frischen Lorbeeren jener Agitaiion verdorrt waren, ist den übermäßigen Hoffnungen der Katzenjammer gefolgt. Und was beiden Einzelnen der Fall war, trifft für die ganze Partei zu.Erinnern sie sich an Halle, an das Jahr 1890; da hieß es:Krieg den Ultramontanen! Hinaus aufs Land! und alles Kriegs-volk hat gejubelt. Auf dem vorigen Parteitag in Köln, da klangdas Lied ganz anders; da war man pessimistisch geworden; dahieß es: Bei den Bauern ist vorläufig wenig zu thun. Undwenn wir mit Engelszungen reden wollten, unscr Anhang beiden Bauern wird immer schwach bleiben. Kurz, man war:himmelhoch jauchzend— zu Tode betrübt. Beides ist gleichfalsch. Es ist phantastisch, zu glauben, baß man denBauer spielend mit einer Rede gewinnen könnte; aber es istauch nicht wahr, daß der Bauer ffir uns unzugänglich sei. Nurdie richtige Art muß angewendet werden, dann sind sie jetzt, wodie Verhältnisse so harte Lehrmeister sind, sehr wohl zu gewinnen.Wenn wir die Bauern nicht schon mehr gewonnen haben, so istes größtentheils unsere Schuld. Aber freilich! für eine erfolg-reiche Landagitation sind zwei Voraussetzungen nöthig, einmalmuß der Bauer sehen, daß wir Herz und Verständniß für seinetäglichen Leiden haben und nach Kräften ihm zu helfen bereitsind, und zwar nicht nur in einer entfernten Zukunft, die demBauer wenigstens entfernt scheint, sondern schon jetzt.(Sehrrichtig!) So verlangt es ja auch der Industrie- Arbeiter fürsich von uns. Weiter muß ihm auch unsere ganzeArt sympathisch und verständlich sein. Sache undPerson müssen ihm Vertrauen einflößen, nur dann erschließtsich uns der Bauer und giebt sich uns hin.(Sehr wahr.) Werauf das Land gehen will, verbrenne zunächst all seine altenAgitationshefte und denke sich in die ländlichen Produktions-Verhältnisse, in das ganze bäuerliche Denken und Fühlen hinein.Wenn er das nicht thm, wird er ihnen dauernd unverständlichbleiben. Zunächst lege er den städtischen Hochmulh ab, als wenner alles besser wüßte. Dumm ist der Bauer nicht! liluch derstädtische Sozialist hat von dem Bauer noch ungeheuer viel zulernen. Nur nicht scliablonisiren! In dem liebevollen Eingehenauf die häuslichen Anschauungen und Verhältniffe, auf seineSprache und die Art und Weise seiner Schlußfolgerungen, liegtdie Kraft unserer Agitation. Daher müssen alle Statistiken.alle wissenschaftlichen Floskeln, alles nervös Zivingendoin der Redeweise unterbleiben. Das an den Haaren Herbeiziehendes Bauern— und im Charakter sind sich alle Bauern gleich—ist das Allerverkehrteste. Wenn der Bauer merkt, daß man etwasvon ihm will, ist er ungeheuer dickköpfig, das haben sie ja auchan uns gemerkt.(Heiterkeit.) Ich habe Ihnen ja gesagt, daßwir ein Bauernvolk sind. Das Ungeschickteste, was die Regierungthun kann, ist, wenn sie einen Amtnmun vor den Bauern dieSache auseinandersetzen läßt. Sie hören stumm zu, stoßen sichgegenseitig an; frägt man sie über die Rede, so sagen sie:„Schon hat er geredt," aber sie stimmen in der Landgemeindedoch nicht für die Regierung. Das Gefühlsmoment darf nichtunberücksichtigt bleiben, das gilt übrigens auch für die städtischeBevölkerung. