Nr. 78* 37. Jahrgang
Heilage öes vorwärts
Vonnerstag, IS. Februar 1�20
GroßGerün �Zimmer frei!" Ich bin auf der Suche naä) eineni mSblierien Zimmer . Eine Woche lang habe ich ungeachtet der Tatsache, daß jetzt ein Paar Stiefelsohlcn 35 M. kosten, meine Entdeckungsreiselt unternommen, ohne auch nur die Spur voll einem Aushänge schild zu Gesicht zu bekommen. Endlich aber lachte auch mir das Glück schwarz auf weiß entgegen.„Möbliertes Zimmer zu vermieten". Und so ganz in der Nähe meines Bureaus! Und nur drei Treppen! Im Nu flog ich die drei Treppen hoch.„Sie Verzeihen, hier ist ein Zimmer frei?"„Bedaure, schon seit drei Tagen vermietet". Unten drehte ich mit einer leisen Verwünschung die Rückseite des Schildes nach vorn. Doch heute lachte niir daS Glück. Da war wieder ein Schild. Und auch nur vier Treppen. Aber diesmal ging ich vorsichtshalber schon etwas langsamer hinauf. Ein kleines. einsenstriges Ziinmer, eilt Stuhl, ein Waschständer, ein Kleider- haken, aber so gebrechlich, daß ich nicht fest auszutreten wagte. ohne fürchten zu müssen, die gesamteil.Möbel" möchten jeden Augenblick zusamnienbrechen.„Und wieviel kostet daS Zimmer?"„Eigentlich ist es ja schon vermietet. Der Herr hat schon angezahlt. Aber wenn sie gleich die ganze Miete bezahlen, dann können Sie'S haben. Es kostet nur 73 M. „Ich zog es vor. mich zu empfehlen. So allmählich bekommt mall Routine. Kalilächelud ging ich an zwei Schildern drei und vier Treppen vorbei und machte erst bei einem dritten Halt, daß mir von der ersten Etage eines vornehmen HauseL verlockend entgegensah. Aha, hier ist es richtig, dachte ich. Donnerwetter, ist daS ein schönes Zimmer! Groß, geräumig, moderne Möbel, sogar geheizt, trotzdem es draußen gar nicht kalt war.„Und wie ist der Preis?"„iOO R. ohne Pension, mit 730 M. Die gnädige Frau ist in, Augenblick nicht hier, wenn Sie vielleicht in einer halben Stunde wiederkommen wollen." So schnell bin ick in meinen, Leben noch keine Treppe herunter- gestürzt. 400 M. Miete für ein einziges Zimmer, das sind 4800 M. im Jahr. Sollten da nichr auch für möblierte Zimmer Höchsttnieten anr Platze sein? Und wieder fällt mein Blick auf ein Schild, auf dem ge- schrieben steht:„Zimmer frei". Unten lese ich noch etwas von Pension T. Ich klingele und warte. Ganz deutlich sehe ich. wie inzwischen jemand durch daS Guckloch mich mustert. Tie Tür aber bleibt geschlossen. Ich llingele noch einmal. Endlich beim dritte Male öffnet die„Wirtin", ein ironisch grinsendes Gesicht mit ledernen Gesichtszügen. Kurz fährt sie mich an:„ES ist alles besetzt".„Aber cS steht doch ein Schild..." ..Augenblicklich ist alles besetzt." Und wie ich mich wende. kommt ein vielsagendes Pärchen die Treppe herauf, das widerspruchslos Einlaß findet. Ach so.... Wenn ich nicht umhin kann, hier mitzuteilen, daß ich in einer einzigen kleinen Straße allein vier solcher„Pensionen" gezählt habe, die durchschnittlich 6—8 Zimmer beseht halten, so soll das etwa kein Vorwurf gegen das Wohnungs- a m t sein. Denn schließlich habe ich doch noch ein ganz hübsches, gemütliches Zimmer gefunden, auch nicht zu teuer. Aber doch bin ich unbescheiden genug, der Meinung zu. sein. daß behördlicherseits auch für dls„möblierten" Mierer noch recht viel getan werden könnte. kr. Die Not der Kriegsblinde». Der Bund erblindeter Krieger /Bezirk Brandenburg) hatte ein« außerordentlickie Gersammlung einbmiten. um über eine in Lorschlag zu bringende Eingabe an die RetchSregierung Glellung zu nehmen. Der Bezirksleiter Bisch off kam eingehend auf die Rotlage der Kriegsblinde» zu sprechen und beniertte u. a.. daß die Renten bei der beuligen Teuerung unzureichend sind. Redner verlas hierauf die vom Bund in einer Eingabe der Regierung zu unterbreitenden Forderungen der Kriegsblinden, die in yllen Punkten guigeheißen wurden. Diese Forderungen find folgende:
