Nr. 314 ♦ 37. Iahrgasg
Seilage ües vorwärts
Mlttwoch, 23. 7tml 1920
Die staöträtliche Eheverirrung. Eine lustige Geschichte aus Baden von Theodor Thomas. In welcher Gemeinde sich diese Komödie abgespielt hat, will ich heute noch nicht verraten, vielleicht hören es feinhörige Leser am Dialekt— vielleicht auch» nicht.... Lor dem ersten Bürgermeister Brambach sahen auf roten Plüsch- fesseln der Herr und die Frau Stadtrat. Der weibliche Teil der roten Plüschbesetzung war aber nicht.Frau Stadtrat" geworden durch die Würde ihres Mannes, sondern kraft eigner geistigen Qualitäten und das Vertrauen der Bürgerschaft. Er und sie waren beide regelrecht als Stadträte gewählt worden— keilicb zu einer Zeit, da sie noch nicht verkopuliert waren. Aber das ist ja gerade der Witz dieser Geschichte, denn deswegen sahen sie hier vor dem Ersten zum peinlichen Verhör. Der Bürgermeister spielte nervös mit dem Federhalter. In seinem Grohhirn wälzte er die Frage um und um: Wie sag ich's der Frau Stadtrat? Die beiden Angeklagten sahen ergebungsvoll aus den Stühlen und harrten der Dinge,' die da kommen sollten. Es war, was man so nennt, eine peinliche Verlegenheitspause. Endlich nahm der erste Bürgermeister wieder das Wort: „Mir isch dös au' recht saudumm, aber i' kann halt nit an- nersch, vom Minischterium wird's verlangt. Die drobe wölle wisse, wer zeersckt Schuld gehabt hält, dah es zur stadträtliche Eh' komme isch zwischen Ihne." Gottseidank, nun war eS doch endlich heraus. Er wischte sich umständlich die Platte ab und schneuzte sich geräuschvoll. Der männliche Stadtrat strich sich den Schnurbart, sah seine Frau lächelnd an, dann lachten sie alle drei recht herzhaft. „Herr Bürgermeischter, sell isch zum heule'. Wer kann heint noch wisse, wer a'gefange hat? Mer Hamm uns halt gern gehätt un da Hamm mer halt jeder Schuld." Die junge Frau Stadtrat sah verschämt zur Seite; und be- trachtete sich angelegentlich das grohe Bild des.Ersten", das über seinem Schreiblisch hing. „Alsdann müsse mer die Sach schriftlich mache. Mer schreibe. dah sich kein.Aerschulde" feschtstelle läht. Von mir aus, mir isch es recht. Aber vie schteht denn in die Akten? Schaue mir mal nach, wo isch's denrM Hier hawwe mersch, isch wills vorlese: „Wenn zwischen zwei Mitglieder eines Stadtrates im Laufe der Wahlperiode eine Ehe entsteht, ist dasjenige Mitglied, durch welches..." Jetzt kommt'S, passe Se auf: „ist dasjenige Mitglied, durch welches das Hindernis entstanden oder herbeigeführt worden ist, als ausgeschieden zu betrachten.... Da hawwe mersch I" ES entstand zwischen den Dreien eine Pause. Die beiden Herren putzten wie auf Kommando ihre Brillen lange und um- ständlich, endlich nahm die Frau Stadtrat das Wort: .Wenn ich nicht irre, ist diese Bestimmung auch vor der Re- volution schon dagewesen, aber da hat sie