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Nr. 90. 33. Jehrgavg.
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Mus, A. Pin Mi.
Die Parteipresse zur Zraktionsspaltung. rv. Sächsisches B-lksblatt"(Avickau): Nirgends wird man sinken, daß jemals der Vorsitzende irgend einer Partei so treulos und schmählich an seinen Fraltionskollegen und damit an seiner Partei gehandelt hätte, wie es Haase getan. T-a beschließt die Fraktion, ohne Widerspruch von Haase und Ge- nossen. der Verabschiedung des Notetats keinerlei Hindernisse zu bereiten. Tann geht man in den Sitzungssaal. Erst da, im aller- letzten Augenblick, fühlt sich Haase veranlaßt, dem Fraktionsvor- stände mitzuteilen, daß er reden werde. Wir wollen hiex ganz davon absehen, was er schließlich ge- sprochan hat. Die Moral aller Zeiten und Völker brandmarkt den Verrat an Freunden. Und ein Verrat an seinen bisherigen Freun- den ist Hcases Hinterhältigkeit. Wenn die 18 Mitglieder der sozialdemokratischen ArbeilSgemeinschast" in einer später abge- gebenen Erklärung Haases Treulosigkeit damit zu rechtfertigen ver- suchen, daß Haase mit ihrer aller Zustimmung seine Rede gehalten und auch mit ihrer Zustimmung in der Frartionssitzung die aus- drückliche Aniüirdigung, reden zu wollen, unterlassen habe, so ist das durchaus keine Entschuldigung, sondern vielmehr eine Treu losigkeit in achtzehnfacher Steigerung! Brandenburger Zeitung": Die tiefbsdauerliche Tatsache, daß die Gegensätze in der sozial- demokratischen Partei zur Spaltung unserer Reichstagsfraktion ge- führt haben, läßt uns die Hoffnung dennoch nicht verlieren, daß die Gesamtpartei in alter Einheit wieder zusammenstehen wird, wenn nach dem unseligen Kriege Besinnung undMarheit wieder zu ihrem Recht kommen werden. Denn daß die«Spaltung der Fraktion keine Spaltung der Partei bedeuten kann, beweist schon die durchaus nicht einheitliche, sondern in vielfältigen iL Meinungen sich durchkreuzende Gruppierung innerhalb der zwe; oder drei sozial- demokratischen Fraktionen, die wir jetzt leider haben. Unsere Frak- tion ist in 90, 18 und 2 Mann auseinandergefallen. Während Liebknecht   und R ü h l e als die konsequentesten Antimilitariften mit den 18 Genossen der neuen sozialdemokratischen ArbeitSgemein- schaft keine engere parlamentarische Fühlung haben, ist bei unseren 99 aus Gründen der Disziplin bei der Mehrheit gebliebenen Abge- ordneten eine größere Anzahl, die es nach ihrer eigenen Erklärung grundsätzlich mit der abgesplitterten Gruppe hält, denn Alb recht, Hoch, Simon u. a. m. stehen offenkundig auf dem Boden der Minderheitspolitik. Dazu kommt, daß die Wahlkreise durchaus nicht immer hinter ihren Mgeyrdneten stehen, nwgen sie nun zur Mehrheit oder Minderheit gehören, wobei man z. B. nur an Scheidemann und Berufte i n zu denken braucht. Wie sollte sich da durch das ganze Land und die ganze Partei eine klare Trennungslinie ergeben, wo Gegensätze schon in der Kriegsfrage, mehr aber noch in den meisten politischen Zukunfts fragen selbst bei den engeren Gruppen auseinanderklaffen. Wir können es daher nicht glauben, daß die gegenwärtige Konstellation die Parteientwick- lung der Zukunft vorwegnimmt; wir hoffen vielmehr, daß ohne Rechthaberei und gegenseitige Beschimpfung die zeitweilige Tren- nung der Fraktion überwunden werden