Nr.5SS—?H17
Unterhaltungsblatt öes Vorwärts
5rettag,7.dezembsr
Der Sklöhauer öer Sallaöe. (Zur Ausstellimg bei Paul Cassirer .) Wenn mir jemand er,äblte. das die Hol�siguren des Er» st B a r l a ck nickir Wer! von Men'Kenband wären, dast sie vielmehr dort, wo der Wald pan� dich» und dunkel ist. gewawfen seien, dre Leiber vcrwun'chene Slämme, die Kcpke knurrende Knubben—«& würde es glauben. Von runzliger Rinde umbüllt. haben sie lange geträumt, bis sie irgendwann einmal au» dem Bann der Jahres- ringe sich lösten, erschraken und. ohne jemals die Nabelschnur abzu Wersen, gan, langsam sich zur Qual de« SelbstseinS tasteten. S?ar lach« Figuren find wahrhaft hölzern, fasrig»nd knorrig. Statt pulsender Blurwellen kreisen durch sie dumpfe, noch halb vom Echtaf umfangene Säfte. Diese Gestalten suchen die Sonne; aber sie werden ihr immer fern bleiben. Sie sehnen sich nach Fieiheit; aber sie bleiben gebunden, pflanzenhaf», erdnahe... Da ist ein Wandelnder, desten Füste wie Wurzeln am Boden zu harten scheinen. Ein Mantel umsaht ton. bannt ihn. Der Mann iucht. vielleicht das Gestrige, vielleicht das Stiegewefene. Er trägt ein Licht. das der Wind verlöscht hat. Oder brennt es noch? Die Gestalt ist urckt ganz lebensgroß, aber sie sckivaiilt dem Mast de« Leben« entgegen. Die Bewegung des lichtlosen Lichtträgers i st wie die der Aeste. wenn Wind auf ihneu lastet.... Da kämpfen zwei Männer gegen den Sturm» der sie schüttelt, der ihnen in die Kleider ge« fahren ist, der sie umzubiegen droht. Sie blicken in den Sturm hinein, alS erwarteten sie ein Aufreihen der Wolken, Meteore und Eestchie.... Da bockl einer träumend, kauernd unrer der Last des Schlotes. Hebet ihn dahin streicht Golt. leibhastig. von den Lüsten umharit, machtvoll vorwärtsdrängend, eine lichte und raurchende, abrr unerreichbare Viston.... Eigentlich mühte während de« BeichaucnS dieser Plastiken Musik gemacht weiden. ES ist kein Zufall, daß ihr Schöpfer zugleich ein Dichter ist. Diele hölzernen Bildwerke verlangen nach rhythmisch be« vegien Worten. Varlachs Bildhauerei Hai Inhalt; es wird etwas erzählt, es geschieht etwas. Zwar sind die Figuren nicht eigentlich handelnd: aber sie rufen die Vorstellung von Gelchehuifien hervor, von Vorgängen, die an ihnen geschehen. Ihre Zunge löst stch nicht; aber man südlt, dah in ihrem Bannkreis schwerflüifige Verse gesprochen werden. Varlach ist der Bildhauer der Ballade, mehr lyrisch als dramatisch, im besten Sinne: melodramalisch. Und also ist er volkstümlich weienbaft den Bänkelsängern verwandt, die auf den Jahrmärkten Moritaten dudeln. Die Figuren, die er in die Welt entläht, bleiben in einen vormenichlichen Zustand gebunden. sie tragen schwer an ibrer Gegenwart und sehnen sich nach Er- lö'ung. Sie sind Marwerk für einen mystischen Sozialismus, und damit goibiichen'Äeichlecht«. vor dem Formenkonon der Antike könnte Barlach n'cht bestehen; an allem, wa« er macht, haftet«in Rest von Barbarischem etwas von der hellsichtigen Naivität der Slawen. Man denkt an DostFjewSki, an die Geschichten auS dem Totenbaus. Für Varlach ist die ganze Welt eine Gefangenschaft; graue dicke Lüste hangen wie Ketten an den Menschen. Aber die Gefangenen lehnen sich auf, sie recken sich, während sie fast zu- fommenbrcchen; während die Unholde an ihnen zerren, suchen sie die Sterne. Boilach fragt nicht viel nach jenen Gesetzen, die von der künstle« rifchen Tradition diklirt sind. Von dem Drang nach Wirkung getrieben, scheut er sich nicht, die sogenannten Stile zu mischen. Er gibt einer Vollplastik ohne irgend welche