tn NMrind bestehenden Zustände in ganz Europa verallge- meinert. Tas wäre aber nach Kautskys Ueberzeugung weiter nichts �ls die„Entfesselung von Bürgerkriegen in der ganzen Welt für ein Menschenalter", aber nicht Entfesselung eines wirklichen Klassenkampfes, son- dern„des Bruderkampfes zwischen den Pro- letäriern". In schärfsten Worten wirft Kautsky den deutschen Kom- muni sten vor, das; sie durch die Gefolgschaft, die sie dem „tatarischen Sozialismus" leisten, den deutschen Sozialismus gespalten �ind die deutsck)e Revolution gefährdet haben. Wollte d-e Sozialdemokratie sich nach dem Krieg als Herr- schende Macht behaupten, dann war die sofortige Wieder- Vereinigung eine dringende Notwendigkeit. Aber durch die prorn ä che Propaganda, die„bei den Unabhängigen starke bolschewistische Tendenzen auslöste", sei ein neuer trennender Keil in die sozialistischen Reihen Teutschlands eingedrungen.' Nur die Demokratie, mit deren Hilfe man freilich auch nicht„mit einem Satz aus der kapi- talisti schon in die sozialistische Welt hinüberspringen" könne, biete den Weg zur Rettung. So KautSky , der es. entsprechend seiner Parteistellung, gelegentlich auch nicht an scharfen Ausfällen gegen die Mehr- heitspartei und ihr„Noskcregiment" fehlen läßt. Was Kautsky dos„NoSkereaiment" nennt, hat in der Partei sicher keine begeisterten Anhänger, am allerwenigsten, wie wir genau wissen, an Noske selbst. Aber weder N„ske noch ein anderer von uns wird in Kautskys Darlegungen den Weg finden, der vom„Noskeregiment" hinwegführt, der uns der fürchterlichen Aufgabe enthebt, die Demokratie gegen einen irr egeleitetenTeildereigenenKlasse durch den Belagerungszustand verteidigen zu müssen. Wir können durch Kautsky im Gegenteil nur' 'n der Ueberzeugung bestärkt werden, daß wir die Arbeiter- klassc mit allen brauchbaren Mitteln vor dem entsetzlichen Unheil des Bolschewismus schützen müssen. Weiß Kautsky , wie man das machen kann, ohne Begleiterscheinungen tragen zu müssen, die auch uns im höchsten Maße widerlich und be- dauerlich sind, so mag er es sagen: die sozialdemokratische Partei wird Von ihm gern Belehrung annehmen und ihn als Befreier aus einer Lage begrüßen, die sie sich selber wahr- lich nie gewünscht hat. Kautskys Buch zeigt uns aber deutlich genug, daß der Schlüssel der Situation bei den Unabhängigen hegt. In dem Augenblick, in dem sie Kautskys geistige Füh- rung annehmen, gibt es zwischen ihnen und uns keinen grundsätzlichen Gegensatz mehr, sondern höchstens nur noch taktische Meinungsverschiedenheiten, die sich in kameradschaft - lieber Aussprache ausgleichen lassen. Bis dahin aber werden wir, fürchte ich, noch einen recht beschwerlichen Weg zu gehen baben, den wir im Bewußtsein unserer ungeheuren Verant- wortung nicht früher verlassen können, als bis man uns «uöi anderen �cigt. Friedrich Stampfer . * 0 Ms Kautskps neuester Schrift. Lov der Pariser Kommune . Nachdem sich die Kommune konstituiert hatte, übergab ihr das Berctralkomitee seine Macht, am 28. März. Ja. es machte sogar Miene, sich vollständig aufzulösen. Doch die Kommune bestand nicht darauf, und so fungierte es weiter unter der Kommune als Teil ihres militärischen Apparats. Das diente nicht zur Verein- iacknuig der Geschäfte und zur Vereinheitlichung der Kriegsführung. «der daS Zentralkomitee versuchte«ie� das Prinzip anzutasten, daß den Erwählten des allgemeine« Stimmrechts die»berste Macht ge- bühre. Nie erhob eS den Anspruch, daß alle Macht den Arbeiter- und Soldatenräten, das heißt, im vorliegenden Falle dem Zentral- komitee der Arbeiterbataillone, zufallen solle. In diesem Punkte war also die Pariser Kommune das gerade Gegenteil der russischen Sowjetrepublik. And doch schrkib Friedrich Engels am 18. März 13!>1, am zwanzigsten Jahrestag der Pariser Kommune :
