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DelltlA)e Gbersthlesien-Note. (Schluß von der ersten Seite.) Die Zuteilung des gesamten oberschlesischen Gebiets an Deutsch- land wird eine starke polnische Minderheit in diesem Teile des Reiches belassen. Die deutsche   Regierung ist bereit, der polnischen Regierung alle Garankien zu bieten, die zum Schutz der Minder- heit für erforderlich erachtet werden. Sie glaubt bei oieser Gelegen- heit darauf hinweisen zu sollen, daß bei der Schaffung des polni- schen Staates eine weit größere Minderheit von über 900 000 Deut­ schen   von Deutschland   losgerissen wurde. Die deutsche   Regierung würde sich ferner verpflichten. Polen  unter vorzugsweisen Bedingungen die für seine Wirtschaft erforder- liche Kohle und sonstige Erzeugnisse aus Oberschlesien   zu liefern. solange das überaus reiche polnische Kohlengebiet noch nicht er- schlössen ist. Ausweislich der in der Anlage überreichten Karte, die auf Gutachten polnischer und österreichischer Geoloaen beruht, ist dieses polnische Kohlenoebiet um mehr als die Hälfte größer als der Anteil, den Oberschlesien   am Steinkohlenbecken besitzt und ent- hält alle für die Industrie erforderlichen Äohlensorten. Die deutsche Regierung würde auch bereit sein, weitgehende Hilfe bei der Er- schließung dieser im polnischen Gebiet liegenden Bodenschätze zu leisten. V!e Fälschung öer Abstimmung. Die von der Note erwähnte Denkschrift berichtet über un- mittelbaren Terror bei der Abstimmung selbst: Am Wahltage waren die Straßen vor den Wahllokalen von halbwüchsigen Bur- schen mit dem polnischen Adler bevölkert, die jeden, der zur Wahl- urne ging, genau musterten. Diese Burschen standen auch im W a h l r a u m und schauten in die Wahl z e l l« hinein. In vielen Fällen gab der Wahlvorsteher nur polnische Stimmzettel aus. D«i> polnischen Beobachter sorgten dafür, daß ein Umtausch nicht vorgenommen werden konnte. Deutsche   Wahlauvschußmit- glieder wurden vielfach vor der Feststellung des Wahlergebnisfes e n t f e r nck. Trotzdem das Material über Verstöße gegen die Wahloorschriften schon erdrückend ist, entziehen sich viele Fälle der Feststellung, da die Bevölkerung angesichts des entsetzlichen Terrors, der noch der Wahl eingesetzt hat, keine Aussagen macht. Es ist er- staunlich, daß in den Kreisen Rybnik  , Pleh, Kattowitz   und Tarnowitz sich bei diesem Terror noch so viele deutsche Stimmin gefunden haben. » Die Reichsregienmg greift mit dieser Note in dm diplo- matschen Entscheidungskamps um»die Zukunft Oberschlesiens  ein, dessen Parteien die verschiedenen Mächte im Obersten Rat sind und der in Paris   geführt wird. In diesem Ent- icheidungskampf ist der deutsche Abstimmungssieg in Ober- fchlesien selbst nichts mehr als eine Waffe, die Korfanty mit lügenhaften Verdrehungen an sich Hu reißen versucht hat. Der Note sind Abhandlungen über die wirtschaftliche Ein- heit Oberschlesiens   und über sein« wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland   beigegeben. Sie unterstreichen ebenso wie die ausführliche,«in ganzes Buch umfassend« Darstellung der polnischen Terrorakte und Wahlbeeinflussungen die Beweis- gründe, die die Reichsregierung für den ungeteilten Verbleib Oberschlesiens   bei Deutschland  - abführt. Noch anschaulicher und zwingender aber werden sie, wenn man die Karte des obsrschlesisch-polnisch-tschechischen Steinkohlenbeckens ansieht. Diese zeigt, daß Polen   51,76, die Tschechoslowakei   15,30 und Preußen nur 32,94 Proz. der gesamten Felder besitzen. Wäh- rend Polens   Anteil, wie aus den eingezeichneten Dohrlöchern und Bergwerken