Das Ganze— halt! Breslau , 2. Juni. �Eigener Drahtbericht des„Vorwärts"). Die Meldung über die Forlsetzung des Vormarsches der Engländer auf Grotz-Strehlitz scheinen durchweg aus ein und derselben Quelle zu kommen und bewahrheiten sich nicht. Heute mittag hielten die Engländer immer noch mit ihrer ganzen Truppenmacht auf halbem Wege in Oroß-Stubendorf. Die Polen haben sich an dieser Stelle etwas zurückgezogen, während sie den deutschen Selbstschutz im Norden und Süden des Aufstandsgebietes heute nacht wiederum angriffen. Innerhalb der Interalliierten Kommission scheint immer noch keine Einigkeit über die weiteren militärischen Operationen zu herrschen. Nach guten Informationen wünschen die Engländer Verhängung des Kriegszustandes über Oberschlesien , da- mit die Truppen ungehindert gegen die Insurgenten vorgehen können. General' Le Rand widersetzt sich diesem Antrag und er- reicht dadurch, dag jede militärische Maßnahme nur dann möglich ist. wenn die Interalliierte Kommission und dann noch außerdem der französische Oberkommandierende der alliierten Truppen, General Gracier, sie anordnen bzw. sie billigen. In der Mitte der Kampsfront Krappitz tauchte heute gegenüber dem deutschen Selbst- schütz eine französische Postenkette auf; ob vielleicht weil die Polen an dieser Stelle zu schwach waren, um die Kämpfe fort- zusetzen? Wenn der gegenwärtige Zustand, der jede militärische Aktion gegen die Insurgenten lähmt, länger andauert, find die ernstesten Sorgen um das Schicksal des Industriegebietes nur zu begründet. Oppeln , 2. Juni. fWTB.) Die schweren Ausschreitungen der Insurgenten im Kreise Rosenberg dauern an.— Der deutsche Be- oollmöchtigte ist erneut bei der IK. wegen der Verschleppung des Abg. H a r t m a n n vorstellig geworden. Die IK. hat mitgeteilt, sie habe Nachforschungen eingeleitet und würde, sobald wie irgend möglich, von dem Ergebnis der zur Freilassung einge- leiteten Schritte Kenntnis geben. Der deutsche Bevollmächtigte ist angewiesen, nachdrücklichst die sofortige Freilassung des Abg. Hart- mann zu betreiben. Werbestelle ausgehoben. Vraunschweig, 2. Juni. (Eigener Drahtbericht des„Vorwärts".) Hier ist eine Werbestelle für Oberschlesien ausgehoben worden. Be- zeichnenderweise befand sie sich in den Räumen der studentischen Ver- bindung„Germania ". Der Leiter der Werbeftelle war der frühere Reichswehrhauptmann Kutzen, der sich in den Kapp-Tagen der Kapp-Regierung zur Verfügung gestellt und in über 40 Telephon- gesprächen über die Lage in Braunschweig an Lüttwitz berichtet hatte. Nach einer vorgefundenen Liste sind über 100 Personen, vor allen Dingen Studenten der hiesigen Technischen Hochschule, nach Ober- schlesien zum Bataillon W a l d o w geschickt worden. In den auf- gefundenen Papieren steht u. a., daß die Verfügung der Reichsregie. rung gegen die oberschlesischen Anwerbungen nur als Proklamation nach außen hin zu werten sei, aber für den Selbstschutz nicht zu- träfe. Den Angeworbenen wurde empfohlen, möglichst einzeln zu fahren, um nicht die Aufmerksamkeit der Eisenbahner zu erregen. Bestimmt waren sie an eine Breslauer Adresie, die als Bor kom- mando bezeichnet wird. Der fest genommene Hauptmann Kutzen ist gleichzeitig Angehöriger des„Stahlhelms " und der Braunschweiger Selbstschutzorganisation, sowie des Vereins„BraoerHeyderi ch", dessen Gebaren bekanntlich unser Genosse Molkenbuhr schon seinerzeit im Reichstag beleuchtet hatte. Die Verbindung will natürlich nun mit ihm nichts zu tun haben und behauptet nicht zu wissen, was in ihren Räumen geschieht.
Delgien ist zufrieden. Brüsiel, 2. Juni. (Agence Belg«,) In der Kammer erklärte Minister Iaspar. Deutschland habe den ersten Beweis guten Willens gegeben. Man solle ihm Glauben schenken. Die Wirthsche Regierung sei durchaus entschlossen, die durch den Vertrag von Der- sailles auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen. Die belgische Regie- rung werde ihr die Aufgabe gewiß nicht erschweren. Man betrete einen Weg, der den politischen und wirtschafllichen Frieden endgültig sichere. Belgien trete entschlossen für den westlichen Block ein, der Frankreich , England, Italien und Belgien umschließen müssii und auf dem Belgiens Sicherheit beruhe. Im Konzert der Entente sei Belgien zu einer wichtigen Rolle berufen. Indem die Regierung der Vereinigten Staaten es abgelehnt habe, die unannehmbaren Vorschläge Deutschlands weiterzuleiten, habe sie der Sache de» Frie- dens einen Dienst erwiesen. Der Minister gab der Hoffnung Aus- druck, daß eine belgisch -englische militärische Enkenle die belgisch - französische Entente vervollständigen werde. Gegen SanktionS,.genosscn".» Brüssel . 2. Juni. (EP.) Die Brüsseler Föderation der belgischen Arbeiterpartei behandelte in- einer Versammlung die Haltung der sozialistischen M i n i st e r, die im Ministerrat für die Ausführung der Sanktionen gegen Deutschland gestimmt hatten, obschon der Partei. vorstand sich gegen eine Besetzung des Ruhrgebietes ausgesprochen- hat. Die Mehrheit des Vorstandes der Föderation beantragte die Ausschließung der drei betreffenden Minister aus der Partei. Dieser Antrag wurde mit einer kleinen Mehrheit verworfen.
