Nr. 90.
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Vorwärts
11. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Bergarbeiter- Elend.
Donnerstag, den 19. April 1894.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
billiger Ausgabe der Bevölkerung zugänglich zu machen.| angenehme Aufmerksamkeit für die Sicherheit der Grube entUnsere Abgeordneten hätten sie trotzdem heranziehen wickeln, wie daraus, daß vorgesezte Beamte selbst schon ihre Wer die schauderhaften Erwerbsverhältnisse deutscher müssen. Abgesehen davon, daß sich in ihnen die ärgste Untergebenen veranlaßt haben, Sicherheitsvorschriften bei der Bergarbeiter fennt, dem geräth jedes Mal das Blut in sozialpolitische Unwissenheit breit macht, daß die Beamten Förderung nicht so genau zu nehmen, weil der Gewinn Wallung, wenn er sieht, wie diese Parias unter den Lohn- darin die Ausbeutung jugendlicher Kräfte z. B. geradezu darunter leiden könnte. Genosse Horn theilte ein solches arbeitern von der Gesetzgebung behandelt werden, sobald sie vertheidigen, was doch Beweis genug dafür ist, daß Vorkommniß mit, und die andere Seite- schwieg eine Verbesserung derselben zu ihren Gunsten beantragen. besseres Blut in diesen Beamtenkörper kommen muß, liefern darauf!
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Ein Gesetz zur Privilegirung der Unternehmer von Kali- sie auch folgende Daten über die mangelhafte Inspektion. So ließ man denn auch das Tantiemesystem der Beund Salzgruben ist jetzt in Preußen im Handumdrehen Im Bezirk Dresden z. B. waren 1892 zusammen amten unberührt, das diese dazu treibt, die Arbeiter bis fertiggestellt worden. Da scheut sich der Staat nicht, den 70 Gruben im Betrieb. Die Aufsichtsbeamten nahmen aber auf's Blut zu schinden, obgleich Genosse Stolle sehr richtig Besitzenden mit wenigen Federstrichen Millionen zu garans nur 189 Grubenbefahrungen vor, folglich wird nicht jede betonte, bei der Eisenbahn habe man es wegen seiner Getiren und ihr Ausbeutungsmonopol durch den ganzen Apparat Grube drei Mal jährlich inspizirt, wie ein Redner der fährlichkeit längst abgeschafft. Man schützte die Er der Gesetzgebung möglichst dauerhaft zu sichern. Aber gesetz- Ordnungsparteien in der Debatte behauptete. Ebenso heißt frankungsgefahr für die Bergleute vor, um den Unterlichen Schutz für die Bergarbeiter in immer höherem Maße es im Bezirk Zwickau nur: Die gangbaren Gruben des nehmern keine Bade- Einrichtungen vorschreiben zu müssen. zu schaffen: ja, Bauer, das ist etwas Anderes! Die Ver- Bezirks wurden im Berichtsjahre mindestens einmal Man bekämpfte die gänzliche Abschaffung der Arbeitsbücher handlungen des sächsischen Landtages haben das kürzlich in durch Inspektionsbeamte vollständig befahren." Nirgends und Arbeitszeugnisse mit dem Einwand, daß der Untereiner Weise dargethan, die nachträglich noch Beachtung ist die behauptete dreimalige Revision nachgewiesen, und es nehmer seinen Arbeitern beim Bergbau ein gewisses verdient. Es stand die Petition des sächsischen Bergarbeiter muß als geradezu frivol bezeichnet werden, daß die von den Vertrauen schenken müsse"; und dabei hatte schon die verbandes zur Diskussion und Beschlußfassung, die wir im Arbeitern verlangte viermalige Inspektion so grenzenlos Petition des Verbandes erwähnt, es sei alltägLeitartikel des Vorwärts" vom 10. November v. J. be- unmotivirt abgelehnt wurde. Die Regierung hatte in der lich zu bemerken, daß Handarbeiter, Knechte und sprachen. Eine Kommission, in welcher nach gutem Kommission behauptet, jedes