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Str. 346 37.Jahrgang Ausgabe A nr. 36

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Sozialdemokrat Berlin  .

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Vorwärts

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Redaktion und Expedition: SW. 68, Lindenstr. 3. Retafrecher: Amt Morinvlan, Nr. 15190-15197.

Sonntag, den 11. Juli 1920

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., SW. 68, Lindenstr. 3. Fernsprecher: Amt Morigplat, Nr. 11753-54.

Die Kohlenkrise vertagt!

Spa, 10. Juli.  ( TB.) In der heutigen Nachmittagssigung Spa, 10. Juli.  ( N.) In der längeren Beratung, die die in[ der Konferenz erklärte Millerand im Namen der Alliierten, Shq meilenden deutschen   Bertreter in der Nacht zu heute hatten, daß die Entente es für höchst wünschenswert halte, daß man erflärte ue, daß die Bergarbeiter aufhören würden, Neber. fich mit Deutschland   durch Sachverständigenbera fchichten an arbeiten, wenn die Koblenlieferungen an Frankreidy tungen über die Kohlenfrage so rasch als möglich einige. mehr als eine Million Tonnen monatlich betragen soll. Er schlug deshalb den sofortigen Zusammentritt der beider- ten. Die Bergarbeiter würden, wenn nötig, nicht davor zurüd feitigen Sachverständigen zu Stommiffionsberatun- fahreden, bie paffive Refiftens anzuwenden, wenn es ihnen nicht gen vor. Die deutsche Delegation stimmte zu, und die glüde, einer Zähmung der deutschen   Industrie durch die Liefe­beiderseitigen Sachverständigen traten sofort zu einer Sigung rungen an Frankreich   vorzubeugen. zusammen. Nach einer Pause machte Minister Dr. Simons längere Ausführungen über die Wiedergutmachungs­frage und erklärte sich bereit, die deutschen   Vorschläge schriftlich in kürzester Frist, voraussichtlich bis morgen abeud, vorzulegen. Die Sisung wurde darauf auf Sonntag 5 Uhr nachmittags zur Entgegennahme des Berichts der Kohlenkommission vertagt.

Eine Rede Hues.

Starker Eindruck auf die Konferenz.

Millerands versöhnliche Rede.

Spa, 10. Juli.  ( Eigener Drahtbericht des" Vorwärts".) heutige Nachmittagssigung brachte die Entscheidung über

Schicksal der Konferenz.

Die das

Der französische   Ministerpräsident Millerand ergriff sofort das Wort zu längeren Ausführungen und erklärte, er wende sich den Ausführungen des Ministers Dr. Simons in der heutigen Vor­mittogefizung zu. Die Ausführungen der deutschen   Sachverständi gen, die heute früh zu Worte gekommen seien, feien nicht als Re­v. S. Spaa, 10. Juli.  ( Eigener Drahtbericht des Bor- gierungserklärungen aufzufaffen und fielen nicht unter die Berant­wärts"). Das Ereignis des Tages war die Rede des Genossen wortlichkeit der deutschen   Regierung. Millerand betonte gegenüber Que. Zuerst hatte Stinnes in seiner brutalen Art gesprochen und den Ausführungen Dr. Simone die Berechtigung der Entente zu durch seine Schärfe mieberholt die lebhafteste Unzufriedenbergwangsmaßnahmen gegen Sichterfüllung der Kohlenliefemmgen. ber Konferenzteilnehmer erregt Seine Ausführungen gipfelten Die Berechtigung bay ihre em§ 14 Anner 2 des Friedens in der Versicherung, daß durch Zwang nichts erreicht werde, jou vertrages her. Wegenbeine Beftrafung Deutschlands   bei der Durch dern daß dadurch die Kohlenfrage nur gefährdet sein mürbe. führung der Bestimmungen fei jedoch in keiner Weise beabsichtigt. Selbst wenn Stinnes die Tautere Wahrheit ausgesprochen haben Im Gegenteil wimsche man, daß die deutsche Wirtschaftstraft fich sollte, mar doch der Ton nicht fonferenzfähig. Er spead om wieder hebe, wenn Deutschland   nur die Bedingungen des Siegestaumel, von der Verwendung der schwarzen Truppen und Friebensvertrages erjille. Millerand sprach dann aus, daß die Be dergleichen und zog sich sogar einen Ordnungsruf zu. Der ziehungen der Alliierien zu Deutschland   er suchte hier nach Gindrud dieser Nebe, der sehr ungünstig war, wird in den Strei einem Wort fen der anwesenden deutschen   Delegation damit entschuldigt, daß ja Stinnes, was Dr. Simons ausdrüdlich hervorgehoben hatte, nicht im Namen der Reichsregierung sprach, sondern auf eigene

Verantwortung.