etwas anders geklungen." .Richtig," ergänzte der Bürgermeister,.da bätse die Bestim- nmng a' schon gehätt, aber damals hat's so geheihen: ... Wenn zwischen zwei Mitgliedern eines Stadtrates im Laufe der Wahlperiode eine Schwägerschaft entsteht, ist dasjenige Mitglied als ausgeschieden zu betrachten.... ,Se hawwe," bemerkte der Stadtrat,.einfach aus dem Wörtle .Schwägerschafl" nach der Revolution eine„Ehe" gemacht." „Nu soll der Teufel ausknoble, wer„das Hinternis" herbei- geführt hat." ergänzte der Bürgermeister.„Wie soll ich denn dös mache? Wie kann ich feschtstelle, wer den ersten„zärtliche Blick" geworfe hat, oder wer dem Annern das erschte„Schmätzi" uf- gepappt hat." „Ich nicht," protestierte die Frau Stadtrat. „Sell isch gut, nachher warn Sie das Karnickel, Herr Kollege." Wieder lachten alle drei. „Ich mein halt, dös Gesetz is a' saubere Dummheit. Da bäl mer den Frauen Rechte geben wolle, un nu hat man in der Fixig- keit eifach blos e Wörtle geändert. Die G'schicht is zum Lache." „Leider ist sie das nicht," sagte der Bürgermeister ernst, indem er den Akt wieder und wieder durchblätterte. Wenn er dienstlich
redete, nahm er das Hochdeutsche zwischen die Zähne..Wir müssen der Slädteordnung gerecht werden und versuchen, auS der Geschichte herauszukommen." ,J mein halt, dann tret ich z'rück," wandte die Frau Stadt- rat ein. „Grat nit", unterbrach sie der„Erste",„sell grab net. Wir müsse dem Gesetz ein Schnippchen schlagen." Er überlegte.„Ich find' scho was." Zwischen dem Kleeblatt entstand Widder eine Pause..Er" und „Sie" sahen sich gegenseitig schelmisch lächelnd an, während der Bürgermeister angestrengt in die Kastanienallee hinunter blickte, als müsse von da die Lösung kommen. Aus einmal kehrte er sich schnell um, schritt zum Schreibtisch und kritzelte auf den weißen Bogen folgendes: „Urschriftlich zurück mit dem ergebenen Bemerken, daß sich im vorliegenden Falle leider nicht feststellen läßt, wer das Hindernis herbeigeführt hat. Beide haben sich gleichzeitig ineinander verliebt, gleichzeitig haben sie sich das süße Geheimnis in die Ohren ge- flüstert, sodass keiner von beiden schuld ist. Das.Hindernis" kann aber bestimmt in dem engen Beiemandersitzen im MagistratssitzungS- saal erblickt werden, wo die erste Gelegenheit zum Verlieben kam. Da« Hindernis ist dadurch beseitigt worden, dass der Herr Bürger- meister angeordnet hat, die Sessel sollen künftig nicht so eng bti- einander stehen. vorgelesen, genehmigt und unterschrieben." „So, i mein, die Herrschaften in Karlsruh' wärn daran zu knappern hawwe. Für uns ist die Sach erledigt." Er liess unterschreiben und noch am selben Tag ging das Aktenbündel.Stadtrat kontra Stadtrat' in die Hauptstadt zurück. Dort zerbrechen sich jetzt gelehrte Häupter den Kopf, wie die Geschichte in die Reih' gebracht werden kann.
