Nr. 195. 35. Jahrg.
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„ Sozialdemokrat Berlin".
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Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Ferniprecher: Am: Morisvlat, Rr. 151 90-151 97.
Donnerstag, den 18. Juli 1918.
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Erbitterte Gegenangriffe füdlich der farne.
Berlin , 17. Juli. Der den Franzosen trok hartnädigen Widerstandes abgerungene neue deutsche Brückenkopf südlich der Marne steht in einer Breite von 12 Kilometern und mit einem Flächeninhalt von über 70 Quadratkilometern fest umrissen da. Die dem Gegner so unbequeme deutsche Fest= setung an der Marne selbst hat sich hierbei durch die Eroberung der das Marnetal weithin beherrschenden Hügel um rund 8 Kilometer erweitert. Gegen die Westflanke des neuen Brückenkopfes brandeten bereits am Vormittag des ersten Angriffstages die Gegenstöße des Feindes mit einer Erbitterung, die bezeugt, daß der Gegner sich über die Bedeutung der Schaffung eines deutschen Marne - Brüdenkopfes schnell flar geworden ist. Die Auswahl der Osthälfte der Marnefront für den trok der hartnäckigen Gegenwehr so schnell erzwungenen deutschen Marneübergang erlegt dem Feinde eine Ausdehnung gegen Osten auf. Bisher suchte der Franzose den Schwerpunkt seiner Abwehr am Westflügel seiner Kampflinie. Er ist fortan gezwungen, auch im Ost flügel volle Kraft zu entfalten und bereit zu halten.
Der Uebergang über die Marne .
Telegramm unseres Kriegsberichterstatters.
West front, 16. Juli mittags. Seit gestern früh 4 Uhr 50 Minuten steht deutsche Infanterie zwischen der letthin erkämpften Marnelinie und dem alten Champagneschlachtfeld mit den durch Amerikaner und Italiener verſtärkten 6. und 4. französischen Armeen in schwerem Kampfe. D 100 Kilometer lange Front wird durch den ausgesparten, nicht angegriffenen Bogen zu beiden Seiten von Reims in zwei selbständig operierende Schlachtflügel geteilt.
Die Armee v. Boehn griff in 30 Kilometer Breite zwischen. Marneschleife bei Jaulgonne und dem Asdretale südwestlich von Reims die 6. französische Armee unter General Duchene an. Der rechte Flügel schlug in dichtem feindlichen Sperrfeuer und unter starken Fliegerangriffen zwischen Passy und Dorman 3 mehrere Brücken über die Marne , erstürmte gegen Amerikaner und Franzosen die steilen Uferhöhen und drang bis gestern abend gegen starken Widerstand 7 kilometer weit füblich in die Wälder jenseits des Flusses vor. Durchschnittlich bis zu derselben Tiefe gelang der Stoß der Armee v. Boehn nördlich der Marne , wo der 25 Kilometer breite, reich mit Schluchten versehene Bergwald von Reims ein starkes natürliches Hindernis darstellt,
Durch diese Fortschritte hat sich der Sad von Reim 8 noch einmal verengt. Während gegenüber der Armee v. Boehn die Verbandsheere sich aus neuen, erst seit Juni entstandenen Stellun gen verteidigen mußten, stießen die Truppen des öst= lichen deutschen Schlachtflügels auf die in vier= facher Staffelung sich hintereinander aufbauender Grabenwälle und Drahtwälder jahr e- langer Abwehrarbeit. Trotzdem springt seit gestern Abend auch hier die deutsche Linie zwischen drei und sechs Kilometer tief in die feindliche Front hinein. Der rechte Flügel hat die Bahn Neims Chalons überschritten und kämpft unter starkem Flankenfeuer vom Bergwalde bei Reims her im oberen Vesletal beiderseits Beaumont. Von der starken Römerstraßenstellung ist der westliche Kopf gebrochen. Die Mitte der östlichen Schlachtfront steht süd= lich Auberive vor dem befestigten Lager Chalons. Die feit gestern tobenden Kämpfe werden außer durch ungewöhnliche Zähigkeit der gegnerischen, teilweise auch amerikanischen Infanterie gekennzeichnet durch eine
neue Abwehrmethode Fochs.
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Während er bei der März, April und Maioffensive seine erste Stellung sogenannte Ligne de Suippes zäh verteidigte, hat er gestern das Vorfeld zwischen der ersten und zweiten Stellung geräumt und das Hauptgewicht seiner Abwehr von vorn herein in die zweite Widerstandslinie- Ligne de Soutien verlegt. Dadurch wird naturgemäß die erste Wirkung der deutschen Artillerie etwas abgeschwächt, zumal die Hauptmassen der feindlichen Batterien so tief gestaffelt standen, daß ihr Sperrfeuer den deutschen Angriff nicht vor der ersten, sondern erst vor der zweiten Linie traf. Diese neue, Hindenburg abgelauschte Defensivaktion, die Foch schon bei den lezten kämpfen bei Com piegne ausprobiert hatte, erfordert naturgemäß eine neue Angriffsmethode, die nicht lange auf sich warten lassen wird.