Steinkohlen bergwerk andere Berufe ohne jedwedes Zeugniß sächsischen Brauch die Arbeiter durch ihre Abgeordneten gar ist in den letzten Jahren durchschnittlich jährlich oder Arbeitsbuch in Arbeit genommen werden, wogegen nicht vertreten gewesen waren, erstattete der zweiten Rammer 8 bis 12 Mal unterirdisch revidirt worden". Wie Bergarbeiter bei besten Zeugnissen nicht Anstellung finden". am 5. März d. J. über jene Petition Bericht und im ist diese offizielle Behauptung mit den amt Solche verdächtige Thatsachen überging man einfach, und Sinne dieses Berichtes entschied auch das Plenum. Des- lichen Angaben der Inspektion aus dem 3wickauer ließ sich nur dazu herbei, die Beschränkung der Arbeitshalb ist es gar erbaulich, die Verhandlungen im einzelnen Steinkohlenbezirk in Einklang zu bringen? Außerdem wollen zeugnisse auf Art und Dauer der Beschäftigung, die Abanzusehen. die Arbeiter keine durchschnittliche Inspektion im schaffung der Arbeitsbücher für großjährige Arbeiter und Nach den Arbeiteranträgen sollte die Bergwerks- In- Jahr, sondern eine wirkliche viermalige, und sie wollen das Verbot der Kennzeichnung durch besondere Merkmale spektion wesentlich verbessert werden. Jedes Bergwerk sollte all- die strenge Staatsaufsicht nicht blos in Steinkohlen in den Zeugnissen der Regierung zur Erwägung" zu geben. jährlich mindestens vier Mal, und zwar unverhofft, nicht nach gruben, sondern auch in anderen Bergwerken. Ueber die Außerdem überwies man das Verlangen nach genauerer vorheriger Anmeldung, revidirt werden; die Berginspektoren Forderung, daß die Bergleute selbst Assistenten für die Berg- Aufstellung der Lohnzettel und nach einer Reform der Entsollten Assistenten aus Arbeiterkreisen bekommen, welche die inspektoren wählen wollen, half man sich mit schönen Phrafen lassungsgründe im Sinne der Gleichberechtigung von UnterBerglente selbst bezeichnen wollten; und die Berginspektoren weg. Die Regierung erklärte und die bürgerliche Mehrheit nehmern und Arbeitern der Regierung zur Kenntnißnahme" sollten das Recht erhalten, selbst Strafen wegen Nicht- des Landtags unterschrieb es blindlings: Jeder Berg- das war Alles, wozu sich das Bürgerthum im sächsischen beobachtung der gesetzlichen Vorschriften zu diktiren, während arbeiter hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, Landtage aufschwingen konnte. sie jetzt nur ermahnen" dürfen und erst andere Behörden seinem Vorgesetzten sofort Anzeige zu erstatten, wenn er eine Damit haben denn die sächsischen Bergarbeiter zum zu Hilfe nehmen müssen, wenn sie etwas durchsetzen wollen. drohende Gefahr für Personen oder für die Grube bemerkt. rten Male ihre Quittung darüber, was sie auf gesetzliche" Man sollte meinen, das wären eigentlich selbstverständliche Die Deputation vermag in der geheimen Wahl der Forderungen für Antwort erhalten. Aber ihr AgitationsDinge. Aber was that die bürgerliche Kammermehrheit? Bergarbeiter nicht eine solche Art der Anstellung material hat sich um ein paar ganz hübsche Nummern verSie empfahl von den vier Forderungen der Regierung die von Beamten mit so großer Verantwortlichkeit mehrt. Mögen sie dieselben jetzt nach Schluß des Landeine und legte, die unverhoffte" Revision zur Kenntniß wie diejenige der der Berg Inspektoren zu erblicken, tages in den Bergbaubezirken ausnutzen! Außerdem müssen nahme", nicht einmal zur Berücksichtigung". Die übrigen welche unter allen Umständen die unbedingte Garantie da sie die Berichte der sächsischen Berginspektion, welche für ließ sie auf sich beruhen". für