GrofrBerlw Sommersonnenwende. IM) wied>sr ist die Zeit gekommen, daß die Sonne ihren höckisten Stand am Himmelszelt einnimmt, wieder ist Sommersonnenwende. Alle germanischen Völker vom Polar- kreis bis zu den Alpen feiern dieses Fest. Aus grauer Vorzeit stammen die eigenartigen Festbräuche, die es verherrlichen. Bei unseren Altvordern war die Sonnenwende ein Fest zu Ehren des Lichtgottes Baldur, der zur Sommerzeit auf der Höhe seines Sieges über die Dunkelheit stand. Heute ist das Bewußtsein an die alten Götter und Helden geschwunden. Die Form der Feier ist jedoch noch ziemlich un- verändert erholten geblieben. Wer heute in frohem Jubel durch die Sonnenwendfeuer springt, wer mit Spiel und Tanz den flammenden Holzstoß umkreist, der weiß wohl nur, daß dieses Fest am Wendepunkt des Frühlings zum Sommer liegt. Die Zeit des Blühens und Wachsens ist abgelöst worden von der des Reifens. Allmählich geht im Naturgeschehen der eine Zustand in den anderen über. Kein sprunghaftes Vorwärtsstürmen, son- dern ein stetes Weitergleiten stm Sinne einer Höherentwick- lung. Die frühere Katastrophentheorie ist von der Entwick- lungslehre berichtigt worden. Wir haben aus der Natur ge- leimt, die Entwicklungsgesetze auch auf das wirtschaftliche Leben der Menschheit anzuwenden. Und so wissen wir denn, daß auch hier das Neue nicht sprunghast, gleichsam über Nacht kommt, daß wir es nicht durch gewaltsames Wollen herbei- führen können, wenn es uns beliebt. Gleichwie wir jetzt an einem Wechsel der Jahreszeiten stehen, also können wir auch in der Geschichte der Menschheit einen Wendepunkt feststellen. Auch hier bricht die Zeit des Reifens an. Mit Geduld müssen wir sie sich vollenden sehen,
denn was sind die kleinen Zeitmaße unseres gewöhnlichen Lebens, verglichen mit den Zeiträumen, die bei dem West- geschehen als Maßstab anzulegen sind. Die wirtschaftlichen Verhältnisse bedingen unsere gesamte Kultur. Je mehr es uns gelingt, die Fesseln abzustreifen, in die uns wirtschaftliche Nöte und Sorgen schmieden, desto freier wird unser Geist, desto höher unsere Fähigkeit, am wahren Kulturleben teilzuhaben. Der Glaube an die Vor- wärtsentwicklung ist der Trost, der uns in diesen trüben Tagen den Mut bewahren läßt, der Hoffnungsschimmer, der den neu anbrechenden Freiheitstag der Menschheit schon ahnen läßt. _ Und so begehen wst das Sonnenwendfest in der rechten Weise, wenn wir bei seiner Feier diese Gedanken in uns wach werden und wirken lassen. « Die Sonnenwendfeier beS Vereins Arbeiterjugend Grotz- L erlin findet am Sonnabend, den 26. Juni, nachts 12 Uhr, am Wernsdorfer See(Restaurant zum Oder-Spree-Kanal) statt. Das Programm besteht aus Gesangsvorträgen. Rezitationen, Ansprachen, Reigentänzen u. a. Die Treffpunkte werden am Frei- tag veröffentlicht. Lehrlinge, jugendliche Arbeiter und Arbeite- rinnen, gestaltet die Sonnenwende zu einer wuchtigen Kund- gebung der arbeitenden Jugend. Arbeitereltern, Par- teigenossen, unterstützt das Fest Eurer Jugend! Der„Freie W a n d e r b u n d" feiert die diesjährige Sommer- sonncnwende mit den Ortsgruppen Frankfurt (Oder ) und Kottbus am Sonnabend, den 26., und Sonntag, den 27. Juni in der Biegener Hölle zwischen Fürstenwalde und Frankfurt (Oder).
