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Die schlechte Justiz schreit gen Himmel... wenn ich nicht remedire, lade ich selbst die Verantwortung auf mich", rief bereits Friedrich Wilhelm I.  , der Vater Friedrichsdes Großen" aus. Seine Versuche zuremediren" gingen jedoch nicht über schüchterne Anläufe hinaus. Weder das Gerichtsverfahren noch das materielle Recht erfuhren eine Besserung. Die Richterstellen wurden nach wie vor an den Meistbietenden losgeschlagen die langen Soldaten kosteten viel Geld, und Geld, für Militärzwecke ein- genommen, stank schon damals nicht. Zu Richtern, befahl Friedrich Wilhelm l.. sollten, wenn das Gebot für den Aemter- kauf gleich groß war, nach wie vordie dummen Teufsel" ernannt werden; den Bewerbernvon Stop" sollten die Ver­waltungsstellen zufallen. Heutzutage beklagt sich hin und wieder im Justiz- Ministerialblatt ein preußischer Justizminister in weit höflicherer Weise darüber, daß mehr minder fähige Beamten in der(von der Verwaltung durch den im Strafverfahren über- wiegenden Einfluß der Staatsanwaltschaft abhängigen) Straf- justiz als in der Ziviljustiz Verwendung finden. Friedrichder Große" hat auf dem Gebiet der Rechtspflege nicht ohne Erfolg Wandel zum Bessern zu schaffen gesucht. Die ältere deutsche, dem Wesen des Rechts allein ent» sprechende Auffassung, daß die Gerichte aus unabhängigen, vom Volk frei gewählten Richtern bestehen und nichr Organe sind, die von irgend einerObrigkeit" oderHerrschaft" eingesetzt waren, war bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts völlig ge- schwunden. Der Absolutismus   kennt nur von der als Inhaber derJustizhoheit" fingirteu Herrschast bestellte Gerichte, die au Stelle des absoluten Herrschers Recht sprechen. Ueber das Prinzip der absoluten Despotie hinaus gehl es, wenn die Richter dann selbst als Despoten im Kleinen zu fnngiren trachten. Der absolute Herrscher ver- iörpert dieRechtsidee", dieGerechtigkeit". Nur infolge der thatjächlichen Unmöglichkeit, selbst Recht zu sprechen, ist er gezwungen, die Rechtsprechung anderen zu übertragen. Die Be- stechlichkeit, Käuflichkeit, Aufgeblasenheit und Dummheit der von ihm eingesetzten Richter und die Unsicherheit des durch diese ge­sprochenen Rechts ist nicht nothw endige Folge des Ab- solutismus. Deraufgeklärte Despot" erkennt vielmehr, daß sein Reich und seine Herrlichkeit wesentlich mit auf der Mystifikation beruht, daß er die personifizirle Gerechtigkeit darstelle. Friedrich der Zweite erkannte mehr oder minder klar, daß deraufgeklärte Despot" in eigenstem Interesse das Sprüchlein zu bewahrheiten suchen müsse: justitia est fundamentum regnorum(Gerechtigkeit ist die Stütze der König  - reiche). Rastlos suchte er auf dem Gebiet des Strafrechts und des Zivilrechts, auf dem Gebiete des Verfahrens und des mate- teriellen Rechts das Ziel zu erreichen,Gerechtigkeit zum Fundament des ganzen Sraatslebens zu machen". Das Ziel hat er nicht erreicht und konnte es nicht erreichen. weil es in einem ungeschminkt absoluten Reich so wenig wie in einem absoluten Reich mit konstitutioneller J-tntiUcfoit. Der Jude. 52 Deutsches Sittengem älde aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Von C. S p i n d l e r. Wirklich trat auch der Prälat gewichtigen Schritts aus dem Seitcngemach, Lampe   und Brief in der Hand. Sein Antlitz zeugte von einer gerade nicht unbedeutenden Be- wcgung, und der Gang war nicht so sicher ivie wohl sonst.Redet, um der ewigen Barmherzigkeit willen! rief rhm Dagobert entgegen, der allsobald über die Besorgniß für den Vater das soeben abgehandelte Gespräch