bietet, daß der richtige Mann mit jenem wichtigen Amt 1893 in allernächster Zeit als Anhang zu den Fabrikbetraut wird." Wahrscheinlich bieten aber die Vettern- inspetoren- Berichten erscheinen dürften, schärfer auf's Korn schaften und die Gesinnungstüchtigkeit, welche heute in nehmen. Dieselben sollten in jedem Bezirke in öffentlichen Sachsen vielfach für Staatsanstellung maßgebend sind, die Bergarbeiter- Versammlungen und in der Parteipreffe kritisirt unbedingte Garantie" für die Tauglichkeit als Berg- werden. So unterwühlt man den Boden, auf dem die inspektor! Und daß es ein grober Humbug ist, auf die Gegner der Arbeiterschutz- Gesetzgebung stehen, Schritt um Anzeigen zu verweisen, welche die Bergleute selbst erstatten Schritt und zwingt sie schließlich doch zur sollen, ergiebt sich einerseits aus der bekannten Thatsache, Rapitulation. daß Arbeiter ohne weiteres entlassen werden, die eine un
Wir haben schon in unserer Besprechung der Petition November vorigen Jahres gerügt, daß das Material nicht benutzt worden sei, was die Berichte der sächsischen Berginspektoren selbst, die alljährlich als Anhang zu den Fabrikinspektoren- Berichten erscheinen, zur Kritik der Bergaufsicht liefern. Daß sie in Bergarbeiterkreisen fast nicht bekannt sind, rührt freilich daher, daß sie die Regierung an jenem Publikationsorte beinahe versteckt, statt sie in besonderer
Feuilleton. Der Inde.
Deutsches Sittengemälde
aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts.
Sechstes Rapitel.
DJohannes Huß!
Armer Dominus! Seufatest Ach und Weh, Armer Domine!
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das drei Afterpäpste der Welt gaben, mußte geendet werden, der die Augen des Volkes auf sich 30g, bekleidete ihn auch aber weder Johann XXIII., der arglistigste unter ihnen, weder Tiare noch Hermelin, wohnte er gleich in feinem noch der stolze Benedict XIII. , der in Aragonien auf den Balaste. Dieser Mann war niemand anders, als der furcht19 Schutz des Königs trotte, noch der weit lenksamere, aber lose Böhme Johannes Huß, der Prediger einer neuen zum Werkzeug seiner Umgebungen herabgewürdigte Gre- Lehre, welcher dem kaiserlichen Worte und dem des Papstes gor XII. waren zum gütlichen Vergleich, zu Entsagung und vertrauend, sonder Scheu sich zu Costnih eingefunden aufrichtiger Mitwirkung an dem Geschäft der Kirchenver- hatte, seinen Glauben vor den Gottesgelahrten aller Nabesserung zu bewegen. Am lautesten eiferte das deutsche tionen zu vertheidigen. Die frommgläubigen Costnizer hatten Volk gegen den chaotischen Unfug und Mißbrauch, der die ihn zwar mit gemischten Empfindungen aufgenommen, da Kirche zum Schauplatz hiruloser Gebräuche und zur Ablaß - ihm der Ruf einers Kezers voraus ging, aber der Zauber bude machte; aber diese laute Mißbilligung vermochte es des kaiserlichen Geleitbriefs hatte ihn bisher vor jeder nicht, den Kaiser aus seiner Apathie zu wecken. Den drin- Unbill geschützt, und seine schlichte Tugend ihm am Ende genden Vorspiegelungen der Franzosen war es vorbehalten, die Herzen der Redlichen gewonnen. Wenn er sein Haus feine Theilnahmlosigkeit in den brennendsten Eifer zu ver- verließ, grüßten ihn die Bürger freundlich, die Kinder Wärst Du doch daheim gebieben! wandeln. Verschiedene große Begebenheiten, die gewöhn- hingen sich an seine Hand und horchten aufmerksam auf Dein Geleit war falsch geschrieben; lichen Vorläufer von wichtigern, spornten endlich seine seine milde Rede, wurde sie gleich in ungelenkem Deutsch Db's der Kaiser selbst verspricht, Hält