Nr. 160. 35. Jahrg.
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Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Ferniprecher: Ami Morisvlas, Str. 151 90-151 97.
Donnerstag, den 13. Juni 1918.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. ing Wernivtecher: Amt Morisplat, Nr. 151 90-151 97.
Franzöfifche Mafienftösse gefcheitert.
Wahlrechts- Finale.
Eine stürmische Sigung im Abgeordnetenhause. Die Wahlrechtsfeinde frohlocken, alle ihre die Wahlrechts
vorlage in ihr Gegenteil verfehrenden Anträge sind angenommen, ja sie können sich sogar rühmen, daß es ihnen gelungen ist, eine stattliche Mehrheit auf ihr Reformwerk zu vereinigen, denn außer den beiden konservativen Parteien und dem rechten Flügel der Nationalliberalen stimmte ihm in der Gesamtabstimmung auch etwa der dritte Teil des Zentrums zu. Trotzdem schwebt der Beschluß in der Luft, denn ganz abgesehen davon, daß man nicht weiß, ob er in der fünften Lesung nicht wieder eine Aenderung erfährt, und ganz abgesehen vom Herrenhause, das ja auch noch sein Votum abzugeben hat, ist er für die Regierung unannehmbar. Die Wahlrechtsbewegung ist damit also nicht beendet. sondern nur in ein neues Stadium getreten.
Die Mehrheitsparteien hätten es am liebsten gesehen, wenn überhaupt nicht mehr debattiert, sondern nur noch abgestimmt worden wäre. Diesen Gefallen konnten ihnen die Wahlrechtsfreunde nicht erweisen, bei einigen Punkten, insbesondere bei der Frage der Verhältniswahlen und der der Benachteiligung der Kriegsteilnehmer fam es sogar zu sehr lebhaften Debatten und zu heftigen Zusammenstößen. Die Herren, die am Tage vorher den über 50 Jahre alten Heimtriegern eme Busagstimme gewährt, aber die Zusatzstimme für die Kriegsteilnehmer abgelehnt hatten, hatten inzwischen ihre Dummheit eingesehen. Aber anstatt nun wenigstens den Mund zu halten, suchten und fanden sie Ausreden, die den Stempel der Verlegenheit auf der Stirn trugen. In ihrer Wut ergingen sie sich dann in Angriffen auf die Abgeordneten Hirsch( Soz.) und Hoff( p.), die ihr Verhalten gebührend vor der Deffentlichkeit festgenagelt hatten, und da diese ihnen die Antwort nicht schuldig blieben, nahm die Debatte, in der es zahlreiche Ordnungsrufe gab, einen immer gereizteren Charakter an. Unsere Feldgrauen werden sicher die Folgerungen ziehen, sie sehen, wo ihre Freunde und wo ihre Feinde figen und werden nach ihrer Rückkehr Abrechnung mit diesen halten. Insofern wird die Debatte ihren Zwed nicht verfehlen..
Die Aftion im Parlament wird nun auf drei Wochen ruhen. Das Wort haben vorläufig nicht die sogenannten Vertreter" des Volkes in Wirklichkeit Vertreter des Geldsacks, sondern das Volk selbst.
Ein französischer Friedensfühler? Nach über die Schweiz fommenden Meldungen deutscher Blätter schreibt der Homme libre", Clemenceaus Organ:
Wir dürfen uns nicht mit gebundenen Händen und Füßen einem Deutschland übergeben, das nicht nur gegenüber den Vorschlägen Wilsons, sondern auch gegenüber den bestimmten Vorschlägen der eigenen Reichstagsmitglieder taub blieb. Indessen wollen wir seinem Militarismus die Behauptung nicht mehr m die Hände spielen, daß wir uns systematisch dem Frieden widersezen. Möge Deutschland also sprechen. Wir sind bereit, ihm Gehör zu schenken. Dagegen weigern wir uns, seine unbestimmten Vorschläge zu Besprechungen entgegenzunehmen. Wir dringen darauf, genau zu wissen, was es prüfen will, und welche Bedingungen es für die Einstel= lung seines Ueberfalles stellt. Wir wollen nur das, was Clemenceau als gerechten und dauerhaften Frie. den umschreibt. Wir werden dann sehen, was uns die Deutschen vorschlagen; mögen also die Deutschen als die ersten feuern.
