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Nr.89.- 33. Jahrg.

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Berliner Volksblatt.

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Beträgt für die sechsgespaltene olonel. zeile oder deren Raum 60 Bfg., für bolitische und gewertschaftliche Bereins. und Versammlungs- Anzeigen 30 Big. ,, Kleine Anzeigen", das fettgedrucie Wort 20 Pfg.( zulässig 2 fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 10 Pig. Stellengesuche und Schlafstellenan zeigen das erste Wort 10 Pig., jedes weitere Bort 5 fg. Worte über 15 Buch. fiaben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Summer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet.

Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  ".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morigplak, Nr. 151 90-151 97.

Parteigenossen!

Die Mehrheit der Fraktion hat uns durch ihren Beschluß alle Rechte, die uns als Fraktionsmitgliedern zustehen, ent­Danach sollten wir stumme Mitglieder der zogen. Fraktion sein; sollten in ihr nicht reden und nicht abstimmen, weder im Plenum noch in den Kommissionen die Partei ver­

treten dürfen. Damit waren wir tatsächlich aus

der Fraktion hinausgedrängt.

Zu einer neuen Arbeitsgemeinschaft bereinigt, bleiben wir Vertreter der Partei.

An die Parteigenossen richten wir die dringende Auf­forderung, im Rahmen unseres Organisations­statuts sich weiter zu betätigen und die durch die Zuge­hörigkeit zur Partei gegebenen Verpflichtungen zu erfüllen.

Wir zweifeln nicht daran, daß, sobald die Parteigenossen auf Grund freier Rede und Gegenrede ihr Urteil über die politischen Vorgänge seit dem 4. August 1914 abgeben können, unser Vorgehen von ihnen als ein Akt politischer Notwendigkeit gebilligt werden wird. Das Interesse des Proletariats erfordert in dieser Zeit gebieterisch eine selbständige, grundsägliche Politif, wie wir sie stets und am nachdrücklichsten dann betätigt haben, wenn der Druck am stärksten war. + das Anf

Donnerstag, den 30. März 1916.

Und er fügt hinzu( S. 205): Das deutsche Wirt­schaftsleben wird nach dem Krieg in der­felben Weise, vielleicht sogar noch mehr, auf den Weltmartt angewiesen sein, als es vor dem Kriege schon der Fall war."

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplas, Nr. 151 90-151 97.

Es gilt die alte Wahrheit auch heute noch, daß diejenige Bollswirtschaft einen Krieg am leichtesten überwindet, die währens des Krieges das normale Wirtschaftsleben am weitesten aufrecht­erhalten konnte. Je länger und je intensiver eine Volkswirtschaft aus Staatsaufträgen lebt, um so schwerer wird sie in dem Augenblid getroffen, da diese wegfallen."( S. 206.)

"

Diese Ueberzeugung stützt sich auf das Ergebnis einer eingehenden Untersuchung der weltwirtschaftlichen Beziehungen Harms erwartet zwar eine Hochkonjunktur nach Be­Deutschlands. Harms erbringt damit, schlüssige Beweise für Ticher Beziehungen die zwingende Notwendigkeit weltwirtschaft- endigung des Krieges( durch Neuauffüllung der Warenlager", und besonders des lebhafte Bautätigkeit, weitere Aufträge der Heeresverwaltung andelsverkehrs mit den Kriegsgegnern. und Neuanschaffungen der Landivirtschaft), aber er hält es Im allgemeinen Bewußtsein stellt sich das Bild der welt- für verfehlt, wenn angenommen würde, daß dadurch auch wirtschaftlichen Beziehungen so dar: Das alte Europa   nur für fürzere Zeit die Industrie einen ihrer Gesamt­sendet in schnell wachsendem Umfange" Industrieerzeugnisse leistungsfähigkeit ausfüllenden Wirkungskreis erhalten könnte".