hervorgeht, nur zu einem ganz winzigen Teil auf geschloffen ist, ist das unstreitig deutsche Zentralgebiet des oberschlesischen Industrierevieres förmlich übersät von Schachtanlagen. Die Kreise Pleß   und Rybnik  , die bekanntlich polnische Mehrheiten ergeben haben, sind weniger aufgeschlossen und würden durch eine Zuteilung an Polen   diesem wenig Gewinn bringen. Wenn also der Friedensvertrag ein In- strument des wirtschaftlichen Wieder atzisbaus fein soll, so kann es nicht seine Aufgab« sein, Zusammenhänge zu tren- nm auf die Gefahr hin, daß die Ausnutzung der Bodenschätze darunter leidet. Darum ist es erfrmsich, daß die deutsche   Regierung Polen  alle Hilfe zusichert, um seine eigenen Bodenschätze zu heben, wenn.. Oberschlesien   bei Deutschland   belassen wird. Polen  sollte die dargebotene Hand nicht ausschlagen. Die gemein» same Arbeit der beiden benachbarten Staaten an derjFörde- rung der aneinandergrenzenden Wirtschaftsgebiete wäre die beste Gewähr für dauernde freund fchaftlicheBe- Ziehungen, deren Polen   trotz der französischen   Schutzherr- schaft nicht entraten kann. Die Entente aber sollte aus dieser Bereitwilligkeit der deutschen   Regierung entnehmen, daß die oberschlesische Frage für das deutsch  « Volk keine rein natio- nale Wirtschaftsfrage ist. sondern daß olle Gründe weltpoli- tischer Vernunft und demokratischer Einsicht für den Verbleib Oberschlesiens   bei Deutschland   sprechen. Das wird keine diplomatische Sophistik au» der Welt schaffen können._ Um öas öeutfche Memoranöum. . Bettln, 7. April. Bon unterrichteter Seite wird WTB. ge- schrieben: In seiner zweiten Rede im französischen   Senat vom 6. April hat Briand   über den Inhalt des dem hiesigen amerikanischen  Kommissar am 21. März d. Js. übergebenen Memorandums, soweit es hie Wiederaufbausrage betrifft, in bitteren Worten Beschwerde geführt. Diese Entrüstung erscheint nicht recht verständlich. Zunächst war deutscherseits bemerkt worden, die früheren Bewohner der zerstörten Gebiete hätten' sich in anderen Teilen sehhast gemacht. Diese Behauptung ist auch nach den Darlegr.ngen Briands nicht unzutreffend. Denn auch er gibt an, daß von den 7,4 Millionen Bewohnern der zerstörten �Gebiete 3,3 Millionen auch heute noch nicht dorthin zurückgekehrt'sei.en Weiter war in dem Memorandum darauf hingewiesen, daß ein- flußrelche Unlernehmergruppe» mit der Verwertung von Material und mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt seien und die Abwickelung ihrer Aufgaben in keiner Weise beschleunigten. Hierzu mag auf die imIntransigeant" neulich wiedergegebenen Aeuhe- rungen des Minister L o u ch e u r verwiesen werden, in welcher'dieser selbst die s ch w e r en Mißstände hervorgehoben hat, die durch Svekulallonsankäuse in den zerstörten Gebieten unter Deruach- lSs�gung des Wiederaufbaus enlstandeu sind. Loucheur hat u. a. fol-gendes gesagt: Man kaufte eine Farm für 12 000 Franken, welche «0 000 Franken für Kriegsschäden einsteckt. Dieses Pachtgut wird dann verlassen und dient zu nichts mehr, in keiner Weise, denn es macht den Boden Frankreichs   nicht produktiv. Man kauft für 100 000 Franken eine Fabrik, die eine Million erhalten hat. Man begnügt sich damit, die Kriegsschäden zu diskontieren und die Fa- briken zu schließen. Endlich ist in dem Memorandum hervorgehoben worden, daß mächtige Kreise in Frankreich   in den zerstörten Gebieten ein außer- ordentlich starkes politisches Agitationsmittel erblickten. Diese Tatsache ist schwer zu bestreiten. Die planmäßige Or- ganisation von Reisen in die zerstörten Gebiete sst ein Be- weis dafür: die Andenkenindustrie und ähnliches hoben seltsame Auswüchse in dieser Beziehung gezeitigt. E» ist deutscherseits nicht
