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Nr. 142. 33. Jahrgang.

1. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt.

Die zweite Lesung des Kompromises füssen   für die Tabatindustrie auf Grund des§ 18 des Haus­

im Steuerausschuß

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Die Kriegsgewinnsteuer.

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Mittwoch, 24. Mai 1916.

2 Broz., sofern das Vermögen am 31. Dezember 1913 weniger als 200 00 bis 500 000 m. betrug,

Proz., sofern das Vermögen am 31. Dezember 1913 weniger als 500 000 bis 1 000 000. betrug,

3 Proz., sofern das Vermögen am 31. Dezember 1913 weniger als 1 000 000 bis 2 000 000 M. betrug,

Proz., sofern das Vermögen am 31. Dezember 1913 weniger als 2 000 000 bis 5 000 000 m. betrug,

4 Proz., sofern das Vermögen am 31. Dezember 1913 mehr als 5 000 000 m. betrug.

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rat das Ersuchen, unverzüglich die Errichtung von Fachaus­arbeitsgesebes beschließen zu wollen. Staatssekretär Helffe­rich kann keine Erklärung namens der Regierung abgeben. Die Resolution wird gegen die Stimmen der Konservativen ange= wurde Montagabend erledigt. Die Beratungen begannen mit der nommen. Alle zu den verschiedenen Vorlagen eingegangenen Vorlage über die außerordentliche Reichsabgabe, die zu den Post- Petitionen werden für erledigt erklärt. Die zweite Lesung der und Telegraphengebühren erhoben werden soll. Die Umsatzsteuer findet am Mittwoch statt. einzelnen Säße dieser Abgabe werden nach den Kompromißvor­schlägen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten ohne Debatte angenommen. Mit demselben Stimmenverhältnis wird die in Auch diesen Antrag begründet Abg. Keil, indem er beson­erster Lesung beschlossene Bestimmung, daß auch die regierenden ders die Ungerechtigkeit hervorhebt, die darin liegt, daß kleine Fürsten sowie deren Frauen oder Witwen, welche Portofreiheit ge= Vermögen stärker als große Vermögen gefaßt werden. Je größer nießen, die Abgabe zu zahlen haben, wieder gestrichen. Der Die Budgetkommission des Reichstags sekte am das verbleibende Vermögen ist, desto weniger fühlbar ist die Ab­bom Abg. Vogtherr erneut gestellte Antrag, diese Portofreiheit Dienstag ihre Beratungen fort.- Abg. Frhr. v. Gamp hielt zu- gabe, wenn sie gleichmäßig auf ein Prozent beschränkt bleibt. Die aufzuheben, war zuvor gegen die Stimmen der Sozialdemokraten nächst eine lange Rede, um zu erreichen, daß die Aktien nicht zu Ablehnung der sozialdemokratischen Anträge würde beweisen, daß abgelehnt worden. Eine am Schlusse der Beratung vom Abg. einem Kurs eingesetzt werden, der schließlich die Aktionäre zu sehr sich Regierung und bürgerliche Parteien schützend vor die be= Wiemer( Fortschr. Vp.) beantragte Resolution, die die Vorlegung belasten würde. Staatssekretär Helfferich wendet sich gegen fibenden Klassen stellen. Staatssekretär Helfferich bezeich­eines Gefehentwurfs verlangt, durch den die Portofreiheit der re- Wünsche dieser Art, die eine Abänderung des Besitzsteuergesezes zur net die Anträge als nicht anehmbar. Die im Kompromiß ent­Die gierenden Fürsten   aufgehoben wird, wurde mit 14 gegen 13 Stim- Voraussetzung hätten. haltenen Vorschläge würden recht fühlbar wirken. men abgelehnt. In der in erster Lesung beschlossenen Bestimmung,§3 will vom Vermögenszuwachs abziehen lassen: den Betrag sozialdemokratischen Anträge werden gegen die daß die Aufhebung der Reichsabgabe spätestens nach Ablauf des des Vermögens, der durch Erbanfall entstanden ist. Dazu bean- Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Der Rest des Gesezes wird angenommen. Das Gesetz er= ersten Rechnungsjahres nach Friedensschluß zu erfolgen hat, wenn tragen die Sozialdemokraten hinzuzufügen: soweit ein solcher der Reichstag   es verlangt, wird die Frist um ein Jahr verlängert. Vermögensbetrag an Abkömmlinge ersten und zweiten Grades, an hält die Bezeichnung: Kriegsabgabe. Damit sind die Post- und Telegraphenabgaben erledigt. Das Ehegatten, leibliche Eltern, sowie voll- und halbbürtige Geschwister Die Kommission wandte sich dann dem Etat der allgemeinen Finanzverwaltung zu. Es liegen verschiedene Resolutionen vor, Gesetz im ganzen wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten fällt". Diesen Antrag begründet Abg. Neil( Soz.) mit dem Hinweis die Kriegsteuerungszulagen für die Reichsbeamten und Arbeiter angenommen. Ebenso wird die Vorlage über den Frachturkunden- barauf, daß kein Anlaß vorliege, lachende Erben zu schonen, die fordern. Staatssekretär Helfferich sichert wohlwollende Er­stempel durchweg nach den Kompromißanträgen angenommen. durch den Tod eines entfernten Verwandten auf dem Schlachtfeld wägung   zu. Die Durchführung der Beschlüsse des Reichstags zun Die in erster Linie eingefügte Befristungsbestimmung ist damit unerwartet zu einer Erbschaft kommen, die ihnen unter normalen Besoldungsgesetz von 1914 könne er nicht in vollem Umfange zu­ganz gefallen. Die