Deutsches
Französischer Gegenangriff südwestlich Noyon völlig gescheitert Vordringen über Carlepont und Caisues östlich der Oise .
Berlin , 12. Jnai 1918, abends. Amtlich. Dertlidhje Kämpfe auf dem Schlachtfelde südwestlich von Noyon und südlich der Aisne . Amtlich. Gropes Hauptquartier, 12. Juni 1918.( 8. 2. B.)
Weftlicher Kriegsschauplatz. Geeresgruppe Kronprinz Rupprecht Artilleriekampf wechselnder Stärke. Die Infanterietätigkeit blieb auf Erfundungsgefechte beschränkt.
Heeresgruppe Deutscher Kronprins.
In schweren Kämpfen hat die Arinee des Generals von Hutier gestern den erwarteten, zur Wiedereinnahme des Höhenblocks südwestlich von Noyon geführten großen Gegenangriff mehrerer französischer Divis fionen zum Scheitern gebracht. Unter schwersten Verlusten wurde der Feind auf seiner ganzen Angriffsfront von Le Ployron bis Antheuil zurückgeworfen. Seine in großer Zahl zum Einsatz gebrachten Banzerwagen liegen zerschossen auf dem Kampffelde. Zwischen Mery and Belloy, wo der feindliche Anftnrm an unserem Gegenstoß zerschellte, dauerten erbitterte Kämpfe bis zur Dunkelheit an. Das westliche Dise- fer nördlich der Mat- Mündung wurde vom Feinde gesäubert. Die Zahl der von der Armee eingebrachten Gefangenen hat sich auf mehr als 13 000 erhöht.
Der Verlust der Höhen südwestlich von Noyon zwang den Feind zur Nänmung seiner Stellungen im Carlepont- Walde auf dem Dstufer der Dise. Dem weichenden Feinde stießen wir über Carlepont und Caisnes scharf nach nud erreichten kämpfend die Linie nördlich von Bailly Tracy Le Val- westlich Nampcel. Hartnäckig und feine Opfer scheuend setzte der Feind seine vergeblichen Angriffe nordwestlich von Chatean Thierry fort. Mehrfacher Austurm brach hier blutig zusammen. Der Erfte Generalquartiermeister.
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Ludendorff.
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Der öfterreichische Bericht.
Wien , 12. Juni 1918. Amtlich wird verlantbart:
An der Gebirgs- und Piavefront anhaltende Artillerietämpfe. Im Abschnitte des Stilffer Jochs, westlich Asiago und, am Monte Asolone feindliche Borstöße abgewiesen. In Albanien , im Raume bei Sinaprente, nordwestlich Korsa, dauern die Kämpfe mit den angreifenden Frangosen an.
Der Chef des Generalstabes.
Wien , 12. Juni. Bom 1. n. 1. Kriegsministerinm, Marinesektion, wird mitgeteilt: Seiner Majestät Schiff Szent Istvan wurde bei einer Nachtfahrt in der Adria torpediert und ist gesunken. Es werden Linienschiffsleutnant Max de Rocvid, Maschinenbetriebsleiter Sarnig, Seckadett Anton Müller und etwa 80 Mannschaftspersonen vermißt. Secaspirant Joseph von Serda ist tot. Der Rest der Bemannung wurde gerettet.
