Nr. 632 ♦ 36. Jahrgang
1. Seilage ües vorwärts
Vonaerstag, 11. Dezember 1919
Anklagen gegen die Schwerindustrie.
In der Nationalversammlung sprach am Mittwoch zunächst Abg. Brauu-Frankeu(Soz.): Ter gestrige Tag hat bewiesen, daß die Herren von der Rechten alles tun wollen, um das Zustandekommen des Reichsnotopfers zu verhindern. Sie sind bemüht, die Steuergesetze zu sabotieren. Mit allen Mitteln wollen sie die Verhandlungen stören. Wir wenden aber dafür sorgen, daß ihre Pläne nicht gelingen, daß die Aricgsgewinne erfaßt werden und ein gerechter Ausgleich im Volke hergestellt wird. Für die Richte gilt dos abgeänderte Wort Bismarcks:..Wir Deutsche suchten nichts so sehr, als Steuern zu zahlen." Es gibt keinen ärgeren AntinationalismuS als denjenigen, der es uns unmöglich machen will, den Wiederaufbau zu vollziehen. Das ist dw Drückebergerei des Kapitals. Das Ka- vital hat sich immer vom Steuerzahlen gedrückt, schon seit der Gründung des Reichs. Alle Lasten mußten die breiten Massen tragen. Der Kampf gegen Erzberger ist nichts weiter als ein Kampf gegen die Belastung des Besitzes. Man will diesen Mann fällen, weil er im Gegensatz zu seinen Vor- gängern die größte Tatkraft bei der Lösung der Finanzfragen zeigt. Ihre Politik,(nach rechts) führt naturgemäß zum�Ttaatsbankerot», und dagegen müssen wir uns mit aller Entschiedenheit wenden. Der Kampf von rechts wird gegen die Republik , gegen die Nationalver- kammlung, gegen alle sozialen Maßnahmen geführt. Wir aber wollen Deutschland retten, wir wollen nicht, daß das Ruhrgebiet besetzt wird.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten; Unruhe rechts.) Ich komme jetzt zu dem unangenehmsten Teil meiner Rede, zu Herrn Dr. Hugenberg. Wir hätten es begriffen, daß Herr Hugenberg gegen das Steuer- zahlen der Besitzenden ist. Seine Rede war aber mehr als eine Klassenkampfrede des Kapitalismus . Seine Worte waren wohlüber- legt, in der Studierswbe niedergeschrieben und für die Leser deS „Generalanzeigers" in Essen und deS„Lokalanzeigers" in Berlin berechnet.(.Heiterkeit.) Ich muß Herrn Hugenberg ins Gedächtnis rufen, daß er in dem Militärbeamtenbestechungsprozeß gegen Krupp nicht vereidigt worden ist. weil er dem Gericht der Teilnahme ver- dächtig erschien. Dieser Mann redet hier von Korruption, der selbst da» preußische Beamtentum im Kriegsministerium und Reichs- marineamt durch Bestechung korrumpiert hat. Präsident Fehrenbach: Es gebt nicht au, daß Sie einem Stbge ordneten Vorlverfcn, er habe Beamte korrumpiert. Abg. Braun(fortfahrend): Bon der Firma Krupp , deren Generaldirektor Herr Hugenberg bis zur Revolution gewesen ist, find die interessanteste« internationalen Beziehungen gepflogen worden. So sind mit den Pntiloffwerken, deren Kaironen unsere eigenen Soldaten nachher niedergemäht haben, technische Er fiiidnngen ausgetauscht worden. Nach Nordamerika ist die Tonne Kruppschen PanzersiahIS um 40 M. billiger geliefert worden als an Deutschland . Ist da- Patriotismus? Diese Leuie wagen heute von Korruption zu sprechen! Im Krieg, den Sie(nach rechts) verbsrr liche» viid wiederholen möchten, liegen die Wurzeln der Korruption. Auch die Korruption des Schiebertums ist aus dem Kmge ent stauten. Dr. Hugenberg här den Finanzmimstsr einen LandeSver räter genarnt. Dabei hat er selbst den ärgsten Landesverrat be. gangen, indom er der Entente deutsches Land geradezu äuge botcu ka>. Präsident Fehrenbach: Ich kann nichi zugeben, daß einem Mit. glied