Das Staütparlament üer 225. Die 226 Mitglieder der neuen Berliner Stadtverordnetenver- fammlung dürften in nicht zu ferner Zeit vom Oberpräsidenten Dr. Maier zu ihrer ersten Sitzung nach dem Festsaal des Ber - liwer Rathauses einberufen, in ihre Aemter eingeführt und durch Handschlag an Eidesstatt verpflichtet werden. Bis zum 1. Oktober bleiben aber noch die bisherigen einzelnen Stadtverordnete-nver- sammlungen und Gemeindevertretungen bestehen. Da die amtliche Feststellung des Wahlergebnisses und die Verteilung der Stadtver- ordnetensitze erst im Laufe der nächsten Woche durchgeführt werden kann und für die Erledigung der Formfachen noch etwa acht Tage erforderlich sind, w-ird die erste Sitzung des neuem Stadtparlaments, deren Einberufung immerhin beschleunigt werden soll, Voraussicht- lich Anfang Juli oder doch in der ersten Hälfte des Juli statt- finden. Die erste Aufgab« der Gross-Berliner Stadtverordneten- Versammlung ist die Wahl des Vorstandes und der Mit- glteder für das endgültige Schiedsgericht im Auseinandersetzung«- verfahren mit den Restverbänden, vor allem aber die Beschluß- fassung über die Größe des Magistrats, dessen Mitgliederzahl höchstens 36 betragen darf, die Verteilung der Magistratssitze auf die besoldeten und unbesoldeten Magfftratsmitglieder und die Wahl des neuen Magistrats. Für diese Aufgabe wirb Voraussicht- lich ein besonderer Ausschuß eingesetzt werden, der sein« Arbeiten trotz der Sommerscrien derart wird fördern müssen, daß der n e tte Magistrat im Laufe des August gewählt werden kann. Bis Anfang September müssen die Vorbereitungen für daS neue Berlin wenigstens so weit gefördert sein, daß für die ersten Uebergangsarbeiteu die erforderlichen Stellen geschaffen und be- setzt sind. * Die Frauen bei der Stadtverordnetenwahl. Auch für die Stadt- und Bezirksverordnete mvahl war in der Stadtgemeinde Berlin- Lichtenberg eine Tvenmung der Frauen- und Männerstimmen angeordnet, die die bei der Reichstagswahl gemachte Erfahrung, nämlich regere Beteiligung der Frauen als der Männer, bestätigte. Bai den beiden sozialistischen Parteien, ebenso wie bei
� Segen der Cröe. Roman von Knut Hamsun . Zweiter Teil. 1. Sellanraa ist nicht länger eine unbewohnte Stätte, sieben Menschen leben hier mit groß und klein. Wer während der kurzen Zeit der Heuernte kam auch noch der eine oder andere Besuch dazu. Leute, die gerne die Mähmaschine sehen wollten, Brede natürlich als der erste; aber auch Axel Ström kam und die Nachbarn bis zum Dorf hinirnter. Und von der anderen Seite des Gebirges kam Oline; sie war unvermeidlich. Auch diesmal kam Oline nicht obne Neuigkeiten aus ihrem Dorfe; sie stellte sich nie leer ein: Jetzt war die Verrechnung von des alten Siverts Nachlaß fertig geworden, und es blieb kein Vermögen übrig! Gar keines! Hier kniff Oline den Mund zusammen, und ihre Blicke schweiften gespannt von einem zum andern. Na, tönte denn kein Seufzer durch die Stube, fiel nicht die Decke ein, Eleseus war der erste, der lächelte.„Wie ist'S denn, bist du nicht mach dem Ohm Sivert getaust?" fragte er mit gedämpfter Stimme. Und Klein-Sivert antwortete ebenso gedampft:„Doch. Aber ich Hab' ja seinen ganzen Nachlaß dir verehrt."—„Wieviec war's denn?"—„Zwischen fünf- und zehntausend."