behauptet worden, da? ganz Frankrelch diese Art der Agllccklon billigt, das weite Kreise sie pflegen, sst unleugbar. Unter diesen Umständen ist die Behauptung, Deutschland   habe Frankreich   wider besseres Wissen bei Amerika   verleumdet, nur durch eine völlige Derkennung der deutschen   Absichten zu erklären. Die amerikanische   Regierung hat in dem Memorandum den aufrichtigen Wunsch der deutschen   Regierung zu erkennen geglaubt, zu Berhandlungen mit den Alliierten auf einer neuen Basis zu ge- langen. Diese Stellungnahme der amerikanischen   Regierung wäre nicht verständlich, wenn das Memorandum tat- sächliche Verleumdungen enthielte. Es Handell sich vielmehr um Tatsachen, deren Hervorhebung der deutschen   Re- gierung nicht verdacht werden kann gegenüber den mannigfachen Angriffen, die selbst von alliierten Staatsmännern in der Wieder- aufbaufrage gegen Deusschland gerichtet worden sind. Der britische   Riesenftreik. e and an, 7. April.  (WTB.) Die Berhandlungen sind abge- brachen. Rachmittag verkündete Lloyd George   im Unterhause die Weigerung des Bergarbeiterverbandes, zuzulassen, daß die mit deu  Arbeiten au deu Pumpen betrauten Arbeiter ihre Tätigkeit wieder aufnehmen, bevor man nicht ein allgemeines nationales Arbeits- fystem angenommen habe und bevor nicht die Gewinne der Berg werke kommunalisiert würden. Da es feststeht, fügte Lloyd Geprge hinzu, daß der Bdrgarbelterverbaud keine Regelung gutheißen werde, die nicht alle Forderurgen der Arbeiter«füllt, so wird die Re- gierung alle ZNiklel ergreifen, indem sie auf die Hisse der großen Blasse rechnet, um so der geschaffene� Lage Herr zu werden. So­wohl die Eisenbahner al» auch die Transport- arbeiter erwarten die Strelkparole für morgen. Das Land fleht infolgedessen vor der gewaltigsten industriellen Be wegung seiner Geschichte. Streikfolge«. London  . 7. April.(CE.) Der Hydepartz wurde geschlossen und eine Funkenstation aufgerichtet. Auf dem Rasen liegen Truppen aus Irland   und vom Rhein  , die zum Schutz der Bedienungs- Mannschaften der Pumpen in den Bergwerken bestimmt sind. Aus Malta   wurden zwei Infanterieregimenter herangezogen. Die Re> gierung hat die sofortige Rationierung der Lebensmittel, wie Rlilch und Fleisch, angeordnet. Ungarlsthe Regierungskrise. Budapest  , 7. April.  (WTB.) 3n der Ilationalversammlung erklärte Ministerpräsident TeleN, da gewisse Minister infolge der jüngsten Ereignisse in eine schwierige Lage geraten seien und die Stabilität der Regierung gefährdet erscheine, müsse er dem Reichsver- weser Borschläge über die Lage der Regierung machen. Er bitte um Berlagung des Hausen bis der Reichsverweser einen Entschluß gefaßt habe. Dieser Borschlag wurde angenommen. Karl verzichtet«icht! Bor seiner Abreise ersucht« Karl den Ministerpräsidenten Teleki um Beröffenllichung einer Erklärung, in t§r es heißt: Ich bin zurückgekehrt, weil ich überzeugt bin, daß das schwer geprüft« Land nur unter der Führung des gesetzmäßig ge« krönten Königs volle inner« Ruhe, gesetzliche Ordnung und das frühere Wohlergehen wieder erlangen kann. Mein Herz blutet, weil ich von der Mitwirkung zur Wiederausrichtung der schwer geprüften Nation ausgeschlossen bin. Ein ruhiges, konsolidiertes, starkes und unabhängiges Ungarn   entspricht den gemeinsamen europäischen   Inter  - essen und ist die wichtigste Bürnschaft des Friedens. Ich konnte daher nicht voraussehen, daß die Auslands st aaten mein Bestreben verhindern wollten. Da ich mich fedoch überzeugt habe, daß die Ueber- nähme