rscheinen�e ehemals Dogelfang'sche„Monatsschrift fürchristliche Sozialreform" folgendermaßen:„Hier(in Deutschland) ist der in Frankreich protlamirteneue Kurs schon einmal geführt worden und hat zum sozial-politischen Konkurs geführt. Der neue Kurs, wie ihn CasimirPerier. der neue Präsident der französischen Republik, proklamirthat. besteht in dem Versuche, mittels Polizei, eventuell Kriminal,Zuchthaus und Deportation die soziale Frage zu lösen. Das Vor-baben klingt fast unglaublich. Ja, wenn man will, kann manHumor in der Sache finden, die sich fast so ausnimmt, als wennein Polizeimann zu einem geheizten Dampskesiel gestellt würde:Zerspringen oder Zerplatzen ist verboten. Dadurch allein erscheinteine solche Maßregel weniger auffallend, daß Casimir Perier derkapitalistischen, der liberalen Partei angehört. Diese vermag,ihrer materialistischen Versunkenheit wegen, nur sehr schwer, be-ziehungsweise gar nicht mehr sich zur Würdigung imponderabler(unwägbarer) Dinge emporzuschwingen. Es wäre in Deutschlandund Oesterreich geradeso, wenn Männer des„Liberalismus"—'hier gewöhnlich Judenliberalismus geheißen— allein die Machtauszuüben hätten. Es ist immer die alte Geschichte. Die altenrömischen Imperatoren glaubten, die herkömmlich» Religio» fest-halten zu können, wenn sie die neuen— christlichen— Ideenverboten, obgleich das Heidenthum seinen Inhalt verloren�atte... Jeder der Christenverfolger meinte, daß das Nicht-gelingen unter dem Vorfahrer oessen Ungeschick zuzuschreiben ge-wesen sei! jeder glaubte, es besser zu machen. So folgten sichzehn große Christenverfolgungen, deren Ende nicht das Ende derChristen, sondern das Ende der Imperatoren und des Reicheswar."—TaS„Voll" und das Verbot des Boykotts. DerLeipziger konservative Verein hatte gefordert, daß derBoykott unter Strafe gestellt wird. Gegendiesen Vorschlag wendet sich das„Volk", das erst unlängstmit der„Kreuz-Zeitung" und dem„Reichsboten" vonparteioffizieller Seite als die einzigen a n e r-kannten konservativen Blätter Berlins be-zeichnet wurden, indem es ausführt:„Heutzutage können Handwerker und Kanfleute sich gegen un-reelle Konkurrenz dadurch schützen, daß sie öffentlich auffordern,be, bestimmten Personen oder bestimmten Arten von Geschäftennicht zu lausen. Eine Reihe von Gewerbeschutzvereinen besorgendas m recht erfolgreicher Weise. Heute können, um nureinen Fall herauszugreifen, die landwirthschaftlichen Ver-einigungeu für ihre Standesgeiwffen die Parole ausgeben, dieund die landwirihschaftsfeindlichen Judenzeitungen abzuschaffen.Alles Derartige fiele unter ein Boykottverbot. Vor allem aberwürde davon betroffen die Losung:„Kauft nicht beiJuden l", das wirksamste Feldgeschrei des praktischenA n t i s« m i t t s m i> s. Und der Leipziger konservative Vereinerinnert sich vielleicht, daß selbst so zahme Konservative, wie siein dem Konservativen Handbuch zumeist zu Worte kommen, esfür angebracht gehalten haben, diese antisemitisch« Losung, wennauch in vorsichtiger Form, in der zweiten Auflage aufzunehmen.Für ungerecht würden wir schließlich ein Boykottverbot deshalbhalten, weil die Arbeiter härter davon betroffen würde», als dieArbeitgeber. Die verhältnißmäßig geringe, sich selten änderndeAnzahl von