— „Taler?" rief Eleseus schnell und machte Sivert genau nach. Oline meinte, es sei jetzt nicht Zeit zu spaßen, ach, wie war sie selbst geprellt worden, und sie hatte doch an des alten Sinerts Sarg ihre ganze zähe Willenskrast aufgeboten und heiße Tränen geweint Eleseus wußte ja selbst am besten, was er geschrieben hatte:„Soundso viel für Offne, als �rtab und Stütze für ihr Alter." Was war aus diesem Stab gewor- den? Uebers Knie gelegt und abgebrochen! Arme Offne, sie hätte wohl eine Kleinigkeit erben dürfen, das wäre der einzige lichte Punkt in ihrem Leben gewesen! Sie war nicht verwöhnt. Geübt im Bösen, jawohl, daran ge- wöhnt, sich von Tag zu Tag mit Kniffen und kleinen Be- trüqercien durchzuschlagen, ihre Zunge gefürchtet zu machen, jawohl O. nichts hatte sie schlimmer machen können, eine Erbschaft noch weniger als alles andere. Sie hatte ihr ganzes Leben lang gearbeitet, hatte Kinder geboren und ihnen ihre eigenen paar Handfertigkeiten beigebracht, hatte für sie ge- bettelt, vielleicht auch gestohlen, aber sie doch ernährt als eine Mutter in kleinen Verhältnissen. Ihre. Gaben waren nicht geringer als die anderer weltkluger Köpfe, sie wirkte und schaffte für sich und die Ihrigen, richtete sich nach dem Auge»- blick und brachte sich durch, verdiente ein Käschen da und eine Handvoll Wolle dort und würde in alltäglicher und unausnch- liflnr Schlagsertigkeit leben und sterben. Offne— vielleicht
hatte sich der alte Sivert an die Zeit erinnert, wo er sie noch als jung, rotwangig und hübsch gekannt hatte. Wer nun war sie alt und häßlich, ein Bild der Vergänglichkeit, sie sollte lieber tot sein. Wo wird sie begraben? Sie besitzt kein eigenes Erbbegräbnis, wahrscheinlich wird sie einmal in irgendeinem Kirchhof bei lauter fremden und unbekannten Knochenresten unter den Boden gebracht, da wird sie einmal landen. Offne, geboren und gestorben. Auch sie war einmal jung. Eine Erb- schast für sie jetzt noch zur eisten Stunde! Jawohl, ein einziger lichter Punkt, und die Hände einer Sklavin der Arbeit würden sich für einen Augenblick gefaltet haben. Die Gerechtigkeit häfie ihr noch einen verspäteten Lohn gespendet, weil sie für ihre Kinder gebettelt, vielleicht auch gestohlen, sie aber jedenfalls ernährt hatte. Für einen Augenblick— und wieder hätte Dunkel in ihr geherrscht, die Augen hätten geschielt, die Hände gesucht und getastet:„Wieviel ist es?" würde sie sagen.„Was, nicht mehr?" würde sie sagen. Und sie hätte wieder recht. Sie war vielfach Mutter und verstand das Leben einzuschätzen, das war großen Lohnes wert. Alles schlug fehl. Die Rechnungen des alten Sivert wtren jetzt, nachdem Eleseus sie durchgesehen hatte, wohl etwas ver- wirrt, aber das Gut und die Kuh, das Fährhaus und die Aus- stände deckten sehr knapp den Fehlbetrag in der Kasse. Und daß es überhaupt einigennaßen so gut ging, wie es ging, das war zum Teil Oline zu verdanken; sie war sehr versessen darauf, daß ein Rest für sie übrig bleibe, und so zog sie ver- gessene Posten, von denen sie als alte Klatschbase wußte, oder Posten, die der Revisor absichtlich übersehen hatte, um nicht achtenswerte Dorfgeuossen in Schaden zu dringen, ans Licht. Diese verflixte Offne! Und sie beschuldigte nicht eisimal den alten Sivert selbst; er hatte ja sicherlich aus gutem Herzen testiert und hätte auch reichlich Geld hinterlassen, jawohl; nein. die beiden Herren deS Bezirksamts, die die Sache zi: ordnen hatten, die hatten sie geprellt.„Wer einst wird auch dies dem Allmissenden zu Ohren kommen!" sagte Oline drohend. Merkwürdigerweise sah sie nichts Lächerliches darin, daß sie im Testamente genannt war; das war trotz allem eine Ehre, niemand sonst von den Ihrigen stand darin. Die Leute von Sellanraa trugen das Unglück mit Geduld, sie waren ja auch nicht ganz unvorbereitet. Inger konnte es allerdings nicht recht fassen:„Der Oheim Sivert, der seiner Lebtag so reich gewesen ist!" sagte sie.