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch bemerken, daßdie Religion uns überhaupt nichts angeht. Wir müssen die Eigenartder Verhältnisse und Menschen schätzen lernen, wir müssen uns voroberflächlichen Schlüssen schützen, vor jedem Generalisiren hüten.Das doktrinäre Vorgehen muß unterbleiben. Dagegen aber kanndurch den Hinweis auf das Heruntergehen der Lebensweise alsKonsequenz der wirthschaftlichen Entwickelung auch bei demBauer der Hebel angesetzt werden. In erster Linie muß manaußer dem Eifer auch Geduld haben; nur nicht die treibhaus-mäßige Eile! Natürlich ist es nicht leicht, Bauernagitator zusein, aber wir sind jetzt groß genug, um eine Differenzirung ein-treten zu lassen. Es braucht nicht jeder Bauernagitator zu sein.Unsere Agitation wird nur dann von Erfolg sein, wenn wir denBauern etwas zn sagen haben, wenn wir ihnen aber auch etwasPositives bieten können.Was können wir nun von dem sozialistischen Standpunktedem Bauer bieten? Das führt zu der zweiten Frage: Welches istdie thatsächliche Lage der Landwirthschast? Es ist einvulgär liberales Geschwätz Eugen Richter's, die Roth der Land-wirlhschaft zu bestreiten. Diese Unfähigkeit des Liberalismusist die Ursache, daß die Bauern sich so schwer von den reaktiv-nären Parteien loslösen. Leider hat das thörichte Geschwätz auchhie und da bei uns Eingang gefunden. Man braucht aber nureine» Blick auf den Kurszettel zu werfen. Beachte man, daß dieLandwirthschast bis zu einem Drittel und darüber hinaus ver-schuldet ist. Der Gesammtbetrag der landwirthschaftlichcn Schuldenbeträgt 15—20 Milliarden in Deutschland und wächst von Jahrzu Jahr um>/« bis Ve Milliarde. Die frühere Zinssklaverei, derZehnt in Naturalien, ist unvergleichlich leichter als die Zins-ftlaverei von christlichem und mehr oder weniger jüdischemKapital. Aber trotzdem ist die Aufsaugung der Kleinen zugunsten der Großen nicht in dem Maße vor sich gegangen, wieman es früher annahm. Altpreußen, Pommern und Mecklenburg kann nicht als typisches Beispiel für Deutschland inBetracht kommen. Uebrigeus ist es nicht in jedem Falle dietechnische Ueberlgenheit des Großbesitzes oder die Ueberschuldungdes Kleinbesitzcs gewesen, die die Konzentralion des Grundbesitzesdewirkte; die Verschuldung ist nicht blos auf den Klein- undMitlelbesitz beschränkt, die Rittergüter sind häufig weit mehrüberschuldet als der Kleinbesitz. Nach einer Statistik von Meitze»übersteigt die Realverschuldung den Grundsteuer- Reinertrag um18 pCt. bei den Bauern, um 28 pCt. bei dem Großgrundbesitz,um 46 pCt. bei dem Kleinbesitz. Nach einer Aufnahme derpreußischen Regierung in 42 Amtsbezirken beträgt die Schulden-last 53,8 pCt. vom Werth bei dem Allodialbesitz, 27,9 pCt. beimMittelbesitz, 24 pCt. beim Kleinbesitz. Auch der Gebrauch derMaschinen hat nicht im Entferntesten eine so umwälzende Wir-kung gehabt, wie sie häusig hingestellt wird. Selbst in Englandsind die Dampfmaschinen im Landbetrieb der Zahl nach etwaszurückgegangen. Der Großbesitz erweist sich keineswegs so über-legen dem kleineren Betrieb, wie es dargestellt wird. Ist dasschon beim Getreidebau der Fall, wie viel mehr bei der Vieh-zucht, die noch keinen Weltmarkt hat und auf die sich die Land-wirthe immer mehr werken. Die Dampfmästanstalt im großenStil muß sehr skeptisch angesehen werden. Im allgemeinen gilt:gerade die Viehzucht eignet sich keineswegs für einen Rieseubelriebbei der jetzigen intensiven Wirthschafr und Viehpflege. EineZuchtheerde geht in der Regel nicht über 60 bis 70 Stückhinaus. Die Klein- und Mittelbetrieb ist sehr wohl noch kon-kurrenzfähig.Weshalb die Landwirthschaftlichen den Thatsachen aus der In-dustrie widersprechen? Der Bauer produzirt