wird, und daß wir uns alle, den Zettereignissen und dem Einheitswillen der Genossen im ganzen Lande Rechnung tragend, auf dem gemein samen Boden sozialdemokratischer Arbeiterpolitik wieder zusammen� stnden werden. Dahin zielt auch die Mehrheit der Partei­presse mit Ausnahme der auf dem äußersten rechten und linken Flügel stehenden Blätter, die ein weiteres Zusammenarbeiten für ausgescblossen halten. Abgedroschene Vorwürfe, wie den, daß die Mrnderheit für daS feindliche Ausland arbeite, sollte man unter Sozialdemokraten nicht für möglich halton, aber dennoch sieht sich Genofs« Bernstein   imVorwärts" genötigt, ihn namens seiner Freund« zurückzuweisen____ Man sollte darauf vertrauen, daß der Weg, den beiderseits Gewissen und politische Ueberzeugung vorge- schrieben haben, die Partei wieder zusammenführen wird, wenn auch die Richtungen zeitweilig auseinanderlaufen. BrcslauerBolkswacht": Zu der schloichenden Krise, die gegenwärtig zwischen den Rechts- Parteien und gewissen Regierungsstellen herrscht, ist über Nacht ein Ausbruch der Stveilpunkte in unserer eigenen Partei gekommen, den wir in diesem Augenblick am wenigsten erwarten konnten. Eben batte noch Mehrheit und Minderheit gemeinsam zu den Steuer- fragen im Reichstag   Stellung genommen, Abg. Keil von den söge- nannten Sozialpatrioten hatte mit der gleichen Energie als Hoch von der Minderheit die Steuern auf die breiten Schichten der lln- bemittelten verworfen, da bricht durch einen verheimlichten Streich HaaseS bei einer verhältnismäßig nebensächlichen parlamentarischen Frage ein Zank aus, der unsere Partei nur zum Gespött machen kann und als deren Urheber eben Haas« der Vorsitzende der Partei angeklagt werden muß---- Daß der Streit mit der Sehnsucht nach einem möglichst baldigen Frieden nichts zu tun hat, wissen unsere Leser, die ist bei uns Anhängern der Mehrheit nicht geringer als bei der Minder- beit, aber dienen kann man dem baldigen Kriegsende«vahrhaftig nicht, wenn man durch Bruderzwist die Hoffnungen des beinahe ein- willigenden Feindes aufs neue entfacht. Frankfurter  Bolksstimme": Haase und seine Freunde haben den stärksten Disziplin- und Treubruch gegen ihr« eigenen Parteigenossen begangen, den man sich denken kann; aber sie würden sich rechtfertigen können, wenn sie im allgemeinen und höheren Interesse deS Reiches gehandelt hätten. Diese Rechtfertigung haben sie jedoch nicht. Die öffent- liche Debatte über alles, was Haas« vortrug, war durch unsere Fraktion für die Reichstagssitzungen durchgesetzt, die der Beratung deS HauShaltSauSschusses folgen weiden. Spätestens vom 5. April ab sollten im Reichstag   AuSlandspolitik und lll-Bootsiage, also Friedensstreben und Scharfmacheroi, vor aller Oeffentlichkeit abge- handelt werden, wie der Seniorenkonvent heute vormittag vor der Plenarsitzung auf ausdrücklichen Antrag unserer Fraktion be- schlössen hatte. Welche Nötigung bestand also dafür, heute zum Notetatgesetz über diese Hauptfragen deS Kriegs, und zwar ohne jede Verständigung mit der Fraktion zu sprechen? Gar keine!... Die Spaltung in der Reichstagsfraktiyn braucht natürlich nicht die Spaltung in der Partei zu werden. Die Erkenntnis wird jetzt, nachdem die üble Tat der Spaltung im Parlament aller Geduld der Mehrheit zum Trotz durchgesetzt ist. in unseren Reihen draußen