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fo friedlich wie möglich

Der erste Akt.

V. S. pa, 10. Juli. Der erste Aft des großen Schauspiels, oder vielmehr der großen Tragikomödie ist beendet. Er war der langtoierigste, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß sich die weiteren Szenen mit einer Schnelligkeit abspielen werden, die im umgefehrten Verhältnis zur Kompliziertheit der Fragen steht, die noch zu regeln find: der Kohlenfrage und den Wiedergutmachungen.

Eine Tragikomödie! Die in Spa versammelten Staats­männer der Entente scheinen noch nicht begriffen zu haben, daß sie hier vielleicht die legte Gelegenheit verpakt haben. Europa   zu retten. Schon weil sie trop allem ihrer Be­bölferung vortäuschen wollen, sie hätten tatsächlich in groß­mütiger Weise mit den Deutschen   verhandelt, muß hier aus­drücklich festgestellt werden, daß von einem eigentlichen Verbandeln nur wenig zu merken gewesen ist. Mille. rand triumpbiert: Nicht das, was in San Remo Nitti, dem geistigen Urhebr der Konferenz von Spa, borschweste, das freimütige, vorurteilslose Verhandeln auf gleichem Fuße, ist das Wesen dieser Konferenz. Formell ist vielleicht ein gewisser Fortschritt gegenüber Versailles   zu verzeichnen: Deutschlands   Vertreter fiben nicht wie im Trianon- Balajt auf der Armeünderbant, sondern am gleichen Tische und sie Fönnen auch zu Worte kommen, Argumente entwickeln und tönnen sich gegen Anmürfe verteidigen. Wäre uns das auch vor einem Jahr anden worden, vielleicht hätte dr Welt manches eric bleiben können.

Troß der äußerlich gewahrten Verhandlungsform läuft diese Konferenz auf die leberreichung von Diftaten hinaus, die einseitige Beschlüsse der Sieger darstellen und auf unsere Einwendungen hin nur unwesentlich geändert werden. Der Kehrreim dieser Diftate aber ist: Sonst be­seßen wir das Ruhrgebiet  !"

Der Geist von Versailles   ist noch nicht ausgestorben, er ist nur in Liquidation. Spa ist nicht sein Begräbnie, sondern nur seine unfreiwillige Bankerotterklärung.