Sozialdemokraten stimmen auch gegen dieses Verhältnissen taum zugefallen wäre. Staatssekretär Selffe fagen. Doch wolle er in den nächsten Tagen die Besoldungs­Gesez. rich wendet sich gegen den Antrag, der die Erbschaftssteuer in nobelle von 1914 wieder vorlegen. Weiter könne er nicht gehen. Die Erbschaftssteuer ist, wenn Abg. Ebert( Soz.): Ich hätte gewünscht, daß die Regierung Beim Eintritt in die zweite Resung der Tabaksteuer- das Gesez hineinbringen will. wegen der Berücksichtigung der Anträge, die eine Erhöhung der borlage bedauert Deichmann( Soz.), daß nun doch, entgegen entfernte Verwandte in Frage kommen, jezt schon sehr hoch. den Beschlüssen erster Lesung, auch Tabat und Bigarren belastet bg. BIund( F. Vp.) wendet sich gleichfalls gegen den Antrag, Gintommensgrenze für die Kinderzulagen und Gewährung von werden sollen. Für Industrie, Handel und Arbeiter werde das der schließlich auf eine Konfistation der Erbschaften hinauslaufen Teuerungszulagen an nicht etatsmäßig Angestellte und Arbeiter eine schwere Schädigung bedeuten. Das einzige Entgegenkommen müsse. Rebner bekämpft dann die Bestimmung des Gesetzes, wo- berlangen, eine bestimmtere Zusage gemacht hätte. Was in den bestehe in der Aufnahme der Bestimmung über die Unterstützung nach auch Vermögen, die aus dem Ausland hereinkommen, einer Anträgen verlangt wird, ist dringend geboten. Dabei sollten auch. arbeitslos werdender Arbeiter. Besteuerung unterliegen soll. Staatssekretär eIfferich gibt die Aushilfsbeamten berücksichtigt werden. Bedauerlich ist, daß die Molkenbuhr( Soz.) richtet an Mayer- Herford die Frage, die Zusicherung, daß in geeigneten Fällen weitgehende Rücksicht Besoldungsnovelle nicht nach den Beschlüssen des Reichstags vom Abg. Dr. David( Soz.): Wenn man den 18. Mai 1914 durchgeführt werden soll. Die Vorlage ist damals ob er sich bewußt sei, wie sehr durch die Kompromißvorschläge geübt werden soll. gerade die westfälische Tabatindustrie ins Hintertreffen gerät. Vermögenszuwachs, der durch Erbschaften entsteht, von der Kriegs- wegen der Rücksichtnahme auf Preußen gescheitert. Wir halten Mayer entgegnet, er wisse das und stimme auch nur unter gewinnsteuer ausnimmt, so schafft man ein Ausnahmerecht. Es die damaligen Reichstagsbeschlüsse nach wie vor für gerechtfertigt großen Bedenken" zu. Raute( Soz.): Mit Ihren Bedenten sollen die durch den Krieg an entfernte Verwandte fallenden, un- und müssen ihre baldige Durchführung verlangen. Wir wollen wird dem Tabakgewerbe nicht geholfen. Durch die Kompromiß- erwarteten Grbschaften getroffen werden. Gegen diesen Antrag aber in der jezigen Situation den alten Streit nicht wieder auf­Viele dieser nehmen und stimmen deshalb dem Vorschlage der Regierung zu. anträge wird der Mittelstand in der Tabakbranche direkt ruiniert. find stichhaltige Gründe nicht vorgebracht worden. Staatssekretär Helfferich versichert nochmals, daß den Be­Es entsteht nunmehr ein längerer häuslicher Streit zwischen dem Erbschaften kommen so unerwartet wie ein Lotteriegewinn. Der Fortschrittler Dr. Blund und den Nationalliberalen Mayer- Höchstsah der Erbschaftssteuer von 30 Proz. dürfte praktisch noch amten gegenüber das größte Wohlwollen geübt werden solle. Die Etatsberatung war damit erledigt. Herford   und Schulenburg, die sich gegenseitig vorwerfen, daß nie zur Anwendung gekommen sein. Die gegenwärtige Erb­bei den Kompromißverhandlungen der eine den anderen im Stich schaftssteuer geht lange noch nicht weit genug. Wenn man jetzt gelaffen habe, als es galt, die westfälische Tabakindustrie beffer zu nicht zugreift, wird man diese Gewinne nie wieder faffen können. Staatssekretär Helfferich beharrt auf seinem Widerspruch. schützen. Diese Familienszene, in der die Kompromißfreunde aus Bei der Abstimmung wird der Antrag gegen die Stimmen der allen bürgerlichen Parteien versichern, daß fie große Opfer ge- Sozialdemokraten und des Abg. Mumm abgelehnt. Die§§ 3 bracht hätten, schließt mit der Erklärung Mahers, seine Freunde hätten den erhöhten Bollfäßen nur im Interesse des Kompromisses" und 4 werden dann angenommen. zugestimmt. Die Zoll- und Steuersäße werden nach den Kom­promißvorschlägen genehmigt. Bei dem Kriegsaufschlag für Biga­retten begründet Antrid den sozialdemokratischen Antrag, die Bigaretten bis zu Pf. und von bis 2% Pf. das Stüd von dem Aufschlag freizulassen. Wenn in der vorausgegangenen Aus­einandersetzung von den großen Opfern, die gebracht wurden, die Rede war, so sind das Opfer zugunsten der Reichen. Jetzt haben Sie Gelegenheit, einmal ein Opfer zugunsten der Armen zu bringen, Sie die billigsten Zigaretten rauchen. Der Antrag wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt. Der Termin, von dem ab die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes verzollten und versteuerten Tabakblätter der Nach verzollung und Nachversteuerung unterliegen, wird auf den 15. Mai 1916 festgesetzt, womit die Speku­lationsverzollungen getroffen werden sollen.