Arbeitgebern eines bestimmten Erwerbszweigeskann sich leicht auch ohne Benutzung der Oeffent-lichkeit dahin einigen, daß bestimmte Arbeiterkategorien beikeinem von ihnen Beschäftigung finden. Die„schwarzenListen" sind ia leider kein„leerer Wahn", sondern traurigeWirklichkeit, Und zumal wenn, wie wir das wissen, einzelneBehörden ihre amtliche Wissenschaft denArbeitgebern zur Ergänzung der schwarzenListen zur Verfügung stellen, so läßt sich derBoykott politisch unbequemer Arbeiter in dervollkommensten Weise durchführen, ohne daß man in der Oeffent-lichkeit auch nur das mindeste davon merkt. Den unendlich vielzahlreicheren, stets wechselnden Arbeitermassen ist es dagegennatürlich fast unmöglich, in ähnlicher Weise unter Ausschluß derOeffentlichkeit einen Boykott gewisser Arbeitgeber auszuführen.Und da wir wünschen, daß die Waffen in dem leider nun einmalbestehenden wirthschafllichen Kampfe auf beiden Seiten von Gesetzes wegen„gut und gleich" seien, so erklären wir unsgegen ein Verbot des öffentlichen Boykotts."—Eiu Etsenbahnbeamter schreibt unS: Bei der amI. April 189S eintretenden Nenorganisation der Staatseisenbahn-Verwaltung muß naturgemäß eine größere Anzahl von Bureau-beamten versetzt iverden, da das Burcaupersonal an einzelnenOrten vermindert und an anderen vermehrt wird. Soweit dieVersetzungen durch diese Personalverschiebungen bedingtwerden, sind dieselben unabweisbar. Bei der Ermittelung dervom Hanse der Abgeordneten zur Durchführung der Neu-organisatio» bewilligten Summe von S00 000 M. ist wohl auchnur die Versetzung der Beamten in diesem Umfange be-rücksichtigt worden. Diese Annahme findet auch schon dadurchihre Begründung, daß der Minister die Direktion angewiesenbaben soll, die Versetzungen der Beamten auf das geringsteMaß zu beschränken. Entgegen dieser Weisung sollen beider Direktion Berlin, obwohl eine weitgehende Personal-Verschiebung nicht erforderlich ist, zahlreiche Versetzungenvon Beamten nach Stettin und Posen in Aussicht stehe». Fürdie versetzten Beamten müssen alsdann wieder andere nach Berlinversetzt werden, so daß thatsächlich hierdurch Doppelversetzungeneintreten müssen. Abgesehen davon, daß eine derartige Maß-nähme dem sinanziellen Interesse des Staats widerspricht,dürften die zahlreichen Versetzungen von Beamten auchdeshalb zu vermeiden sein, weil hierdurch in denmeisten Familien weitgehende Schädigungen und ein-schneidende Slendernngen hervorgerufen werden. Die zahlreichenVersetzungen erscheinen auch durch die Erwägung nicht begründet.daß in den neu einzurichtenden Direktionsbezirken Stettin und Posengeschulte Beamte der Direktion zugetheilt werden müssen, da nachAusscheidung der den erhöhten Anforderungen nicht mehr ge-wachsenen Beamten wohl nur noch solche im Dienste verbleiben,welche zu jeder Zeit und an jeder Stelle verivendet werden können.Auch dürften die Beamten der Betriebsämter durch die seitherige Be-.schäftigung mit den örtlichen Verhältnissen am besten betrautund am vortheilhastesten in den seitherigen Stelle» zu verwendensein. Es kann wohl als feststehend angesehen werde», daß dieDienstwilligkeit der Beaniten nur dann erhalten und erhöht wird,wenn de» Wünschen bei den Versetzungen in der weitgehendstenund wohlwollendsten Weise Rechnung getragen wird. Andern-falls darf es nicht Wunder nehmen, wenn die mittleren Eisen-bahnbeaniten durch die fortwährende Zurücksetzung in das Lagerder Sozialdemokraten getrieben werden, und bei de» späterenWahlen dementsprechend das Wahlrecht ausüben.