des H e r r s ch e r re ch t s des apostolischen Königs die Nation schweren und unerträglichen Prüfungen aussetzen würde, und da ich- dies vor meinem Gewissen nicht verantworten tonnte, entferne ich mich wieder, werde jedoch auch ferne von Ungarn   der Nation alle Kräfte, und, wenn nötig, auch mein Blut dem Vater- lande widmen, dem ich niemals treulos werde. Ich vertraue der göttlichen Gerechtigkeit, daß der Augenblick kommen werde, wo« ich wieder im aeliebten Baterland verweilen und dort vereinigt sein werde in gemeinsamer Arbeit mit der Nation. Bis dieser Augenblick kommt, bitte ich die ungarische Nation auch meinerseits, jenen Mann zu unterstützen, der aus Grund des Vertrauens der Nationalversamm- lung gegenwärtig das schwere und verantwortungsvolle Amt des Staatsoberhauptes ausübt.... Der Rest stnd übliche Monarchenphrasen. Ei« Karlistenschwindel. Men, 7. April. VEigener Drahtbericht des.Vorwärts".) Ueber die AnHaltung des Karl-Zuges durch die Arbeiter von Bruck an der Mur   hatte die christlichsozialellieichspost* geschwindelt, daß Entente­militär die Arbeiter mit blanker Waffe auseinandergetrieben hätte. Abg. Gen. S e v e r. der noch auf der Weiterreise diese Nummer der Reichspost" erhielt, zeigte sie den Ententeoffizieren und ließ sich von ihnen bestätigen, daß an der Meldung kein wahres Wort ist.(Um so bedauerlicher, daß die große Agentur.United Telegraph" den Schwindel, wenn auch gewiß gutgläubig, als Wiener Originalmeldung weiterverbreitet. Red. d..Vorwärts".) Zwischen Alliierten. Nach einem Belgrader   Prwattelegramm derPrager Presse" besagt eine amlliche südslawische Meldung: Rumänische Truppen, welche vor einigen Tagen die südslawische Grenzbesetzung, die mangels entsprechender Befehle keinen Widerstand geleistet hat, zurückdrängten, haben den Wardier Wald und die umliegen- den Ortschaften besetzt.»Die rumänischen Truppensührer beriefen sich darauf, daß dieser Komplex im Sinne des Friedensvertrages zu Rumänien   gehöre. Die Situation wird als sehr ernst bettachtet, die Bevölkerung der Grenzgebiete flüchtet' teilweise nach Belgrad  .
Die üeuesch-belgische Grenze. Berlin  , 7. April.  (WTB.) Die bei der Festsetzung der neuen deutsch  -belgischen Grenze zutage getretenen Meinungsoerschieden- Helten sind noch nicht geklärt. Auf die Denkschrift über die Man- schauer Bahn, worin der schlüssige Beweis erbracht ist. daß das Bestreben der Grenzkommjssso», Deutschland   über den Friedens- verttag hinaus außer den Kreisen Eupen und Malmedy noch ein großes Stück des Kreises Monschau   mit semer einzigen Bahn weg- zunehmen, rechttich und wirsschafllich unhaltbar ist, hat die Relchsregierung noch Heine Antwort erhallen. Das weitere Berhallen der Grenztommission hat neu« Bor- stellungen der Reichsregierung veranlaßt. Der deussche Dertteter in der Kommission hatte zwei größere Grenzberichtigungen beanttagt. Die erste bezog sich aus den nördlichen Teil des Kreises Eupen  , der für die Stadt Aachen   von größter Bedeutung ist: denn nur dort könnte Aachen   auf dem ihm gehörigen Gut Haabenden seine schwer gefährdete Wasserversorgung sicherstellen, außerdem ist dieses Gebiet das natürliche Versorgungsgebiet für die Aachener Gegend und enthüll wichtige Nebenbettiebe der Aachener Textll- industtie. Ferner war die Rückgabe des Bahnhofs Herbeskhal beanttagt, weil Infolge de« Verlustes dieses, einzigen großen Grenz- bahnhofs die Leistungsfähigkeit der deutschen   Eisenbahnanlagen derart gesunken ist daß sich für den internationalen Verkehr unerträgliche Zustände ergeben haben. Die Grenzkommisston hätte bei Befolgung der Grundsätze, die sie In der Frage der Man- schauer Bahn angewandt hatte, beiden Lnttägen ohne weiteres