Gewäbrung einer ein maligenWirtschaftSbeihilse von ,00!) M. bei 100 Proz. Erwerbsunfähigkeit, eine laufende Erhöhung von ISO Broz. der gesamten Bezüge em- sprechend den gegenwärtigen TeuerungSverhällnisien mit rück- wirkender Krait ab 1. Januar 1920, Bewilligung weiterer Miitel zur Ausübung der amtlichen sozialen kr>«gsbe'chädtgten und kriegShinterbliebenen Fürsorge: inSbesongere auch für die b e- rufliche Umbildung und berufliche Wiedererstarkung aller Schwerbeschädigten, schnellste Erledigung des Gesetzes über den E i n st e l l u n g s z w a u g der Schwerkriegsbeschädigten und nachdrückliche Durchführung desselben, vollständige Steuersreiheir der Rentenbezüge. da bei einer teilweisen Steuerfreiheit gerade die Schwerbeschädigte» durch ihre erhöhten Rentenbezüge zur Steuenablung herangezogen würden. Erhöbung der Bezüge nach Verhältnis der Lebensmittel- steigerung, Gewährung von Naturalien an Kriegsbeschädigte, tnö- besondere an Schwerkriegsbeschädigte zu mäßigen Preisen in aus- reichendem Maße, K i n d e r, u l o a e n für jedes Kind von tOO M. je Monat. Gleiche Unterstützung ist auch denjenigen Angehörigen zu gewähren, bei denen der Kriegsblinde der Ernährer ist. Es wurde noch angeführt, daß. falls sich die Regierung weiterbin ablehnend gegen die berechtigten Forderungen der Kriegsblinden verhalten sollte, diese letzten Endes sich dann gezwungen sehen würden, ihr Elend der Straße zu zeigen und einen DemonstrationSzug veranstalten würden. Portofreie Agitation z« den Elternbeiratswahle«. Behörden senden ibr« Briefe unfrankiert auf Grund einer Ver- einbarung mit der Postverwaltuna. Gehört eine BeriammlungS- einladung, die ein. Ausschuß für evangelische Schul- erziehung" den an den ElternbeiratSwablen beteiligfen Familien übersendet, zu den behördlichen Schriftstücken? Au« Schöneberg wird uns ein an einen Familienvater gerichteter Brief mit einer derartigen Einladung vorgelegt, der keine Frei- marke trägt, aber mit dem Stempel.Frei lt. A V e r s. N r. 21. Kgl. Pr. Superintendent" geschmückt ist. Die Einladung ist unterzeichnet:.Der Ausschuß kür evangelische Schulerziedung. Raack. Superintendent. Krause, Mitielschnllehrer. Görsch, Ober- landeSselcetär. Ludwig, Maurermeister.' Sie richtet sich an»die evangelischen Eltern, von denen wir wisien, daß sie auch fernerbin für eine religiöö-sittliche Erziehung ihrer Kinder und gegen die Entchristlichung unserer Schulen sind", und bittet sie zu einer.wichtigen Besprechung" noch dem Saal an der Baul-Gerhardt-Kircke. Wir können uns nickt denken, daß der An- spruch des Suverintendenten aus freie Beförderung von Briefen sich auch auf diese Einladung erstreckt. WaS sagt dazu die Po st Verwaltung? Ader anÄ an den Minister für Wifien- schaft. Kunst und Volksbildung müssen wir die Frage richten, wie ihm diese mit dem AmiSstempel ausgestatteten Agitationsbriese gefallen._ Heute fällt die juristische Sprechstunde aus.