formale Beziehungen ein Relief zum Hintergrund, er schnitzt Malereien und zeichnet Plastik. Die Blätter. die er zur Verdeutlichung seiner Dichtung einfügt, find wie mit den, Mefier auS Brettern geschnitten. Er weih n,chtS von Birtuosttät; man rühlt. dah er alle diese Figuren, bevor er sie sich abrang, lange mit sich herumgetragen hat. Unter Schmerzen und Knurren' hat er sie geboren. Kinder der Rot, eckig, zwergig, unausgeglichen, im landläufigen Sinne nichts weniger als schön, ober überall dort, wo die GetühlSlinien sich schneiden, bersten» von leidenschaftlicher Empfindung, immer aber auch in Demut gebunden von der Art de» Johannes des Vorläufers. « Friedrich Kahhler hat BarlachS Drama«Der tote Tag' vorgelesen. Eine nornenhakte, von Nackt- und Baumgestalten be« völkert« Welt kam über die Zuhörer. ES spukten darin Steihbort, ein grimmer Gnom, Besenbern, ein huschender Hausgeist, der Alb, der de« Nacht» die Menschen quält und der gern sterben möchte, Iweil ihn die, Angstschreie der Gefolterten in Verzweiflung hetzen. Ein Blinder wurde von einem Stab an- die Stätte geführt, wo er die Unheilsknoten, die er einst knüpfte.
zum verstrickenden Netz verschlingen hilft. Eine Mutter kämpft um ihren Sohn; ein Sohn, der mit der Sonne um die Wette reiten möchte, wird durch den Fluch der mülterüchen Liebe gefällt. Die Muller bat, um ibn von dem UnKeil der Welt-u bewahren, da« Pferd, da« ihn zur Erlösung tragen sollte, geschlachtet. Die Ab» hängigkeü des Geschicks wälzt Felsen ans die Sehnsucht; Liebende kreuzigen sich und niemand weih, ob irgendwann einmal estie Auf- crstehung folgen wird. Der Mensch, der Gefangene der Natur, der Urzeit, der Blutinstinste und zugleich— ein Goit. Rätsel, n», daran zu ersticken, angstvolle Befragungen, deren Antwort erst nach langer uuabsebbarer Wanderung erreicht werden wrrd. Halb Meuschheitsipiel. halb Puppentheater. Kayhler la« es mit Stimmen. die von wilden Naiorlauten zerwühlt waren uud orgelnd von Zu- kunft und Freiheit saugen. Robert Breuer. Die u kramische Republik. Wahrend des sich in der Gegenwart vollziehenden AuflösungS- prozefles des alten Zarenreiche» in seinen einzelnen Nationalitäten haben stch bekanntlich nunmehr auch die ukrainischen Gouvernements Ruhlands zu einer gemeinsamen Republik zusammengeschlossen. Diele» Ereignis konnte nicht mehr überraschend sein, nachdem schon seit Beginn de» Krieges die eigentlich nie recht eingeschlakenen nationalen EelbständigkeitSbestrebungen der Ukrainer einen neuen Anttieb erhallen hatten und bei der im Lause der Zeit für sie fick immer günstiger gestaltenden Lage deS Moskowiter- uimS ständig stärker hervorgetreten waren. Die GouventementS Kiew, Podolien, Wolhynien . TseBernigow, Poltawa . Charkow . JekoterinoSIaw, Cherion und TauriS. welche stch zu der neuen Republik zw'ammengetan haben, umfassen daS gesamte unter Ruh- landS Oberherrschaft stehende ukrainische Landgebiet. Im Westen wird eS vom Dnjestr , im Osten vom Don, im Süden vom Schwarzen Meer und dem Kaukasus , im Norden von den Pripet- und DeSna-Flüsten begrenzt und umschließt in dieier natürlichen Abgrenzung eine Fläche von 680 000 Quadratkilometern mit über 30 Millionen Bewohnern, also ein Reich, da» an räumlicher Aus- dehnung gröher als Deutschland und auch Oesterreich-Ungarn ist... Mit der Errichtung einer Republik haben im übrigen die Ukrainer eine bereits auS ihrer geschichtlichen Vergangenheit ihnen wohl- bekannte staatliche Form gewählt. Im Mittelalter waren«S frei- lich noch ukrainische Fürstentümer gewesen, die unter der Ober- leitung deS