Wir haben schon vor einiger Zeit, als die Kreuzzeitung" die Einleitung einer neuen Friedensoffensive forderte, den Gedanken auf das wärmste befürwortet, daß die deutsche Regierung dergleichen mehr. Die Nachricht sei glatt erfunden. Eine Lanihre Kriegsziele in fomfreter und unzweifelhafter Form fundtun solle. Allerdings knüpfen wir noch heute an diese Forderung die Bedingung, daß diese Forderungen derart sein müssen, daß fie vom Gegner billigerweise angenommen werden und sofort zum Frieden führen fönnen. Das bedeutet Fallenlassen aller annegionistischen Blane, soweit solche bestehen, und Angebot eines Friedens, der in erster Linie sowohl die völlige Unabhängigkeit Belgiens wie die Unversehrtheit Frankreichs gewährleistet.
dung gebe es im Murmangebiet nicht. Dort befänden ich blog 300 englische Militärs, die während der Regierung des Zaren dorthin fommandiert wurden und bis jetzt nicht abberufen worden sind. Die Sowjetsregierung hat Protest gegen diesen dauernden Aufenthalt der Engländer eingelegt und deren sofortige Abberufung berlangt. Weiter sagt die Mitteilung: längs der Murmanbahn befänden sich nur Truppen der Noten Armee zum Schutze der Eisenbahn.
Kopenhagen , 11. Juni.„ Berlingske Tidende" meldet aus Helfingfors: Das amtliche Organ der russischen Regierung dementiert die Meldung daß die finnische Expedition an der Murmanküste mißDie Engländer im Murmangebiet. glückt sei. Die Militärkommission an der Murmanküste berichtet, Eine Mitteilung des Berliner P.T.A. - Bureaus wendet sich daß die finnischen Truppen von der Bevölkerung unterstützt würden gegen die von verschiedenen Seiten verbreitete Nachricht, im und bei ihr jedes Entgegenkommen finden. Die russische Regierung Murmangebiet seien 5 bis 6000 englische Soldaten gelandet, die erhielt die Versicherung, daß Finnland nicht beabsichtige, die ganze weite Strecken der Murmaneisenbahn befegt balten sollen, die Murmanfüfte zu befeßen, sondern nur den Teil, der ihm Bevölkerung werden von englischen Beamten fontrolliert und früher versprochen worden sei.
Bis zum Kriege war unser politisches Leben vergiftet durch eine Methode, die als eine deutsche Spezialität, und feineswegs eine rühmlich e, bezeichnet werden muß: man begnügte sich nicht damit, politisch unbequeme Parteien sachlich zu bekämpfen, sondern suchte ihnen dadurch Abbruch zu tun, daß man ihre Anhänger wie Ausfäßige und Ehr. lose behandelte, von Aemtern ausschloß, gesellschaftlich boyfottierte, öffentlich zurückseßte usw. Dieses Kampfverfahren, das die politische Atmosphäre mit äußerstem Haß schwängern muß, ist in der Hauptsache gegen die Sozialdemokratie angewendet worden, aber nicht nur gegen diese, sondern gelegentlich auch gegen die Fortschrittsparteien, das Zentrum usw. Nührte doch der erste Präsidentschaftskonflikt im Reichstag Baher, daß die Nationalliberalen, sich weigérten, einen Präsidentensitz neben einem Zentrumsmann einzunehmen.
Zu Beginn des Krieges ist nun aus faiserlichem Munde das Wort gesprochen worden. Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche ." Im ganzen Volk ist dieses Wort dahin verstanden worden, daß jene empörende und aufreizende Ausnahmebehandlung einzelner Parteien, die Verfolgung und Quälerei wegen politischer Gesinnung nunmehr aufhören solle. Keine Partei solle mehr wegen ihrer Ziele als„, vaterlandslos" gebrandmarkt, sondern bei einer jeden der gute Wille und die ehrliche Absicht anerkannt werden, dem Volks. ganzen zu nügen und das Beste des deutschen Volkes zu wollen.
