nfftcn ebenso stolz wie unzutreffend als„politische Aktion" bezeichnet wird, lehnt das kommunistische Programm mit klaren und eindeutigen Worten die sinnlose Nevolutions- macherei ab. Weiter heißt es an gleicher Stelle:' Wir sind keine Kommunisten, welche glauben, daß gleich nach siegreich bestandenem Kampfe die Gütergemeinschaft wie durch einen Zauber eingeführt werden kann. Wir wisien, daß die Menschheit keine Sprünge macht, londern nur Schritt für Schritt vorwärts geht. Wir können nicht über Nacht aus einer un» hormonischen in eine harmonische Gesellschaft eingehen. Es bedarf hierzu einer nach Umständen längeren oder kürzeren Uebergangsperiode. Das Privateigentum kann nur nach und nach in gesellschaftliches Eigentum umge- wandelt werden. Wie stellen sich unsere Kommunisten hierzu? Aus diesen Ausführungen spricht bester marxistischer Geist, geschult an der Entwicklungslehre eines Hegel, gebildet an einer gründlichen Kenntnis der ökonomischen Voraussetzungen des Sozialismus. Jeder Satz, jedes Wort ist ein Schlag ins Gesicht der Kommunisten Moskauer Färbung. Von besonderem Interesse ist der Hinweis auf die Möglichkeit einer ruhigen Entwicklung in England und Nordamerika , von der Auseinandersetzung zwischen den aristokratischen und demokratischen Elementen auf dem Festlande. Der Hinweis der Sozialdemokratie auf die Notwendigkeit der ökonomischen Entwicklung, auf das Ausreifen des Sozialismus wird von unseren Kommuisten als„Reformsozialismus" verächtlich gemacht. Ihre Kritik ist der beste Veweis f�r jeglichen Mangel an wahrhaft sozialistischer Basis. Wie P�ttschenschläge wirken die folgenden Sätze: Wir sind keine Kommunisten, welche die persönliche Freiheit vernichten und aus der Welt eine großeKaserne oder ein großes Arbeitshaus machen wollen. Es gibt freilich{com- munisien, welche es sich bequem machen und die persönliche Freiheit, die nack) ihrer Meinung der Harmonie im Wege sieht, leugnen und ausheben wollen: wir ober haben keine Lust, die Gleichheit mit der Freiheit zu erkaufen. Wir sind überzeugt..., daß in keiner Gesell- schaft die persönliche Freiheit größer sein kann, als in derjenigen, welche sich auf Gemeinschaft gründet. Wahrlich, fast könnte man Mitleid mit unseren Moskauern empfinden, wenn man diese scharfe, aber gerechte, um 74 Jahre vorweggenommene Kritik liest. Weiter wird in der Zeitschrift der Kampf gegen die heutige Gesellschaft angekündigt: besonderes Interesse ver» dienen die Ausführungen gegen den Bruderkampf: ... Anstatt aber dieses zu bedenken und uns zu oereinigen, be- kämpfen wir uns leider nur zu häufig zum großen Vergnügen unserer Unterdrücker untereinander selbst. Anstatt alle oereinigt Hand ans Werk zu legen, um einen demokratischen Staat zu errichten, in dem jede Parkel suchen kann, durch wort und Schrift die Majorität für sich zu gewinnen, feinden wir uns an über das, was geschehen und nicht geschehen soll, wenn wir einmal gesiegt haben. Es ist jetzt wahrhaftig an der Zeit, unsere Feindseligkeiten beiseite zu legen und alle zur gemeinschaftlichen Verteidigung die Hände zu reichen. Der Kampf um die Erringung der Majorität wird von den Kommunisten heutigestags bekanntlich als„formale Demokratie" bespöttelt. Wie aber sieht es um den d e m o- k r a t i f ch e n Staat acks, der das gemeinsame Ziel der Kommunisten sein soll? Will die„Rote Fahne" vielleicht behaupten, daß Marx und E n g e l s in der deutschen Räte- r e p u b l i k das Ideal des demokratischen Gemeinwesens er- blickten? Das Programm der Kommunisten von 1847 mit seinem Bekenntnis zum allgemeinen Wahlrecht beweist das Gegenteil. Der alte Strest, wer die echten Söhne der Kommunisten von 1847 sind, die heutigen Kommunisten oder die Sozialdemo- kraten, sollte damit endgültig erledigt sein. Die sogenannten Kommunisten von heute sind gerade das, was die Kommunisten von damals weder waren noch fein wollten, sie haben sich einen Namen beigelegt, der ihnen nicht gebührt.