Heimkehr. .Ein Zug voll Soldaten l Frau Mark, können daS Kriegsgefangene fein?" Erregt beugt sich die iunge Arbeiterin aus dem Fenster, schaut dim Zug nach, der im Gewirr des Bahnhofs verschwindet. Die Angeredete sitzt im Hintergrund der Küche, hebt ein sorgenvolles Gesicht scheu zu der Sprecherin, die immer noch dem Zng nach- starrt, auf. In ihrer Seele nistet die Sorge. Die dort am Fenster hofft und harrt nun fünf Jahre auf den einen, der tnS Feld zog und um den sie trauerte, bis überraschenderweise, als alle ihn schon tot geglaubt, eine Nachricht aus einem englischen Hospital sagte, daß er lebe. Seitdem ist da? Versprechen, daö er ihr gab, bevor er in? Feld zog, da? Versprechen, mit ihr nach dem Krieg gemeinsam des Leben» Sorgen und Freuden zu teilen, die Stärke gewesen, die sie das harte wirbelnde Leben der vermögenslosen Arbeiterin während der KriegSzeit gerade utrd unbe schmutzt durchschreiten ließ. Sie weiß es. die Mutter des Kriegsgefangenen, daß seine Braut den Durst nach Freude und nach Lust unterdrückt hat, um sich für den einen, den Fernelr, zu bewahren, sie weiß, daß die Gedanken an ihn das junge Mädchen an den Winterabenden in dem kalten, halbdunklen ZimmSr bleiben, wunschlos über die Straße nach den hell erleuchteten jdaffees und KinoS hinüber- schauen und geizig Pfennig aus Pfennig zur Sparkasse tragen ließen. Und doch kann kein Stolz, keine Freude in ihr aufkommen. In ihrer Seele nagt und frißt die Furcht, die Sorge um die furcht- bare Enttäuschung des Mädchens. daS sie wie eine Tochter lieb- gewonnen hat. In ihrer Seele hat sie eine Nachricht verschlossen, die sie auS England bekam, die Nachricht, daß man ihrem Sohn hatte beide Füße abnehmen müssen. Und noch eins hat die Mutter zwischen t«n Zeilen der Briefe gelesen.-twaS. was die liebenden Augen de? Mädchen? nicht sahen: Eine totwunde Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber, eine krankhafte Scheu vor der Arbeit, vor allem, wonach sich gesunde Leute drängen. Sic weiß, das Glück für das Mädchen ist schon da. SS wird ihr einziges bleiben, dies« starke Hoffnung auf den einen. Ist er da— sie wagt nicht auszudenken, wie da» junge Mädchen sich dreiirfinden wird, statt eines starken, lebenskräftigen, geliebten Menschen einen Krüppel an Leib und Seele zu empfangen. TränenloS starren ihre Augen zu dem jungen Weib, das sich sehnsüchtig, lcbensdurstig aus dem Fenster reckt; grausamer S-hmerz macht ihre Hände zittern— st« sehnt sich doch nach dem sie möchte ihn wiedersehen und doch nicht, doch nicht—
»Ihr Herren, wollt ihr wissen, wie die Diktatur de? Pro- letariats aussieht? Seht euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats." Man sieht, Marx und Engels verstanden unter dieser Diktatur keineswegs die Aufhebung des allgemeinen gleichen Wahlrechts oder der Demokratie überhaupt. Engels gegen die Gewalttheorie. Der Weltkrieg brachte die Arbeiterklasse moralisch und in- tcllektuell zurück nicht nur dadurch, daß er fast alle Schichten der Bevölkerung verrohte, daß er die unentwickelten Teile deS Proletariats in den Vordergrund seiner Bewegung brachte, sowie end- lich dadurch, daß er dessen Notlage unendlich steigert« und damit Verzweiflung an Stelle ruhigen Ueberlegens setzte. Er förderte primitive Anschauungen in ihr auch dadurch, daß er das militärische