Keiner der zitierten Publizisten gibt ein Mittel zur Lösung der Finanzprobleme, die durch den Krieg aktueller denn je werden. Phillipovich macht überhaupt keine konkreten Vorschläge, und die beiden Prager Meissel und Spiethoff er- hoffen sich durch Ersparungen und Steuererhöhungen, die sie im Gegensatz zu Phillipovich in bescheidenem Umfang mög- lich halten, für Oesterreich eine Summe von 550 Millionen Kronen, wovon 220 Millionen Kronen zur Deckung des De- fizits im Friedensetat abgezogen werden müssen. Berechnet man nach den sehr niedrigen Angaben von Professor Dr. Julius Wolfs die Kriegskosten für Oesterreich bei einer Kricgsdauer von einem Jahr auf 7,20 Milliarden,*) dw Sach- schaden durch die Invasion auf 5 Milliarden Mark, so ergibt sich, abgesehen von der Einbuße am Volksvermögen und Volkseinkommen, ein unmittelbares Kriegserfordernis von 12,5 Milliarden Mark oder rund 15 Milliarden Kronen. Bei einer effektiven Verzinsung von 6 Proz. verlangt der Schuldendienst 900 Millionen Kronen, wovon nach der Quote ungefähr 580 Millionen Kronen auf Oesterreich entfallen. Da aber dieses nach der sehr optimistischen Rechnung von Meissel und Spiethoff nur 550 Millionen jtronen aufbringen kann und von dieser Summe noch ein Friedensdefizit von 220 Mil- lionen Kronen zu decken ist, bleibt ein Fehlbetrag von rund 300 Millionen Kronen. Damit sind die Staatserfordernisse aber noch wicht erschöpft. Nicht allein die Kriegführung kostet, sondern auch die Umwandlung der Kriegs- in die Friedens- Wirtschaft: Das Retablissement von Heer und Marine, die *) Der Reichstagsabgeordnete und Direktor des Reichsverbandes ungarischer Finanzinstitute Dr. Elemer Hantes gibt die Kosten des ersten Kriegsjahres im„Bankarchiv" mit gutem Recht erheblich höher an als wir, nämlich mit 10,98 Milliarden Kronen oder rund 9 Milliarden Mark, worin aber die Unterstützung der Familienmitglieder der Soldaten nicht einbegriffen ist.
Wiederauffüllung der Vorräte an Munition und Proviant, der Ersatz zerstörter Befestigungen und versenkter Kriegs- schiffe, die Wiederherstellung der Staatsbahnen, insbesondere ihres Fuhrparks, die Fürsorge für die versorgungsberechtigten Kpiegsinvaliden und die Hinterbliebenen von Kriegsteil- nehmern, die außerordentlichen Deckungsmittel zur Balancie- rung des Reichshaushalts in der Kriegszeit, teilweiser Ersatz der von Ländern und Gemeinden geleisteten Kriegsfürsorge, die Wiedereinrichtung der zu Lazaretten und für andere Kriegszwecke gebrauchten öffentlichen Gebäude, und so fort. Die Kenntnis Oesterreich-Ungarns ist in Deutschland be- dauerlich gering. Die österreichischen Publizisten werden ein gutes Werk mit der Darlegung konkreter Vorschläge über die Deckung der Kriegskosten tun. Denn im wesentlichen wird sich Oesterreich-Ungarn selbst helfen müssen. Schon in Deutsch - land ist die Verwandlung von produktivem Kapital in Rentenkapital groß genug, die Befürchtung vor einer langen, Handel und Gewerbe einschnürenden, die Arbeitslosigkeit mehrenden Geldteuerung zu rechtfertigen. Deutschland kann zur Not nach Oesterreich-Ungarn Kapital exportieren, das dort produktiv angewandt wird, aber es kann keine oder nur wenige österreichische und ungarische Schuldtitel kaufen. Alle Arbeit muß darauf gerichtet sein, die inländische Wirtschaft zu intensivieren, die Kapitalanlage in Deutschland zu fördern und so die nach Kriegsschluß drohende Arbeitslosigkeit einzu- schränken. Wenn Teutschland trotzdem Geld nach Oesterreich- Ungarn leiht, so kann dies nur gegen Erstellung eines guten Pfandes geschehen, eines Pfandes, das im wesentlichen in einer solchen staatlichen Organisation besteht, die das Maxi mum politischer und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ver bürgt. Aber über alledem steht der kategorische Imperativ, daß durch solche Kapitalanlagen die politische Bewegungs- freiheit Deutschlands nicht eingeschränkt werden darf.—