Ein schwerer Raubübersall wurde Miltivock nachmittag im Nord- osten verübt. Im ersten Stockwerk des HauseS SSinSstr. 70 wohnt die Familie des Pferdehändlers Ascher. Als die Frau allein an- wefend war. verschaffte sich ein junger Bursche von etwa 20 bis 23 Jabren Einlaß in die Wohnung und fiel über die Frau her. Der Räuber würgte sein Opier zunächst und deckte ibm dann ein m't einer betäubenden Flüssigkeit durckt-änkleS Taschentuch über das Gesicht, so daß eS bald die Besinnung verlor. Als Beute nahm er ungefähr 3000 M. bare« Geld mit und verschwand darin unangefochten. Der dreiste Räuber, der wahrscheinlich noch einen Sp'eßgesellen gehabt bat, der draußen Schmiere stand, kann von der lleberfallenen nur wenig beschrieben werden. Nach deren An« gäbe hat er ein bartlose? Gesicht und trug eine grüne Mütze und ebensolche Jopvc. Die Kriminalpolizei ist mit der Aufklärung des UeberfalleS beschäftigt. Zeh« Schachtel» Streichhölzer— 3,50 Mt. Nack der.Boß" macht die Anhaltische Zündwareniabrik in Koswig bekannt, daß eine bedeutende Erhöhung der Zündbok, preise bevor- steht. Statt bisher 1.30 M. sollen in Zukunft 10 Schachteln 3,50 M. kosten. Nach derselben Meldung hat die zuständige Reichsstelle bereits ibre Genehmigung erteilt. Falsche Kriuirnalbeamte. die glo ich mit einem Äraftwagen vor- gefahren kennen, mn beschlagnahmie Ware wegzuschaffen, wurden in der Fruchtitraße auf frischer Tat von Beamten der Sicher- heitSpalizei festzenommen. Bei einem Trödler erschienen drei Männer in bürgerlicher Kleidung, die ihren Kraftwagen vor dem Laden halten ließen. Einer zeigte dem Geschäftsmann eine Blech-
marke, einer der beiden anderen ein Schriffftück mit Mld und Stempel. Die„Beamten " schritten unverzüglich zu einer Durch- suchung nach gestohlenen Waren, wie sie sagten. In größter Eile „beschlagnahmten" sie auch Teppiche, Läufer, Vorhänge und der» gleichen und schaff vm sie nach dem Kraftinagen. Um diesen herurr sammelten sich bald eine ganze Anzahl Leute an. Dem Ersucheii des Trödlers, dem die Haussuchung doch bald verdächtig vorkam, die nächste Wach« zu benachrichtigen, kam niemand nach. De� Vdcnrn rief jetzt um Hilfe. Da versuchieu die„Beamten " zu erst fliehen. als gerade zur rechten Zeit noch einige Mann von der Sicherheit!.- Polizei dazukamen. Diese nahmen zlvei der Schvindler fest, wäh» rend der dritte entkam. Die Verhafteten wurden festgestellt als „Arbeiter" Brumberg und S ch l e d a. In der Fennstraße wohnt ein Händler, von dem sich in der Nachbarschaft herumsprach, daß er durch seine Geschäftie tu kurzer Zeit reich geworden sei. Eines Tages kamen ein„Wachtmeister" und ein„Äriminalwachtmeister". beschuldigten den Geschäftsmann dos Schleichhandels, durchsuchten feine Räume und„beschlagnahmten" 49 000 M. bareS Gold und verschnchene Ware. Erst als die in Aussicht gesteffle Vorladung nicht kam, schöpft? der Händler Verdacht und wandte sich jetzt au die Kriminalpolizei. Flngzeugmeisterei Adlershof . Der für die im August v. F. entlassenen Arbeiter der Flugzeugmeisterei Adlershof von hier aus beschaffte Anzug- und Futterstoff ist von den Bezugsberechtigten bis spätestens 20. d. M. in AdterShof(Flugzeugmeisterei) in Emp- fang zu nehmen. Meldungen nach diesem Termin können nicht bc- rüchichiigt werden. Bezugsberechtigt ist jeder von den im August entlassenen Arbeitern, der seinerzeit in den entsprechenden Listen eingetragen wurde und dessen Abgangsbescheinigung die Rummer, mit der' er in der erwähnten Liste vermerkt ist. aufweist. Verein„«rbeiter. Hochschale*. Folgende Vorlesungen liegwnen iu der Woche vom 16. bis W. Februar. Englisch.