Denken stark entwickelte, jenes Denken, daß schon dem unwissenden, an der Oberfläche lebenden Menschen sehr nahe liegt, als sei die bloße Gewalt der entscheidende Faktor in der Weltgeschichte, als bedürfe man bloß der nötigen Kraft und Rück- sichtslofigkeit, um alles durchzusetzen, was man wolle. Marx und Engels haben diese Auffassung stets bekämpft. In seinem klassischen Buch über„Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft " handeln drei Kapitel ausschließlich von der„Ge- waltStheorie"(3. Aufl., S. 162— 192). Diese Theorie ist durch und durch unmarxistisch. Engels scheute sich nicht, ihr auch dort ent- gegenzutreten, wo sie in revolutionärem Gewände erschien. Er war nicht der heute so vielfach verfochtenen Ansicht, man dürfe die Fehler einer.Bewegung dann nicht aufzeigen, wenn es eine revo- lutionäre, proletarische Bewegung sei, denn das könne den revolutio- nären Elan schwächen. Bolschewismus und Banditeutum. Der Bolschewismus siegte über seine sozialistischen Geyner da- durch, daß er die Wildheit und Roheit der„anfangenden Arbeiterbewegung" zur Triebkraft seiner Revolution machte. Da- durch, daß er die Bewegung deS Sozialismus degradierte, indem er aus der Sache der Menschheit eine Sache„bloß der Avbeiter" machte; dadurch, daß er die Allmacht der Lohnarbeiter allein(neben den ärmsten Bauern auf dem Lande) verkündete und seine Herrschaft damit begann, alle Menschen, die nicht in sein Horn bliesen, zu völliger Rechtlosigkeit zu verurteilen und ins tiefste Elend herabzustoßen; dadurch, daß er die Auf- Hebung der Klassen mit der Schaffung einer neuen Klasse von Heloten aus den bisherigen Bourgeois einleitete. Indem er so den sozialistischen Kampf um Befreiung und Erholung der ganzen Menschheit auf eine höhere Stufe in einen Ausbruch der Erbitterung und der Rache an einzelnen verwandelte, die den schlimmsten Mißhandlungen und Foltern preisgegeben wurden, hat er das Proletariat nicht auf eine höhere Stufe der Moral er- hoben, sondern es demoralisiert. Er hat die Demoralisation noch vermehrt dadurch, daß er die Expropriation der Expropriateure los- löste von ihrer innigen Verbindung mit der Schaffung der gesell- schaftlichen Neuorganisation, mit der allein sie ein sozialistisches Element bildet. Losgelöst davon erstreckte sie sich bald von den Produktionsmitteln auf die Konsummittel. Bon da zum Banditen- tum, da» tu Stcnka Rasin idealisiert war, braucht nur einen Schritt. Sozialismus und Intellektuelle. DaS Schwinden des Zweifels der Intellektuellen an der Durch- führbarkeit des Sozialismus und die Bereitwilligkeit dieser Kreise, sobald die nötige Macht hinter ihm steht, an seinem Aufbau mit- zuwirken, gehört zu den Vorbedingungen sozialistischer Produktion, zu den Bringungen, zu denen die Gesellschaft vorgeschritten sein muh, soll sie zum Sozialismus reif fein. Diese Bedingung selbst wird um so mehr eintreten, je mehr die anderen Bedingungen des Sozialismus vorhanden sind, so daß die Erkenntnis der Wirklichkeit die unbefangenen Intellektuellen zu sozialistischer Ueberzeugung führt. Diese Wichtigkeit der I n t ell e kt u el le n �h aben die Bolschewiki nicht von Anfang an erkannt, die sich zunächst bloß der blinden Triebe der Soldaten, Bauern und städtischen Handarbeiter bedienten. Die Masse der Intellektuellen stand ihnen schon von Anfang an feindlich gegenüber, auch die Sozialisten unter ihnen, weil sie erkannten, daß Rußland für die Art der sofortigen Bollsozialisie-
ihn ewig verbergen vor dem jungen Mädchen, damit er ihr bleibt, wie er gewesen?. H.