Die DerlinerIunttionäre zurNegierungsbilöung
Tie Tiskussion über das Referat des Gen. Hildenbrand. fEiehe auch heutige Morgenausgabe.) Nach dem Referat Hildebrands, über das wir bereits ausführlich berichtet haben, teilt der Vorsitzende Franz Krüger mit, daß verschiedene Resolutionen eingelaufen sind, die er zur Verlesung bringt und die dem Sinne nach wesenllich miteinander übereinstimmen. Er hat diese Enftchließung in eine einzige zusammen» gefaßt, die er vorliest und die, nachdem die anderen Entwürfe von ihren Verfassern zurückgezogen werden, zur Diskussion gesteM wird. Als erster Diskussionsredner erklärt Klein, er stimme dem Ein- tritt der Sozialdemokratie in die Reichsregierung, wenn auch schweren Herzens, zu und fordert alsbaldige Neubildung der preußi- jchen Regierung. Er begrüßt es insbesondere, daß die Regierungs- bildung ohne die Deutsche volksparkei erfolgt sei.(Beifall.) Schiss: Gegenüber der schamlasen Sprache der deutschnationalen Presse, die die Annohme des Ultimatums als einen Beschluß im „Dienste Frankreichs " hinstellt, sei nur festgestellt, daß, während die Pariser nationali st ischen Blätter sichllich o e r l e g e n sind, das Organ der Gewerkschaften„Peuple " die Nachricht mit der vielsagenden Ueberschrist versieht:„Unsere— die französischen — Nationali st en werden wütend sein: Deutschland hat angenommen."(Hört, hört!) Nicht wir haben im Dienste Frankreichs gehandelt, sondern wir haben die Rechtsparteien daran gehindert, den französischen Militaristen den größten Gefallen zu erweisen.(Beifall.) Redner weist sodann auf die be- denklichen Versuche der bürgerlichen Parteien hin, die Reichs- regierung mit Volksparteilern zu ergänzen. Es ist im Reichstag ein offenes Geheimnis, daß zwischen Demokraken und Volksparteilern schon jetzt darüber unter der Hand verhandeli wird.(Lebh. Hört, hört!) Die Entsendung Schiffers in das Kabinett durch die Demokraten hatte offenbar keinen anderen Zweck. Wir muffen unserer Fraktion und unseren Genossen in der Regierung gegenüber solchen Versuchen den Rücken stärken dadurch, daß wir schon jetzt erklären, daß wir nicht gewillt sind, die Voltspartei durch Hintertüren in die Regierung hinein- schmuggeln zu lassen. Redner beantragt daher einen ent- sprechenden Zusatz in die Resolution des Bezirksvorstandes hinein» zunehmen.(Leb. Beifall .) Dr. Zechlin weist auf die zahlreichen Fehler hin, die von der früheren Regierung begangen wurden, und die zur Verschlimme- rung der Situation Deutschlands beigetragen haben. Er kennzeichnet die Stimmung im Auslande und begrüßt die Annahme des Ulti- matums. Die Hineinziehung der Deutschen Volkspartei mag zwar gewisse Vorteile bieten, bedeutet aber das Ende jeder sozio- listischen Politik.(Beifall.) 3mhof: Ich habe gegen die neueste Wendung der Dinge im Reiche die größten B e'd e n k e n. Unsere Genossen in der Regierung werden nichts erreichen können(Zurufe: Abwarten!) Ich urteile nach den früheren Erfahrungen(Unruhe). Wir wollen jedenfalls unsere Genossen nach besten Kräften unterstützen. Redner schließt unter Unruhe: Ihr müßt es schon ertragen, wenn jemand eine andere Ansicht äußert.