stattgeven müssen. Sie hat aber beides abgelehnt. Diese Ablehnung ist namentlich bezüglich des Bahnhofs Herbesthal im- verständlich, denn seine Rückgabe an Deutschland   würde gerade im Interesse Belgien  » liegen, weil er Belgien   nichts nützt, die jetzige Lage aber dazu führt, daß der Güterverkehr nach Belgien   und Frankreich   stockt und der Verkehr nach England mehr und mehr statt über Antwerpen  über Holland   geleilet werden muh. Die Willkürlichkeiten der Entscheidungen der Grenzkommissian treten besonders auffällig zutage, wenn man sich ihre Grenz. s ü h r u n g im Kreise Monschau   auf der Karte veranschaulicht. Eine einheitliche, zusammenhängende Grenzlinie existiert hier überhaupt nicht mehr, vielmehr ist durch Bildung von Enklaven und E x t.l a v e n ein wirres Durcheinander der staatlichen Grenzen entstanden. Geradezu grotesk erscheint es, daß auf deutschem wie auf belgischem Gebiet Streifen von nur wenigen Metern Breite(Bahnkörper) das Gebiet wie schmale Bänder durchschneiden und zum Staatsgebiet der anderen Macht gehören sollen. Daß derartige Grenzoerhältnisse notwendiger. weise eine Quelle dauernder Schwierigkeiten für die Bevölkerung wie für die beteiligten Staaten bilden müssen, bedarf keines Wortes. Unter Hinweis auf all diese Umstände hat die Reichsregierunz wiederholt beanttagt, entweder die Beschlüsse der Grenzkommisston bezüglich des Kreises Monschau   für ungültig zu erklären und zu der im Friedensvertrag vorgeschriebenen klaren Grenzlinie zurückzu- kehren, von der die Kommission ohne Grund uno unter Ueber- schreitung ihrer Zuständigkeit abgewichen ist. oder aber die Auge» legenheit vor em unparteiisches Schiedsgericht zu bringen. Geldstrafe fürMoröaufforöerung Ter Fall Lebius vor Gericht. Bor der 12. Strafkammer des Landgerichts I wurde am Donnerstag gegen den Herausgeber derStantsbürger-Zeitung" Rudolf Lebius   wegen Aufforderung zum Morde verhandelt. Die Grundlage der Anklage bilden zwei Artikel derStaatsbürger- Zeitung" vom 9. und IS. Januar' dieses Jahres, die in schärfster Weise gegen den BundNeues Baterland" und dessen Dorstands- Mitglieder, v. Gerlach. Maximilian Harden   u. a. polemisierten. In dem ersten Artikel hieß es u. 0.: Mr würden jeden Deutschen  , der diese Schufte niederschösse, für einen Wohltäter des deutschen   Baterlandes erklären. während dies in dem zweiten Artikel noch durch die Bemerkung ver- stärkt wird: 3ch rufe deshalb ekneuk dazu auf. diese Halunken und Ber  - brechet niederzuschießen, wo sich die Gelegenheit dazu findet." Der Angeklagte hielt eine lange, tendenziöse, von Unwahrheiten stark durchsetzte Verteidigungsrede, in der er behauptete, daß die Mitglieder des Bundes.Neues Vaterland" Agenten des feindlichen Auslandes seien. Die Tätigkeit des Bundes sei hochverräterisch, und er habe sich als Deutscher   dagegen wehren müssen. Den unmittel- baren Anlaß zu dem Artikel habe die durch die Presse gegangene Nachricht gegeben, daß der Sekretär des BundesNeues Vaterland", Otto Lehmann-Rußbüldt  , in einer Unterredung mit dem Vertreter de»Matin", G e n t i, die er nachgesucht habe, diesem nahegelegt habe, daß derMatin" sich dafür einsetzen möge, daß die Entwaffnung durch Frankreich   mit allerMacht durchgesetzt werde, da die Behörden diese nur zum Schein vornehmen und daß, wenn so viele Waffen verheimlicht würden, die Gefahr zur Entzündung eine» neuen Krieaes gegeben fei. Ferner habe ihn zu dem zweiten Artikel die bekanntgewordene Totlache veranlaßt, daß Lehmann b« dem englischen General Mal- e