(Doppelkuftus sür An- jünger mit einigen Vorkenntnissen.) Montag, den 16. Februar, 8 bis Sst, Uhr. Schul« griedrichstratze t26. Dozent: Otto Michaelis.— Interessant« Entdeckungsreisen mit Lichtbildern. /Der jlamvs um den Nordpol , Entdeckung bei Südpols, Sven HedlnS Reis« duich Zentral-Asie» usw.) Montag, den 16. Februar, 6 biS T-l, Uhr. Aula Georgenstr. 30/81. Dozent: Jens Lützen.— AuS altdeut- scher Literatur. Mittwoch, den 18. Februar. Ist,— 0 Uhr. Schule Niedrrwallstr. 12. Dozent: Pros. Dr. W. Spleltstötzer. Härgebühr für Mitglieder 2 M.. Nichtmilglieder 3 M. Doppelkursu-Z 4 Vrzw. 6 Mark. Tageskarten 1 M. Für jede HSrrrkarte werden 20 Pf. Zuschlag(Werbe. sondS) erhoben. Karten»«» kaus vor Beginn der Vorlesungen und aus der GeschästSstell«, E 2, Reue Frledrichstr. 53/56, II, dcS Vereins. Tonriltenverei»»Die Vkaturfrennde«(Neutrale Gruppe). Sonntag Erkner— Löcknitz—Störitzsec. Ab Schles. Bahnhos 7,30 Uhr. Pankow . Oesfentlichr Jugendversammlung heul« 6H lkhr in der Aula der 2. Gemeindeschule, Ärunowst raste. Jugendgenosstnnen und Genossen, bringt Firsunde und Bekannt« mit. Sorgt für Massenbesuch! Lichtorfelde. I« dt« Gemeindevertrebersthung wurde sie- schloffen, die Rettungseinrichtungen der Sanitätskolonne zu über- nckhmen und für Errichtung einer 2. Rettungsstation sowie für Instandsetzung eines zweiten Krankentransporttvagens 4000 M. bereitzustellen.— Die Friedhofgeöüh re n werden erhöht, um einem Defizit von 60 000 M. vorzubeugen. Zum Ankaufe von Bildern aus der Ausstellung feldgrauer Lichterfelder Künstler werden 10 000 M. bewilligt. Für die Unterbringung erholungS - bedürftiger Schulkinder in verschiedenen Gegenden Deutschland : und deS neutralen Auslands werden als erste Rate IS 000 M. zu: Verfügung gestellt. Den minder- und unbemittelten Einwohner� sollen für die Kinder bis zu 2 Jahren, für werdende Mütter un!fl für Kranke mit Mrlchattest zu den Kosten für den Milch;. kauf bis zu SO Proz. aus der Gcmeindekosse beigesteuert weft den; zu diesem Zwecke werden- 20 000 M. bereitgestellt. In der vorhergehenden Sitzung war von einem Mitglieds unserer Frak- tipn bezweifelt worden, daß die frühere Gemeindevertretung Anstellungen nur nach sachlichen Gesichtspunkten vorgenommen Habs. Ueber den Umfang und den Wortlaut der Behauptung stand Aus- sage gegen Aussage. Der Führer der Rechten erklärte frei und offen, daß er Sozialdemokraten, insbesondere aber Mit- glieder der II. S. P. D. niemals als Jugendpfleger oder als Lehrer einstellen würde. Da der Gcmeindevorstand sich weigerte, die Untersuchung in dem von der Linken geforderten Um- fange vornehmen zu lassen, lehnte diese die Beteiligung an dem vorgeschlagenen Untersuchungsausschüsse ab. Karow . Gemeindevertretung. Die Besetzung der 3. Lehrerstelle erfolgte durch Wahl eine» der von der Regierung vorgeschlagenen Kandidaten. Zum 1. April soll bei Pensionierung eines jetzigen Lehrers ein ortsansässiger Lehrer, der von der Schulkomnnssion ein- sunrmig in Vorschlag gebracht wurde,«ingestellt werden. Die Sätze
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Jan Krebsereuter.