GrohfürstentumS Kiew, später de» gakizischcn Halilscher Fürstengeschlechtes zu einem Staatenbunde vereint, eine bedeutende Rvlle in der Politik und dem Handel zwischen dem Orient und Osteuropa gespielt batten. Unter dem Druck der von Osten vor» drängenden Tataren und der von Westen her zum Schwarzen Meer vor- stohenden Polen hatten sie freilich endlich im 18. Jahrhundert in polnischer Herrschaft eine Zuflucht suchen müssen. Aber mit der zweiten Hälfte de» lv. Jahrhunderts setzt» bereil» der Kampf um die Wirdererlangung staatlicher Selbständigkeit ein und führt« Nim zur Gründung einer demokratischen Repablik. der sog. Hetman- Republik, weil an der Spitze dieser R-publik ein Kosaken-Hetman als gewählter Präsident stand. Gestützt auf da« öuherst tüchtige kriegerische Kosakentum wurde dieser Kampf um die Selbständigkeit zwei volle Jahrhunderte, bisweilen mit glänzenden kriegerischen Erfolgen, durchgeführt, bis ichkiehlich das von Polen , der Türkei und dem im Norden sich Ammer stärker ent- wickelnde» MoSkowitertum eingekreiste»ikrainische Volk durch den ständigen Kampf gegen eine gewaltige Uebermacht erschöpft sich an Rnhlend anzuichliehen gezwungen sah. Die der Ukraine im vcr- bände mit Ruhlant» zugesagte Selbständigkeit wurde jedoch von diesem, wie es in gleicher Weife darauf auch mit Finnland ge- schehen sollte. Schritt für Schritt zunichte gemacht. Immer mehr bemächtigten sich rufsiiche Beamte der Verwaltung über die ukrainischen Gebiete, die ichliehlich im Jahre 1782 in rusfiiche Gouvernements geteilt und dem russischen Geiamtstaat einverleibt wurden. Gleichzeitig mit der politische» Knebelung setzt« eine grau- same Verfolgung der nationalen Bestrebungen ein. die aber durch solchen rohen Druck nur gestärkt und geistig emsig Wetter gepflegt wurden. Diese» Bestreben wurde noch dadurch begünstigt, dah die ukrainisch« Bevölkerung sich aus ihre» Gebiete hinsichtlich ihrer Naiionalität fast vollkomme» rein za erholten vermocht hatte, so dah wir denn bei der bentige» Republikerklänmg da« ukrainische Volk in einer so geschlofienen Nationalttät dastehen sehen, wie sie kaum ein anderes russische» Fremdvolk auszuweisen hat. Für Ruhland gewnmt die Selbständigmackumg der Ukraine wirtschaftlich eine ganz besondere Bedeutung, weil daS Land mit seinem ftucktbaren Schwarzerdbode» bekanntlich die Kornkammer Ruhland« ist, die etwa ein Drittel der gesamten landwirtickafttichen
Erzeugnisse liefert. Zudem beherrscht die Ukraine durch ihre be- deutenden Kohlengruben im Donetz-Vecken zu Dreiviertel die gesamte Kohlenförderung und in gleichem Anteil mit seinen reichen Eisengruben die ruisische Eisenproduklion. Jedoch auch noch über den Rahmen deS gesamtrussischen Bilde« ragt die SelbsländigkeilSci kiärung der Ukraine hervor. Alle alirulsischen Eroberungsgelüste nach dem Balkan und auf Kon- staniinopsi, w-e sie durch die letzten Ncröfienilichungen ja wieder so klar bervorgelrctc» sind setzen als unerlähliche Vorbedingung die unbedingt sichere Herrschaft des Erohrussentuins am Schwarzen Meere, also über die ukrainischen Gebiete, voraus. Durch die Selbständigkeitserklärung der Ukraine aber ist ein erster Schritt ge- tan, um den grohrusfischen Zug nach Konstantinopel einzudämmen. „prezUfa* Im Deutschen Opernhaus. Kurz noch dem„Freischütz ' schrieb Karl Maria Weber die Musik zu dem ronianuschen Schauspiel, Preziosa' des unter Goethes Direknon am Weimarer HonKeaier täligen Charakterdarstellers Pius Wolf. Gleich jenem wurde dies Werl mit ungeheurem Jubel auf« genommen und rasch an allen Bühnen gegeben. Heute