll, das aber am Ende Deutschland selbst am schwersten treffen würden

Einer, der nicht umlernen will! Die.Rheinisch-Westfälische Zeitung" gibt in ihrer Nr. 561 (20. Juli)einem we st sälischen Abgeordneten" das Wort zu einer Auslassung über das Umlernen. Der Verfasser verlang!. daß die andern umlernen, das heißt: sich mit allen Unzulänglich- leiten für alle Zeiten absinken. Man lese: Umlernen mutz, wer vor dem Kriege das Ziel des Strebens in grundlegenden Aenderungen der Verfassung und Verwaltung des deutschen Voltes suchte und an Aenderungen der Form de: öffentlichen Lebens einen ausschlaggebenden Einfluß auf dessen Fruchtbarkeit erwartete. Ihn muß der Weltkrieg lehreu, daß die überlieferten Formen und Machtabgrenzungen zwischen den im Staatsleben wirlenden Kräften sich der gewaltigsten aller Auf- gaben g e w a ch s e n gezeigt haben, daß die Erschütterung der Grundfesten des deutschen Verfassungslebens durch den Kamp! um neue Formen eine Verantwortung für die Zutun): schaffen würde, die kein G o w r s s e n h a�f t c r t r a g e n I a n n lind dennoch wird heute von dieser Seite unvermindert du. Mahnung zum Umlernen erhoben, mit der Behauptung, daß ver­diente Dankbarkeit und verdientes Vertrauen dem deutschen Volke einen Anspruch auf die Demokratisierung der Ver- f a s s u n g und die Einführung des Parlamentarismus gewähren. Solche Ausführungen überraschen uns nicht; wir wissen, daß die Fuhrmann, Vorster, Zedlitz und ihresgleichen nach dem Kriege genau so über Volksrechte und ähnliche Dinge denken werden wie vorher. Das sparsame Reichsschatzamt. Bei den letzten Beratungen der Budgetkommission des Reichstags war von sozialdemokratischer Seite angeregt worden, den in den Lazaretten liegenden oder in Kurorten befindlichen kranken oder verwundeten Kriegsteilnehmern statt der niedrigen Krankenlöhnung die volle Löhnung zu bezahlen. Begründet wurde dieser Wunsch damit, daß viele Soldaten in Kurorte geschickt werden, Ivo eine Krankenlöhnung von zehn Pfennigen pro Tag als absolut unzureichend bezeichnet werden muß. Wie wir erfahren, hat das Kriegsministerium die Not- wcndigkcit der Gewährung der vollen Kriegslöhnung an solche Mannschaften anerkannt und dies dem Reichsschatzamt gegenüber auch ausdrücklich betont. Tie Zustimmung des Reichsschatzamts zur Abänderung der jetzigen Bestimmungen steht jedoch noch aus. Den Spar- samkeitssinn des neuen Reichsschatzsekretärs in ollen Ehren, aber es geht durchaus nicht an, daß diese Sparsamkeit am falschen Ort und am ungeeigneten Objekt geübt wird. Wenn der Reichsschatzsekretär nennenswerte Ersparnisse machen will. so dürfte ihm ein Studium der KriegsbesoldungLordnung recht beachtenswerte Fingerzeige geben. Auf keinen Fall aber darf an den kranken oder verivundeten Soldaten gespart werden. Vielleicht entschließt sich der Reichsschatzsekretär doch, in den allernächsten Tagen der Oeffcntlichkeit Mitteilung darüber zu- kommen zu lassen, wie er sich diesem Wunsch des Reichtags und des Kriegsministeriums gegenüber zu verhalten gedenkt.

Sozialdemokratie und Lebeusmittelwucher. Zu den Blättern, denen der Aufruf des Parteivorstande: und der Generalkommission gegen den Lebensmittelwuchei Unbehagen verursacht hat, gehört auch dieK ö l n i s ch e