o l m e gewesen sei und ihm eine finanzielle Unter- st ü tz u n g des Bunde« nahegelegt habe. Der als Zeuge vernommene Sekretär des BundesNeue� Vaterland" Otto Lehmann-Rußbüldt   bestritt entschieden, die ihm vom Angeklagten unterschobenen Aeußerungen getan zu haben. Er nahm es auf seinen Eid, daß er demMatin"- Korrespondenten» nichts von einer Scheinentwaffnung und der Notwendigkeit eines Einmarsches gesagt hat. Durch seine Tätigkeit habe er nicht Deutschland   schädigen, sondern dem deutschen  Volke nützen wollen. Denn er habe dem Ausland zum Bewußt- fein gebracht, daß nicht alle. Deutschen   im olldeütsch-chauvinistischen Fahrwasser schwimmen. Der General Maleolm babe sich wohl dahin geäußert, er könne für pazifistische Zweck« Gelder vom eng- lischen Finanzamt erhalten, der Zeuge aber habe dann selber ganz entschieden davon abgerate p. Es entspann sich noch eine lange polltische Debatte zwischen dem Zeuaen und dem Verteidiger. Rechtsanwall Dahn, über die Tätigkeit des Bundes während des Krieges. Stoatsanwoltfchaftsrat Hauptvogel hielt eine Anklagerede, die in großen Teilen eine Verteidigungsrede für denpatriotischen" Angeklagten war. Er billigte diesem den Glauben an vermeinlliche Rokwehr zu., weil die DeHörden gegenüber dem Treiben des Bundes nach Ansicht des Anaeklnoten versagt bätten! Wegen der politischen Leidenschaftlichkeit des Anqeklagten hielt er eine Geld­strafe von 500 211. für genügend. Der Verteidiger konnte den Anklagevertreter nur noch durch die Behauvtunq über- trumpfen, daß im Vergleich zu den Kommunisten die Sprache des Angeklagteneine wilde" gewesen sei. Das Gericht vernrteille den Angeklagten wegen Vergehens gegen ZZ 110 und III StGB. zu einer Geldstrafe von 1000 2N. Auch das Gericht billigte dem Angeklagten zu, daß er in H S ch st e r politischer Erregung gehandelt habe, deshalb habe es von einer Gefängnisstrafe abgesehen. Das Urteil bestätigt, daß die beutige persönliche Unsicherheit zum guten Teil Schuld des völligen V e r f a g e n s. d e r Rechtsprechung ist. Erregung bätte man dem' Angeklagten höchstens bei der ersten Auf- forderung als Milderungsgrund zubilligen können. Daß die Aufforderung zum Mord von dem Angeklagten eine Woche später also mit völlig kaltem Blut wiederholt und verstärkt wurde, hat das(Bericht überhaupt nicht beachtet. Eine'Geldstrafe für derartige krasse Mordauf- lorderungen kann nicht als Abschreckung, sondern nur als Anreiz zur Nachahmung angesehen werden. Sie muß dahin führen, daß die G e w a l t t ä t i g k e i t als politisches Kampfmittel weiter hoch im Kurse steht. Und ein Wort noch über den Staatsanwalt, der dem Angeklagten Putativnotwehr(vermeintliche Notwehr) zu- billigt, well er an ein Versagen der Behörden geglaubt babe. Würde der Staatsanwalt das gleiche einem Manne zubilligen, der an ein Versagen der Gerichte in den Fällen M a r l o h. v. Kessel. H i l l e r  , der Mörder Liebknechts, der Marburger Studenten usw. glaubt, und der aus diesem Grunde das Volk aufforderte. Selbstjustiz zu üben? W i möchten niemand roten, es darauf ankommen zu lassen! Wir sind nämlich nicht sicher, ob die politische Erregung eines links st ehenden Politikers auch über die größte und offensichtlichste Ungerechtigkeit sittlich ebenso von Staatsanwalt und Gerichten bewertet wird, wie die Erregung eines Radauantifemit�n. Der Fall Lebius ist ein neuer Veweis, daß In jedem, aber auch jedem Prozeß mit politischem Hintergrund dt« Justiz versagt, daß sie Gewaltakte rechtsstehender Kreise, wenn auch nicht absichtlich, so doch in der t a t s ä ch- lichen Wirkung ihrer Urteile deckt und begünstigt.