des Hauses, auch wenn es Anlaß zur Erregung gegeben hat, Landesverrat vorgeworfen wird. Ich bitte Sie, die gestrigen Vor- gänge sich zur Warnung dienen zu lassen und sich unseren Aufgaben zuzuwenden, nämlich der Steuerdebatte. - Abg. Braun-Franken(Soz. sfortfahrendj): Die Ge'chichtc de» Slahlwer-sverbandes, bei der Dr. Hilgenberg eine Rolle spielte, jh eines der traurigsten Kapitel: nicht für Sie(nach rechts); für \sie ist es ein goldenes Kapitel Der Stahlmerksverbaad hat I9lS die Notlage teS deutschen Volkes in der unerhörtesten Weife ausgenutzt. lZurus rechts: Unwahr!) Der Untersuchungsausschusi wird sich hoffentlich gründlich mit der Frage beschäftigen, warum die Stahlindustrie sich
zehn Millionen Wuchergewinn monatlich
verschaffen konnte.(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Merk- wüvdigerweise ist ein großer Teil dieser Akteu aus dem Kriegsministerium verschwunden. iHört, hört!) In Massen wurden deutsche Stahlschienen über die Schweiz nach Italien geliefert, damit Italien daraus Waffen gegen Deutschland machen konnte.(Hört, hört! linlS.) Helfferich duldete f|i||e. Geschäfte: er war ein Finanzminister nach dem Herzen der jten.(Sehr wahr! links.) Wir wollen die kleinen Rentner »en und die Interessen der Auslandsdeutschen wahren.(Leb- er Beiiall bei de» Sozialdemokraten.) Abg. Farwick(Zentr.): Wir billigen den Gesetzentwurf. Einige nterungsanträge werten wir noch einbringen. Dieses Reichs- no tapfer ist eine unbedingte Notwendigkeit. Wie sich jemand im ganzen Deutschen Reiche findet, der mit dem Gedanken spielt, daß das Heer unserer Feinde auch mir einen Fußbreit weiter in deutsches Gebiet dringt, in die deutschen Häuser, das verstehe ich nicht. Ter oeftrigs Tag war ein schwarzer Tag in unserem parlamentarischen Leben, und ick erkläre namens sämtlicher Parteiangchüriger auS dem besetzten Gebiet, daß wir uns mit flammendem Protest gegen einen derartigen Gedanken verwahren.(Lebhafter Beifall im Zen- trum und liuts.) Wir sind Deutsche , und wer den Feind auffordern will, über unsere Leiber hinwegzuschreiten, der rechnet schon zu den Toten. WA müssen aber noch 15 Jahre in diesem Lande leben und haben hierzu alle Kraft nötig. Abg. Dr. Petersen kDem.): Wir Demokraten sind bereit, dein Besitz das größtmöglichste Opfer aufzuerlegen; indessen ist die Frage, ob daS in Form einer einmaligen Vermögensabgabe erfolgen soll oder in der Form einer jährlich zu erhebenden Ab- gäbe, noch nicht endgültig geklärt. Wir stehen aber aus dem Boten der Vorlage und! verden auch in der zweiten Lesung dafür stimmen. Abg. Dr. Becker-Hesten(D. Vp.): Die Behauptung de» Abg. Braun, daß der Besitz steuerscheu sei, ist objektiv unwahr. Der Redner empfiehlt dann den Wag der Zloangsanieihe an Stelle der Regierungsvorlage Reichsfinanzminister Erzberger: Die Behauptung, daß durch das Reichs notopfer der Tod de? deutschen Wirtschaftslebens herbeigeführt wird, ist falsch Um- gekehrt bereitet der Weg, den der Abg. Becker vorschlägt, der deutschen Wirtschaft eine außerordentliche' Erschwerung. Ratür- lich kann man gegen das Reichsnotopfer ebensogut wie gegen jede» Steuergesetz Bedenken vorbringen. Der Abg. Dr. Hugenberg hat gestern da» hohe. Lied deS Egoismus gesungen. Dagegen stelle ich daS hohe Lied der Solidarität, des s o z i a l e n I n t e r e s s e 5. Das deutsche Volk erträgt nicht, daß solche ungeheuren Ansammlungen von Vermögen vor dem Kriege und leider noch während des Krieges stattgefunden haben.