nicht nur Maare,sondern auch für den eigenen Verbrauch. Die Schwankungendes Marktpreises treffen ihn weniger, die ganze Lebensweise aufdem Lande kommt in Betracht. Gewiß ist der Mittelbesitz unddie Parzellenbauern in der Zerstörung begriffen, aber er wirdweniger zerstört durch die Konkurrenz des Großbetriebs, als durchdie Einflüsse des von außen her eindringenden Geldkapitals.Cs giebt nicht wenige Agrarpolitiker, die der Meinung sind, daßder Großbetrieb wieder zum Kleinbetriebe herunter geht. Wennich auch nicht ans diese Hypothese eingehen will, so wird Ihnendoch so viel klar geworden sein, daß die Agrarfrage außer-ordentlich komplizirt ist. Die Eigenart des Produktions- Rückganges des Landwirthcs bedingt seine Sonderstellung und dieNothmendigkeit, eine Eigenart in der Propaganda auszubauen.Die Bedrückung des Landwirthcs wächst. Aus Jahre hinaus istder Klein- und Mittelbetrieb noch lange nicht am Ende seinesA B C. Daraus geht hervor, daß wir mit der rein bäuerlichenBevölkerung sehr wohl zu rechnen haben. Es bleibt uns nur eineWahl. Entweder wirmachen esnachManchestermusterso,daßwirdasSpiel der Kräfte sich frei entfallenlassen, daß der Verschuldungs-prozeß fortschreitet. Beim industriellen Kapital suchen wir seinenEinwirkungen auf die Arbeiter Zähne und Klauen entgegeuzu-setzen. Tasselbe muß bei der landwirthschaftlichen Bevölkerunggeschehen. Die Verbesserung der Lebenslage der Landwirthe liegtaber auch im eminenten Maße im Interesse des Industrie-Arbeiters. Kommen doch von Jahr zu Jahr in größerenSchaaren die Landarbeiter nach der Stadt und machen ihneneine immer steigende Konkurrenz. Dem kann nur durch die Ver-besserung der Verhältnisse der Landarbeiter und Bauern vor-gebeugt werden. Legen wir aber die Hand in den Schooß, soverurtheilen wir uns zur vollendeten Einflußlosigkeit bei denBauern. Wir zwingen sie geradezu in die Reihen nn-serer Gegner einzutreten, wir zwingen sie unsere Feindezu sein. Wir dürsten uns dann recht lange damitbescheiden müssen, die Bauern zu gewinnen. Dann bleibtnichts anderes als der blanquistische Standpunkt übrig, nämlichdie Ergreifung der politischen Macht mit einer proletarischenMinderheit. Die reine Klugheit gebietet uns schon, in einemLande mit so großer landwirthschastlicher Bevölkerung ohne diesekeine grundlegende Umgestaltung vorzunehmen. Das ist einStandpunkt, den bereits Liebknecht eingenommen hat, indem eraus die französische Revolution exemplifizirte. Ohne die Bauernist unser Ringen ein erfolgloses, mit ihnen aber sind wir un-widerstehlich. Ohne die Bauern zu Freunden zu haben oderwenigstens nicht zu Feinden, wäre zeder Erfolg einer prole-tarischen Minderheitsrevolution schwer zu erringen und durch-aus illusorisch. Die schwersten Rückschläge würden folgen.Und dann, wir sind doch Demokraten, wir wollen nicht gegeneine Majorität regieren, wir wollen die politische Macht nichterschleichen und nicht erpressen, da kann uns die Wahl der Mittel,die politische Gewalt zu erringen, nicht zweifelhaft sein. Eni-weder wir glauben, der Bauer ist nicht zugänglich, dann?ist dienothwendige Ergänzung, daß wir unsere Ungeduld, die politischeMacht zu erlangen, nur getrost auf eine tüchtige Spanne Zeilzügeln, oder wir wollen die politische Macht so rasch wie mög-lich erobern, dann müssen wir auch die Mittel auivenden, umdie Bauern zu erobern. In Köln wurden wir vor dem Eifer inbezug aus die praktische Thätigkeit bei den Bauern gewarnt. Dannallerdings dürfen wir gleich die Hand von der Landagitation lassen,denn der Bauer begnügt sich mit Recht nicht niit negativer Kritik, erwill unbeschadet aller Verbesserungen in der Zukunft genau so wieder Jndustrie-Arbeiter, ganz positive Mittel zur Verbesserungseiner Lage schon in der Gegenwart.