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Von

Der Kompromißantrag, wonach die Hausgewerbetreibenden und Arbeiter, welche infolge des Gesetzes im ersten Jahr seiner Geltung arbeitslos werden, bis zu 6 Monaten( statt bis zu zwei Jahren, wie in erster Lesung beschlossen) Unterstübungen erhalten sollen, wird von Deichmann unter Hinweis auf die Erfahrungen bon 1909 lebhaft bekämpft, trotzdem aber angenommen. Blund( Fortschr. Bp.) wird festgestellt, daß die Fristen dieser Be­stimmung beim späteren Inkrafttreten der Wertzollerhöhung, die erst erfolgen soll, wenn wieder normale Tabakpreise gelten, für die dann etwa arbeitslos werdenden Arbeiter erneut beginnen. In der Gesamtabstimmung wird auch diese Vorlage gegen die Sozialdemokraten angenommen.

Eine Resolution Burkhardt( D. Fr.) richtet an den Bundes­

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§ 5 enthält die Bestimmung, daß auch Juvelen und Kunst­werte der Besteuerung unterliegen. Diese Besteuerung sollte nicht eintreten, wenn die Kunstwerke von lebenden deutschen Künstlern stammten oder von solchen Künstlern, die seit dem 1. Januar 1910 gestorben sind. Dieser Passus war in erster Lesung gestrichen wor­den. Nach dem Kompromißvorschlag, der angenommen wird, wird diese Bestimmung wieder eingefügt mit der Abänderung, daß als

Datum: 1. Januar 1909 gelten soll.