� Ter Werth von LoyalitätSknudsiebungco. Der Schlußder unter vorstehender Spitzmarke veröffentlichten Notiz unserergestrigen Nummer wurde durch den Druckfehlerteufel arg ver-stuinuielt. Der Schluß soll lauten:Kurz nachher, als der offizielle Druck gewichen war, wurdedw Büste des Landesherrn zertrümmert und m das Wassergeworfen. Moralische Volkserkrankung nennen das Blätterwie die„Post". Wie nennen sie künstlich erzeugte, dem Volks-gemuthe nicht enlsprungene Loyalilätskundgebungen? Wennwir uns nicht täuschen:„Den wahren Ausdruck der Volks-seele." Bei der Verlogenheit der bürgerlichen Presse kommt esauf eine Fälschung uiehr oder weniger gar nicht an.AuS Ungarn wird uns geschrieben: Die in der Memo-randum-Affäre verurtheilten Rumänen haben ihre Strafe ange-treten. Damit ist aber der Streit zwischen Rumänen undUngarn natürlich noch lange nicht beendigt. Die Rumänenscheinen ihre Taktik geändert zu haben. Sie schlagen jetztweniger Lärm, organisire» aber um so eifriger. Die ungarischeRegierung aber fährt fort zu unterdrücken und zu verfolgenund erbittert nur damit einen Theil der Bevölkerung,der selbst nach der tendenziösen ungarischen Statistik vieler-orts die Majorität bildet. Um nur ein Beispiel anzuführen,giebt es nach der neuesten ungarischen Statistik im KreiseHunedora 267 SSV Einwohner, davon 233 486 Rumänen, imKreise Kojokua 225199 Einwohner, davon 133 277 Rumänen.Aber die ungarische Regierung scheint die Gefahr, die ihr seitensder Rumänen droht, nicht beachten zu wollen, denn sie verstärktdiese, indem sie z. B. die slovakische Bevölkerung hetzt, ihre Versamm-lungen auslöst und sie so veranlaßt, sich den Rumänen anzuschließen.Auch in Ungarn treibt das Denunziantenthum wunderbare Blüthen.So wurden Herr und Frau Albini vor den Untersuchungsrichter zitirt,um über einen angeblichen Ausruf des Dr. Lucaci:„Wir haben keineGesetze mehr, nieder mit dem König!" auszusagen. Natürlich istan der Denunziation kein wahres Wort. Vielmehr verhält sichder Thatbestand folgendermaßen: Als Lucaci den Gerichtssaalwährend des Memorandumprozesses verließ, wurde er von mehrerenRumänen angehocht. Die Polizei versuchte darauf diese zu verhaften.worauf Lucaci äußerte:„Darf man denn in diesem Lande nurnoch Kossuth leben lassen?"— Nicht gut haben es auch die rumänischenZeitungen in Ungarn. Sie stehen immerwährend unter Anklage.Neuerdings wurde der verantwortliche Redakteur unseres Partei-Organs, der„Volksstimme", zu einem Monat Gefängniß ver-urtheilt und zu 300 Gulden Geldstrafe, dagegen wurde der mit-angeklagte Drucker(man sieht, die ungarische Polizei hat's los)freigesprochen. Zum Schluß sei noch bemerkt, daß der königl.Staatsanwalt endlich der Universitätsbehörde bekannt gegeben,daß er von einer Anklage der bei der Bereitung und Verbreitungdes Memorandums betheiligten rumänischen Studenten AbstandSenommen habe. Es ist Zeit, daß das ungarisch> rumänischelroletariat erwache!