(Teilweiser B»ifall.) Gennerl: Die Demokratisierung der Verwaltung tut not, u. a. bei der Eisenbahnoerwaltunz. Man kann sagen, daß von den mitt- leren und höheren Beamten jetzt noch 75 Proz. hochreaktionär sind. (Sehr richtig!) Bernhard Krüger (Arbeiterrat AEG.): Als ich die Nachricht unseres Wiedereintritts in die Regierung las, da mußte ich an die schweren Zeiten zurückdenken, die wir in den Betrieben in den zwei ersten Revolutionsjahren gegenüber der wilden links- radikalen Hetze durchmachen mußten. Und trotzdem sage ich: Das Einspringen der Sozialdemokratie war nicht nur richtig, sondern sogar eine rettende Tat, insbesondere für die Arbeiterklasse. Wer im Felde war, der weiß, was fremde Besatzung bedeutet, namenklich für das Proletariat. Die K a p i t a- l i st e n pflegen sich viel leichter damit abzufinden. Wir müsien immer wieder darauf hinweisen, daß die Unabhängigen mit ihrem Beschluß zur Regierungsbildung praktisch versagt haben und es u n s überlassen haben, das für die Ar- beiterschaft notwendige Opfer zu bringen. Redner fordert sodann für die irregeleiteten Opfer des Märzputsches und der Sondergerichte eine weitgehende A m n e st i e. Viele von den zu Zuchthaus Verurteilten haben nicht aus unehrenhaften Motiven
gehandelt. Wir müssen nicht nur für sie, sondern auch für ihr« schuldlos ins Unglück und Elend geratenen Angehörigen em warmes Herz haben.(Beifall.) Vors. Franz Krüger weist daraus hin, daß wir alle hierüber gleicher Meinung sind. Aber es kann sicherlich nicht unser Wunsch fein, daß ein Max H ö l z oder Dynamitattentäter und
»rückensprenger begnadigt werden.(Laute Zurufe: Nein!) Ehe eine Amnestie erfolgt, wird, wie uns inzwischen zugesichert wurde, eine Nachprüfung aller Sondergarichtsurteile durch den Reichzpräsidenlcn, Geuofseu Eberl erfolgeu. Genosse Ebert hat bereits die Begnadigung aller Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahrs angeordnet, bei den übrigen wird streng sondiert werden zwischen politischen und gemeinen Verbrechen. Wir werden das Resultat dieser Begnadigungsaktion abwarten müssen und dann wieder zu der Frage Stellung nehmen.(Zustimmung.) Ein Vertreter der Schuhpolizei behandelt das reaktionäre Verhalten derjenigen Polizeioffiziere, die aus dem alten Heers übernommen wurden. Er bemangelt es, daß Polizeipräsident Richter auf die Nachricht, daß die Schutzpolizei Üebungen veranstalte, geantwortet habe, man müsse ihm Zeit und Ort dieser Uebungen mit- , teilen, damit er selbst hingehen könne.(Heiterkeit.) Redner stellt fest, daß ein Befehl gegen den ausdrücklichen Willen des Präsi- , denken dennoch herausgegeben wurde, und bringt noch verschiedene ; Beschwerden vor.(Beifall.) Katzenstein: Di« Ausführungen Hildenbrands halte ich zum Teil fü�zu optimistisch. Di« Gefahren sind noch lang« nicht mit der Ilnierzeichnung vorüber. Bei der Entwaffnung und der AburteuMtg der Kriegsverbrecher muß stets daran erinnert werden, daß es sich um einseitige Tesehle der Entente handelt. Wir wünschen die allgemeine Abrüstung und die Verurteilung aller Kriegsver- b recher, wo sie auch sein mögen.