Wenn das Reichsnotopfer nicht zur Verabschiedung kommt, ist eine indirekte Steuerbelastung nicht durchführbar, dann kann keine Re- gierung unser Wirtschaftsleben ruhig und sicher aufwärts führen. Die Zwangsanleihe, die von der Rechten gewünsch! wird, würde einen Kurs von A) bis 22 haben. Sie würde die Summe von 25 Milliarde» innerhalb von sechs Monaten aus dem deutschen Volke jährlich her- ausziehen, während das N o t o p f e r dem deutschen Volke jährlich 2,8 Milliarden auferlegt. Der Familien st and wird berück- sichtigt werden. Dre kleinen Rentner bis 100000 M., die also 5000 M. Einkommen haben, brauchen keinen Pfennig zu zahlen. Das Vorhandensein von vier Kindern und mehr wird bei dem Vermögen bis zu 200 000 M. Einkommen besondere Berücksichti- gung finden. Es wird dafür gesorgt werden, daß die gewerb- l i ch e u und landwirtschaftlichen Betriebe lebens- kräftig und lebensfähig erhalten bleiben. Bei der Vermögensfest- stellung soll auch nicht der Wert der einzelnen Stücke, wie er sich jetzt darstellt, zusammengezählt werden. Das wäre wirtschaftlicher Wahnsinn. Diese einzelnen Stück sollen nur Anhaltspunkte bilden. Das Reichsnotopfer ist notwendig, es muh rasch verabschiedet werden. Abg. Wurm(1l. tsoz.): Bei den Demotraten herrscht noch Un- stimmigkeit. Das Reichsnotopfer bedeutet keine Sozialisierung. Auch die Steuergesetze sind keine Sozialisierungsgesetze. Wir be- willigen keinen Pfennig einer Steuer, die den wirtschaftlich Schwächeren stärker trifft als den wirtschaftlich Starken, und das ist das Wesen der indirekten Steuern. Es folgen persönliche Bemerkungen. Abg. Dr. Brau»(Soz.) weist Unterstellungen des Volkspartei- lerS Becker- Hessen zurück. Ueber Abg. Hugenberg sagt er: Ich glaube, daß es besser ist, das Urteil über Herrn Hugenberg nicht der Oefsentlichkeii. sondern dem Unterausschuß de» parla- mentarischen Untersuchungsausschusses über die wirtschaftlichen Kriegsmaßnahme«'zu überlassen. Abg. Katzenftein i«oz.): Ich bin auS dem 10. Ausschuß für daS Reichsnotopfer ausgetreten, nicht weil ich ein Gegner de» R e i ch S n o t o p f e r S bin, sondern weil ich auf Beschluß meiner Fraktion in den 11. Ausschuß eingetreten bin. In namentlicher Abstimmung wird sodann über den Antrag Dr. Becker(D. Bp.ft die Vorlage an den Ausschuß zurückzuverwei- sen, abgestimmt. Der Antrag wird mit 236 gegen 43 Stimmen der Rechten abgelehnt. Abgelehnt toird der Antrag auf Erhebung einer Zwangsanleihe. Z2 wird angenommen mit einer Aende- rung, wonach diejenigen Deutschen abgabefrei sein sollen, die schon