vergessen hatte:Martert mich nicht. Was ist geschehen?"Der Herr hat es noch wohl gemacht," erwiderte Hieronymus, kläglich auf die Ruhebank sinkend:der Bruder lebt und wird bald vollends genesen sein; aber ein Unfall hat ihn betroffen, wie er sich nur in den verwahrlosten deutschen Landen begeben kann. In der Dämmerung sich nach Hanse  wendend, begegnete ihm ein Freihard in Pudelmütze und Wolfspelz, und schaut ihm mit blutroth gefärbtem Angesichte keck und unverschämt unter das herabgekrempte Piret. Dein Vater fährt zurück.. Der Wütherich, dem die leere Straße Muth zulegt, fragt ihn höhnisch:Kauft mir ein Menschen- leben ab, Schöff!" Und da nun der Bruder ihn zurückstößt und den Mund öffnet, um nach Hilfe zu schreien, so fühlt er bereits das Messer des Wehrwolfs unter seinen Rippen sitzen, und sinkt dahin.Gute Nacht, alter Frosch!" ruft ihm noch der häßliche Mörder ins Ohr:Dein Fröschlein kommt nach!" und packt den Verwundeten an. um ihn an Schminke zu erreichen ist. Er hat es nicht erreicht und konnte es nicht erreichen, weil in einem Klassenstaat Gerechtigkeit keinen Bode» hat. Er hat es nicht erreicht, weil wahre Gerechtigkeit nur denkbar in einem demokratischen Gemeinwesen, das ans dem Gegentheil einer Klasscnherrschast errichtet ist. Aber das, was auch im Klassenstaat als Ungerechtigkeit empfunden wird, hat er zu beseitigen angestrebt und ist in diesem Sireben nicht ohne Erfolg geblieben. Auf dem Gebiet der Strafrechtspflege schaffte er drei Tage nach seiner Thronbesteigung, am 3. Juni 1740, die Folter ab nicht lange Zeit später erlaubte er die Anwendung von Stockprügeln zur Erzwingung eines Geständnisses des Angeklagten. Heute erlaubt das Gesetz weder Folter noch Stockprügel auch Nilpferd- peitschen, Gummischläuche oder seelische Tortur anzuwenden gestattet das Gesetz nicht. Von dem Saale   aus, für den Oeffentlichkeit nicht existirt", verkündet aber heute ein Staats- anwalt nur, daß ein Bürger, dessen Nase durch Hilssbeamle der Staatsanwaltschaftkaput" geschlagen ist, versuchen darf aus Schadenersatz im Zivilprozeß zu klagen. Friedrich II.   ver- langte volle Achtung vor seinem Gesetz und faßte die Ver- antwortlichkeit von Bcaniten jeder Gattung strenger auf: wer nach seiner allerdings häusig irrigen AnsichtRechte" derUntcrthanen" gekränkt oder wer falsch geurtveilt halte, wurde kurzer Hand auf Festung geschickt.Ein Justizkollegium", meinte er,das Ungerechtigkeiten verübt, ist gefährlicher und schlimmer als eine Diebesbande; vor der kann man sich hüten, aber vor Schelmen, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihren üblen Passionen zu dienen, vor denen kann sich kein Mensch hüten, die sind ärger als die größten Spitzbuben, die in der Welt sind, und verdienen eine härtere Bestrafung." Und solchenSchelm" argwöhnte er in jedem Richter. Häufig melirte er sich selbst" in die Rechtspflege, um vermeintlich un- gerechte Handlungen derFederfuchser" zu rektifizircn. Vor allem suchte er jedoch durch organische Gesetze dieversimpelte" undunredliche" Justiz zu ändern. DieInfamie" des Aemterkaufs hob er auf. Durch ein beschleunigtes Verfahren suchte er die Langsamkeit der Rechtspflege zu beseitigen: innerhalb eines Jahres sollte jeder Prozeß alle Instanzen durchlausen haben. Heule erfährt der minder Begüterte häufig erst nach vielen Jahren, daß eine Instanz sich geirrt haben muß. Den Zweck, eine billige, prompte, unparteiische, gerechte" Justiz zu erreichen, glaubte er in erster Reihe durch ein allgemein ver- ständliches klares Gesetzbuch zu erreichen. Älllerdings blieb er in den Anschauungen der damaligen