—Die Holländer haben nun einen ganzlernsthaften Kolonial-krieg. Wir haben in einer Reihe Depeschen der letztenNummern unsere Leser über die Entwickelung dieses Kriegesorientirt. Eine Wiedergabe der zahlreichen, heute einge-troffenen Depeschen erübrigt sich, da dieselben blos weitereEinzelheiten von nicht allgemeinem Interesse � enthalten.—Crispinische Spiegelfechterei. Aus Rom wirdtelegraphirt:„Die Meldung, daß der neu ernannte Staatsanwalt denrozeß, in Betreff der während der Verhandlung gegen dieanca Romana entwendeten Papiere, mit großem Nachdruckführen werde, erregt hier großes Aufsehen."Das große Aufschen ist wohl eine Fälschung. Es sollwohl richtig heißen, begegnet allgemeinem Unglauben.—Ungeru-Sternberg soll nun in St. Petersburg ver-haftet worden sein. Wer es glaubt, verdient einebesondere Belohnung von den alliirten politischen PolizeienEuropa's.—Russisches. Der Militarismus nimmt selbst in Rußlandmehr Rücksicht auf die Interessen der Zivilisten als in Preußen.So ertheilt der oberste Kommandeur des Odessaer Militär-kreises, anläßlich der bevorstehenden Truppenübungen, folgendeInstruktionen:1. Das Betreten der besäeten Felder wird den Truppenstrengstens verboten. Die Patrouillen haben dafür zu sorgen,daß die Truppen rechtzeitig von dem Vorhandensein solcherFelder benachrichtigt werden.2. Jeder betretene Acker wird entschädigt entweder durchdenjenigen, der den Schaden verursacht hat, oder durch dieentsprechende Trnppen-Abtheilung.3. Zum Zwecke einer gerechten Entschädigung wird eineSchätzung?- Kommission bestehend aus: Offizieren, Beamten,Grundbesitzern und Bauern eingesetzt.4. Jeder einzelne durch die Truppen-Uebungen entstandeneSchaden muß von der Kommission genau untersucht und invollem Maße von den Truppen ersetzt werden.—Es ist weiter interessant zu sehen, daß des VäterchensMinister so manche Frage ernster nehmen, als ihre westeuropäischenAmtsgenoffen. So sandte der russische Finanzminisier denFabrik-Jnspektoren ein Zirkular, in dem er sie aufforderte, demGesetze gemäß mit der nöthigen Autorität in dieFabrik- Verhältnisse einzugreifen, beide interessirte Seitengleichmäßig zu behandeln und zu vertreten und dahinzu streben, daß die Arbeitsbedingungen sich so gutwie möglich gestalten. Ferner iverden sie angehalten, den Fabrik-besitzern entgegenzukommen, so weit sie bestrebt sind, eine Ver-besserung der Arbeitsbedingungen in ihren Betrieben herbei-zuführen. Damit glaubt der nach Popularität strebende Finanz-minister Herr v. Witte:„die jetzt sich immer mehr entwickelnderussische Industrie nach Kräften zu fördern."—Weiter ist jetzt das Ministerium des Innern bestrebt, diesoziale Wanderbewegung zu regeln. Jahraus, jahrein findenwährend der Sommerzeit förmliche Völkerwanderungen der land-wirthschaftlichen Arbeiter, hauptsächlich in den südlichen ProvinzenRußlands, stalt. Diese Arbeiter sind völlig der Ausbeutung derGroßgrundbesitzer ausgesetzt und diese Ausbeutung wird durchdie eigene Konkurrenz bis ins ungeheure gesteigert. Die länd-lichcn Selbstverwallungsorgane, die„Semstwo" haben sich schonlängst erboten, diese Wanderbewegung zu regeln, allftn, da siees mir vermittelst Zusammenkünfte verschiedener Semstwo's thunkonnten, traute ihnen die Regierung nicht. Sie wurden abschlägigbeschieden. Ob es der russifchen Regierung gelingen wird, selbstdiese Verhältnisse zu regeln, das ist eben die große Frage.