Bu einer größeren Debatte fommt es erst wieder bei§ 9 Ziff. 1, der die Stala für die Abgabe vom Vermögenszuwachs ent­hält. Die Sozialdemokraten haben dazu, wie bereits mitgeteilt, eine schärfere Stala beantragt. Dieser Antrag wird vom Abg. Seil begründet. Die Beschlüsse der ersten Lesung waren zwed­mäßig. Der Kompromißvorschlag nimmt teine Rücksicht auf die Höhe des Vermögensbestandes vor dem Kriege. Es wird kein unterschied gemacht darin, ob und welches Vermögen der Befiber der Kriegsgewinne vorher gehabt hat. Das führt zu Ungleich­heiten, die der sozialdemokratische Antrag beseitigen will. Kriegs­gewinne müssen um so schärfer besteuert werden, je größer das Bermögen ist, zu dem fie gekommen sind.

§ 9 Biffer 2 enthält die Staba für die Besteuerung bes nicht eingetretenen Vermögensverlustes. Der Kompromißoorschlag fieht eine Besteuerung von einem Prozent vor. Die Sozialdemokraten beantragen folgende Staffel:

1 Proz., sofern das Vermögen am 31. Dezember 1918 weniger als 100 000 M. betrug, Proz., sofern das Vermögen am 31. Dezember 1913 weniger als 100 000 bis 200 000 m. betrug,

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Ein

Zur Verhandlung kommen dann noch eine Reihe von Petitio­nen. Bei dieser Gelegenheit erörtert Abg. Soch die zurückgestellte Petition des Barons v. Liebig in München   wegen der vom dortigen Generalfomando über ihn verhängte Briefsperre. Der Referent beantragt leberweisung zur Berücksichtigung. bayerischer Vertreter stüßt sich darauf, daß der bayerische   Landtag über die gleiche Petition zur Tagesordnung übergegangen ist. Daß in diesem Fall schitanös verfahren würde, ist nicht richtig; seit Unter diejen 29. April ist die Briefsperre wieder aufgehoben. Umständen wurde die Petition für erledigt erklärt. Mittwoch beginnen die Verhandlungen über die Ernährungs­fragen.

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Die Novelle zum Vereinsgeseh.

Die Reichstagskommission zur Vorberatung des Entwurfs einer Novelle zum Reichsvereinsgesetz sezte am Dienstag ihre Be­ratungen fort. Sie hatte den Genuß, Herrn Dertel seinen in der ersten Sitzung begonnenen Obstruktionsfeldzug fortſehen zu ſehen. Er prophezeite für den Fall der Annahme des Gefeßentwurfs in langatmigen Ausführungen, an denen ausschließlich er selbst Be­hagen empfand, die schwerste Beeinträchtigung des Volkswohls. Er zitierte die Fortschrittler Kerschensteiner und Traub, die für Herrn Dertel urplößlich Autoritäten geworden sind, weil sie gegen die Zulassung der Arbeiterjugend zu den Gewerkschaften eine nicht zu verstehende Abneigung haben. Beitungsausträger, Regeljungen und Backfische werden nach Herrn Derbel in Zukunft Einfluß auf die Verhandlungen der Gewerkschaften gewinnen. Diejenigen An­hänger der Vorlage, denen diese nicht weit genug geht, forderte Herr Dertel nachdrücklich auf, ihre Wünsche in Anträgen zum Ausdruck zu bringen. Ministerialbirektor Dr. Lewald hatte näm­selben ungültig zu machen, wurde aufgehoben. Ebenso das Recht gegen jede mißliebige Einrichtung.

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Die polnische Konstitution vom 3. Mai. Grundlage des Staates, für dieſen ein Verhängnis, so wurde seine des Abels zu konföderationen, bewaffneten Aufständen

Am 3. Mai fand im offupierten Polen   aus Initiative und unter Führung der nationalistischen Elemente des Bürgertums, Adels und Klerus eine öffentliche Feier statt zur Grinnerung an die an diesem Tage des Jahres 1791 für das damalige polnische Reich von seinem Reichstage beschlossene Verfassung. Saure Wochen- frohe Feste, sagt ein Sprichwort. Und die Wochen des Krieges waren ja gerade in diesem Lande sauer genug. Auch daß eine derartige Kundgebung überhaupt zustande kommen konnte, ohne wie bisher nach zarischer Manier von vornherein untersagt oder mit dem Säbel unterbrüdt zu werden, auch dieser Umstand mußte ihr freilich einen besonderen Reiz verleihen. Vor allem jedoch mochte der Hallende Jubel der glorreichen Legende entsprechen, die um jenes geschichtliche Ereignis von Anfang an immer wieder von neuem mühsam und absichtlich von den Wort­führern des Besizes gespomen wurde: daß es ein glänzender Ausdruck und Erfolg gemeinsamer aufopfernder Anstrengungen der ganzen Nation im Kampfe um die Rettung des Vaterlandes, ein epochemachender, verheißungsvoller Versuch seiner Regeneration gewesen sei.