man's doch dem Ketzer nicht. Thätigkeit: Hussens Umtriebe und kühne Eingriffe in gegeben. Diese Anhänglichkeit, die sich so unumwunden zu Volkslied jener Zeit. Böhmen , der Osmanen heraufluthendes Nomadenreich, aus äußern begann, wirkte widrig auf die Feinde des böhmischen Die Kirchenversammlung zu Costnitz, die größte, die dessen Zelten die wankenden Trümmer des Griechenreichs Predigers, und vermochte sie, die fortdauernde Abwesenheit jemals stattgefunden, zeigte sich bereits in ihrem Anbeginn kaum noch hervorsahen. Mit den unerhörtesten Anstren des Kaisers zu benüßen, und ihrer Rachsucht den Zügel glänzend und prachtvoll, obgleich das Oberhaupt des Reichs, gungen, mit persönlichen Aufopferungen, die einem Kaiser zu nehmen, damit sie den ersten entscheidenden Schritt thue. Kaiser Sigismund , noch in Aachen verweilte, wo seine deutscher Nation wohl so eigentlich nicht ziemten, aber in Die Vorbereitungen zu demselben konnten nicht so heimlich Krönung vor sich gegangen war. Der Antheil, welchen den Ansichten Sigismunds ihre Wurzel fanden, brachte der gemacht werden, daß nicht die Ahnung davon nach außen ganz Europa an diesem lang vorbereiteten Konzilium nahm, selbe endlich mit Zustimmung Johannes XXIII. die er gedrungen wäre. Hussens Freunde, seine von dem König war unbeschreiblich und um so natürlicher, als jedermann sehnte Kirchenversammlung zustande, und vereinte zu Coſtniß Wenzesla ihm mitgegebenen Wächter, die Edlen von Chlum von der Nothwendigkeit einer ausgleichenden schiedsrichter- die englische, italienische, französische und deutsche Nation und Lanzenbrock wurden gewarnt, er selbst wurde erlichen Versammlung mnig überzeugt war. Die lateinische zu allgemeiner Berathung. Der Papst Johannes, auf die mahnt, auf seiner Hut zu sein, aber sein unbegrenztes VerKirche, von tiefen Spaltungen zerrissen, zählte, statt eines Giltigkeit seiner Wahl sich stützend, erschien selbst auf dem trauen auf Gott und Fürstenwort, ein Bürge seines Statthalters Christi, ihrer dreie, die einander, von feind Konzilium. Ausgezeichnete Fürsten mit ihrem zahlreichen großen Herzens, ließ ihn alle gutgemeinten Winke lichen Parteien erwählt, erbittert gegenüber standen, und Gefolge schlossen sich an die ungeheure Zahl von Geistlichen zu seiner Rettung übersehen. Furchtlos, wie sonst, wandurch ihr Beispiel, wie durch ihren Bann, alle Eide und aller Würden, von Doktoren und Meistern der freien Künste, delte er zu den Verhören, die von mehreren mit der Pflichten locker machten, Christen gegen Christen aufreizten, der Voltsmenge nicht zu gedenken, die Schauluft und Ge- Untersuchung seiner Glaubenslehren beauftragten Kardinälen und dem Sittenverfall der Priester müßig zusahen, theils winnsucht herbeiführte. Mit gespannter Aufmerksamkeit gegen ihn eingeleitet worden waren, und er ahnte nicht, weil sie die Verirrten durch sträfliche Nachsicht für ihre wartete man auf den Kaiser, der die großen Sigungen in daß auf einem dieser Gänge das Unglück riesengroß auf Zwecke zu gewinnen hofften, theils endlich, weil sie nicht Person eröffnen sollte, und da sich seine Ankunft von Woche ihn einschreiten würde. beffer waren, denn ihre Üntergebenen. Dieses schon in die zu Woche verzögerte, so suchte die Neugierde ihre Nahrung Der achtundzwanzigste November war ein heiterer Tag Länge dauernde Aergerniß, dieses empörende Schauspiel, lan anderen Gegenständen. Ein Mann war es besonders, Papst Johaim, von einer geringen Unpäßlichkeit genesen
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PS