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Berlin, 17. Juli 1918, abends. Amtlich. Ernente Gegenangriffe der Franzosen auf dem Südufer der Marne wurden abgewiesen. Im übrigen ist die Lage unverändert. Amtlich. Großes Hauptquartier, 17. Juli 1918.( W. Z. B.)
Westlicher Kriegsschauplah. Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Die Kampftätigteit lebte erst in den Abendstunden auf. In Erkundungsvorstößen südwestlich von pern machten wir Ge Südöstlich von Hebuterne hat der Feind seine Angriffe ohne Erfolg wiederholt.
fangene.
Heeresgruppe Deutscher Kronprins. Dertliche Kämpfe am Savières- Grunde und westlich von Chatean Thierry. Südwestlich von Courtemont schoben wir unsere Linien bis an den Surmelin- Abschnitt heran.
Heftige Gegenangriffe führte der Feind mit starken Kräften gegen unsere Front auf. dem Südufer der Marne. Seine Angriffe brachen unter schwersten VerInften teilweise nach erbittertem Kampf vor unseren Linien zusammen. Auf dem Nordafer der Marne wurden die Erfolge des ersten Angriffstages erweitert. Nach Abwehr französischer Gegenangriffe stießen wir dem Feinde bis auf die Höhe nördlich von Ventenil nach und kämpften uns durch den Rodemat- und Königs wald hindurch. Beiderseits der Ardre warfen wir den Feind auf das Reimser Bergland zwischen Nanteuil und nördlich von Pourcy zurück.
Deftlich von Reims ist die Lage unverändert. Wir hielten die feindlichen Linien unter starkem Fener und verbesserten an der Römerstraße und an der Suippes unsere Stellungen. Nordwestlich von Massiges nahmen wir einige befestigte Höhen.
Die Gefangenenzahl ist auf mehr als 18000 gestiegen.
Ueber dem Kampffelde wurden gestern von neuem 36 feindliche Flugzeuge und 2 Fesselballone abgeschossen.
Leutnant Menkhoff errang seinen 37. und 38., Leutnant Loewenhardt seinen 37., Oberleutnant Loerzer seinen 26., Leutnant Bolle seinen 22. und Vizefeldwebel Thom seinen 21. Luftfieg. Der Erste Generalquartiermeister.
Ludendorff.
Der österreichische Bericht. Wien, 17. Juli 1918. Amtlich wird verlautbart: Südlich von Asiago vermochten zwei englische Kompagnien vorübergehend in unsere Gräben einzudringen. Sie wurden nach kurzem Kampf zurückgeworfen. Jm Brentatal brachte ein Patrouillenunternehmen 30 Gefangene und zwei Maschinengewehre ein. Die Berluste des Feindes in den letten Kämpfen auf dem Solarolo erweisen sich als außerordentlich schwer. In schmalem Frontabschnitt wurden über 500 italienische Leichen gezählt.
In Albanien ist die Lage unverändert. Der Chef des Generalstabes.
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Die Schlacht geht, nach den eben einlaufenden Mittags- erster Hand über die Auffassungen der deutschen meldungen, besonders bei der Armee v. Boehn günstig vor Sozialdemokraten überbringen können eine Sache von wärts. An einigen Stellen find deutsche Stoßtrupps dort in die der allergrößten Bedeutung! Aber gerade darum, weil er richzweite französische Stellung des Reimfer Bergwaldes eingedrungen. Anderswo machen stärkste und mit zahlreichen Tanks geführte tige Informationen hatte, ward ihm zu kommen nicht erlaubt. Gegenangriffe uns den gewonnenen Boden streitig. Die Meinungen der deutschen Sozialdemokraten müssen erst den offiziellen Filtrierapparat passieren, bevor sie uns erreichen. Nichtsdestoweniger find wir offiziell immer noch ein sich selbstregierendes Volt, das für Freiheit und Selbstbestimmung tämpft gegen Autokratie und Offizialität.
Dr. A d. Köster, Kriegsberichterstatter.
Der offizielle Filtrierapparat. Hindernisse der Völkerverständigung.
Damit ist eine allgemeine Wahrheit sehr treffend ausgesprochen. Wer die Völker durch offizielle Filtrierapparate und Gewaltmaßnahmen am freien Austausch der Meinungen hindert, lügt, wenn er behauptet, er fämpfe für Freiheit und ausdauernden Bölkerfrieden.
Der liberale, Manchester Guardian" schließt einen Aufjaz, in dem er die Baßverweigerung an Troelstra scharf fritifiert, mit folgenden ausgezeichneten Bemerkungen:
Mr. Troelstra hätte unserer Arbeiterwelt Mitteilungen
Die Nationalisierung der russischen Industrie.
Von A. Grigorjanz.
Unser russischer Mitarbeiter wendet sich in den folgenden Ausführungen gegen unsern Leitaufsatz vom 16. Juli. Wir geben ihm, einem überzeugten Sozialisten, gern das Wort, um seine den unseren entgegengesetzten Auffassungen darzulegen. Red. d.„ Vort.".