So weit, so schön. Aber entspricht nun die Legende selbst, durch die diese Kreise auch jetzt mit Hilfe der Feier die nationale Einheit fünstlich zu schaffen suchten, der historischen Wahrheit? Wir übergehen schon das rein theoretische Interesse, das hier jeder denkende Zuschauer an der Beantwortung der Frage haben dürfte. Viel wichtiger ist sie vom sozialen bzw. politischen Gesichtspunkt ausgenommen. Da bekommt das nationale Faktum internatio­nale Bedeutung, sintemal das Volk auch in allen anderen auf Klassenunterschieden und-gegensätzen beruhenden Ländern so oft und so gern mit ähnlichen Legenden gespeist und ähnlichen Feiern bedacht zu werden pflegt.

Der polnische Staat, deffen allmählicher tragischer Untergang durch seine dritte Teilung im Jahre 1795 endgültig befiegelt wurde, blieb bis zum letzten Moment seines Bestehens eine auf feudaler Wirtschaftsordnung bzw. Leibeigenschaft basierende Adelsrepublif mit einem gewählten Paradekönig an der Spike.

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bölferungsrädgang. War schon der Verfall der Landwirtschaft, der Schwäche noch mehr gesteigert durch die dezentralistischen Ten­denzen und Willkür der großen Magnaten, die sich in ihrer Politik auf die von ihnen unterhaltenen proletarischen untersten Schichten des Adels oder auch eigene bewaffnete Macht stüßten. Die Republik   fonnte saniert und ihre Unabhängigkeit gerettet werden, wenn sie zu einem modernen Staatswesen mit geordneter Finanz- und Militärorganisation umgewandelt worden wäre. Dazu brauchte es vor allen Dingen einer höheren ökonomischen Basis, der Ueberführung der bestehenden naturalen Produktions­weise in eine kapitalistische, die eine intensivere Ausnüßung der vorhandenen wirtschaftlichen Kräfte ermöglichte. Die erste Vor­bebingung aber einer solchen Umgestaltung war die Aufhebung der Schollenpflichtigkeit und der Frondienste der Bauern, ihre voll ständige Befreiung. Sodann mußte der Grundbesitz beweglich gemacht werden, auch die Städte wiederbelebt, Handel und In­dustrie entfaltet werden, um einen innern Absatz zu schaffen. Als Klasse konnte der Adel nicht alles dies gegen sich selbst vollbringen, was in Westeuropa   der Absolutismus   oder der dritte Stand im Kampf gegen ihn vollbracht hatte- Faktoren, die in Polen   gänzlich fehlten. Er konnte nicht mit eigenen Händen den Ast absagen, auf dem er saß, auf seine Machtposition verzichten, sich an den materiellen Ruin bringen. So wurde denn die Reform dadurch, daß er ihr Träger war und sie seinen Interessen möglichst anzupassen suchte, dadurch, daß sie von diesen und nicht von den produttiven Kräften der fapitalistischen Entwicklung diffiert war, von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Ihre Glanzleistung war nun die berühmte Konstitution vom 3. Mai. Die Neuerungen, die sie brachte, waren im wesentlichen folgende: Sämtliche Konfessionen find freigegeben worden, doch die katholische Religion weiterhin als die herrschende anerkannt und der Uebergang zu einer anderen unter Kriminalstrafen ver­boten. Die Wahl monarchie wurde abgeschafft und der Thron, der nach dem Tode des damaligen Königs Poniatowski   auf das Kurhaus Sachsen übergehen sollte, fortan für erblich erklärt. Die vollziehende Gewalt stand dem König, dessen Macht erweitert wurde, sowie den von ihm ernannten, aber dem Reichstag verant­wortlichen Ministern zu.

Begüterten Stadtbürgern wurde die Erhebung in den Adelsstand erleichtert und erlaubt, Grundbesitz zu erwerben sowie sämtliche geistliche und zivile Aemter und militärische Ränge zu bekleiden. Die städtischen Berufe sind als den ländlichen gleich­würdig erklärt worden. Die Städte erhielten Selbstverwaltung sowie eigene Rechtsprechung zugesichert. Doch wurden die Bürger nicht gleichgestellt mit dem Adel in bezug auf die Teilnahme an der Gesetzgebung. Sie durften höchstens 22 Vertreter in den Reichstag entsenden, mit dem Recht, ihm über die Bedürfnisse der Städte Mitteilungen zu machen. Uebrigens erhielten diese Bugeständnisse nur die königlichen Städte, die die Privilegien des deutschen Rechts genossen, während ihre Erweiterung auf alle anderen, adeligen, bom guten Willen eben ihres Besizers abhing.