(Sehr richtig.) Demgemäßhat auch eine Reihe unserer ausländischen Bruderparteien ge-handelt. Zuerst ist die dänische Sozialdemokratie darin vorgegangen,sie hat ein eigenes ergänzendes Programm für die Bauernagitatiougeschaffen, so verlangt sie die Verstaatlichung der Lehens- undKirchengüter, den staatlichen Auskauf von Land imd Verpachtungan Einzelarbeiter und Genossenschaften. Etwas ähnlicher ist esin Ungarn. Auf dem Parteitag der ungarischen Sozialdemo-kratie ist unter dem Druck der Baueruunruhcn, obwohldie Meinung ausgesprochen wurde, daß der Großgrundbesitzim Gange der Entwickelung liegt und obwohl das Kollektiv-eigenthum an Grund und Boden vertreten wurde, doch eine Reihe vonForderungen vertreten worden, durch welche eine Reihe vonGarantien für den Kleinbesitz ausgesprochen wird. In R u-m ä n i e n, in Italien ist es ganz ähnlich. In Belgien ent-hält daS Wahlprogramm die Punkte: Verpachtung der Domänenan Eigenarbeiter und besondereGenossenschaften, gewinnloser Kredit,Naturalbank, Vertretung der Bauern, Pächter und Landarbeiter inLandwirthschastskawmern, die über Arbeitszeit, Lohnminimum,Pachtzeit und Pachthöhe zu beschließen haben. Zu diesem Pro-gramm sagte der„Peuple":„Die Durchsetzung dieser Forderungenruft die Kollektivwirthschaft hervor und trägt zugleich den that-sächlichen und unmittelbaren Bedürfnissen Rechnung, die wirk-liche sozialistische Bewegung vollzieht sich im praktischen und refor-matorischeuSinne, in dieser Richtung hat sie während der letztenJahreRiesenfortschritte gemacht, denn die Sozialisten begreisen, daßdie kapitalistische Gesellschaft nicht mit einem Schlage zum Siegekam und daß dies auch nicht bei der von uns erstrebtenkollektivistischen Gesellschaft der Fall sein wird". Die Hauptsacheaber ist der Hinweis auf Frankreich. Das elf Punkte enthaltende,bekannte, auch im„Vorwärts" veröffentlichte Agrarprogramm,das schon 1392 in Marseille beschlossen worden ist, hat diemächtigste» Erfolge auf dem Lande erzielt und die Gegner inSchreck gesetzt. Graf Mun sagte darüber:„Wenn der Sozialis-mus auf diese Weise erst die Feldwege unseres Landes findet,dann ist unsere Sache verloren". Das hat natürlich dazu an-geeifertzweitereMittelzurErweckungckaqueiibondomms s zufinden.Und in dieser Frage sagt Jules Guesde:„Der Kleinbauer hängtleidenschaftlich an seinem Boden und mit Recht, weil es für ihnjetzt außer seinem Eigenthuni keine Freiheit giebt. Die Partei hat vonAnfang an einen Unterschied gemacht zwischen dem individuellenEigenthum des vom Produzenten selbst angewandten Arbeits-mittels und dem kapitalistischen Eigenthum einer Hand vollMüßiger. Weit davon entfernt, den Bauern enteignen zu wollen,will der Kollektivismus ihn von Lasten aller Art� befreien. Wosich infolge des Dampfes und der Maschine die Produktionsmittelso weil entwickelt haben, daß der individuelle Besitz ausgeschlossen ist,da ist die einzige Form der Lösung die Rückgabe an dasKollekliveigenthum. Man hat freilich auch nicht mit dem Worte„Bauernfang" gespart!