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Die Mrgonnenkämpfe vom 20. Juni bis 2. Juli. l. Aus dem Großen Hauptquartier wird uns ge- schrieben: Unter geschickter Ausnutzung des unwegsamen Argonnen - Waldgebirges war es den Franzosen Ende September gelungen, starke Kräfte wie einen Keil zwischen die westlich und östlich der Argonnen kämpfenden deutschen Truppen zu treiben. Gleichzeitig von Montblainville und Varennes aus östlicher Richtung und von Nordwesten über Binarville drangen die Deutschen in die Wälder ein. Den geringsten Widerstand fanden die Teile, die an der Straße Varennes-Le Four de Paris durch die Osthälfte der Ar- gönnen vorgingen. Hier gelang es schnell, die Franzosen bis an das Tal der Biesme bei Four de Paris zurückzuwerfen. Um den Rest des Keils in den westlichen Argonnen zu beseitigen, mußte die über das Moreau-Tal-Bagatelle-Pavillon-St. Hubert-Pavillon vorgebogene Stellung eingedrückt werden. Die beiden genannten Pavillons wurden nach einigen Tagen weggenommen. Dann aber kostete es Wochen und Monate der erbittertsten und blutigste» Nahkämpfe, um die Franzosen Schritt für Schritt und Graben für Graben zurückzudrängen. Es vergingen in den Winter- monaten keine acht Tage, ohne daß irgendwo dem Feinde ein Graben, ein Blockhaus oder ein Stützpunkt entriffen wurde, bald von kleinen Pionier- und Jnfanterieabteilungen, bald von größeren Verbänden bis zu Brigaden und Divisionen. Während die Franzosen sich mit zäher,' unermüdlicher Widerstandskraft immer wieder an jedes kleine Grabenstück und Postenloch klammerten, benutzten sie die so gewonnene Zeit, um sich hinter ihrer Front als neuen Rückhalt eine Reihe von Stützpunkten zu schaffen, die sie mit allen Mitteln moderner Feldbefestigungskunst ausbauten. Im Dezember hatten die von Osten vordringenden Truppen den Rand des tief eingeschnittenen Charme-Bachtales erreicht. Bald darauf, am 29. Januar, stürmten württembergische Regimenter drei starke, hintereinanderliegende französische Stellungen südlich von Moreau-Tales. So waren die Deutschen von beiden Seiten vor der Linie der neuen feindlichen Befesti- gungen angekommen. Auf dem Höhenrücken, der sich aus der Gegend des Bagatelle-Pavillons nach Westen über den Argonnen- rand bis nach Servon hinzieht, lagen die befestigten Werke Laborderc, Martin, Central, Cimetiere und Bagatelle. Nach Süd- osten zweigt sich von diesem Höhenzug die sogenannte Eselsnase ab, auf deren Rücken die Franzosen ebenfalls außerordentlich starke, etagenförmig angeordnete Stellungen ausgebaut hatten, die in unmittelbarem Zusammenhange mit dem Bagatelle-Werk standen. Nach Osten und Südosten fallen die steilen Hänge der Eselsnase in das tief eingeschnittene Charme-Bachtal ab. Auch
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östlich von dieser Schlucht saßen die Franzosen noch in einigen zähe verteidigten Stützpunkten, genannt„Storchennest",„Rhein- babenhöhe" und„St. Hubert-Rücken". E-in Blick auf die Karte zeigt, welchen Wert für die Deutschen die Wegnahme der feind- lichen Anlagen haben mußte. Wurden doch dann die Franzosen ihrer überhöhenden, von der natürlichen Bodengestaltung zu Festungen geschaffenen Stellungen beraubt und auf die in das Biesmetal abfallenden Berghänge in eine erheblich ungünstigere Lage zurückgedrängt. So war also die Erstürmung der französischen Werke nördlich von der Straße Servon— Montblainville und an den Hängen des Charme-Bachtales das Ziel der unter der Führung des Generals v. Mudra in den Argonnen kämpfenden Truppen. In mühsamer Arbeit und unter fortgesetzten Kämpfen ar- beiteten sich Infanterie und Pioniere auf der ganzen Front mit Sappen und Minenstollen Schritt für Schritt bis auf Sturm» entfernung an die feindliche