init doppelter Gewalt erwachen: mit solchen Streichen ist den Interessen des Proletariats schlecht gedient. Die deutsche Arbeiterschaft in ihrer großen Masse will sich, und wenn die Opfer des Kriegs und der kapitalistischen   Klassenherrschaft noch so schlimm sind, nicht außerhalb der Heimat und ihrer Mitvertretung stellen. Sie fühlt sich als ein noch vielfach unterdrücktes und ausgeschaltetes, aber doch als ein starkes Glied des staatlichen GefamtorganiSmus, in dem sie sich zu regen und Macht zu verschaffen von unten auf be- ginnt. Der Anfang ist furchtbar schwer, namentlich in Preußen- Deutschland  , aber er ist gemacht, und er soll nicht wieder preis- gegeben werden. KarlsruherBolksfreund": Nun haben die Parteizerftöver das so lang ersehnte Ziel erreicht. Ihr Häuptling hat in der gestrigen Reichstagssitzung ein« Skandal- jzene provoziert, wie sie sich bedauerlicher noch in keinem deutschen  Parlamente«reignet hat. Wohlüberlegt war der gegen die eigene Partei und gegen das ganze deutsche   Volk geführte Streich, wie Haase selbst gestand. Wenn dieser Phrasenschwadroneur
glaubt, damit sich und seinem Häuflein Getreuer einen Dienst ge- leistet zu haben, so befindet er sich in einem großen Irrtum. So kann in einem solchen Augenblick nur jemand sprechen, der keine Spur von Empfindung für vaterländische Pflich- ten hat. Und der Mann hat namens der sozialdemokratischen Fraktion am 4. August im Reichstag das Wort gesprochen:Wir machen wahr, was wir immer gesagt haben, in der Stunde der Not lassen wir das Baterland nicht im Stich!" Freilich, er hat es schon damals gegen seinen Willen gesagt. Das mag eine Entschuldigung für ihn sein. Wenn er aber behauptet, er anerkenne die Pflicht zur Vaterlandsverteidigung und dabei sich nicht scheut, in der Stunde der Not dem Vaterlande so in den Rücken zu fallen, wie er es gestern getan hat, so hat man allen Grund, dieser Versicherung keinen Glauben zu schenken. Nun, die Fraktion hat gestern sofort die Kon- sequenzen aus demFall Haase" gezogen und ihren ehemaligen Vor- sitzenden aus der Fraktion ausgeschlossen. Alsbald hqt sich unter dem Vorsitz von Haas« und Ledebour   eine neue sozialdemo- kratische Fraktion gebildet. Damit ist der Riß, den man so lange befürchtete und um den zu verhüten die Mehrheit alles Mögliche und noch mehr getan hat. vollzogen. An eine Wiedervereinigung mit den 18 Separatisten ist nicht wohl zu denken, denn der Gegen- satz der Anschauungen ist zu groß, als daß sich ein weiteres ertrag- liches Zusammenarbeiten mit ihnen ermöglichen ließe. Die Kunde von den gestrigen Vorfällen im Reichstag   wird draußen an der Front den entsprechenden Widerhall finden. Wir zweifeln keinen Augenblick daran, daß unsere im Felde stehenden Genoffen mit überwältigender Mehrheit sich auf die Seite der Mehr- heit stellen werden. So bedauerlich der gestrige Vorfall und die damit im Zu- sammenhang stehende Spaltung der sozialdemokratischen Reichstags- fraktion auch ist, ein Gutes wird er haben: Die sozialdemokratische Fraktion braucht der Einheit zuliebe diesen Elementen gegenüber keine Konzessionen mehr an die revolutionäre Romantik zu machen. Nun wird die Partei innerlich gesunden. Dieser Gewinn aus den gestrigen Vorgängen ist ungleich größer als der Verlust. Neckar-Echo"(Heilbronn  ): Nun ist die