(Heiterkeit.) In ganz ähnlicher Weisehaben sich Lasargue und Jaurös geäußert. Und ganz in Ueber-einstimmung damit sind die Beschlüsse des Kongresses von Nantesausgefallen, die Sie ja alle aus dem Bericht des„Vorwärts" kennen,und die ausdrückliche Billigung von Friedrich Engels gesunden haben.Aber auch in Deutschand haben wir Beispiele wachseüder Erkenntuiß.Ich erinnere nur an die ausgezeichneten Arbeiten unseres GenossenDavid, von denen ich nur wünsche, daß sie recht viele Nacheifererfinden möchten. Und ganz ähnlich ist unsere Hallung im bayerischenLandtage gewesen, wo wir von dem heutigen Staate Schutz derBauern verlangten, damit aber auch dre Kontrolle und dieLeitung durch den Staat, also auch Einfluß auf dieländliche Produktion. Das aber ist gleichzeitig ein Schrittweiter auf der Linie der sozialistischen Entwickelung! Heutehandelt es sich nicht um die Festsetzung von Einzelheiten, sondernlediglich darum, daß wir im jetzigen Stadium unserer ökonomi-scheu und Parteientwickcluuz mit der bisherigen Stellung zurAgrarfrage nicht mehr ausreichen, daß wir ihr die gleicheintensive Aufmerksamkeit wie der Jndustriefrage zuwenden müssen,und daß positives Vorgehen durch Vorschlag von gesetzgeberischenMaßregeln nothwendig ist. Das eingehende Studium des massen-hast vorliegenden Materials zur Agrarfrage ist Sache des Agrar-Ausschusses. Die Gelegenheit für unser Vorgehen ist gerade jetztsehr günstig. Die wachsende Nervosität unserer Gegner, derAnti-Umsturzrummel ist der beste Beweis dafür, daß sie fürchten,ihren letzten Halt, die Bauernschaft, aus den Händen zu ver-lieren. Wir können unseren Gegnern keine bessere Antwort geben,als daß wir unsererseits zum Angriff gegen ihren festesten Hortschreiten und das letzte Bollwerk ihrer Herrschaft erschüttern.Verstehen wir die Lage und zeigen wir uns ihr gewachsen,paaren wir die Klugheit mit der Energie und den Eifer mit derWohlüberlegenheit, und wir werden einen Riesenschritt zn unsermZiele thun.(Stürmischer Beifall.)Schluß 7>/z Uhr.Berichtigmigc». Unsere Berichterstatter vom Parteitageersuchen uns, die folgenden Ungenauigkeiten in der Bericht-erstattung richtig zu stellen. Die Rede Timm's inder Sitzung vom 22. d. M. soll mit den Worten beginnen:„Der Antrag hat in der That„keine"(und nicht„eine") per-sönliche Spitze".In der Sitzung vom 2Z. d. M. soll es in der RedeSchleicher's(Metz) heißen:„Ter Antrag 95 ist schon aus diesemGrunde„abzulehnen"(nicht:„anzunehmen").Endlich; bittet Jahn-Berlin III seine Worte in demBerichte über die Sitzung vom 22. d. M.:„Ich bin nicht fürEinschränkung der Gehälter.. durch die folgenden in unserenDepeschen nicht enthaltenen Worte zu ergänzen:„wie dieselbein dem Antrag der Genossen des 1. BerlinerWahlkreises zum Au s d r u ck gekommen ist." Imübrigen habe ich erklärt,- daß einzelne Gehälter entschieden zuhoch und den Leistungen nicht angemessen sind u. s. w.Wenn jemand, wie Auer, angeblich mit Arbeit überlastetist, möge man einen neuen Posten schaffen, wenn er nothwendigerscheint._lokales.Die Listen der boykottfreien Gastwirthe und Nestau-rateure, die am Sonnabend wieder insgesammt veröffentlichtwerden sollen, müssen infolge technischer Ver-änderungen bis spätestens heute Vormittag11 Uhr in der Druckerei M. Babing, Beulhstr. 