Hauptstellung heran. Die Franzosen ahnten, was ihnen blühte, denn sie schoben in letzter Zeit immer mehr Truppen in den schmalen Abschnitt der Westargonnen. Außer dem seit Januar dort befindlichen 32. Armeekorps wurden nach- einander die neuformierte 128. Infanteriedivision aus der Gegend nordwestlich von Berdun und die 159 Jnfanteriebrigade aus dem Bereich des ö. Armeekorps herangezogen. Mitte Juni war es schließlich so weit, daß der große Angriff ausgeführt werden konnte. Um für den entscheidenden Stoß gegen die Werke Central— Cimetiere— Bagatelle— Eselsnase die nötige Ellenbogenfreiheit zu gewinnen, muhten zunächst das in der rechten Flanke gelegene Laborderewerk und die starken Stellungen an der Straße Binar- ville— Vienne le Chäteau weggenommen werden. Dieser vor- bereitende Angriff wurde am 29. Juni, der Hauptstoß am 39. Juni und 2. Juli ausgeführt.(W. T. 23.) Der französische Tagesbericht. Paris , 28. Juli. (W. T. B.) Der amtliche B e- richt von gestern nachmittag lautet: Die Be- schießung von Furnes und Oostdunkerque erwiderten wir mit Artillericfeuer gegen das deutsche Truppenlager von Westende und Middelkerque. Dünkirchen wurde gestern abend von einem feindlichen Flugzeug mit fünf Bomben belegt, die keinen Schaden anrichteten. In Artois , im Abschnitte von Souchez Artilleriefeuer und Handgranatenkämpfe während eines Teiles der Nacht. In den Argonnen wurden zwei Angriffsversuche bei Layon und Binarville-La Harazöe leicht abgeschlagen. In den V o g e s e n gelang es uns gestern abend, unsere Stellungen auf dem Kamme des Lingekopfes auszudehnen und zu befestigen und das Joch zwischen Linge und den Steinbrüchen zu besetzen. Der Feind
unternahm drei erfolglose Gegenangriffe. Die deutsche Ar- lillerie beschoß den Schluchtpaß. Paris , 28. Juli. (W.T.B.) Amtlicher Bericht von gestern abend: In Artois , im Abschnitt von Souchez begann wieder die Kanonade mit größerer Stärke. Die Stadt Arras wurde zweimal bombardiert. Ein beginnender Brand konnte schnell gelöscht werden. Eine Zivilperson wurde ge- tötet. Zwischen Somme und Aisne die übliche Tätigkeit beider Artillerien. In den Argonnen heftige Kanonade auf der ganzen Front. Im Elsaß beendeten unsere Truppen heute die Eroberung einer sehr stark eingerichteten Stellung, welche die Deutschen aus 200 Meter Höhe über unseren Ausgangsschützengräben auf dem Kamme des Linge- kops, des Schrätzmänne und des Barrenkopf besetzt hielten, das heißt auf einer Front von zwei Kilometern. Diese Höhen beherrschen das Hauptfechttal, sowie die große Straße von Notre-Dame des Trois Epis. Wir nahmen mehrere Offiziere und über 100 Mann gefangen, welche fünf verschiedenen Regimentern angehören. Die Deschiesiung von Reims . Lyon , 27. Juli. (W. T. B.) Nach dem„Nouvelliste" erzählen aus Reims eingetroffene Flüchtlinge, daß die letzte Beschießung am 22. Juli nachmittags begann und mit großer Heftigkeit den ganzen Nachmittag über anhielt. Die Beschießung wurde an den beiden darauf folgenden Tagen etwas weniger heftig fortgesetzt. Im ganzen seien etwa 1999 Schuß gegen die Stadt abgegeben worden. An vielen Stellen der Stadt seien Brände ausgebrochen, welche aber dank der Aufopferung der Feuerwehr gelöschr werden konnten. Be- sonders groß war die Zahl der Brände infolge der Beschießung in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag. Allein in diesen Stunden seien über 299 Granaten großen Kalibers auf die Stadt gefallen. Die Zahl der Toten und Verwundelen in der Zivilbevölkerung sei sehr groß. Scharfe militärische Kritik in England. London , 28. Juli. (W. T. B.)