Trennung gekommen, die nicht mehr zu vermeiden war und die man doch hinausschob soweit als möglich, weil die Ein- heit der parlamentarischen Kraft der Arbeiterschaft über allem als Zwang der Zukunft steht. Innerlich war sie ja längst dahin, und längst war alles dazu reif, den Weg Württembergs zu gehen. In offener Sitzung des Reichstags kam es zum Austrag, und Haase war es, der all seinen unzähligen Zweideutigkeiten gestern die Krone auffetzte, Haase war es, der die reife Frucht mit einem Prügel vom Baume schlug. Wahrlich, der Mann hat sich ein übleS Denkmal ge- setzt in der deutschen   Sozialdemokratie! Wir gestehen, daß wir die endliche Entscheidung als ein« Befreiung begrüßen, so sehr uns die Taffache der Spaltung an sich auch schmerzt, denn in diesen Verhältnissen und mit diesen Leuten war läng st kein Arbeiten mehr möglich. Sie sind zum großen Teil als lauernde Auspasser und erprobte Verleumder da gewesen, wo sie treue Niitarbeiter sein sollten, ihr Denken ist i-m Durcheinander hohler Formeln und verschrobener Schlagworts erstickt. Glaube doch niemaitd, dieses krause Gewirr von Meinungen sei einheitlicher Arbeit fähig und vor allem brauchbarer Arbeit, das sich da jetzt als neue Fraktion zusammengetan hat! Mache sich niemand vor, es handle sich hier um eine leichte Sache. Mit tiefer Scham vernehmen wir, was gestern im Reichstag möglich war. Und zögern nicht, jedo Gemeinschaft mit den unfrei- willigen Helfern des Auslandes abzulehnen. Wir sehnen die Ans- Hebung des Belagerungszustandes herbei, damit wir die Fraktion der Phrase unbarmherzig zerhauen können. Und wir denken mit «pcnrnung und Mitgefühl für die, die eS persönlich auslöffeln müssen, an da?, was jetzt von den Vertretern der Mehrheit im Partoivorstand weiterhin geleistet werden muß. Der Stein ist im Rollen, niemand hält ihn mehr auf.... Lberfränkifche Lollszcitung"(Hof): Gegenwärtig liegen die Dinge so, daß die 18 Genossen eine eigene Fraktion, dieSozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft", bilden und daß der Genosse Haase auch aus dem Parteivorstand ausgetreten ist. Ob das richtig war, wollen wir bezweifeln. Redet man auch in verschiedenen Parteiblättern und in bürgerlichen Zeitungen von einer Spaltung der Partei, so ist dabei wohl mehr der fromme Wunsch bei letzterem der Vater des Gedankens. So wenig die Iraktions-mehrheit berechtigt war, Parteigenossen aus der Fraktion auszuschließen, so wenig kann dieser Ausschluß als eine Spaltung der Partei angesehen werden. Darüber hat erst ein Parteitag das letzte Wort zu sprechen. Aber wenn inzwischen ver schieden« Parteiblätter mit Kraftworten ihrer Entrüstung über den Genossen Haas« Ausdruck geben und von Treubruch und, wie Kolb Karlsruhe, von einemStraßeiffchwadroneur" reden, so tun diese besser, sich darüber zu entrüsten, daß Heine fortgesetzt die Beschlüsse des Dresdener Parteitages(1893) gröblich verletzt, indem er in bürgerlichen Zeitungen sich mit Parteifragen beschäftigt und gegen Parteigenossen Stellung nimmt, wie er eS erst jetzt wieder in derB. Z. am Mittag" getan hat, in der er in gehässiger Weise gegen Haase und die Minderheit losgeht. Nur soviel sei heute noch gesagt, es ist jetzt infolge der bekannten Umstände schwer, alles Für und Wider so zu erörtern, wie es not- wendig wäre. In der Zeit nach dem