(Lebhafter Beifall.) Polizeipräsident Richter warnt gegenüber den Beschwerden des Schupovertreters vor Verallgemeinerungen. Man solle sich hüten, das Kind mit dem Bade auszuschütten und nach Schlagworten zu urteilen. (Sehr richtig!) Urteilen Sie lieber nach Taten und Tatjachen: seit einem Jahre ist in Berlin nichts ernstes vorgesallen.(Sehr wahr! und Bravo!) Auch die Polizei kann nickt diszipliniert genug sein... (Zurufe und Unruhe)— lassen Sie mich doch ausreden!—-.»■ nicht das Leben der Bevölkerung und der Beamten selbst ae.ahrdct werden soll.(Sehr richtig!) Wenn Sie wüßten, wie viel- Beamten bereits durch ungeschicktes Hantieren mit der Waffe sich selbst oerletzt haben, dann würden die Kritiker anders über meine Worte denken. Ich meine, man hätte alle Ursache, mir dankbar dafür zu sein, daß ich selbst zu solchen Uebungen erscheine.(Sehr wahr!) Die« Uebungen sind notwendig, wenn man bedenkt, daß Beamte, die ge° wohnlich nur im Straßendienst oerwendet werden, im Notfalle nach außerhalb geschickr und oerwendet werden müsien. Ideale Zustände können nicht von heute auf morgen erreicht werden. (Beifall.) Schlußwort begrüßt Hildenbrand zunächst das Auftreten eines Vertreters der Schutzpolizei in dieser Versammlung. Die sozialdemokratischen B(> amten der Schutzpolizei haben eine sehr wichtige Aufgabe. Durch sie wird die Schutzpolizei immer mehr zu einem zuverlässigen Instrument für die Republik und die Demokratie. Nach meiner Meinung waren die Rechtsparteien schon auf dem besten Wege, die Republik zu erdrosseln.(Bewegung.) Deshalb begrüße ich auch den Wiedereintritt der Sozialdemokratie in die Regierung. lieber das Zusammengehen mit der Voltspartei bin ich anderer Auf- fasiung als offenbar die Mehrheit dieser Versammlung. Ich reue einem solchen Zusammengehen nicht das Wort, aber der Zusatzantrag Schiff erscheint mir als eine unzweckmäßigeBindung. Ich wünsche gewiß nicht eine Koalition mit der Volkspartei, gegen- wärtig sind wir aber in der Regierung auf den guten Willen der außenstehenden Unabhängigen angewiesen. Das kann jedenfalls auch nicht unser Ziel sein.(Sehr richtig!) Ein solcher Beschluß entspricht nach meiner Ausfassung nicht dem demokratischen Gedanken.(Teilweise Beifall und Zurufe.) Das Wichtigste aber erscheint mir jedenfalls, daß die Groß-Berlmer Funktionörvcrsammlung durch die Annahme der Resolution das Verhalten der Reichstagsfraktion billigt und da- mit den Genossen in der Regierung in ihrer schweren, verant- wortungsvollen Stellung den Rücken stärkt.(Lebhafter Beifall.) Darauf wurde, wie bereits gemeldet, zuerst der Z u s a tz- antrag mit großer Mehrheil, sodann-die Gesamt resolution ein st immig angenommen._