„ M o r n i n g P o st" schreibt in einem Leitartikel: Deutschland hat eine fürchterliche Macht im Osten zusammengebracht und treibt die Russen durch sein überlegenes Gewicht zurück, so daß die russischen Stellungen und Armeen gefährdet sind. Trotzdem haben wir von keiner Diversion an der Westfront gehört. Die britische Armee war untätig. Wir hatten wochenlang keine Meldungen von Bedeutung. Nichts ist geschehen'während dieser Krisis, um den Verbündeten durch einen Druck in Flandern zu Hilfe zu kommen. Deutschland darf die Initiative ergreifen, strategisch ungestraft hier und dort zu- schlagen. Wir behaupten 30 Laufgräben mit Schwierig- keit. Deutschland behauptet eine Linie von vielen hundert Meilen einschließlich Belgiens und eines Teiles von Frank- reich und unternimmt diese gewaltigen Angriffe. Trotzdem schmeichelt sich das britische Volk, daß es einen angemessenen Teil am Kriege nimmt. Die Lage ist gefährlich und unbe- friedigend. Wenn wir nur eine Linie von wenigen Meilen behaupten können, dann liefern wir keine sehr starken Gründe dagegen. Wir geben finanziell für die Linie von 30 Meilen ebenso viel aus, als Deutschland an allen Grenzen. Rußland und Frankreich wissen, daß wir nicht alles tun, was wir können, daß wir den Krieg verlängern, weil wir kaum mit halber Kraft kämpfen. Der Artikel schließt mit der Forde- rung der Wehrpflicht. Der italienische Krieg. Fliegerangriff auf Riva. Innsbruck , 24. Juli. (W. T. B.) Nachdem sich schon bisher täglich feindliche Flieger in der Nähe von Riva gezeigt hatten, erfolgte am 23. Juli abends gleichzeitig ein Angriff von drei feindlichen Fliegern auf die Stadt, die mit acht Bomben be- legt wurde, ohne daß jedoch nennenswerter Schaden angerichtet worden wäre. Die Flugzeuge wurden lebhaft beschossen, sind jedoch entkommen. Der türkische Krieg. Die Schwierigkeit öer Darüanellenkämpfe. London , 28. Juli. (W. T. B.) A s h m e a d B a r l e t t schreibt in einem Brief von den Dardanellen vom 23. Juli: Die Mehrzahl der Verluste kommen bei der Verteidigung der gewonnenen Laufgräben vor, wo der Feind, der das Gelände besser kennt, mit Bomben angreist und den Nahkampf eröffnet. An der Front bei Achibaba ist es gerade so, wie bei S o u ch e z. Siege können ebenso wenig an einem Tage erfochten werden, wie in Frankreich . Die Abschnitte der Linie des Feindes müssen erst durch Artillerie zu Staub geschossen, dann erstürmt und schließlich gegen Gegenangriffe behauptet werden. Der Seekrieg. vom v-öootskneg. Aberdcen, 27. Juli. (W. T. B.) Meldung des Reuterschen Bureaus. Der britische Fischdampfer„Emblem" ist bei den Orkneyinseln von einem Unterseeboot versenkt worden. Die Be- satzung wurde gerettet. London , 27. Juli.<W. T. B.) Meldung des Reuterschen Bureaus. Die norwegische Bark„Carnsmore" hat in Lerwick ö2 Mann ge- landet; es sind die Besatzungen der von Unterseebooten versenkten Fischdampfer„Honoria", Hermione",„Sutton" und„Cassio". Die Besatzungen der versenkten Fischdampser„Celtic" und„Chdorna" wurden in Stromnetz an Land gebracht, die der ebenfalls ver- senkten Dampfer„Roßlyn" und„Strathmore" landeten in Butt of Lewis. Amsterdam , 28. Juli. (W. T. B.)„Nieuws van den Dag" meldet aus Rotterdam : Der englische Dampfer„Gannet", der gestern abend nach London ausgefahren war, meldete, er habe auf See in der Höhe von Watcrweg ein Unterseeboot gesichtet. Darauf gingen die englischen Dampfer„Perth Fern" und„Diomed" vor Waterweg vor Anker. Es fuhr kein einziger Dampfer an diesem Abend mehr aus Rotterdam aus. London , 28. Juli.„Daily Mail" betont, daß das U n t e r s e e- boot das amerikanische Schiff„Leelanow" angerufen, ge- warnt und der Mannschaft reichlich Zeit gelassen habe, in die Boote zu gehen und einen Teil ihrer Habseligkeiten mitzunehmen. London , 28. Juli. (W. T. B.) Das Reutersche Bureau meldet aus Stornoway , daß der norwegische Dampfer„Fim- reite" aus Bergen mit 3819 Tonnen Wafferverdrängung im Atlantischen Ozean von einem deutschen Unterseeboot versenkt wurde. Die Besatzung von 29 Mann ist am Sonntag früh in Stomoway gelandet worden.