3m öirkenfelöisthen. Aus dem oberen Nahetal wird uns geschvieben: In der nächsten Zeit wird sich die Zukunft des jetzt vielgenannten Fürstentums Birkenfeld entscheiden, das ein Jahrhundert lang mit Oldenburg ve»bunden war und diese Zugehörigkeit� zu lösen im Begriff steht. Wer jemals von Bad Kreuznach über Münster am Stein nach Kirn hinauf ins ober« Nahetal , ins Birkenfeldische, gekommen ist, dem wird nicht entgangen sein, daß sich die Bewohner des rings von rein preußischem Gebiet umschlos- senen Ländchens etwas darauf zugute taten, keine Preußen zu sein. Natürlich ist das emsig erwerbstätige Völkchen dieser olden- burgischen Enklave um kein Haar anders geartet, als die„Preußen" rings umher. Sie find alle Rheinländer, aber mit dem leisen An- klang an die pfälzisch-süddeutsche Art. Von der Nahe, die hier durch ein romantisches, manchmal so- gar wildes Tal strömt, zieht sich das Fürstentum bis hinauf auf die Hockkämme des Hunsrück , wo bisweilen im tiefen Winter immer noch Wölfe gespürt werden und hurtige Flühchen durch reizende Tälchen hinab zur Nahe eilen. Zu ihnen zählt die Idar , vom Idar- Wald kommend. An ihr liegt Idar , die weltberühmte Stadt der Achatschleiferei, und an ihrer Mündung Oberstein , überragt von den Ruinen der Alten und der Neuen Burg, ebenfalls mit groß- artiger Achatindustrie. Beide Städte haben die engsten gemern- schaftlichen Interessen, haben auch eine gemeinschaftliche Gewerbe- halle, in der die großartigen Leistungen der ein hei mi üben Steinschleifereien zum museumartigen Ausdruck kommen. DaS ganze Idartal zwischen beiden Orten ist Sitz dieser Industrie, die sich aber nicht auf Achat beschränkt. ES werden vielmehr Halbedelstein« fast aller Arten geschliffen. Neben der Steinschneiderei und-itblefferei besteben Gravieranstalten für Wappen, ferner eine ganz bedcu- tende Uhrkertenindustrie, sowie Bijouterieerzeugung. Wie das ganze Nahetal von Kreuznach aufwärts, so ist auch die Birkenieldische Talstrecke von Kirn bis Türkismühle zu den schönsten Gegenden Deutschland ? zu rechnen. Di: Stadt Oberstem ist ein wahre« Juwel einer deutsiben GebWpSstadt. Ihr Städte- bild mit den Burgen jmf den hoben Melaphhrwänden ist einS der entzückendsten im ganzen Rheinland . Die Haup-stadt Birken feld fiegl etwas abseits von der Rhein-Nahe-Bahn; hier wird aber die „große Politik" des Ländchens gemacht, denn hier befindet sich bis- her immer noch die oldenburgische Verwaltung, die unter einem Regierungspräsidenten steht. Hier tagt auch der Landesvorstand, und hier werden die Würfel über die. kümfigen Geschicke des .Fürstentum»" fallen. Einen Kilometer von der Stadt Birkenfeld entfernt steht die alte Burg Birkenfeld , die dem Ländchen den Namen gab. einst die Residenz der Herzöge von Pfalz-Birkenfeld. Daß Birkenfelder Rinder besonders geschätzt werden, weiß man außerhalb de» RheinlandeS kaum. Da» Ländchen hat eine blühende pffehznch�. �
rung, die die Bolschewiki unternahmen, nicht reif sei. Andere, die sich darüber keine Gedanken machten, wurden abgestoßen durch die Mißhandlungen, die dem Intellektuellen zuteil wurden. Dieser wurde aus der Fabrik verjagt, die die Arbeiter allein in BetricH halten wollten, er wurde politisch rechtlos gemacht, denn die All- macht der Arbeiterräte verlieh tatsächlich nur den Hand- arbeitern das Wahlrecht. Er wurde expropriiert, soweit er etwas besaß, und jeder Möglichkeit einer kultivierten Lebensführung be* raubt. Ja, schließlich wurde er sogar zur Zwangsarbeit und zum Hungertod? verurteilt. Die Bolschewiki gedachten anfangs, sich