wären. Das sei das Bedürfnis für ganz Europa  . Dieser Teil der tebe Weillerands zeichnete sich burch ganz besondere Wärme aus, die überhaupt die ganze Rede durchzog. Millerand schloß, die Sodann sprach Genoffe ue zugleich im Namen des Unab- Alliierten wünschten entschieden, daß man sich durch Beratun hängigen Biper und des christlichen Gemerffchaftsvertreters gen der Sachverständigen in Rommissionen vaschest über Imbusch, also im Namen der gesamten Bergarbeiterschaft. die Kohlenfrage einige und schlug den sofortigen Zusammentritt Geine Rede war die eigentliche Sensation der Konfe- der Sachverständigen in einem in der Nähe gelegenen Hotel vor Damit soll nicht gejagt werden, daß die Schuld an der renz. Zum erstenmal sprach ein Proletarier im Namen Die Kommission trat sofort zusammen und erklärte sich bereit, Art der Führung der Konferenz und an deren Ergebnissen von Millionen von Proletariern, zu den Herren der Welt, welche ihren Bericht bis morgen nachmittag fertigzustellen. ausschließlich an der Gegenseite haftet. Es ist leider zur glauben, ohne die Arbeiterschaft oder gar gegen sie über die Nach Wiederaufnahme der Sibung ergriff Minister Dr. Simahr, daß gerade in der Entwaffnungsfrage verschiedene Menschheit verfügen zu können. Seine Rede war ein Fehderuf mons das Wort und widersprach zunächst den Ausführungen ungeschicklichkeiten auf der deutschen   Seite begangen wur­des deutschen, oder ran fann auch sagen des internationalen Millerands über die Berechtigung von Zwangsmaßnahmen den, die den Gang der Verhandlungen erheblich beeintrády Proletariats an die kapitalistischen   und imperialistischen Macht bei Nichtinnehaltung der Kohlenlieferungen. Es handele sich hier tigten und auch ihre Schlußergebnisse ungünstig beeinflußten, haber Europas  . Dabei verstand es Sue, in der Form stets sad zweifellos um ein Misverständnis. Er dankte dann für die Warum bat die deutsche Regierung nicht rechtzeitig in I ich und höflich zu bleiben. Während er sprach, wurde die freundlichen Worte, welche Millerand Deutschland ge­Stimmung der Konferens immer ernitet. Bald zeigte fich eine widmet hatte und ging ausführlich auf die Pläne der deutschen   Re- Erfahrung gebracht, daß die Entwaffnungsfrage zuerst in Spa zur Beratung fam was übrigens sehr nahe start wachsende Nervosität. gierung in der Biebergutmachungsfrage ein. lag und welche Art der Erledigung beabsichtigt sei Barum hat man nicht auf alle Fälle Geßler und v. Seed: wenigstens bis Aachen   mitgenommen, damit sie gleich an Ort und Stelle fein konnten? Nun aber hat man die Ani ierten unnötigerweise durch einen 30ftündigen Zeitverluft berärgert und bei ihnen den Eindrud hervorgerufen, ols wollten wir in der Entwaffnungsfrage ausweichen oder fie berfchleppen.

Der Sinn der Hueschen Rede mar: Wir sind die Produktion,

Die Beratungen feien noch nicht ganz abgefchloffen, er erfläre mir sind die Arbeit, ohne uns fönnt Ihr nicht leben, feib 3hr nicht fich jedoch bereit, die Pläne der deutschen   Regierung Montag lebensfähig. Glaubt Ihr etwa, durch Soldaten und Meschinenfrüb fchriftlich darzulegen. Blond George unterbrach hier, und fragte, ob nicht eine Be getbehre eine Arbeitsstunde mehr zu erhalten? Eure Bertreter fönnen am grünen Tisch beraten und beschließen; wir, die Arbeiter, fleunigung der Fertigstellung möglich sei. Er möchte fie haben auch unsern grünen Tisch: unsere gewerkschaftliche Inter  - gern etwas früher haben, vielleicht am Sonntag abend. nationale der deutschen  , englischen und franzöfifchen Bergarbeiter, die den Sechsstundentag verlangen. Eure Beschlüsse richten sich nach den unferigen, nicht umgelehrt.

Simons erklärte, er merbe fein Möglichstes tun. Die Gibung wurde schließlich auf Sonntag, 5% Uhr nach mittags, vertagt, wo der Bericht der Kohlenfommiffion vorgelegt und Beschluß darüber gefaßt werden soll.

Bergebliche italienische Warnung.