—„Er hätte als auf- rechter und reicher Mann vor den Thron des Lammes treten können, aber sie haben ihn beraubt!" behauptete Oline.— Jsak war im Begriff, über Feld zu gehen. Du hast doch eine Mähmaschine, nicht wahr?"—„Jawohl."—„Ja, jedermann spricht davon. Und daß sie rascher mäht als hundert Sensen. Was du dir nicht alles anschaffen kannst, Jsak. mit deinem Geld und deinem Vermögen! Unser Pfarrer hat einen neuen Pflug mit zwei Pflugschoren/ aber was ist der Pfarrer neben
dir! Das würde ich ihm offen ins Gesicht sagen."—„Sivert kann dir mit der Maschine vormähen, er kann es schon viel besser als ich," sagte Jsak und ging fort. Jsak ging fort. Auf Breidablick ist Versteigerung gerade um die Mittagsstunde, und er will dorthin. Nicht, als ob Jsak noch daran dachte, die Ansiedlung zu kaufen, aber das ist nun die erste Versteigerung in der Gegend. und da will er dabei sein. Als er bis nach Maaneland gekommen ist und Barbro da sieht, will er nur grüßen und weitergehen, aber Barbro redet ihn an und fragt ihn, ob er dort hinunter wolle?—„Ja," antwortet er und will weitergehen. Es ist Barbros Kinder- Heimat, die versteigert wird, deshalb antwortet er so kurz angebunden.-»„Willst du zur Versteigerung?" fragt sie.— „Zur Versteigerung? Na, ich gehe eben einmal hinunter. Wo ist denn Axel?"—„Axel? Ich weiß nicht, wo er ist. Er ist zur Versteigerung gegangen, er will wobt auch dies oder jenes zu einem Spottpreis ergattern." Wie dick doch Barbro war, und wie bissig, ganz rasend! Die Versteigerung hat schon angefangen. Jsak hört des Schultheißen Aufrufe und sieht viele Leute. Als er näher kommt, sieht er, daß er nicht alle kennt; es find verschiedene Leute von auswärts da, aber Brede treibt sich in seinem besten Anzug herum und ist lebhaft und gesprächig:„Guten Tag, Jsak! So, du erzeigst mir auch die Ebre und kommst zu meiner Versteigerung. Ich danke dir! Wir sind viele Jahre lang Nachbarn und gute Freunde gewesen, und niemals hat es ein böses Wort zwischen uns gegeben."— Brede wird ganz ge- rührt:„Es ist ja sonderbar, wenn man sich vorstellt, daß man einen Ort verlassen soll, für den man gelebt und gestrebt und den man liebgewonnen hat. Wer was hilft es, wenn es einem nun einmal so bestimmt ist."—„Vielleicht wird es jetzt für dich viel besser," tröstet Jsak.—„Ja, weißt du, das glaube ich auch," erwidert Brede rasch gefaßt.„Es ist mir nicht leid, durchaus nicht. Ich habe hier auf dem Lande keine Seide ge-. spönnen, das wird setzt besser werden, die Kinder werden größer und fliegen aus dem Nest— na, die Frau sorgt ja wieder für ein Kleines, aber trotzdem!" Und plötzlich sagt Brede klipp und klar:„Ich Hab' den Telegraphen aufgekün- digt."—„Was?" fragt Jsak.—„Ich Hab' den Telegraphen aufgekündigt."—„Du hast den Telegraphen aufgekündigt?"— „Ja, zu Neujahr. � Was soll ich weiter damit? Und wenn ich im Verdienen wäre und den Schultheiß oder den Pfarrer fahren müßte, dann hätte immer der Telegraph zu allererst kommen müssen. Nein, das gibt es nicht. Das kann einer machen, der überflüssige Zeit hat: die Telegraphenlinie ent- lang rennen, über Berg und Tal ft'ir eine kleine oder gar keine Bezahlung, das tut der Brede nicht! Und außerdem Hab' ich mich mit dem Vorstand, der mein Vorgesetzter ist, verkracht." kForts. folgt.)