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Steglitzer Schloßpart-Theater. „T i m o n" von Shakespeare . Ein Tanzsaal wurde in ein Theater verwandelt. Ein Tempelchen, ns im verdunkelnden Maiabend steht, scheint zu einem ernsten Ge- wölbe zu führen. Aber der altertümliche Eingang ist nur Fassade. Man betritt bald eine lange, schmale Halle, die einem Zlusstellungs» Eiang ähnelt. Man ruht in einem mit Treibhauslorbeer festlich ge- chmückten Rondell und schreitet endlich in das Theater, das vielleicht >er Spur einer alten Kegelbahn folgt. Ueberdacht wurde die Bahn. Die Wände und das bäuerlich gezimmerte Holzdach waren mit den kargen Mitteln unserer Zeit zu erneuern. Aus versteckten Lichtröhren quillt die angenehmige Helligkeit in den Raum. Es ist nicht schwierig, ihn behaglich zu finden, obwohl keine Verschwendung an Material und Einfällen ihn erschuf. Die Menschen, die zum Theqterbou bei- steuerten, waren Kleinbürger der südwestlichen Vororte, häufig Be- wohner jener Siedlungshäuser, die niedrig und heimlich in der Um- gebung des Steglitzer Stadtparkes stehen. Der Kleinbürger, kaum der Arbeiter, steuerte aus seinem Sparkassenbuch eine bescheidene Summe bei, um selbst Kunstbeschützer und Bauherr und Plotzeigen- tümer zu werden. Der Idealismus dieser Spender, deren Gesamt- heit sich heute gern mit dem frommen Namen einer Theatergemeinde benennt, war nicht gering. Schon träumen sie davon, neben dem kleinen Theaterhaus den großen Tanzlaal auszubauen, der gegen- wärtig natürlich ist, was jeder vom Wohnungsamt vergessene freie Raum ist: ein Kino. Das Schloßpark-Theater werden PaulHenckels und Dr. L e- bebe leiten. Henckels kommt aus der Düsseldorfer Schule Louise Dumonts. Er hat die Achtung vor dem Dichterworte gelernt. Er hängt am ernsten Theater, er will nicht dem groben Geschmack huldi- gen. Die Jugend ist ihm wert. Als er zur Weihe des neuen Hauses eine Shakespearesches Alterewerk wählte, vielleicht das letzte Werk des Dichters, verzichtete er sofort aus oberflächlichen Erfolg. Der „Timon" verlangt eigentlich eine weitläufige, mit Ueppigkeit ausge- stattete Bühne. Die Bühne des Schloßpark-Theaters verlangt da- gegen nach Andeutung und Sparsamkeit. Im Hause des Timons soll sich die Verschweydung austoben. Der Menschenfreund, der durch die Niedertracht und den Eigensinn seiner ehemaligen Anhänger zum Menschenfeinde wird, muß aus der Millionärspracht in die meerumfpülte Grube hinunterfallen. Run, die Pracht ist noch nicht in diesem Haufe geborgen. Die Schauspieler? Jugend, die aus dem Land aeholt wurde. Töne wurden laut, die versprechen. Im Chorus der Wuchererboten und Schmarotzer sprachen einige Stimmen, die verlockten. Rudolf Kl ix, der Timon, entbehrt noch der Suade, seine Arien des Menschenhasses, der die überschwängliche Güte ablöst, werden von einem Schauspieler gemeistert, dem nicht die Gelenkigkeit, ober die Süßigkeit und die Wucht mangelte. Die Künstler sprachen sauber und geschult. Darüber hinaus charakterisierte Hugo Schuster den Dickwanst und schnarchenden Astbmatiker Luaillus mit Komik. Der Eqniker von Hans Hellmut Koch zeigte eher malerische als rhetorische Tugenden. Die Rüpelszenen waren mit Humor und Musik erfunden, wie denn überhaupt die unternehmende Fröhlichkeit dem ganzen Spiel nicht fehlte, Max Hochdorf .