ohne Intellektuelle, ohne„Fachleute" zu behelfen. Der Zarismus war der Meinung gewesen, ein General sei fähig, ohne alle spezielle Vorbildung jeden Posten im Staate zu bekleiden. Die Sowjetrepublik Wernahm vom Zarismus mit vielem anderen auch dies« Auffassung, nur setzte sie an Stelle des Generals den Proletarier. Die Theoretiker de? Bolschewismus nannten diesen Prozeß:„die Entwicklung des Sozialismus von der Wissenschaft zur Tat". Eher könnte man ihn bezeichnen als„Entwicklung des Sozialismus von der Wissen- schaft zum Dilettantismus". Die neue Herrenklasse. Die Begeisterung für die Bolschewiki schwand bei einer Ar- beiterkatzgorie nach der anderen, aber deren Opposition stand un- organisiert, zersplittert und unwissend der geschlossenen Phalanx einer im Vergleich zu ihnen höher gebildeten Bureau- k r a t i e gegenüber. Gegen die kamen sie nicht auf. So entwickelt sich aus der Alleinherrschaft der Arbeiterräte die Alleinherrschaft der zum Teil aus den Arbeitcrräten hcrvorge- gangenen, zum Teil von ihnen eingesetzten, zum Teil ihnen auf- oktroyierten neuen Bureaukratie, der höchsten der drei Klassen in der Stadt, der neuen Herrenklasse, die sich unter der Leitung der alten, kommunistischen Idealisten und Kämpfer bildet. Der Ab- solutibmus des„Tschio", der alten Bureaukratie, ersteht wieder. in ne»em, dbtr, wie wir gesehen haben, keineswegs verbessertem Gewände. Und aus ihm sowie neben ihm bilden sich auch schon wieder durch direkt verbrecherisch« Praktiken die Keime eines neuen Kapitalismus, der tief unter dem früheren industriellen Kapi- taliSmuS steht. Epistel an die„Freiheit"? Kein« Weltrevolution, keine Hilfe von außen könnte das ökono- mische Versagen der bolschewistischen Methode verhindern. Die Aufgabe des europäischen Sozialismus gegenüber dem„Kommu- niSmus" ist eine andere: dafür zu sorgen, daß die moralische Kata- strophe einer bestimmten Methode des Sozialismus nicht zur Katastrophe des Sozialismus überhaupt wird, daß diese Methode von der marxistischen genau unterschieden und den Massen dieser Unterschied zum Bewußtsein gebracht wird. Jene radikale sozialistische Presse versteht die Interessen der soziale« Revolution sehr schlecht, die glaubt, ihnen nur dadurch dienen zu könne«, daß sie den Massen die Identität von Bolschewismus und Sozialismus predigt und sie im Glauben erhält, die jetzige Form der Sowjetrepublik, weil sie unter dor Flagge der Allmacht der Arbeiterschaft und des Sozialismus segelt, stelle auch tatsächlich dessen Verwirklichung dar. Ter 3« jährige Bürgerkrieg. Also die Revolution ist gleichbedeutend mit Bürgerkrieg, einem Krieg, in dem es keinen Pardon gibt, in dem die ein« Seite die andere zerschmettert, ober ohne dauernde Niederwerfung, da dieser angenehme Prozeß„wenigstens eine Generation w Anspruch nehmen wird". Dieser verwüstende Bürgerkrieg, der, mit Maschinengewehren und Gasbomben geführt, das Land weit grauenvoller verheeren muß, als es ehedem der Dreißigjährige Krieg tat; der die Bcvölke- rung dezimiert, ihre Roheit zu wildester Barbarei steigert, die Quelle« der Produktion völlig verschüttet: das soll der Weg zur „Hervorarbeitung der höheren Lebensform" fein, die der Sozia- lismuS bedeutet! Diese„geistreiche" Auffassung der sozialen Revolution ist sicher nicht die eines„Querulanten von Beruf", wohl aber eines Revo- lutionärS von Beruf, dem die Insurrektion gleich be- deutend ist mit derRevolution, der seinen Lebensinhalt verliert, wenn diese sich in den Formen der Demokratie und nicht jenen des Bürgerkrieges vollzieht.