Seine Taten. Fahrten und Meinungen. Ausgezeichne, von Hans Müller-Tchlösscr. Gerade kamen ein Mann, eine Frau und ein großer Junge daher, der Mann im großen Strohhut, weißschwar; kariertem wollenen Reisctnch über der Schulter, Fernrohr am Lederriemen, enger Nankinghose; die Frau, einen grünen Roiseschleier vor dem Gesicht, der Jan an die Gar- dine vor seiner Mutter Topfbank erinnerte; der Junge mit einer Botanisiertrommel an der Seite. Alle drei schauten «us den Rhein , der im Wendrot glitzerte, imd warteten auf daS Schiff, das noch Rotterdam fuhr. Ter Junge stand borne am Werstgeländer und reckte seine spitze Nase weit vor. Die Frau warf im eifrigen Roden den Mund durch- einander, daß es Jan vorkam, als hätte sie eine heiße Kar- toffek im Mund,� die sie rasch hin und her wälzte, um sich nicht die Zunge zu verbrennen. Mit großer Befriedigung ernannte Jan wieder in den Dreien reisende Engländer, und de? lange Junge erinnerte ihn an den. der ihm damals, als er in der Türe von Heines Geburtshaus auf der wollenen Reisedecke saß. einen Trstl in den Rücken gegeben hatte. Jan sab. wie die Lumr aualmte, und er freute sich auf den Schreck, den der erplo- dierende Katzenkopf bei den Dreien hrvorrufen würde. Da— Zapperment— wandten sich die Drei, um weiter- zugehen, und Fan sah sich, zornig, daß ihm im letzten Augen- blicke seine Rache vereitelt werden sollte, nach einem Stein um, den er dem Jungen an den Koos werfen könnte— als pumdichl der Katzenkopf mit Blitz, Qualm und Donner los- ging. Die Frau knickte mit einem Angftgekreisch zusammen, der Mann setzte sich voll Schreck auf ein klebriges Qelfaß, und der Junge griff schreiend nach seiner Nase, von der das Blut ihm über den Mund und Kinn auf den schönen Samt- anzug lief. � Als de? Katzenkopf lvsbrannte, war nämlich nicht der Papierpfropfen herausgeflogen, sondern der Holzkcil und der batte dem Jungen just die Nasenspitze abgvschossen. Jan sprang, als er das sah, in die Höhe und schrie: „Hurra i Dat ist der erste Engländer, dar die Nas nit mehr hochträgt!"