eine geraume Zeit vor dem Kriege im Ausland wohnten und in Zukunft wieder im Auslande tätig sein werden. Abg. Dietrich(Dnat.) beantragt Abgabefreiheit auch für die gemeinnützigen landschaftlichen mid ritterschaftlichen Kreditinstitute. Der Antrag Dietrich wird abgelehnt. Angenommen wird ein Antrag B l u n ck(Dem.)— Braun(Soz.), wonach Genossen- schaften nur abgabepflichtig sind, deren Anteile auf mindestens 60 M. lauten. Aach § 5 sind abgabefrei die Länder, die Gemein- den, die Kirchen sowie die kirchlichen und religiösen Gemein- schaften. Universitäten. Hochschulen, die Reichsbank, die Reichsdar- lehnskassen und die Staatsbanken, die Sparkassen sowie die von Körperschaften des öffentlichen Rechts begründeten gemein- nützigen Kreditanstalten, Handelskammern, Gewerbekammcrn, Handwerkskammern, Landwirtschaftskammern usw. Die Anstalten der Versicherungsgesetze, die Pensions- usw. Kassen, Stiftungen, Anstalten usw., die gemeinnützigen Zwecken dienen und auf An- trag des Ausschusses politische Parteien und Vereine. Abg. Wirland(Dem.) verlangt Abgabefreiheit auch für die wissenschaftlichen Verbände. Reichsfinanzminister Erzberger sagt das zu. Abg. Grubcr(Soz.): Wenn der Reichsfinanzminister in der furchtbaren Not, in der da? Reich sich befindet, an der Hütte des armen Mannes anklopft und ihm seine Ersparnisse nimmt, so soll er auch an dem Kirchenvermögen nicht achtlos vorübergehen. Es gibt Kirchenstifiungen und Gemein- ten. die über großen Besitz verftigen. Im Krieg hat man die Kirche auch herangezogen, indem man die Glocken beschlagnahmte, um daraus Geschütze zu gießen. Ter Finanzminister hat ja schon zu- gesagt, daß er das Einkommen der Toten Hand besteuern will. Damit sind wir aber nicht zufrieden, wir Ivollen auch das Vermögen besteuern. Es würde eine Beleidigung bedeuten, wenn man hier die Kirche zurücksetzen würde. Die öffentlichen Sparkassen sollen abgabeftei fein, nach einem von uns gestellten Antrag sollen aber nicht alle dem öffentlichen Verkehr dienenden Sparkassen von der Abgabe befreit sein, weil sich hinter manchen von diesen private Bankiers verbergen. Die Banken werden die minimale Konkurrenz, die ihnen durch die öffentl'chen Sparkassen erwächst, wohl ertragen können.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Reichsfinanzminister Erzberger : Am liebsten wäre eS mir, wenn Sie den ganzer:§ 5 streichen würden, wenn überhaupt keine Ausnahme gemacht würde. Aber es ist unmöglich, z. B. die p o l i- tischen Vereine abgabefrei zu lassen und die Kirche nicht. Im übrigen wird ein Gesetzentwurf über die Besteuerung der Toten Hand in nächster Zeit kommen. Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Blunck(Dein.), Rieße? (D. Vp.) und Grünewald(Dem.) wird§ 5 unter Ablehnung des sozialdemokratischen Antrags«u genommen. Donnerstag 1 Uhr: ReichSbankgesetz und Weiter- beratung. Schluß 7 Uhr.
MoröproM tmöner.