tlottzen« — Kunstdebatten— Kunstskandale. In der Großen Kunstausstellung am Lehrter Bahnhof werden vor den Werken der Novembergruppe lebhafte Kunstdebatten unter den Besuchern geführt. Man glaubt sich bisweilen in tumultuöse Versammlungen versetzt und könnte sich über den lebhaften Eifer freuen— wenn er nicht zuweilen in unduldsame Ketzerei und Schimpferei aus- arten würde. ES scheint, daß die Propaganda gegen die neueste Kunst direkt inszeniert werde. Nun hat zweifellos jeder Besucher das Recht, eine ihm nicht paffende Kunst abzulehnen, aber die hitzigen Besucher sollten auf ihre Rachbarn soviel Rücksicht nehmen, daß sie ihnen den unbefangenen Eindruck nicht zerstören. Jede neue Kunst verlangt eine gewisse Bereitwilligkeit der Einstellung und Aufnahme. Vor allem aber soll in einer Kunstausstellung ge- schaut und nicht debattiert werden. Die Künstler könnten durch Führungen oder Vorträge(vielleicht vor der Ausstellung) die Ein» fühlung vorbereiten. Der Besucher muh aber vor allem mit eigenen Augen sehen lernen und sich auch nichts suggerieren lassen, was er nicht selber empfindet. — Die Frage der preußischen L a n d e s t h ea t e r in Hannover , Cassel, Wiesbaden ist immer noch nicht gelöst. Neuer- dingS wird besonders die Zukunft deS Wiesbadener Theaters erörtert. DieS Theater erhielt bisher einen besonders hohen Zu- schuß, den der Staat nicht mehr zu leisten vermag. Es geht das Bestreben dahin, die Gemeinde an der Aufbringung der Mittel in starkem Maße teilnehmen zu lassen. Selbstverständlich müßte diese Art der Regelung auch auf Berlin Anwendung finden. ES ist in der Tat nicht ersuhtlich, warum der preußische Staat allein da? große Defizit der Berliner Staatstheater tragen sollte, während er für die Provinzen eine gerechtere Verteilung der Lasten erstrebt. — Theater. Im Kleinen Theater wird alS erste Premiere am Mittwoch„Summa Summaru m", Tragikomödie von Hermann Keßner, ausgeführt.— Deutsches Künstlet- Theater. Die Uraufführung von Heinrich Pfeiffers KomiÄie „Die letzten Ritter" ist auf Sonnabend festgesetzt.— Im Schauspielhause wird Leopold Jeßner als erste Neu:instudie- rungen„Maria Stuart " und FigaroS Hochzeit " herausbringen. — Musik. In der Heilig- Kreuzkirche beginnen wieder die von dem Organisten Fritz Schink alle 14 Tage veran- stalteten Orgelkonzerte am Dienstag, den 9. September, abends 8 Uhr. — Vorträge. In der Humboldt-Hochschule wiÄ Jen? Lützen am Donnerstag. 7� Uhr(im Luisengymnasium, Turm- straße 87), einen Vortrag über„Neues über Himmel und Erde" bei freiem Eintritt halten. — Ein Saal der Presse. Da» Deutsche Kulturmuseum für Buchwesen und Schrifttum in Leipzig beabsichtigt, seine Abteilung für Zeitnngswesen zu einem Saal der Presse auszugestalten. Der Saal der Presse soll weiteren Kreisen einen Begriff von der politischen nd kulturellen Bedeutung, dem Wesen und Wert der deutsche « Tagespreise gebe»