Kriege wird eS möglich sein, mehr darüber zu reden und zu schreiben. Dann werden auch die Genossen ihr Urteil fällen, die heute noch im Schützengraben stehen. Ihr Urteil und die Tatsachen werden dann für die weitere Haltung der Partei bestimmend sein. die neuen Steuern in der Kommisston des Reichstags. Tie Steuerkommission begann am Donnerstag mit der Be- ratung der außerordentlichen Postadgaben. Ter Berichterstatter Dr. W i e m e r(Vp.) gab einleitend eine Uebersicht über den Zweck und die Tragweite der Vorlage. Er hatte grundsätzliche Einwen- düngen nicht zu erheben, beanstandete aber, daß keine zeitliche Be- grenzung der Abgabe vorgesehen war. Die Belastung des privaten und geschäftlichen Verkehrs werde hart empfunden werden. Das gelte sowohl von dem Zuschlag für die Postgebühren wie von dem für Telegramme und Telephon. Besonders die mittlere und kleine Presse werde unter dieser Belastung schwer zu leiden haben, und es sei deshalb zu erwägen, ob nicht die berechtigten Interessen mehr geschont werden könnten. Ter gute Ruf der deutschen   Pojteinrich- tunaen beruhe darauf, daß sie nicht fiskalischen Zwecken dienen. Trotzdem könne man bei dem großen Geldbedarf der Kriegszeit einer Belastung des Postvcrkehrs nicht ausweichen. Fraglich sei, ob der geschätzte Ertrag der Abgaben von 299 Millionen Mark wirklich ge- Wonnen werde. In Friedenszeiten würde jedenfalls auf eine An- nähme dieser Vorlage im Reichstag nicht zu rechnen sein, aber im Kriege müsse man von anderen Gesichtspunkten aus an diese Frage herantreten. Staatssekretär HelffericS: Die Post solle nach wie vor dem Verkehr und nicht fiskalischen Zwecken dienen. Die der Post zuge- mutete Last sei keine übermäßige. Bei der Abschätzung des Ertrags sei der befürchtete Verkehrsrückgang bereits in Rechnung gestellt. Daß mit dem Friedensschluß die Abgaben sofort wegfallen werden, könne nicht in Aussicht gestellt werden. Sie werde ihre Einordnung finden müssen bei der Neugestaltung der Reichsfinanzen, die bald nach Friedensschluß notwendig werde. Abg. Molkenbuhr(Soz.) bezeichnete eS als sehr bedenklich, Steuern zu schaffen, die nur vorübergehend erhoben werden sollen, zumal in der Kriegszeit der billige Briefverkehr sehr kulturfördernd gewirkt habe. Die früheren Privatpostanstalten hätten bewiesen, daß der Perkehr noch billiger gestaltet werden könne. Aach   den Ersah-
> rungen mit der Fahrkartenfteuer hätte man eine solche Vorlage nicht erwarten sollen. Es sei sehr wohl möglich, daß die ganze Mehrein, nähme durch den Verkchrsrückgang aufgezehrt werde. Redner weist weiter nach, daß die Steigerung der Postgebühren zur Verschlechte, rung der deutschen   Valuta beitrage. Die Umschaltung der Kriegs* in die Friedenswirtschaft werde durch die erhöhten Postgebühren moi erschwert. Abg. W a r m u t h(Deuffche Fraktion) hält besonder» die Er, höhnng deS Portos im Orts- und Nachbarverkehr für geboten. Der heutige Zustand bedeute eine Begünstigung der Großstädte. Die Post* karte könne allgemein auf 19 Pf. erhöht werden. Staatssekretär K r a e t k e: Wir haben den Verkehr stets zu er, leichtern gesucht. Jetzt sind wir aber in der Zwangslage, Geld zu beschaffen. Eine gleichmäßige Erhöhung aller Postgebühren um einen bestimmten Prozenffatz schien unzweckmäßig. Darum habe man große Gruppen de? Verkehrs