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Warum war nicht sofort ein Anuvalt der Sicher beitspolizei vorhanden? Genoffe Severing ift erit Die Nachmittagsfibung zeigte einen überraschenden und wefent. geholt worden als die Delegation auf die Unmöglichkeit auf­lichen Umschwung in der Stimmung der Ententekreise und ihrer mrerfiam gemacht wurde, die Sicherheitspolizei, die feine Vertreter, der nicht unwahrscheinlicherweise auf den Eindruc V. S. Spa, 10. Juli.  ( Eigener Drahtbericht des Borwärts.) militärische Formation ist und feine sein soll, durch Reichs. der Huefchen Rede zurüdzuführen ist. Es trat ein sehr Aus gut unterrichteten Ententekreisen erfahre ich: In einer Sigung mehrvertreter berteidigen zu lassen. freundlicher Redewechsel zwischen Millerand und Simons ein. Warum ist diese Frage nicht von uns felbft angeschnit­Während der Teepause ging Loyd George auf Sue zu bes Dbersten Rates der Alliierten furz vor lleberreichung des Ultimatums in der Entwaffnungsfrage warnte der italienische ten, sondern von uns ausschließlich die Reichswehr­und es entspaun fich folgendes Gespräch: Lloyd George  : Sie haben eine gute Rede gehalten; Sie Delegierte Graf Sforza Millerand und Aloyd George eindringlich frage besprochen worden, bis wir in die Defensive ge­vor den Folgen ihrer Gewaltpolitik. Er betonte, daß das Vorgehen drängt, das Ultimatum über uns ergehen lassen mußten. haben auf mich einen sehr guten Gindrud gemacht. Alliierten imperialistische Strömungen nur weiter stärken mit dem auch gleichzeitig die Frage der Sicherheitspolizer e: Ich danke Ihnen, hoffentlich wird sie auch gut wirken. der Im weiteren Gespräch fragte Lloyd George Hue, ob er den und die Autorität der deutschen   Reichsregierung gegenüber lints- erledigt war? Lag unseren Vertretern die Verteidigung englischen Arbeiterführer Keir Hardy tenne und von seiner Er- radikalen Elementen schwächen würde. Das sei auch der Fehler der dieser Schußeinrichtung, die zugleich ein Schuß für die Ne­frantung gehört habe, was Hue bejahte. Hue erinnerte Lloyd bisherigen Politit der Alliierten gegenüber der früheren Koa publik ist, nicht so nabe wie die Fürsprache für die Reichs. George auch daran, daß er 1911 mit ihm selber sowie Keir Hardylitionsregierung gewesen. Hätten nun die Alliierten eingesehen, wehr, deren Verfassungstreue von niemand als unbedingt und Macdonald im englischen Barlament zusammengetroffen fei, daß mit dieser Art von Drohungen nichts Gutes erreicht werden ficher bezeidmet werden kann? Daß Geßlers Ausführungen viel zu wenig sachlich warent worauf Lloyd George Hue   wiedererfaunte. Darauf verabschiedete lönne? Graf Sforza   erklärte, baß Italien   sich jedefalls an einer er sich mit einem träftigen Händedrud. etwaigen Befehungsaktion im Ruhrgebiet   mit feinem einzigen Sol- und die Reichsregierung auf einen Standpunkt festzulegen Nach der Situng äußerte fich Staatsminister Dr. Simons baten beteiligen würde. Die Allilerten nabmen Sforzas Ausfüh- ichienen, von dem man wissen mußte, daß man mit ihm fehr befriedigt über den eingetretenen Umschwung, der in ber rungen zur Kenntnis. Lloyd George   foll dann zu Sforza pri nicht durchfommen würde, daß Fehrenbachs ehrlich und aut Rede Millerands deutlich zutage trat, als er bem beutschen Bolte batim geäußert haben, England werde sich an einer Bejeßung richtig gemeinte larmohante Erflärungen ganz und gar nich in die Situation hineinpakten, ist sicher. Wir haben nir: Ianges Leben und glüdliche Entwidlung wünschte. Die Rebe auch nicht beteiligen Millerands machte den Einbrud, bag Aussicht aufeine Ber einen wirfliden Unterhändler in Spa, und das ist der Reichsaußenminister Dr. Simons. Seine Arbeitsfrait ständigung beftünde. und feine Renntnis der politischen und wirtschaftlichen Pro­bleme tamen der deutschen   Delegation in mandem fritischen Augenblid zugute.

Gs hat am späteren Nachmittag eine Situng der Rohlensachverständigen stattgefunden, bei ber ebenfalls eine wesentliche Annäherung ber beiderseitigen Standpunkte fich bollang

Graf Sforza   hat übrigens italienischen Brefiebertretern ein Interview in biefem Sinne gewährt.

Spa, 10. Juli. Nach einer Zeitungsmeldung aus Spa fol die interalliierte inangtonferens, die fich in Brüffel bätte verfammeln sollen, auf ein fpäteres Datum berigoben worben sein.

Dr. Cimons bat num freilich mit einem Argument