2, Hof 3 Tr..abgegeben sein. Spätere Zustellungen können für die Sonnabend»Nummer auf keinen Fall berücksichtigt werden.Die Spreckstnnde des Nechtsanwalt» wird heute. Frei-tag Abend von 7>/2 bis 8�/2 Uhr abgehalten.Der Verein der Saalbesiyer hat sich konstituirt. DaSheißt in der gestern Nachmittag bei Joel abgehaltenen Versamm-lang hat man sich einen Vorstand zugelegt; die Statuten sollenspäter berathen werden. Voraus ging dieser Wahl eine Debattevoll Heulen und Wehklagen über die„Unverschämtheit"der geldbedürstigen Kollegen einerseits und über das langsameund wenig zuverlässige Arbeilen der Kommission und derRechercheure andererseits. Wir wollen auf das Wehklagen miteinigen Worten eingehen.Es sei jetzt kein Boykott mehr, sondern nur eine nackteGeschäflspolitk, meinte Herr I a k 0 b y, der über die gescheiterte»Ausgleichsverhandlungen berichtete. Bei Begründung dieser An-ficht bezog er sich in wenig glücklicher Weise auf die Calwer'scheBroschüre und— auf den Parteitag der Sozialdemokratie.„Die Saalbesitzer müßten jetzt eine abwartende Stellungeinnehmen, hoffentlich würden ihre Bestrebungen, dieSozialdemokratie zu untergraben(!) nunauch von den bürgerlichen Parteien mehrgewürdigt". Dem wackeren Herrn Jakobi sekuudirte HerrFeuerstein, welcher diesmal sehr aufgeregt war und recht scharfeWorte auch gegen diejenigen seiner Kollegen richtete, die dieKommission anzapften. So war z. B. ein Herr Birk freimüthiggenug, zu erklären, daß das Vertrauen merklich erschüttert sei,und Herr B r 0 ch n 0 w, Sebastiaustraße, gab mit bewegterStimme die Versicherung, daß, seit der Verein BerlinerBuchdrucker sein Lokal verlassen, ein Ersatz nicht einmal an-nähernd gefunden sei.„Wenn ich keine Hilje bekomme, muß ichmeinen Saal öffnen," schloß er seine Rede. Herr Feuersteinreplezirte darauf, daß man jetzt nicht zurück könne. Die Ar-beiter würden ja die Säle doch nicht in Benutzung nehmen,wegen der Biersperre nämlich; überdies sei es nicht schön, daßdie Kommission so furchtbar„angegrault" würde. Einanderer Redner meinte, man solle Herrn Jakobi, der sich sofurchtbar warm für die Interessen der Wirthe ins Zeug ge-legt habe, auf den K n i e e n danken!Das geschah freilich nicht, aber durch die Häkeleien wurdewenigstens bekannt, daß die gesammte verfügbare Summeca. 80 000 M. betragen haben soll, wovon 40 000 ausgegebenfind. Mit scharfen Worten wies Herr Moses nun daraus hin.daß die von den Brauerei- Millionären gewährte Unterstützungdoch gar zu winzig sei; seine Kollegen in Friedrichsfeldebereuten jetzt allesammt, ihre Unterschrift gegebe» zn haben. Manhätte nicht sperren, sondern, was man jetzt betone, sich blosvereinigen sollen.Wenn auch vom Vorstandstisch die möglichste Abschwächungversucht wurde, ließ sich der Eindruck derartiger Reden doch un-schwer verkennen. Nach Angabe des Vorsitzenden sollen 150 Reversemit Unterschristen eingelaufen sein. Der Besuch der Versammlungwar aber recht schwach: es mögen höchstens 30 Personen beieinander gewesen sein, die dann in aller Eile Herrn Schnegels-berg mit dem ersten Vorsitz betrauten und in gleicher Weiseihm noch zehn wackere Männer zur Seite stellten.— Wie manboshafter Weise bemerkte, ist die H a s e n h a i d e nur deshalbso stark im Vorstande vertreten, weil jene Wirthe imWinter nichts zu riskiren haben.Zur Lokalliste. Boykottfreies Bier wird vom GastwirthPreukschat. Bürgerheim, Frankfurter Chaussee, geschänkt. Teschner.Gollnowstr. 