herausgegrifsen: Postkarten, Briefe, Drucksachen, Pakete. Der ZeitungStarif bleibe unberührt, und daZ sei bereits ein großes Entgegenkommen für die Zeitungen. Besondere Ausnahmen für bestimmte Berufe müssen der Konsequenzen wegen vermieden werden. Von den Nationalliberalen und Fortschrittler» wird ein Antrag gestellt, der verlangt, daß die Aufhebung der in dem Gesetz vorgffehe, neu Abgaben spätestens nach Ablauf des ersten Etatsjahres nach Friedensschluß erfolgen müsse, wenn es der Reichstag   verlange. Abg. Carstens(Vp.) befürchtet, daß die Postabgaben so rasch nicht wieder veffchwinden werden, und daß sie dem gewerblichen Mittel» stände das Leben schwer und mancher Existenz den GarauS machen werben. Trotzdem redet er den Sozialdemokraten zu, sich gegenüber diesen Steuern nicht dauernd ablehnend zu verhalten. Staatssekretär Kraetke teilt mit, daß das Anlagekapital den Reichspost sich auf 1355 Millionen Mark belaufe« Die Verzinsung betrage über 11 Proz. Abg. Müller- Fulda(Z.) erklärt, daß sich das Zentrum, weil es sich um eine Notlage handele, auf den Boden der Vorlage stelle. Der Reinertrag der Post sei kein befriedigender. Redner macht einige An, regungen zur Verbilligung des Betriebes, worauf Staatssekretär Kraetke erwidert, daß diese Voffchläge praktisch erprobt werden sollen, Abg. Kopsch iVp.): Der Staatssekretär irre sich, wenn er an« nehme, daß dieser Vorlage im Volke kein Widefftand geleistet werde. Die Fachpresse z. B. werde sehr schwer unter den Abgaben zu leiden haben. Man solle auch die von den Postgebühren befreiten Kreise mit der Abgabe treffen. Man düffe auch nicht die Schwierigkeit unterschätzen, die der Einführung eines BriefftempelS im Wege stehen. Redner wendet sich gegen die besondere Belastung deS Orts, und NachbarortSveÄehrs. Abg. Vogtherr(Soz. Arbeitsgemeinschaft) beantragt einen § 4a, wonach die den Bundessüfften gewährten Befreiungen von den Postgebühren aufgehoben werden sollen. Er führt au»: Der Rückgang deS PostverkehrS werde von der Regierung unterschätzt. Die durch den Krieg herbeigeführte Erschwerung des Verkehrs werde durch die Postabgaben noch gesteigert. Mit der Portofreiheit der Fürsten   werde ein großer Mißbrauch getrieben. Staatssekretär Kraetke protestiert gegen diese Auslassungen und bestreitet, daß Mißbrauch getrieben werde. Die Porwfreihest der regierenden Füfften beruhe auf einem Reichsgesetz und müsse rffpek, tiert werden. Abg. v. Richthofen(natl.): Richtig sei, daß gegen diese Vor- läge im Volke am wenigsten Widerstand geleistet werde. Der Grund liege darin, daß man diese Last als eine vorübergehende ansehe. An der Portofreiheit der Fürsten   solle man nicht rütteln. Abg. Graf C a r m e r(k.) meint, daß man in diesen schweren Zeiten! harte Maßnahmen nicht vermeiden könne. Die Begrenzung der Gül- tigkeitsdauer sei nach dem natiynalliberalen Antrag zu kurz he- messen. Tie Portofreiheit der Fürstenhäuser könne man jetzt nicht aufheben. Staatssekretär Helfferich hebt hervor, daß das Gesetz ein Notgesetz sei, das durch die Natur der Dinge befristet sei. Aber es sei sehr bedenklich, eine solche Frist in das Gesetz zu schreiben. Bezüg, lich der Portofreiheit der Füfften teile er die Ansicht der Vorredner. Abg. N e u h a u s(Z.) wendet sich entschieden gegen die Befristung Abgaben. Die Berechnung