—Krieg in Ostasie». Wie dem„Reuter'schen Bureau" überShanghai aus Chesoo gemeldet wird, haben die japanischenTruppen Port Arthur wieder angegriffen. Das englische Kanonen-boot„Redpole" ist gestern dorthin, entsandt worden. Ans New-schwang eingetroffene Dschunken meldeten, sie hätten an der Mmi>dung des Talungflusses zahlreiche japanische Leichen schwimmensehen. Es wird dies als eine Bestätigung der Niederlage derJapaner angesehen..1Den neuesten aus Shanghai eingetroffenen telegraphischenBerichten zufolge ist die japanische Flotte mit einer Anzahl vonTransportschiffen nach Port Arthur gelangt und hat daselbstTruppen in der Nähe des Borgebirges abgesetzt. Die Japanergingen dann zum Angriff vor, während die Flotte die Forts unddie Docks bombardirte. Sie beabsichtigen, letztere zu zerstören.um die Chinesen an der Ausbesserung ihrer Kriegsschiffe zu ver-hindern und ihnen den Rückzug abzuschneiden. Das Bombardementder Forts wird mit großer-Heftigkeit geführt.AuS Samoa, dem Schmerzenskind« deutscher auswärtigerPolitik Herberl Bismarckischer Signatm, kommen über SanFrapziSko solgende kriegerische Nachrichten:In Verfolg der Konferenzen zwischen den diplomatischenVertretern und Marine-Offizieren behuss Beilegung der Unruhenunter den Eingeborenen beschossen das englische Kriegsschiff„Curaooa" und der deutsche Kreuzer„Buss'rd" am 11. d. dieBeste der Anfständischen Luataanun, nachdem dit Häuptlinge zuvorverständigt waren. Die Beste wurde geräumt, die Befestigungenwurden fast zerstört. Die Aufständischen weigerten sich, dieWaffen zu übergeben und zogen sich in der Richtung auf dentafen Saluafata zurück. Die Truppen Malietoa's verfolgten dieufständischen. welche die Truppen des Königs am 12. d. M.angriffen und mehrere tödtelen oder verwundeten. Der„Curayoa" und der„Bussard" eröffneten daZ Feuer am 13. d. M.wieder und brachten den Aufständischen große Verluste bei. DieAusständischen suchten den Frieden nach, versprachen, sich demKönige Malietoa zu unterwerfen, die Steuern zu zahlen und dieWaffen zu übergeben. Am 14. d. M. griff indessen die Attua-parlei, welcher sich der Häuptling Tamahez angeschlossen hatte.die Truppen des Königs an: die Kanonen des„Bussard" feuertendie ganze Nacht, am Morgen begab sich aucy ver„Curayoa" anOrt und Stelle. Nach den letzten, noch unbestätigten Gerüchtensollen sich die Aufständischen vollständig unterworsen haben.—VsrkotnackviSiken:Von der Agitation. Der Reichstags« Abgeordnete Aug.Kühn aus L a n g e n b i e l a u hat am 29. Aug. seine Agitations-tour durch die Provinz Schleswig-Holstein, Fürstenthum Lübeckund Herzogthum Lauenburg beendet. Von 27 in Aussicht ge-nommenen Versammlungen haben 24 stattgefunden. SämmtlicheVersammlungen waren, den örtlichen Verhällniffen entsprechend,sehr gut besucht. Die Agitations-Kommission der ProvinzSchleswig» Holstein hatte bei dieser Agitationstour besondersRücksicht auf die kleineren Städte und ländlichen Ortschaften ge-nommen. Die Begeisterung, welche vor und während der Ver-sammlungen unter den Theilnehmern herrschte, so bemerkt hierzudie„Schlesw.