(Schluß aus der Abendausgabe.) In der weiteren Zeugenvernehmung bekundet der Sachverstän- dige Professor Adolf Schmidt, daß die Aussage des Zeugen Redak- leur Kunkel sich völlig mit der Aussage der Pflegeschwester des Majors v. G a r e i s deckt. Major Gareis hat am ersten Tage noch die Hoffnung gehabt, daß er mit dem Leben. davonkommen würde. — Vors.: Hat Major Gareis Kinder?— Professor Schmidt: Ja, zwei. Zeuge Rcchtspraktikant Gutmann hat der Sitzung von einer Tribüne beigewohnt. Er sagt auS: Als ich in den Landtag kam, es war nach der Kunde von der Ermordung EiSnerS, liefen die Soldaten herum und sagten: Die Abgeordneten werden erschossen, besonders aber die von der schwarzen VolkLpnrtei. Vor der Aufnahme der Sitzung wurden die Leute aus der Tribüne nach Waffen durchsucht. Ich sab, wie von einer reservierten Tribüne jemand in den Saal hiuunterschoß, nachdem Lindner zwei Schüsse abgegeben hatte. Ich rief dem Manne, der ges-bossen hatte, zu: Sie sind wohl verrückt! Darauf zielte der Mann noch mir, und ich drückte mich. Während Lindner auS dem Saale flüchtete, hielt er den Re- volver so vor fich, als ob er noch auf jemand schießen wollte. An- scheinend versagte aber die Waffe, und ich rief in den Saal hinab: Jetzt versagt ihm der Revolver, jetzt könnt Ihr ihn jrstuehmeu! Aber drunten herrichte allgemeiner Wirrwarr. Zeuge Attenbergcr, Verwalter de? Landtags, hat gleichfalls beobachtet, daß von der reservierten Tribüne geschossen wurde. Zeuge Dr. Anton Pfeifer, Generalsekretär der hayerischen Volkspartei, hörte mehrfach Drohungen gegen das Zentrum ausstoßen. Ein junger Mann habe auf dem Korridor vor der Journalistentribüne den Redakteur. des„Vaterland", geistlichen Rat Sturm, angerempelt und ihm zugerufen: ES wird nicht eher Ruhe, bis 300 von Euch Pfaffen aufgehängt sind. Auch der Zeuge befand sich in der Nähe des ManneS, der von der Tribüne her- Untergeschossen hat. Als sich unten im Saal mehrere Personen um Auer bemühten, sah der Zeuge, daß noch einige Leute sich auf der reservierten Tribüne befanden, von denen einer rief: Ist der Hund, der Auer, noch nicht hin, da sollte man nochmals hinunter- schießen.| Zeuge Redakteur Geistlicher Rat Sturm bekundet, daß der Saal sich nach den Schüssen schnell leerte. Er ist nach zehn Minu- ten nochmals auf die Tribüne gegangen und sah, daß auf einer Tribüne noch Soldaten waren. Er hörte dann auch das Kom- mando: Revolutionäre Arbeiter, jetzt ab! � Abg. Bürgermeister Ackermann gibt an. daß hinter Lindner ein Mann stand, der den Eindruck machte, als ob er als P>a t r o u i l l e für Lindner diene. Die Soldaten hatten den Gürtel voller Handgranaten. Aus Befragen gibt der Zeuge weiter an, daß nach dem Attentat am Nachmittag in der Fraktion der Mehrheit»- s o z i a l i st e n eine Besprechung stattfand, die den Zweck hatte. militärische Hilfe gegen die Zustände in München herber- zurufen. Man war der Ueberzeugung, daß ein Versuch, den Land- rag in München einzuberufen, ohne diesen milirärischeii Nhutz zu denselben Vorgängen führen würde. Weiter gibt der Zeuge aus Befragen des Staatsanwalts an, daß man schon zur Einberufung des Landtags am 21. Februar ein Regiment Soldaten von auswärt» Herdeigerufen harte; dieses sei aber in Dachau abge» sangen und enwaffnet worden. Abg. Hartmann erklärt, daß er sich gewundert habe, daß der Täter mit einer Waffe in den Saal kommen tonnte, während die Abgeordneten und alle anderen Personen beim Betreten des Landtags nach Waffen durchsucht wurden. Bemerkenswert sei es auch gewesen, daß der wachthabende, Soldat, der an der Saalrür stand, Gewehr bei Fuß blieb, während Lindner schoß. Der Zeuge glaubt in dem Angeklagten Frisch den Mann wiederzuerkennen,