Endlich sollte die bäuerliche Bevölkerung unter den Schutz des Gesetzes und der Regierung gestellt werden, aber nur in bezug auf Freiheiten, Konzessionen und Verträge, die mit ihr der Gutsherr freiwillig eingeht. Lettere sollten also für beide Seiten Geltung haben. Ueberdies ffand es jedem zu, der nach Polen   neu ankommt oder zurückkehrt, frei Verträge über die Ansiedlung, Fron­dienste und Zinsen abzuschließen, sowie nach Gutdünken sich in der Stadt oder auf dem Lande niederzulassen.

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Wie wir sehen hat die Konstitution, dieser letzte und wichtigste Gesetzgebungsaft der selbständigen polnischen Republik zur Refor­mierung derselben, in der Hauptsache alles beim alten gelassen. Nach wie vor blieb die rechtliche Ungleichheit der Klassen bestehen, nach wie vor blieb unbeschränkter Herr im Staate der Adel, dem in der Konstitution heißt aufs feierlichste alle seine Gerechtsame, Freiheiten und Brärogationen und der Vorrang im Privatleben und im öffentlichen Leben" zugefichert wurden. Und seine Interessen waren vor allem damit gemeint, wenn sie weiter feierlich verspricht, die Rechte... des beweglichen und unbeweglichen Eigentums ebenso heilig und unverleklich als seit Jahrhunderten... einem jeden zu­statten kamen... zu bewahren und beizubehalten".

Die Bauernfrage, deren radikale Lösung allein eine durchgreifende Reform des damaligen polnischen Gemein- und Staatswesens her­beizuführen imftande war, diese Kardinalfrage wurde in ihrem Kern gar nicht berührt. Die Leibeigenschaft wurde nicht aufgehoben, die Natur und Zahl der Dienste und Pflichten der Bauern um kein Jota geändert, diesen weder Freizügigkeit noch Sicherung und Schub Auch blieben sie weiter der Patrimonial­ihrer Scholle gewährt. gerichtsbarkeit unterstellt, wie denn überhaupt ihre Zukunft der Gnade des Grundherrn überlassen wurde. milde gesprochen Dürftig In grellem Lichte erscheint die

Doch nach seiner ersten Teilung im Jahre 1772 fette in ihm, begünstigt durch die aufklärerische Bewegung in Westeuropa  , eine Periode der Reformen" ein. Die Reformbestrebungen gingen Bei diesem, dem in zwei Kammern( der Landboten   und der bon einem Teile namentlich des kleineren Adels selbst aus, der, Senatoren) geschiedenen Reichstag( sejm) blieb die gesetz­um von sich das Schicksal seiner Massengenossen in den verlorenen gebende Gewalt. Das aktive und passive Wahlrecht, somit auch Landesgebieten abzuwenden, nunmehr bereit war, manche Aende- das Gesetzgebungsrecht sollte einzig und allein der Adel befizen. rungen zur allgemeinen Besserung und Kräftigung der Republik  ( Und zwar der wohlhabende. Bereits zwei Wochen vorher wurden nämlich die ärmsten Schichten desselben vom Wahlrecht gänzlich herbeizuführen. Die Landwirtschaft dieser Gutsherren war unrentabel ge- ausgeschlossen, das nur noch die ansässigen Gutsbesizer, die min- teit dieser ganzen Reform, wenn man sie, unter Berücksichtigung frei­worden. Der Absah ihrer Produkte geriet immer mehr ins Stoden. bestens 100 Gulden des Opfers des zehnten Groschens zahlten, lich der damaligen polnischen Verhältnisse, jenen großen sozialen und Die fortwährend zunehmende Ueberlastung und Verarmung der ausüben durften.) Das liberum veto, das Recht eines Mit- politischen Umwälzungen gegenüberstellt, die zu gleicher Zeit in Frank­Bauern verminderte ihre Produktivkraft und führte zu einem Be- glieds des Reichstags durch seinen Einspruch jeden Beschluß des- reich stattgefunden haben. Nicht umsonst hat die artige, ruhige,

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