- Holst. Volks- Ztg.", läßt vermuthen, daß wirwiederum ein ziemliches Stück vorwärts geschritten sind.Ebenfalls beendet hat der Reichstags-Abgeordnete Herbert-Stettin seine Agitationstour, die er durch Schlesien unternommen.Er hat insgesammt 23 Versammlungen abgehalten; außer denbereits milgetheilten 11 Versammlungen sprach er noch am17. August in Schweidnitz, am 18. in Ober-Langen-b i e l a u. am 19. Nachmittags in Weigelsdorf, Abends inP e i l a u, am 20. in P e t e r s w a l d a u, am 21. inNiederbi elau, am 23. in Blumenau(Kreis Waiden-bürg), am 25. in Reichend ach, am 26. Nachmittags inSchlegel, Abends in Mölke, am 27. in N e u st a d t(Ober-schlesien), und am 23. in Oh lau. Die Versammlung inLandeshut mußte wegen Lokalabtreiberei ausfallen. DieReise mußte am 23. beendet werden, weil Herbert am 30. Augustvor Gericht in Stettin erscheinen mußte. Es handelte sich umeine Anklage wegen Beleidigung, von welcher er übrigens frei-gesprochen wurde.Eine ausgezeichnete Wirkung erzielte Genosse Dr.Lütgenau-Dortmund in einer Versammlung in E l b e r-feld, wo er über:„Die Judenfrage in ökonomischer»ndethischer Beziehung und die Sozialdemokratie" sprach. DieVersammlung, die von vielen Antisemiten besucht war, nahm fasteinstimmig folgende Resolution an:„Die heutige Volksversammlung erklärt: Die antisemitischeBewegung resultirt aus den ökonomischen Verhältnissen und istim Grunde reaktionär. Eine Judenfrage im Sinne des Anti-semitismus existirt nicht, vielmehr ist es der heute herrschendeKapitalismus, der die Ausbeutung de? Menschen durch denMenschen im Gefolge hat, und diese kann nur schwinden, wenndem Kapital, gleichviel, ob jüdisch oder christlich, diese Macht ge-nommen wird. Da der Antisemitismus reaktionär an sich ist,sieht die Versammlung nur im Sozialismus das Heil der Zukunftund erklärt, für die siegreiche Durchführung des Sozialismus mitallen Kräften einzutreten."»•Zweierlei Maß. Bei der Besprechung der jüngst tn Sachsendurch die Polizei vorgenommenen Auflösungen von Arbeiter-Gesangvereinen, wobei auch berichtet wurde, daß der BurgstädterGesangverein„Vorwärts" ebenfalls der Auflösung verfallen.bringt die„Bnrgstädter„Volksstimme" einen neuen Beweis vonder verschiedenen Handhabung der Vereinsgesetze in Sachsen.Das Blatt schreibt:Während bei einem Gesangverein doch nur anf sehr ver-worrenen Polizeiwegen ein politischer Zweck ausfindig gemachtwerden kann, auf den er bezug haben soll, darf wohl einWahlverein unbedingt und von vorneherein als ein Berein be-trachtet werden, der politische Zwecke verfolgt. Einfluß auf denGang der öffentlichen Angelegenheiten ausüben will. Nun sinddie deutsch-fozialen Vereine Sachsens zu einem Eommerfestezusammengetreten, zu welchem der deutsch-soziale antisemitischeWahlverein zu Chemnitz in Gemeinschaft mit demjenigen zuSiegmar die Einladung erlassen hat, und das am 5. August inSiegmar abgehalten wurde. In der Einladung heißt eswörtlich:\„Der allseitig warm empfundene Wunsch, unS gegenseitigimmer näher zu bringen, hat die Veranlassung zu der Veran-staltung dieses Festes gegeben und wird auch der leitende Ge-danke sein..... Es sind Einladungen an sämmtliche deutsch-soziale Vereine unseres engeren Vaterlandes ergangen, undhoffen wir allerseits