freilich be« greift man dies kaum noch, denn die Geschichte von den al» Kind durch Zigeuner verschleppien und uach einer Reihe von Jahren von ihren Eliern wiedergefundenen Erafeulochter ist zu sentimental, als dah man ihr noch viel Interesse abzugewinnen der- »Achte. Allerdings war es damals das Zeitalter der„hold be- glänzten Zaubernachl' und„blauen Blume': deutsche Romantik ge- heißen. Zigeuuerromane schoflen allenthalben in« Kraut. Goethe halte mit seiner„Mignon' den Urtypu» verliehen. Diese Gestalt gab dem Franzosen Thomas Anlaß zu der Oper gleichen Namen«. Klassisch mutet indessen nur Bizets.Carmen' an. Ein Vergleich mit ihr zeigt den ungeheuren Abstand der Preziosa am deutlichsten auf. Längst wäre letztere vergessen, wenn Weber die Handlung nichi mit seiner Muflk durcblränkt hätte. Nickt als ob er eine Oper gab. Im Grunde ist.Preziosa' ein Singspiel von zum Teil Melodrama« liscker Art. Aber in die mit wenig zulänglichen poetischen Mitteln gemalte'panische Granden« und Slreniiervolk-Nomantik hat Weber echt deutschen Waldzauber gewoben. Und dieser klingt anheimelnd in köstlichen Liedern, Chören, Tanzrhylhmen und Hornmelodien an. Daher ihre volkstümliche Verbreitung. Da« wundersam.Einsam bin ich nicht alleine', oder die taninschen Chöre..Im Wald'..Die Sonn' erwacht',.E« blinken so lustig die Sterne' kennt wohl jeder. Run. zum Besten der WohlfabrtSkaffcu de« Deutschen Opern« Hauses ist.Preziosa' zu neuem Leben beschworen worden. Daß Direktor Hartmann die weitschweifige Handlung, namentlich in ihrem etwas himertreppenartig geformten Fortgang und Schluß wesentlich gekürzt und sie dadurch nicht bloß natürlicher, sondern auch leben- diger gemacht hat, sei ihm gedankt. Des weiteren bat er daS Ganze in vier stimmungsvolle dekorativ« Bilder zerlegt. Zwar find die meisten Zigeuner und Landleute nickt recht über eine gewisse.Salontirolerei' dinauSgrhoÄn. Ader die Chöre klangen rein bei präziser Wiedergab«. Die Titelrolle wurde von Adelheid P i ck e r t nicht ohne ElaubwÄrdig« teit verkörpert. Innig und mit schöner Tönung saug sie das„Leise leise'... Den Pedro mit dem Stelzbein.von der großen Retirade' brockte Eduard Kandk zur Geltung. Sonst wäre noch Bernhard Bötel und Margarete Back a!«.Sage" zu nennen. Rudels Krausslt teilte sich inil Felix Lageiipusch in die Musik- und Spielleitung._«t Notizen. — Ein Lola-Montrz-Drama von Adolf Paul winde im Münchener Vollslheater aufgejührt. Paul behandelt ein Erlebnis au» der spanischen Zeit der Tänzerin. Sein vierakttgeS Stück ist Anekdote und Kostüm, aber seinen Dialogen fehlt der Reiz übctkprudelnder geistvoller Einfälle. Ein paar Szenen von Bühnen. Wirksamkeit brachten indeflen die Zuschauer in Stimmung. Der Erfolg des Stückes stand im Zeichen der prächtigen Lola der Frau Ida Roland . — Die Brauerei als Sonerkrautfabrik. Eine sehr zettgemähe„Umstellung' ist in Barmen in einer Brauerei vor« genommen worden. Die Barmer Stadtverwaltung hat dort eine neuzeitliche Sauerkrautsckneiderei unter Verwaltung des Leiter» einer der größten Sauerkraul>avr»ken Deutschlands «ingerichtet. Die Ware wird teil« unmittelbar an die Bürgerschaft abgegeben, teils in großen Mengen in den vorhandenen mächtigen Bierlagerfässer» ausbewahrt.„Trotz ihrer Neuheit macht die Einrichtung einen so selbstverständlichen, sicheren Eindruck, daß man meint,'eS sei nie ander» gewesen.' Täglich können etwa 1800 Zentner Sauerkraut geschnitten werden. Aus Arbeitcrkreisen wird dazu beifällig ge- ickriehcn:„Die ganze Einrichtung verdient auch nach dem Kriege beibehalten zu werden'.