der Lindner als Deckung diente. Dieser Mann habe nicht ge- schössen, sondern mit vorgehaltenem Revolver dagestanden. Angeklagter Frisch: Der Herr muß sich täuschen, ich war es nicht. Ich habe auch gar keinen Revolver in der Hand gehabt. Zeuge: Ich mutz sagen, daß die Aehnlichkeit jedenfalls sehr groß ist. Abg. Hoegg ist ebenfalls nach der Stimmung, die er un revolutionären Arbeiterrat kennen gelernt hat, der Meinung, daß e» sich um ein vorbereitetes Attentat gehandelt hat. Er hörte von der Tribüne rufen: DaS ist die Rache des Proletariats! Besonders interessant gestaltet sich die Vernehmung des Land- tagsabgeordneten Dr. Süs-heim-Nürnbcrg, ein Führer der Mehr- heitSsozialisten. Er bekundet: Nach der Ermordung EiSners herrschte eine lebhaste Erregung, und es lag in der Luft, daß etwas geschehen würde. Ich hatte das Gefühl, daß für Auer Gefahr be- stehe. Eisner und Auer waren politisch und persönlich im Gegensatz. Der Entschluß EisnerS, vom Miiiisterposten zurückzutreten, und die Vermutung, daß Auer sein Nachfolger werden würde, ließ die Befürchtung nahe erscheinen, daß in ter Masse das Gerücht ver- breitet werde»: würde, Auer stehe mit der Mordtat in Brrbindung. In der Fraktion habe ich daher angeregt, daß man Auer veranlassen sollte, sich nicht zu sehr zu exponieren. Ich habe dann mit Auer die Erklärung verfaßt, die Auer in der Sitzung verlas. Auer war ziemlich zu Ende mit der Verlesung, als ich plötzlich durch einen Schutz aufmerksam gemacht wurde und eine Gestalt erblickte, deren Gesichtszüge ich nicht mehr beschreib«: kann. Auer schwankte, ich sprang auf das Podium, um ihn zu stützen, Auer war aber in- zwischen schon zu Boden gefallen, nachdem er sich an die Brust ge- packt und laut aufgestöhnt hatte. Am Boten krümmte er sich zu- sammen. Ich sah dann, daß ter Täter w e i t e r s ch o ß. und zwar in der Richtung auf ui:S. Instinktiv bückte ich mich, d. ch glaubte, daß er auf mich ziele. Ich hatte auch das Gefühl, daß ein Geschoß über mich hinweggehe. Kollegen glaubten, daß ich getroffen wäre.� Ich bin in gebückter Haltung zum Platze der Abgeordneten zurückge- gangen. Auf der Tribüne sah ich eine Gestalt aufgereckt stehen, die hinuntcrries: Das ist dir Rache des Proletariats. Ich hatte auch das Gefühl, daß von der Tribüne geschossen wurde, aber eS fft möglich, daß da» nur da» Echo der zahlreichen Schüsse im Saale war. Aber auch oben auf der Tribüne war die Auf- regung sehr groß. Vors.: Sind Sie der Meirnrng, daß es sich um einen vor- bereiteten Anschlag gegen den Landtag hantelte?— Zeuge: Das ist ungeheuer schwer zu sagen.— Verteidiger lltcchtsanwalt La un: Sie stauten Auer nahe, wie erklären Sie sich den Haß der Ar- beiterschaft gegen Auer?— Zeuge: Da müßte ich einen politi- scheu Vortrag halten. Ein Teil der Arbeiterschaft hing mit ab- göttischcr Verehrung au Eisner, und es war bekannt, daß Auer in den Revolutionstagen im Gegensatz zu Eisuer gerate,: war. Die Leute hatten das Gefühl, daß Auer bei der Re- volution nicht die Energie, wie man sie sonst bei ihm gewohnt war, entwickelt hatte. Nur so erkläre ich mir die weitgehende Erbitte- rung in der Arbeiterschaft, die politisch und wirtschaftlich die Schtoierigkeiten und Hemmungen nicht übersehen konnte. Wer nicht vom November ab die Vorgänge mitgemacht hat, wird die Stimmung nicht beurteilen können. Daher ist es so ungeheuer schwer, für das physiologische Werden einer solchen Tat Ilufschluß zu geben, ohne diese Kenntnisse. Die Leute machten nicht nur Auer verantwortlich, sondern auch noch andere Führer. Als ich im Zentralrat dir Verhaftung von Geiseln brandmarkte, stürzte sofort jemand auf mich zu Und rief„Ver. räter" und erklärte, ich müßte verhaftet werten.