Zeit befangen, daß es einnatürliches", nur aufVernunft" gegründetes Recht gäbe. Unter dem 31. Dezember 1746 verordnete er:und weil die größte Verzögerung der Justiz aus dem Ungewissen lateinischen, römischen Recht herrührt, welches nicht allein ohne Ordnung kompilirt worden, sondern worin singulas leges pro et contra(einzelne Gesetze für und gegen) disputirt oder nach eines leden Kaprize limitirt oder extendirt worden: so befehlen wir i.. ein teutsches allgemeines Landrecht, welches sich b l o s auf die Vernunft und Landesverfassung gründet, zu fertigen und den Rand des Grabens zu schleifen, und wahrscheinlich kopfüber in der Hirsche Revier hinabzustürzen. Da nahen aber glücklicherweise Leute; um seines Werkes wenigstens sicher zu sein, führt der Verfluchte noch einen Stoß gegen die Brust des armen Diethers. Der Stahl prallt jedoch zum Heil von der Halskette desselben ab, und der Blut- Hund entflieht. Die Wunde wurde, von wenig Bedeutung zu sein, erkannt, und wie gesagt. Dein Vater ist auf dem Wege zur vollen Besserung." Abscheuliches Verbrechen!" rief Dagobert und Fiorilla entsetzt aus. Nun ist aber de,»noch auf sothanem Schmerzenslager" fuhr der Prälat fortder Gedanke in dem Bruder erwacht: es möchte denn doch vielleicht der Herr einst schnell über ihn gebieten, und da es löblich ist, in solchem Atter und solcher Befürchtung noch einmal sein Geschlecht um sich zu versammeln, und sich mit denjenigen zu versöhnen, mit denen ein unbilliger Haß uns entzweit hat, so verlangt der wackere Dicther, ich solle mich in Deiner und Wall- radcns Gesellschaft zu ihm begeben, um das Fest seiner Heilung in seinem Hanse feierlich zu begehen. Wallrade soll bei dieser Gelegenheit wieder in alle Kindesrechte und den Arm des Vaters aufgenommen werden." Daran thut mein allzu guter Vater gerecht und wohl," erwiderte Dagobert,obschon die Schwester diese Liebe nicht verdient und auch nicht zu würdigen vermag. Was beschließt Ihr aber hierauf, mein hochwüroiger Ohm und Herr?" Hm!" sprach Monsignore nach zweifelhaftem Kopf- schütteln:Ich meine, daß eS vollkommen hinreichen wird, wenn ich hier zu Costnitz in meiner stillen Kammer dem Herrn für das meinem Bruder widerfahrene Heil danke, und zu Ehren unserer lieben Frauen, die durch ihre Für- bitte des Mörders Stoß fehl gehen ließ, einige Messen lese. z» unserer Approbation vorzulegen, worüber wir hiernächst aller unserer Stande und Kollegioren, auch Universitäten Monika ein- holen und die besonderen Statute einer jeden Provinz be- sonders bcidrucken lassen wollen, damit einmal ein ge- wisses Recht etabliret und die unzähligen Edikte aufgehoben werden mögen." Das daraufhin in den Jahren 1749 und I7S1 erschienene corpus iuris iMdericiani genügte den Ansorderungen nicht. Die Ordre vom 14. April 1789, die abermals die Abfassung eines vollständigen, klaren, allgemein verständlichen Gesetzbuchs anordnete, führte in den Jahren 1784 1788 zu demEntwurf eines allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten". Nachdem die öffentliche Meinung(die damals noch existirle) in breitester Weise Kritik an diesem Entwurf geübt hatte, sollte er an vielen Stellen verändert alsAllgemeines Gesetzbuch   für die preußischen Staaten" am I. Juni 1792 Gesetzeskraft erlangen. Jndeß Friedrichs Neffe, der bekannte Freund von Bett- und Bei- schwester», Heuchelpack und Feiglingen inhibirte die Publikation. da die inzwischen in Frankreich   eingetretenen Begebenheiten große Vorficht uolhweudig machten". Das Gesetzbuch wurde revidirt, verbösert selbst der TitelGesetzbuch" als anstößig kassirt und endlich unter dem