Ein neues Defret der Moskauer Volkskommissare", datiert vom 28. Juni, ordnet an, daß eine große Reihe von Induſtriebetrieben in das Eigentum des Staates übergehen. Betroffen davon sind alle Industriezweige, innerhalb dieser indessen fast ausschließlich Gesellschaften auf Aftien und Anteilen, die größere Kapitalien befizen. Die Betriebsleitungen sind angewiesen, die Arbeit der nationalisierten" Unternehmungen fortzuführen, sie wie früher zu finanzieren und sind weiter berechtigt, die Gewinne an sich zu nehmen. Bis auf weiteres befinden sich die Unternehmungen, wie das Defret bestimmt, in unentgeltlicher Pachtnuhung ihrer alten Besitzer. Der Vorwärts" vom 16. Juli widmet dieser Verordnung einen Leitartikel und feiert darin den angeblich ausgesprochenen sozialistischen Charakter des neuen Defrets. Dieser Auffassung muß meines Erachtens unbedingt entgegengetreten werden. So wenig wie der Sozialismus überhaupt mit allem, was jekt in Rußland geschieht, zu tun hat, ist auch die neue Maßnahme vom sozialistischen Geist berührt.
Fürs erste taucht die Frage auf: was bedeutet die Nationalisierung? Es ist merkwürdig, daß diese früher in vulgärwissenschaftlicher Sprache gebräuchliche Bezeichnung von derjenigen Partei ins Politische übernommen worden ist, die alles Nationale mit Füßen tritt und für die die reine Parteidiktatur über allem anderen steht. Ist die proklamierte Stationalisierung etwa die marristische Vergesellschaftung der Produktionsmittel mit dem Ziele, die Ausbeutung der Arbeiterschaft und die Produktion von Mehrwert aus der Welt zu schaffen? Ist sie bloß eine Verstaatlichung einer Anzahl von Industriezweigen und Betrieben, was lediglich eine Erweiterung der Staatswirtschaft bedeutet, mit der Vergesellschaftung aber im obigen Sinne nichts zu tun haben würde? st sie vielleicht nichts anderes als die Einführung von Staatsmonopolen?
Aus dem eingangs wiedergegebenen Inhalt des Dekrets ist zu sehen, daß die Nationalisierung" eher eine Verstaatlichung einer großen Anzahl von Betrieben und einer Anzahl von ganzen Industriezweigen( z. B. Platin-, Gummiindustrie usw.) darstellt, daß dadurch lediglich die Staatswirtschaft im Prinzip enorm erweitert würde. Im Prinzip- das muß betont werden, denn das Dekret überläßt es den bisherigen Befizern, ihre Fabriken nach wie fort zu finanzieren, weiterzuführen und die Einnahmen einzustecken, d. h. den Mehrwert zu erzeugen.
Das alles- im Prinzip! In Wirklichkeit aber gibt es ja in Rußland feinen einheitlichen Staatswillen und noch weniger eine bestimmte Wirtschaftspolitik. Wer das Gegenteil behaupten wollte, würde nur zeigen, daß er sich durch die Dekrete, -die ins Deutsche überseßt, in sprachlicher Hinsicht, viel gewinnen, blenden läßt. Der erwähnte Borwärts"-Artikel beruft sich darauf ,, daß das Nationalisierungsdekret eine Abkehr von der früheren Politik der Bolschewiki bedeutet, die ihre Stüße in der AIImacht der Arbeiterausschüsse hatte. Diese Annahme ist falsch. Die sogenannte Arbeiterfontrolle bleibt bestehen und wie sollte es denn anders sein, angesichts der Tatsache, daß die Arbeiterausschüsse bei aller Fragwürdigkeit ihrer Legitimation den Bolschewifi die ein. zige Berechtigung liefern, sich noch die Regierung der Arbeiter" zu nennen!
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Um sozialistische wirtschaftliche Maßnahmen durchführen zu fönnen, ist vor allem notwendig, daß sich die vollziehende Gewalt auf geschulte Arbeitermassen stüßt, die selbst Träger der neuen Wirtschaft sein müssen. Nur Ignoranten fönnen behaupten, daß die russischen Arbeitermassen imstande find, die hier angedeutete Aufgabe zu vollbringen. Ihre geund das ist der springende Bunkt werkschaftliche Schulung ist- minimal. Die Bolschewifi selbst haben die nach der Revolution entstandenen und erstarfenden gewerkschaftlichen Drganisationen stets in den Hintergrund gedrückt und die Arbeiterausschüsse zu ihrem Werkzeug zu machen gesucht. Nach dem bolichemistischen Butsch gerieten die Gewerkschaften vollends in Mißgunst, und so kam es vor, daß das Petersburger Gewerkschaftskartell mit etwa zweimonatiger Unterbrechung sich versammelte. Und wozu eigentlich die Gewerkschaften, wenn der Sozialismus" selbst da ist und durch so berufene Verkünder wie die Notgardisten mit Maschinengewehren zu der Deffentlichkeit spricht?
So ist es zu erklären, daß die Fabrifen in Hände der am wenigsten berufenen Elemente gerieten. Dem, was durch den Gang der Ereignisse noch nicht ganz totgeschlagen war, gab die