Erfinderschicksal. Ein Mann, der den Anspruch erheben darf, der eigentliche Erfinder des Kinematographen zu sein, ist dieser Tage in England gestorben. William Friese Green , der 1855 in Bristol geboren wurde, beschäftigte sich viel mit wissen- schaftlicher Photographie. Er erwarb am 21. Juli 1889 ein Welt- patent für den ersten kinomatographischen Aparat und schlug damit Edison um drei Jahre. Im Jahre 1894 erkannten die amerikanischen Gerichte seinen Anspruch an, demzufolge das von Edison erfundene Kinetoskop eine Verletzung seines Patentes sei. Als es ihm zum erstenmal glückte, ein„lebendes Bild" auf der Leinwand zu zeigen, war er darüber so aufgeregt, daß er auf die Straße lief, einen Schutzmann anhielt und mit zu sich schleppte. Der Polizist hielt ihn zunächst für verrückt, war aber dann höchstlich erstaunt über das, was er sah. Dieser erste Film, der noch erhalten ist, zeigt eine Straßenszene aus dem Hyde-Part. 1898 machte Friese Green die erste Entdeckung der Photographie in natürlichen Farben: seine Rechte aus diese Erfindung wurden ihm in demselben Jahre von den englichen Gerichten garantiert, und er führte seine Erfindung öffentlich vor. Während der letzten Jahre war er damit beschäftigt, die Film-Photographix in natürlichen Farben zu verbessern. Aber eine allgemeine Anerkennung seiner Verdienste war ihm versagt, und er ist ruhmlos, im größten Elend dahingegangen. Der Mann, der die Grundlagen für die Entwicklung des Kinos schuf und damit einer Milliardenindustrie den Weg bahnte, ist so arm gestorben, daß für seine Hinterbliebenen gesammelt werden muß. In größter Rot war er gezwungen, die Rechte an seinen Patenten für 209 Pfund zu verkaufen. Nun ist ihm die Ehre eines Begräbnisses auf öffent- liche Kosten zuteil geworden, und ein Komitee hat sich gebildet, um wenigstens nach seinem Tode seinen Ruhm als den eines der größten englischen Erfinder zu begrüßen. Blinde Gärtner. In England besteht eine„Genossenschaft blinder Gärtner", die demnächst in der Londoner Rationalbibliothek für Blinde ihre Generaloersammlung abhalten wird. Die eigen- artige Organisation ist von einigen Menschenfreunden ins Leben ge- rufen, unter denen sich auch hervorragende Augenärzte befinden. „Der psychologische Wert der Beschäftigung als Gärtner für Blinde kann gar nicht überschätzt werden", sagte der Präsident dieser Ge- nossenschaft Adolphus Duncombe.„Der Blinde bildet ja als Ersatz für das verlorene Augenlicht seine anderen Sinne besonders fein aus, und diese Ueberschärfe des Gehörsinns und des Tastgefühls er- leichtert ihm die Arbeit im Garten, macht ihn geeignet für das innigste Zusammenleben mit den Pflanzen und Blumen, deren Lebensäußerungen ja oft so zart sind, daß sie den gewöhnlichen Sinnen der Menschen verborgen bleiben. Ich kenne einen Mann, der mit 28 Iahren sein Augenlicht verlor. Er ist- Gärtner und ver- mag sämtliche Bäume an dem Ton des Windes zu erkennen, der durch die Blätter geht. Dos Geräusch des Regens, der auf ein Feld niedergeht, unterrichtet ihn darüber, ob es in Saat oder in Ernte steht. Die Parkverwaltungen drei großer Städte im Norden haben diesen Blinden beauftragt, die Bäume für sie zu benennen. So eignen sich Blinde vortrefllich zum Gärtnerberuf, und sie haben sich auch bereits verschiedentlich darin bewährt. Ein Blinder meiner Bekanntschaft besorgt drei Tage lang jede Woche den Garten eines Herrn und ernährt sich dadurch: andere sind in Gärten angestellt. Wir beabsichtigen, eine Blindenschule für Garte», und Ackerbau