S. Februar 1794 unter dem TitelAllgemeines Landrecht für die preußischen Staaten  " mit Gesetzeskraft zum 1. Juni 1794 publizirt. Die ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft haben in den seitdem verflossenen Hunderl Jahren erhebliche Umwälzungen er- fahren. Die Einsicht ist fast Allgemeingut geworden, daß die Ge- setze der ideologiiche Niederschlag der jeweiligen ökonomischen Be- dinguugen, polltische» und sozialen Verhältnisse sind. Das allgemeine Landrecht besteht im Wesentlichen noch heule zu Recht. Allerdings einneues" bürgerliches Gesetzbuch ist in Aussicht. Die ihrem Untergang zueilende Gesellschaft versucht durch allerlei Heilmittelchen ihre Lebenszeit zu verlängern. Als eine dieser Wunderpillen sucht sie ein für ganz Deutschland   einheitliches bürgerliches Gesetzbuch" zu brauen. Seit bald 29 Jahren sind ans grund des Gesetzes vom 29. Dezember 1873 mit heißem ach wie vergeblichem! Bemühen die juristischen Berather an der Arbeit. Die erste Kam- Mission dieser bürgerlichen Gesetzemacherei,bloßer" und jeder Vernunft hat aus 12 399 Folioseiten in unbewußter Ironie dargelegt, daß ihre im Januar 1888 abgeschlossene Arbeit nichts tauge. Die dann 1899 eingesetzte Revisions- Kommission ist noch bei der. Arbeit. Sorgsam ist aus dem Plan bislang alles geschieden, was zu einer Milderung oder gar Beseitigung der heutigen Ausbeutungs- und Wucher- freiheit führen könnte, selbst alles, was auch nur ein wenig den wirthschaftlichen, sozialen Bedürfnissen entgegenkommen könnte kann doch auch niemand verlangen, daß sich jemand am eigenen Zopf aufhänge. Zu den zünftigen Juristen sind dieser Kom- Mission noch Vertreter der verschiedenen politischen Parteien mit Ausnahme der sozialdemokratischen bei- gesellt. Gegenwartsanbeter drängen. doch möglichst bald daseinheitliche" Unrecktsbuch Gesetz werden zu lassen. Wasiraden werde ich jedoch zu der Aussöhnung bewegen, und überlasse es Dir sehr gerne, die Schwester nach dem Vaterhause zu geleiten, und wohlbehalten wieder auher zu führen." Mit nichten," äußerte Dagobert aufstehend und kalt: Wallrade bedarf meines Geleits nicht. Einer ihrer zahl- reichen Freier wird dieser süßen Pflicht sich leicht unter- ziehen, wenn nicht kaiserliche Majestät selbst ihren Reise- stallmeister machen will. Euch überlasse ich es, Ohm, die Liebenswürdige vorzubereiten. Unstreitig wißt ihr ihren jetzigen Aufenthalt besser denn ich, der nur dann und wann von müßigen Stadtzungen Gerüchte und Ver- muthungen hört, die gar nicht zur Ehre unsers Stammes gereichen. Gerne werde ich auch Wallraden den Vorzug im Vaterhause einräumen, und daher einzurichten suchen, daß ich an dem Tage ankomme, an welchem sie geht. Schließ- lich danke ich Euch demüthigst für Eure gehabte Mühe, und werde dieselbe gegen meinen Vater zu rühmen wissen, da es Euch ohnedies widerstrebt, tiefer in das verhaßte deutsche Geburtsland vorzudringen. Gute Nacht, wür- diger Herr!" Ter Prälat sah betroffen, beschämt und staunend dem Neffen nach, der wie er endlich zu begreifen begann unter dem Schimmer jugendlichen Leichtsinns einen stechenden Ernst barg, welcher einem verweichlichten Gemüthe um so empfindlicher wehe that. Fiorilla leuchtete dem Scheidenden bis zu des Hauses Pforte. Daselbst ergriff sie seine Hand, sah ihn mit weinenden Augen an, und sagte:Ihr habt heute durch Eure feste Redlichkeit vermocht, sdaß ich vor mir selbst erröthete. Könnt Ihr mir vergeben, wozu ich Euch verleiten wollte?"Von ganzem Herzen!" er- widerte Dagobert,denn Ihr wart weit entfernt, mich zu beleidigeu. Euch reißt die Leidenschaft dahin, und zwingt