Die weljche Nachtigall. Der Roman eines sterbenden Jahrhunderts. L6j Bon R. France. „Gemach, Ew. Magnifizenz', wehrte Morawitzky. dem fast schwindelte, ab—„liefert die Fakultät den Dr. Widmont den ordentlichen Gerichten auS oder legt sie selber die lebende Hand und Untersuchung auf fein Vorgehen?' „Um die hohe Regierung, die uns daS eiilgeleitete unter- tänigste Ansuchen der»eackemi» dasiger Ttadt wegen Ver- leihung der Hofrattitulatur an verdienstvolle Dekane und Rektoren der emto» aeademicae, so schon zur günstigsten Expedite befördert ist. in sichere Aussicht stellt, zu überzeugen von der Lauterkeit der guten Gesinnungen der Oonxrexatio euperiorern dasiger Acadernia... „Seine Rechtsabhandlung, teuerster Professor, sondern ein kurzes Ja oder Nein.' bat Morawitzky. „Vorausgesetzt, daß wegen prinzipieller Wahrung der libertas docendi et acaderniao ein nur formaler Protest gegen den Eingriff einer hochlöblichen Regierung, nur ein rein formaler Protest nicht verübelt wird. ES mutz alleS von der Regierung ausgehen— die Akademie zieht sich nur unter Protest zurück.' Morawitzky gab alle Zusicherungen und seine Herrlichkeit bereitete sich zum Abschied. Doch bei der Türe blieb sie seicr« lich stehen und erklärte mit erhobener Hand: »Ich bitte aber für jeden Fall ein Protokoll ausnehmen zu lassen.' Best und der Schreiber»vurden gerufen und vor den beiden gab seine Magnifizenz folgendes zu Protokoll: „Ich Hieronymus OechSlein. Doktor beider Rechte. Pro- kessor dc§ Staatsrechtes in universatstem chrysopolensis und Besitzer des wetterarischen Strahlenordens, erhebe als Rektor dasiger Universität vorsorglicherweise schon jetzt bei meiner ersten Vernehmung in Sachen kontra Dr. Widmont und Ge- Nossen vor dem Sratthaltereirat und obersten Justitiar der Polizei Herrn Grafen Aime Morawitzky feierlichen Protest dagegen, datz ein Mitglied der freien Fakultäten der alma mater chrysopolcrsis einem anderen Gericht als dcm Collegio der Fakultäten unterstellt oder gar abgeurteilt werde.' Tan» schritt die Herrlichkeit befriedigt über die Wahrung der akademischen Siechte stolz erhobenen Hauptes von bannen.