6. erklärt, daß er kein Boykottbier schänke, es ser beiihm nur einmal bei festlicher Gelegenheit ein Faß Pilsener verzapft worden.Der„Verein für Kinder-Volköküchen", der im No-vember 1883 seine erste Küche eröffnete, nahm bekanntlich vonAnfang an insofern eine von anderen„wohlthätigen" und„ge-mcinnutzigen" Vereinen abweichende Stellung ein, als er mitziemlich rücksichtsloser Deutlichkeit aus die Roth der Proletarier-kinder Berlins hinwies und offen erklärte, daß hier Taufendedieser Kinder buchstäblich hungern müßten. Dieses Verhalten— das übrigens nock keineswegs einen Beweis für die wirklicheErkenntniß der Nothlage und für eine ehrliche Absicht zu helfenbildet, sondern auch dem Wunsche, durch sensationelle MittheilungenMitglieder und Geld heranzubekommen, entstammen kann riefsehr bald in der bürgerlichen Presse Widerspruch hervor. So starkeAusdrücke war man von solchen Vereinen nicht gewöhnt.' Daßdie unterschiedlichen Vereinsvorstände in ihren Aufrufen, Jahres-berichten u. s. w. allgemein von Roth und Elend sprechen,das schien allenfalls erträglich. Aber dieser Verein lieferte jadirekt der bösen Sozialdemokratie Material zu ihren Angriffenauf die bestehende Gesellschaftsordnung! Tagegen mußte auf-getreten werden. Aber der„Verein für Kinder-Volksküchen"behielt, unbekümmert um diese Angriffe, seine scharfe Tonart beiund mahnte sogar den ganzen Sommer hindurch an denUraniasäulen mit seinem weithin sichtbaren Aufruf:„Ge-denket der hungernden Kinder!" In der General- Ver-sammlung, die am Dienstag stattfand. ist nun endlichein Slrasgericht über den Vorstand abgehalten worden.Der Vorsitzende Abraham berichtete, wie uns mitgetheilt wird.in wiederum etwas starken Ausdrücken über die Roth der Prole-tarierkinder und die Maßregeln des Vereins dagegen, bezeichnetede» städtischen Zuschuß(1500 M.) als zu gering und erklärte diePrivatwohlthätigkeit(im Gegensatz übrigens zu seinem früherenStandpunkt!) als bei weitem nicht ausreichend. Da erhob sichder Stadtverordnete W i t k 0 w s k i und„hielt sich für ver-pflichtet", zu konftatiren, daß Herr Abraham zu grell gemalthabe, und daß die städtische Armenverwaltung, so weit es ihreKräfte erlaubten, ihre Pflicht in vollstem Maße thue. Er seidem Verein, dem er als Mitglied angehöre, nicht feind-lich gesinnt, aber er müsse die Kommune ihm gegenüber ganzentschieden vertheidigen. Der Verein solle die Kommunemit weiteren Ansprüchen verschonen und Hilfebei der Privatwohlthätigkeit suchen. Aehnlich.aber etwas weniger bestimmt, äußerte sich der StadtverordneteLangenbucher, der ebenfalls Vereinsmitglied ist. Beide,Witkowski und Langenbucher, wetterten gegen die Männer, diedas Geld verkneiptcn und Frau und Kinder im Stich ließen.Langenbucher wärmte unter anderem auch die alte Sache auf,daß Bau-Arbeiter einstmals Droschke ersterKlasse vomBau nachHause gefahren seien. Inähnlicher Weise sollen, wie uns unser Gewährsmann mittheclt,noch einige andere Redner der Armenverwallung Beifall gespendethaben. Dem gegenüber wollen wir konftatiren, daß die HerrenWitkowski und Langcubuchers den Aufruf mit unterzeichnethaben, in dem es hieß:„Es ist festgestellt, daß täglich Tausend«von Kindern ungenügendes oder gar kein warmes Essenerhalten, weil die Eltern ohne jeden Verdienst, oder die Mutter.um zu erwerben, außerhalb des Hauses arbeitet, oder durchKrankheit behindert ist, zu kochen." Wenn die Herren jetzt eineandere Ansicht vertreten, so entspricht das ganz dem ver-änderten Wind, der seit einiger Zeit von der Armen«Verwaltung her weht. Man ist wieder einmal entschlossen,