Davon fann gar keine Rede sein, sondern es muß un­bedingt damit gerechnet werden, daß sich schon sehr bald die Exportintereffen auf das dringendste fühlbar machen. Dies um so mehr, als, volkswirtschaftlich betrachtet, schon im Interesse unserer Zahlungsbilanz eine Ausfuhr nötig ist, um für die auch zur Deckung des bloßen Inlandsbedarfs benötigten Rohmaterialien Gegenwerte zu schaffen, die nicht in Geld bestehen..

in die wirtschaftlichen Neuländer und bezieht dafür Rohstoffe und Nahrungsmittel." Dies Bild ist in einer Beziehung richtig, in anderer Beziehung aber falsch und speziell in seiner Anwendung auf Deutschland  . Die Handelsstatistik zeigt zwar, daß ganz überwiegend industrielle Rohstoffe und Nahrungs- und Genußmittel eingeführt werden. Dagegen ist in dem obigen Sate falsch die Auf­und zum größten Teil Fertigwaren ausgeführt faffung, welche die weltwirtschaftlichen Beziehungen Deutsch­ lands   ganz oder auch nur in der Hauptsache als ein einfaches Die Wirklichkeit zeigt folgende Darstellung der geographischen Austauschgeschäft mit Agrar- und Rohstoffländern betrachtet. Verteilung des deutschen Außenhandels. Von der deutschen aber keinem Zweifel darüber hingeben, daß fünftig Einfuhr tamen im Jahre 1913 aus den einzelnen Erdteilen bei der Bearbeitung des Weltmarkts auf weiten Gebieten und von der deutschen   Ausfuhr gingen nach den verschiedenen mit erheblich größeren Schwierigkeiten gerechnet erheblich größeren

Erdteilen:

Europa  

Afrika  Afien Amerita Australien  

Einfuhr

54,7 Broz.

Ausfuhr 76,1 Proz.

4,6

2,1

9,8

5,5

27,8 3,1

15,3 1,0

Gelänge es nicht, den früheren Anteil am Welthandel in absehbarer Zeit zurückzucrobern, so wäre, nach aufänglicher Konjunktur, mit Bestimmtheit ein schwerer krisenhafter Zustand des deutschen Wirtschaftslebens zu erwarten."( S. 208, 209.)

Harms meint nun( S. 209): Man darf sich nun

werden muß, als sie vor dem Kriege schon bestanden." ,, Gewiß kann keine Rede davon sein, daß die Handels­beziehungen zwischen den kriegführenden Ländern etwa gar nicht wieder zu nennenswertem Umfange ausgebildet werden tönnten. Es wird im Gegenteil damit gerechnet werden dürfen..., daß sofort nach beendigtem Kriege Unser Auftreten schädigt nicht das Ansehen der Partei, die Fäden sich wieder anfpinnen und alsbald ein neues sondern hebt es im In- und Auslande. Unser Auftreten woht als Einfuhr wie als Ausfuhrhandel lichen Beziehungen entsteht."( S. 211.) Aber Der deutsche   Außenhandel ist also so. Nez von hin- und herlaufenden wirtschaft. wirkt nicht spaltend und zerstörend, sondern in der Hauptsache Handel mit europäies wird nach Lage der Dinge lange dauern, bis die vor dem sammelnd und organisations erhaltend. Unser hen Staaten und zwar der Ausfuhrhandel in Kriege vorhanden gewesene Intensität der Beziehungen wieder Auftreten ist kein Disziplin und Treubruch, sondern ein ordentlich wichtig zur richtigen Bewertung dieser Tatsache fuhr in überseeische Gebiete entsprechend unserem von dorther Außer- erreicht ist." Deshalb müssen wir versuchen, unsere Aus­Gebot der Treue gegen die Parteigrundsäße, die Beschlüsse ist die andere Tatsache, daß der Teil der deutschen Aus- gestiegenen Bezuge zu vermehren, um so einen Ausgleich zu der Parteitage und der internationalen Rongresse. fuhr, der nach europäischen   Ländern ging, von 1889 bis 1913 schaffen für das, was uns nach menschlichem Ermessen in nur von 77,1 Proz. auf 76,1 Proz. gesunken", absolut aber etlichen der wichtigsten europäischen   Länder zunächst verloren Nicht wir, sondern Angehörige der Mehrheit haben von 2509,7 Millionen auf 7677,5 Millionen Mark gestiegen geht."( S. 212.) am 24. März ,, lärmende Aktionen" unter stürmischem Beifall ist. Die Aussicht, sich von der Notwendigkeit der Ausfuhr Leider hat Harms unterlassen, aus der Erkenntnis der der Gegner veranstaltet. Angehörige der Mehrheit haben nach den europäischen   Ländern ganz oder teilweise zu be- Notwendigkeit ausgedehnter wirtschaftlicher Beziehungen zu freien, ist also sehr gering. An diesem Ausfuhr- unseren gegenwärtigen Striegsgegnern politische Schlüsse - ein in der parlamentarischen Geschichte unerhörter Bor- handel aber war 1913 England mit 14,2 Proz. zu ziehen. Wir müssen es uns aus bekannten Gründen ber gang- dafür gestimmt, daß ihrem eigenen Partei. Rußland mit 8,7 Proz., Frankreich   mit 7,8 Proz., sagen, unsererseits zu sagen, welche politischen Notwendigkeiten Belgien   mit 5,5 Proz. und Italien   mit 3,9 Proz., in bezug auf genossen das Wort entzogen werde. die Kriegführung und den die Gesamtheit unserer europäischen Kriegsgegner( Ser- Friedensschluß die bezeichnete wirtschaftliche Notwendig­bien und Montenegro bleiben außer Betracht) also feit zur Folge hat.