anf rege Betheiligung. Mehrere Partei-führer haben ihr Erscheinen zugesagt."Dieses Fest, das sieht jeder, war ein unzweifelhaft politischesAgitationsfest, veranstaltet von unzweifelhaft politischen Ver-einen, die sich da mit ihren Parteiführern ein Stelldicheingaben; aber keiner Polizeibehörde ist es eingefallen, einen dieserVereine aufzulösen. Nicht einmal der Chemnitzer Amtshaupt»Mannschaft, die doch bei Arbeitervereinen an Schneidigkeit nichtszu wünschen übrig läßt. Arglos hat sie vielmehr ihre Erlaub-niß zu dem antisemitischen Sommerfeft ertheilt, das den Gesetzenoffen Hohn sprach!Uns sowohl, als unserem Bruderorgan liegt es natürlichfern, durch die Veröffentlichung des Obigen gemeinerDemmziationslust zu fröhnen. Wir würden es selbstverständlichmit Freuden begrüßen, wenn jedwede Beschränkung desVereins- und Versammlungsrechts fallen würde, aber solange wirdie e i n zi g e P a rt e i sind, die unter solch rigorosen Polizei-maßregeln zu leiden hat, iverden wir auch die einzigebleiben, die für Aufhebung aller Vereins- und Versammlmigs-gesetze kämpft»nd deshalb müssen wir derartige Ungleichmäßig-keilen festnageln und darauf dringen, daß zum mindesten:Gleiches Unrecht für Alle zur Geltung komme.Ein Maifeierprozesi. Dresden steht mit seinem Maifeitt-prozeß nun nicht mehr allein da, auch Freiburg i.Schl. hat einensolchen gehabt. Den dortigen Genossen war die Versammlung,die sie für den I.Mai im Freien geplant hatten, verboten worden.Am Abend des 1. Mai hatten nun etliche 15 Personen, mit Lam-pions versehen, nach außerhalb der Stadt einen Spaziergangunternommen. Anf ihrem Rückzüge schloffen sich ihnen eine MassePaffanten an, so daß der Zug einige Hundert Personen stark inder Stadt anlangte. Die den ganzen Tag aus dem Rathhausezum„Schutze der Bürger" bereitgehaltene Gendarmerie fordertedie Menge zum Auseinandergehen auf und nahm, da dieser Ans-sorderung,»ach Ansicht der diensteifrigen Polizeimqnnschast, nichtschnell genug nachgekommen wurde, zahlreiche Verhaftungen vor.Am 22. August hat nun die Verhandlung gegen die An-geschnldigten stattgefunden; die Anklage lautete zum Theil anf„groben Unfug",„Auflauf" oder„Bergchen gegen das Vereins-gesetz"(unerlaubter Umzug). Nach dem nach circa anderthalb-stündiger Berathung verkündeten Urtheil erhielten;„Kuschnik,Kleiner und Rösner wegen Uebertretung des Vereinsgesetzesje 6 Mark Geldstrafe event. 2 Tage Haft und wegen Auf-lauss 14 Tage Gefängniß. Reimann wegen derselben Straf-thaten 6 M. Geldstrafe event. 2 Tage Haft und 3 Wochen Ge-sängniß, Tiffe wegen Uebertretung 6 M. Geldstrafe event. 2 TageHast, wegen Auflaufs 14 Tage Gefängniß und wegen Ver-Übung groben Unfugs durch Feuerlärm 1 Woche Haft. Hainschwegen Uebertretung des Veremsgesetzes 14 Tage Gefängniß u»i>fartung wegen desselben Vergehens 15 M. Geldstrafe event.Tage Haft und wegen Verübnng groben Unfugs durch Abbrennen von Raketen 1 Woche Haft. Wähner und Hoffmann.die als Leiter des Zuges fungirr haben sollten, wurden frei-gesprochen.Ein BreSlaner Taafpcrwei gerer. Wunderbar, was dieerren Gastivirtbe zuweilen von' unseren Parteigenossen alsäste meinen verlangen zu können. Bestellten da kürzlich Ares-lauer Genoffen einen Saal zwecks Abbnltuna eines Aer.