der Rente von II Proz. sei nur mit Vor, ficht aufzunehmen. Tie Aufhebung der Portofreiheit der Fürsten  müsse man schon mit Rücksicht auf das Vollsempsinden beschließen, Er hoffe aber, daß die Fürsten   sich freiwillig zu diesem Verzicht be- reit erklären werden. Redner schlägt die Aufhebung der Portofteiheit im Berkehr mit Heeresangehörigen innerhalb der Landesgrenzen und die Erhebung einer kleinen Gebühr für Briefe ins Feld vor, weil mit der Portofteiheit großer Mißbrauch getrieben werde. Auf eine Bemerkung des Abg. Meyer- Kaussbeuren(Z.), man könne nicht damit rechnen, daß die außerordentlichen Mgaben wieder in Wegfall kommen, bemerkt der Staatssekretär Dr. Helfferich, daß es ihm jetzt nicht möglich sei, auch nur in großen Ilmrissen sein Zukuuftsprogramm bezüglich der Gestaltung der Reichsfinanzen zu entwickeln. Zunächst sei zu hoffen, daß es gelingen werde, einen erheblichen Teil der Kriegskosten durch die Kriegsentschädigungen zu decken. Abg. Hildenbrand(Soz.): Wir haben uns bereit erklärt, an der Beschaffung der notwendigen Einnahmen mitzuwirken; aber der Charakter dieser Vorlage ist vom Staatssekretär ffchtig bezeichnet worden als ein Verlegenheitsgesetz. Man hätte an diejenigen Kreffe herantreten sollen, die im Besitz des Kapitals sind. Redner kommt dann aus den Vorschlag zurück, den Wehrbeitrag noch einmal zu er- heben; in derNordd. Allg. Ztg." sei jedoch eine Erklärung ab- gegeben worden, die darauf hindeutet, daß die Regierung den noch» maligen Wehrbeitrag ablehnen wolle. Das dürfe aber nicht hin» dem. gerechtere und zweckmäßigere Steuern, als es die vorge- schlagenen sind, zu schaffen. Die Erhöhung der Postabgaben be, deute einen kulturellen Rückschritt, der besonders in diesen KffegS- zeiten hart wirke. Es wäre vielleicht besser, ehe in eine Special» beratung eingetreten wird, zu versuchen, eine Mehrheit für einen neuen Wehrbeitrag zustande zu bringen. Verständnis dcffür sei auch in den besitzenden Kreisen zu finden. Mit dem BefffstungS» antrag werde nicht viel gewonnen, denn im Ernst sei nicht daran zu denken, daß dies« Abgaben nach dem Kriege wieder aufgehoben werden. Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte verständigte man sich dahin, die Beratung über die Frage des WehrbeitrageS als einer direkten Steuer der Budgetkommffsion zu überlassen, der auch die KriegSgewinnsteuer überwiesen ist. Staatssekretär Dr. Helffe- rtch warnte davor, etwa eine Steuer auf die Zeichnungen der Kriegsanleihe zu legen. Die Stellung der Regierung in der Frage des Wehrbeitrages habe sich seit seiner Erklärung im Plenum nicht geändert. Abg. Hildenbrand erklärte noch, daß er nur einer allge» meinen Besitzsteuer das Wort geredet habe. Von den Nationalliberalen wurde dann iwch eine Resolution beantragt, in welcher die Herausgabe einer einheitlichen Briefmarke für ganz Deutschland   verlangt wird. Die Beratung geht Freitag weiter.
politische Uebersicht. Regierung und Selbstverwaltung. (Amtlich.) Der preußische Mini st er des Innern hat soeben durch eine Rundverfügung an die Re» gierungs- und Oberpräsidenten die Stellung der Staats- aufsichtsbehörden zur S e l b st v e r w a l t u n g in der folgenden Richtung geregelt. Wenn Städte, Landgemeinden, Kreise und Provinzen in diesem Kriege im Dienste des Vaterlandes Vorbildliches ge»