Jest gilt es zu arbeiten, das Proletariat stark zu machen für die schweren Kämpfe, die ihm bevorstehen. Parteigenossen! Steht fest zu den Grund. säten, auf die wir stets mit Recht stolz gewesen sind.

mit 40,1 Proz. beteiligt. Das ist die Grundtatsache, bon der alle Ueberlegungen betreffend die Zukunft unseres Ausfuhrhandels ausgehen müssen!

Zum Schluß befaßt sich Harms noch mit dem Ver­Anders liegen die Verhältnisse bezüglich der Einfuhr nach hältnis zu Desterreich- Ungarn und zur Deutschland  . Der Anteil der außereuropäischen Erdteile an Türkei  . Er warnt davor, eine so schwerwiegende Frage Die sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft. dieser Einfuhr, der 1913 schon 45,2 Proz:( 4869 Mill. Mart) bloß gefühlsmäßig zu betrachten, wie es heute nicht selten betrug, war 1889 erst 22,9 Proz.( 743,5 mill. Mark). Hier geschicht". Und seinerseits stellt Harms dann fest( S. 213): ist eine entschiedene Veränderung eingetreten, und die Ent­wicklungstendenz zeigt unzweifelhaft auch weiterhin in dieselbe Richtung.

ist Deutschland   also nicht möglich gewesen, die Aus­

Der Zwang zum Welthandel.ch ben außereuropäischen Ländern entſprechend seiner

-

Einer vollständigen Bollunion stehen die österreichisch- ungarischen Industrieinteressen entgegen; eine bloße zollpolitische Vorzugs­behandlung aber bietet der deutschen Ausfuhrindustrie feinen Ersatz für Verluste in anderen europäischen   Ländern, weil Deutschland   den weitaus größten Teil der in Desterreich- Ungarn  aus dem Auslande bezogenen Industrieerzeugnisse sowieso schon liefert Nehmen wir an, daß, was unwahrscheinlich ist, die Kauf­fraft Desterreich- Ungarns   nach dem Kriege die frühere Stärke wieder erhält, so würden unter Berücksichtigung der Einfuhr, die aus zwingenden Gründen auch fünftig aus dem nichtdeutschen Ausland nach Desterreich- Ungarn   gelangen muß. für etwa 200 Millionen Mark mehr deutscher Waren dorthin exportiert werden können, als es bisher geschehen ist. Das ist für absehbare 8eit die günstigste Rechnung, die aufgemacht werden fann. Es erhellt ohne weiteres, daß die deutsche  Ausfuhrindustrie darin das heil nicht erbliden

darf.