Morawitzky gähnte und frug: „Nun. BeSl, wen nehmen wir jetzt vor?' „Ich mein'. Exzellenz, den SpinnhäuSler, den Cava Ho.' Der Chevalier de Cavallo war nicht mehr in der würdigen und vornehmen Verfassung wie damals, als er bei Widmont erschien. Er trug vor allem kern magisches schwarzes Gewand, sondern war nach Art der Zuchthäusler in Drillich gekleidet. waL seinem an sich gewöhnlichen Geficht etwas ganz Herab- gekommenes gab. Morawitzky blickte in die Akten und begann mit kalter Amtsstimme die Personalien auszunehmen. „Er heitzt?' „I! ra,vaiiei« d» Cavallo Signor ü conte. Sono tre anni.. „Latz er daS welsche Gewäsch. Er kann ganz gut deutsch . Er ist auch kein Kavalier, sondern wie ich sehe ein gewesener Zureiter, dann Falschspieler. Gaukler und nun wieder wegen falschem Würfeln im Spinn Haus.' „Ein Reiter ist auf italienisch ein C»Tali«re", sagte frech der Häftling...Und mein Vater ist Italiener ." ..Er heißt aber Rotzteuscher." ..So hieß meine Mutter. Mein Bester wünschte inkognito zu bleiben." ..Latz' er die Faxen vor Gericht. Er hat bei Professor Widmont mit einer Weibsperson Gaukeleien getrieben. Was ist da vor sich gegangen? Wo ist die besagte Person?" Er sah in die Akten, die„aoi disant Fatrael� ..Herr Graf, ich bin vom Unglück verfolgt." begann Cadallo-Rotzteuscher mit grotzer Zungengeläufigkeit,„als ich daS Malheur hatte wegen der falschen Anschuldigung, ich schwöre. eS war eine falsche Beschuldigung meiner Feinde, des höchsten GuteS. meiner Freiheit beraubt zu werden, da konnte Fatme. das gute Kind, ohne Freund, ohne Hilfe nicht leben. Sie ist fort, weg. verschwunden... „Dir wissen, wo sie ist.' sagte trocken erläuternd Besl. „Im Hospital für d'5lasenlosen iL die Dirn'. war krank von oben bis unten.' „Oh.' fuhr der Cavastere wie in namenlosem Schmerze auf,„meine Fatnie. meine prÜMaxesaa, krank. daS teure Kind. vom Schmerze über mich krank. Oh. Exzellenz, sie ist eine Fürstin der Geister." Besl lachte ironisch und selbst der Graf mutzte über diesen Klageausbruch lächeln. „Was hat der Dr. Widmont von ihm verlangt?' setzte er dann das Jnguifttorium fort.
„Ich habe Briefe gehabt, glänzende Empfehlungsbriefe— von ersten Kapazitäten'— begann bombastisch Cavallo. „Von wem? Wie heißen sie?" „DaS darf ich nicht sagen. daS Hab' ich dem Professor Widmont auf die Hand geschworen." Morawitzky sah den Mann vor sich scharf an. „Rotzteuscher. lvenn er verstockt ist, kommt er in Dunkel- Haft— wenn er uns aber ehrlich berichtet und unterstützt in der Aufklärung der Sache, soll er eine Zulag' zur Mahlzeit haben." Der Cavalicre seufzte.„Aber ein Eid ist heilig." ..Mach' er uns keine Komödie vor. Er glaubt ja doch an keinen Gott." „Wenn eS also sein mutz, nur um meine Gutgesinnthest als Staatsbürger zu zeigen... der Professor Weishaupt in Gotha hat mich zu Dr. Widmont geschickt." Morawitzky und BeSl wechselten einen befriedigten Blick. „Da haben wir also daS erste klare und unzweifelhafte Delikt, Mit dem entlassenen und vom Gericht als Hochverräter ge- brandmarkten Weishaupt hat er offenbar schon lange kon- spiriert," flüsterte leise Morawitzky...nehm' er daS so zu Protokoll. UebrigenS, den Mann haben wir sicher." Er sah auf die Uhr.„Sind noch viele da?' „D' Waschfrau, der Professor Hundt, der Medikus Bitte!« mayr." ..Nehm' er mit dem Kerl ein Protokoll aus und schick er mir den Bittelmayr." Der gallige StadtmedikuS war durch daS lange Warten noch galliger und borstiger ivie sonst. Furchtlos sah er den Chef der Polizei an. „Ich begreif' net. Exzellenz, was ich hier soll? Bin mir keiner Fehl bewußt, auch nicht in Verbindung mit Mördern oder Klubisten, datz ich Zeugenschaft ablegen kann", knurrte er. „Das wird sich noch erweisen, Herr StadtmedikuS", lächelte ironisch der Graf. „Er ist ja befreundet mit Dr. Widmont— und daS ist ein Klubist. das weiß er sehr gut', donnerte er plötzlich den Erschrockenen an. Dieser fuhr zusammen. „Ich aber nicht", skolterte er. „Ah. er weiß also davon! Sag' er jetzt ehrlich alles. Das wollen wir ihm als patriotischen Dienst auslegen und es soll ihm kein Haar gekrümmt sein." Morawitzky tat Plötz- lich väterlich freundlich.„ Worts,{olgtl