einzurichten. Auf der Rosenausstellung dieses Jahres wird bereits ein besonderes Zelt für alle Züchtungen sein, die von blinden Gärtnern gemacht wurden, und besondere Preise sind für blinde Gärtner ausgesetzt." Rolhenburger Festspiel Pfingsten 1921. Aus Rothenburg o. T. wird uns geschrieben: Das bekannte Rothenburger Pfingstfestspiel wird in diesem Jahr nach langer Knegspause wieder ausgeführt. Es schaut auf eine Tradition von 40 Jahren zurück, da es 1881 zum 250 jährigen Gedenktag der Einnahme Rothenburgs durch Tilly im Dreißigjährigen Krieg und der sagenhaften Errettung der Stadt durch den„Meistertrunk" des Bürgermeisters Rusch von dem Glaser- meister Adam Harber gedichtet wurde. Nachdem bis zum Kriege die Regie die Tradition der achtziger Jahre beibehielt, wurde heuer zum ersten Male versucht, die Tradition mit einer, von der Mode der Entstehungszeit losgelösten Spielweise zu vereinbaren. Die Spielleitung wurde dem Dramaturgen Georg Gustav W i e ß n e r- München übertragen. Die Darsteller sind die Bürger Rothenburgs. Der Ort der Handlung ist der alte historische Rathaussaal, in dem 1531 die Stadt den kaiserlichen Truppen übergeben wurde. Auch der historische Festzug, das Lagerleben und der Schäfertanz kommen wieder nach der Kriespause zur Aufführung. Die Einkrittsgeldfrage bei den Berliner Museen, die so- viel Staub aufgewirbelt hat, ist nun erfreulicherweise neu geregelt worden, und die in der Oeftentlichkeit geäußerten Wünsche haben dabei Berücksichtigung gefunden. Jedes Berliner Museum wird nunmehr an drei Tagen in der Woche unentgeltlich zu- gänglich sein, am Sonntag und an zwei Werktagen. Und zwar soll an jedem Tage ein Museum unentgeltlich zugänglich sein, so daß niemand wegen des Eintrittsgeldes umzukehren braucht, sonder», wenn er nichts bezahlen will, in ein benachbartes Museum gehen kann. Das Kaiser-Friedrich-Mufeum ist am Mittwoch und Freitag frei zugänglich, das Alte und Reue Museum am Dienstag und Freitag, das Museum für Völkerkunde am Montag und Donner-- tag, die Sammlung für deutsche Volkskunde in der Klosterstraß« und das Zeughaus an den gleichen Tagen. Die freien Tage in dem alten Hause der Nationalgalerie sind Freitag und Sonnabend, in ihrer neuen Abteilung im Kronprinzenpalais Dienstag und Mitt- woch. Während diese Museen sämtlich am Sonntag weiter ohne Entgelt offenstehen, jwill man für dos in diesem Sommer zu er- öfnende Schloßmuseum Sonntags 1 M. erheben, um dort b'.j Zustrom der Besucher fürs erste etwas zu beschränken, da dieser den Fußböden usw. abträglich sein könnte. Dafür wird im Schloß der Mittwoch fteibleiben.__« Kunstnachrickiten. Tie Große Berliner Kunstaus stellnng wird am Soimabeiidvol-miltag 11 Uhr erögnet.— Die Arbeiter- Jtun'to u s!I e 1 1 u n p lPctcrSburocr Str. LS) eröffnet wieder am Sonn- tag. den 15. Mal. vormittags 10 n&r. mit einer neuen Ausstellung der Arbeitermaler Otto Nagel und Schäfer. Der Arbeiterbildhauer WaSbarra stellt Plastiken auS.— Dl« Ausstellung der Berliner Tezeflton bleibt am 1. Vfingstfeiertag grfchlossen: am 2. Feiertag ist sie von 10—2 Uhr zu besichtigen. Wallnertheater. Sonntag. 15. Mai. nachm. 3 Ubr, gastiert Frl. A l e i i u« vom Stadttbealer Riga o!».Jpbigenie" iw Verbände freie, Bübnenlünstier, der das Wollnerlheater sür den Monat Mai für jämtl'-c>- Nachmittagsvorstellungen gepachtet hat.