Einfuhr von dort zu steigern. Deutschland   muß deshalb das, Unter den Neuerscheinungen des Büchermarktes ragt eine was es von Außeneuropa bezieht, zum Teil mit dem bezahlen, Publikation hervor, deren Verfasser der Kieler   Professor was ihm Europa   für seine Erzeugnisse bezahlt. Andererseits Bernhard Harms   und deren Zweck die Popularisierung muß Deutschland   einen großen Teil von dem, was es für unserer Wissenschaft von den weltwirtschaftlichen Beziehungen den Inlandsbedarf und für die Ausfuhr nach europäischen Deutschlands   iſt. Das Büchlein führt den Titel: Ländern an Rohstoffen gebraucht, aus Außereuropa beziehen. Deutschlands   Anteil an Welthandel und Deutschlands   Wirtschaftsleben steht also in dem zwingenden Weltschiffahrt."*) An Hand eines reichen Zahlen- Kreislauf des Veredelungsverkehrs, des Industrialismus, in materials bietet der Verfasser einen Abriß der Entwicklung den ausländische Rohstoffe eingehen, um als inländische Fertig­der deutschen   Volkswirtschaft und ihrer weltwirtschaftlichen waren nachher zu erscheinen. Beziehungen sowie eine Analyse dieser Beziehungen eine Dieser Veredelungsverkehr ist eine Tatsache- und diese Darstellung der Zusammensetzung und der geographischen Tatsache bildet die Grundlage unseres Wirtschaftsleben. Die Verteilung des deutschen Außenhandels. Einfuhr von Rohstoffen und die Ausfuhr von Fertigfabrikaten schon Es liegt in dem Zwed seines neuen Buches begründet, ist also eine Lebensnotwendigkeit für Deutschlands   Volkswirt­daß Harms in ihm zu der Frage der Gestaltung der welt- schaft. Und so, wie sich die Verhältnisse nun einmal entwickelt wirtschaftlichen Beziehungen nach dem Kriege nur beiläufig haben, muß man hinzusetzen: Die Einfuhr von Roh­Stellung nimmt. Wo er aber von diesen Zukunftsfragen stoffen aus außereuropäischen und die Aus­spricht, da geschieht es in einer von den Aeußerungen vieler fuhr von Fertigfabritaten nach europäischen  - auch sozialdemokratischer!- Kriegsschriftsteller angenehm ändern ist eine Lebensnotwendigkeit für fich abhebenden objektiven und ruhigen Weise. So bemerkt Deutschlands   Voltswirtschaft! er( S. 204):

Das ist die Schlußfolgerung aus den sachlichen Darlegungen

Ueber das Verhältnis zur Türkei   hatte Harms sich( S. 129) vorher geäußert:

Bekanntlich gibt es in Deutschland   gar viele Menschen, die der fünftigen Entwicklung der deutsch  - türkischen Wirtschafts­beziehungen mit größter Hoffnung und Begeisterung entgegen blicken. In diesen Wein wird noch viel Wasser fließen, denn wer die Türkei   kennt, weiß, daß deren wirt­schaftliche Erschließung nur langsam und unter Ueberwindung großer Schwierigkeiten erfolgen fann."

Zum Schluß bemerkt Harms hierzu noch( S. 214): In

" 1

Mit Vorliebe wird seit den Augusttagen des Jahres 1914 des Harmsschen Buches. Sie wird auch von Harms gezogen. der Sombination, die sich heute in der Form des einst von die Auffassung vertreten, daß die sogenannte Welt- Er weist darauf hin, daß man sich durch die ungeahnte Friedrich List   geprägten Schlagwortes von Helgoland   bis wirtschaft der Vergangenheit angehöre und Zukunftstlänge" tünftig der mehr oder weniger geschlossene Handelsstaat in den Stonjunktur" des Strieges über den Ernst der Lage nicht hin- Bagdad   fundtut", werden überwiegend 8 ufunfts flänge" Bordergrund treten werde. Es gibt feinen größeren wegtäuschen lassen darf. Diese Konjunktur sei hervorgerufen angeschlagen, die zwar nicht unterschätzt werden dürfen, durch eine Verschiebung in dem Verhältnis zwischen kriegs- deren unmittelbare Bedeutung jedoch zumeist wirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher bezw. weltwirtschaft- zu hoch bewertet wird". Vor zu großen Hoffnungen licher Betätigung zugunsten der ersteren". Diese Verschie- auf alsbaldige bedeutsame Befruchtung des deutschen   Außen­bung sei aber nur möglich gewesen dadurch, daß im Hinter- handels durch die Türkei   kann deshalb nicht dringend genug grunde die Milliarden der Kriegsanleihen stehen". Jedoch: gewarnt werden."

Irrtum als diesen."

*) Professor Dr. Bernhard Harms, Deutschlands   Anteil an Belthandel und Weltschiffahrt", Stuttgart  , Berlin  , Leipzig   1916, Union Deutsche Verlagsgesellschaft. Preis 2,80 M.

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