Ms aber von allen Ecken Leute zusaimnenliefen und sogar der Drögendick herbeiwackelte, die Frau laut sammerte und der Mann rief:„Hilf mir! Hilf mir! Ein Mörder überfällt meinen Sohn!" „Ilelp mel Help mel A Hurder wiio attacks my sonl" Da wurde es ihm schwül. Er packte Tünnes am Arm und zog ihn mit sich fort. „Lauf, Tünnes, lauf! Es geht um den Kragen!" Am Abend hielt ihm sein Vater Grades folgende Rede „Jan, du hast dem Engländer die Galion ramponiert! Wie kömmst du dazu, bat Fahrzeug, wat ein Kauffahrteischiff und kein Kriegsschiff und auch kein Vrtaljebruder war. so mir nix dir nix mit Dreßbass' anzugreifen?! Du bist doch kein Seeräuber! Ich muß dir wohl mal deinen Oktant rekstst- zieren! ES ist Nock) ein Glück für dich, dat es ein Engländer war, sonst müßt' ich dir den Achtersteven kalfaktern, dat er für ein Jahr Widder in Ordnung wär'l Aber weil ich die Kerls seloer nit leiden kann, will ich dich noch mal passieren lassen! Ich sag', Jan, nehm' dich vor den Engeländern in acht! Die wollen nit gut! Die hant kein Herz im Leib, bloß Liwersterling wi Kopp. Die meinen, unser lieber Herrgott hätt' die Welt bloß für die Engeländcr gemacht, aber ich sag', auf der Welt ist Platz für jedermann mitsamt Frau und sieben oder acht Kinder und ein Stück Garten dabei. So. Und jetzt hol' mi So-mieopgang eine Kann' Lagerbier." 5. Das Gewitter und was dabei geschieht. Wenn ich durch die vorigen Kapitel nickt schon längst mir die Geneigtheit und freundsshastliche Nachsicht meiner Leser erworben habe, so fürchre ich, daß es mir durch dieses Kapitel auch nicht gelingt.' Denn es geschieht dann noch viel weniger als in den vongen. aber es hat wenigstens den un- leugbaren Vorzug der Kürze. Die BLckersfvmilie saß gerade am MittagZtische: es gab Spinat mit hartgekochten Eiern. Kartoffeln und Specksoße. Das Fenster war weit geöffnet, und die Tür zum Host stand offen, um ein ivenig Durchzug zu machen, denn es war eine feuchte Schwüle im Zimmer. Die Sonn-e haste einen blci- grauen Schleier vors Gesicht gezogen, und ab und zu fegte em Windstoß den Straßenstaub bis zirm Dachgefimse empor.
Der Baas jagte die träge mn seinen Kopf summenden Fliegen fort. „Frau," sagte er,„wir kriegen ein Gewitter. Die.Fliegen sind so sKch." Und um zu bestätigen, daß er recht hotte, huschte ein matter, gelblicher Schein durchs Zimmer, und in der Ferne hörte es sich cm, als ob ein schwerer Boldenvagen über die Schiffbrücke rumpelte. Frau HöfgenS wurde unruhig und verschlabberte den Spinat von der Gabel. „Alowis, dat war der Donner!" rief sie mit großen Augen. Beim zweiten Blitz und Donner verschluckte sie sich, daß ihr der Spinat aus der Nase spritzte. Sie fing an zu husten und kam ganz hinter Atem. Aber als eZ zum dritten Male blitzte, behauptete sie, daß sie vollständig satt wäre und keinen Bissen mehr herunter- kriegen könnte. Sie sprang von dem Lederkanapee auf, daß der Baas sich durch den plötzlichen Ruck mit der Gabel ins Zahnfleisch stach, und machte Tür und Fenster zu und schlug die Läden vorS Fenster. Dann nahm sie aus dem Glosschrank eine Wachskerze, zündete sie an und stellte flc auf dm Tisch. Der Baas schaute ihr, beunruhigt durch ihre Anstalten, st: und merkte nicht, daß eine Gabel Spinat ihm mn obersten Perlmutterknopf seiner gestrickten Jacke hängen blieb. „Frau," rief er,„bist du gcck geworden?! Wat soll dat denn?" Sie aber winkte mit der Hand und machte„Pscht! Pscht!" und fispelte: „Nit so laut sprechen. Alowis? Tat ist nit gut beim Ge- witter! Die Frau Schlüter sagt dat auch. Settcke," wandte fie sich dann an die Schwester ihres Mannes,„komm', stell' die Teller zusammen, aber leise!" „Ich bin ober noch nit satt. Frau!" „Och. Alowis, du kannst ja nachher noch wat essen, oder lch wärm' es dir heut' abend auf." Und damit nahm sie ibm den Teller fort und die Gabel auS der Hand. Der Baas knurrte etwas und langte ferne Pfeife her, die neb«» bau Kanapee, an die Wemb gelehnt, stand. (Sota, folgt.)