Das ist in dem faiserlichen Worte zugesagt. Teilweise ist es durchgeführt. Der Ausschluß der Sozialdemokratie von öffentlichen Aemtern, von Offiziersstellen usw. ist gefallen. Man verwehrt es Beamten und Staatsarbeitern nicht mehr, sich konsumgenossenschaftlich und gewerkschaftlich zu organisieren. Nachdem ein eingeschriebenes Mitglied der Sozialdemokratie Unterstaatssekretär geworden ist, fann fein Beamter wegen Abgabe eines sozialdemokratischen Stimmzettels mehr gemaßregelt werden.
Diefe bisher wertvollste Errungenschaft des Krieges auf innerpolitischem Gebiete ist der Reaktion natürlich ein Dorn im Auge. Lebte sie doch politisch in der Hauptsache von jenem Verfolgungs- und Unterdrückungssystem. Indem sie die Brandmarfung als„ antinational" auch auf jeden ausdehnte, der sich in irgendein taktisches Zusammengehen mit der Sozialdemotratie einließ, berhinderte sie politische Sonstellationen, welche die Reaktion zur Ohnmacht verurteilt hätten. Bei den heutigen Verhältnissen fühlt die Reaktion den Boden unter ihren Füßen schwinden, daher jekt ihr heißes Bemühen, jenen alten Zustand wieder herbeizuführen.
Sie hat dies zuerst versucht auf dem Wege über die„ Unabhängigen". Aber der Reichskanzler Michaelis mußte das Bestreben, das abgetane häßliche System von neuem einzuführen, mit seinem Abgang bezahlen. Doch er findet Nachfolger. In der bayerischen Kammer der Abgeordneten antwortete der Kriegsminister Freiherr v. Hellingrath auf eine Interpellation des Unabhängigen Sozialdemokraten Simon wegen Ausweisung mißliebiger Personen folgendes:
„ Die Unabhängige sozialdemokratische Partei Deutschlands steht gemäß dem Wortlaut ihver gedrudt vorliegenden Organisationsgrundlinien in grundsäblicher Opposition zum herrschenden Regierungssystem und zur Kriegspolitik der Reichsregierung. Ihr Endziel liegt in der Beseitigung der gegen= wärtigen staatlichen und gesellschaftlichen Ord nung. Zur Verwirklichung ihrer Abfichten will sie alle sich bietenden Möglichkeiten benutzen. Sie erstrebt während des Krieges die Erschütterung der Geschlossenheit und Einmütigkeit des deutschen Volkes. Angesichts dieser, den vaterländischen Interessen zuwiderlaufenden Bestrebungen der unabhängigen sozialdemokratischen Partei erachte ich es für geboten, einer Stärkung dieser Partei während des Krieges mit allen durch das Gesez mir zur Verfügung gestellten Mitteln entgegenzu= arbeiten. Als wirksames Mittel, einem weiteren Umsichgre fen des verderblichen Einflusses der Unabhängigen sozialdemokrtaischen Partei borzubeugen, hat sich erwiesen, jene Parteiangehörigen, die sich durch organisatorische Umtriebe besonders hervortun, aus ihrem bisherigen Wirkungsfreise zu entfernen. Wenn wir solche Maßnahmen anordnen, so handeln wir in berechtigter Notwehr und pflichtgemäß. Wir schützen uns gegen Machenschaften von Leuten, die das Vaterland und die Krieg= führung mit allen Mitteln zu gefährden bestrebt sind. Da geht es hart auf hart. Weichliche Rücksichtnahme auf den einzelnen wäre ein Verbrechen gegen die Allgemeinheit."
Gegen eine derartige Neuauflage des Systems Michaelis kann nicht scharf genug protestiert werden. Der bayerische Kriegsminister geht zudem von fachlich völlig falschen Voraussetzungen aus. Ueber das, was sie eigentlich wollen, besteht ja bei den Unabhängigen selber die größte Unflarbeit. Aber gerade an dieser Stelle ist des öfteren Sarauf hingewiesen worden, wie z. B. die Leipziger Bolts