Nochmals üer Zoll Sült. Die wegen der Erichießung des Obermaschinisten Sült seiner- zeit zusammengestellte Untersuchungskommission der Arbeiter hat im Anschluß an das(von un« auszugsweise veröffentlichte) Material üder den Fall Sülr gefordert, daß die für den Tod de» Sült ver- antwortlichen Beamten zur Rechenschaft gezogen werden. Hierzu erfährt WTB.. daß der Polizeipräsident von Berlin bereits am 6. April 1221 die Vorgänge, betreffend die Er- lchietzung des Sülr, an die Staatsanwaltschaft zur Ein- seitung eines etwaigen strafrechtlichen Verfahrens abgegeben hat und daß bereits seit längerer Zeit eine eingehende gericht- liche Voruntersuchung beim Landgericht I anhängig ist. Nach Abschluß des strafrechtlichen Verfahrens wird der Polizei- Präsident pflichtgemäß prüfen, ob Anlaß vorliegt, gegen die ver« antwortlichen Beamten im Dienstaufsichtswege einzu- schreiten. Die vom Polizeipräsidenten erstrebte gerichtliche Klarstellung deS Falles Sült dürfte im übrigen auch in den B e le idigungs- Prozessen erfolgen, welche der Polizeipräsident gegen ver- schiedene kommunistische Redner und Schriftsteller wegen der Bp- Häuptling eineS„Mordes" an Sült angestrengt hat. Die Be- leidigungsprozesi« werden wegen der Vorschrift deS§ 121 der Strafprozeßordnung erst n a ch B e e n d i g u n g der oben er- wähnten strafgerichtlichen Untersuchung zum Aus- trag« kommen._., 3m Rechksausschnß de« Reichstages wurde betr. die Frage der religiösen Erziehung der Kinder im Falle von Meinung»- Verschiedenheiten der Eltern nach längerer Debatte nur eine prin- zipielle Entscheidung dahingehend erreicht, daß in solchen Fällen das VormundschastSgericht um Vermittlung oder Ent- scheidunz anzugehen ist. Die Stellungnahme zu den übrigen An- �ägen wurde weiteren Beratungen vorbehalten.
Der Rächer j Das erste Drama, mit dem der heranwachsende Deutsche� auf der Schulbank bekannt gemacht wird, ist Schillers„W i l- h e l m T e l l". Die Verherrlichung des Tyrannenmordes durch den Ethiker unter unseren großen Dichtern. Was den Armenier Teilirian auf die Anklagebank gebracht hat, ist nicht schlechter als die Tat Wilhelm Tells . Ja, alle Gründe, aus denen Tell den Gehler erschoß, verblassen gegenüber den un- geheuren Greueltaten, die dem jungen Teilirian vor Augen waren, als er den tödlichen Schuß auf Talaat abgab. Den Apfel vom Haupte des Sohnes schießen zu müssen, ist schlimm. Aber mit eigenen Augen anzusehen, wie Vater und Mutter erschlagen, den Brüdern die Schädel gespalten, die Schwestern genotzüchtigt werden, zwischen den Leichen der Angehörigen vom Halbtode zu erwachen, die blühende Heimatstadt als Schutthaufen wiederzufinden, das ist ärger, als es jede mensch- liche Phantasie aussinnen kann. Und so wurde nicht eine Familie, so wurde ein ganzes Volk systematisch aus- gerottet. Ueber eine Million Menschen, neunzig Prozent der Deportierten , kamen in Grauen uud Elend, in planmäßiger Abschlachtung um. Lest das Gutachten des Prof. Lepsius! Dieser Prozeß ist ein politisches Ereignis. Er hat uns enthüllt, was wir dank der Zensur des Systems Ludendorff nicht erfahren durften. Wieder erklärt sich uns ein Teil des furchtbaren Hasses, der das deutsche Volk wie un- durchdringlicher Nebel umgibt. Es waren ja die Berhün- beten Deutschlands , die so handelten, und das System Ludendorff war es,' das den Mördern vom Schlage Talaats Schutz und Hilf e�angedeihen ließ! Dieses System hat mit auf der Anklagebank gesessen, als sich einem entsetzten und überraschten Gericht die entsetzlichsten aller Kriegsgreuel enthüllten. Die Verhandlung. (Schluß aus der Abendausgabe.) lieber die Tat selbst erklärt Teilirian folgendes: Ich ging in meinem Zimmer auf und ab und sahTalaatPafcha aus dem Hause kommen. Da hörte ich die Warte meiner Mutter und sah den Mann, der nicht nur das Blut meiner Mutter, sondern non 100 000«ruderen Armeniern aus sich geladen halle. Ich stürzte auf meinen Kosser, halte die Pistole heraus und lief auf die Straße hinter Talaat Pascha her. Als ich dicht hinter ihm war, schoß ich ihm ans unmittelbarer Nähe in den Kopf. Taloat Pascha sank sofort tot zu Baden. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er nicht wisie, daß das deutsche Gesetz einen Mord oerbiete, erklärte der Angeklagte: 3ch bin kein Mörder. Bars.: Existiert in Armenien die Blutrache? A n g e k l.: Nein. Staatsanw.-Rat G o l l n i ck weist darauf hin, daß das gegen Talaat Pascha ausgesprochene Todesurteil von der neuen Regierung der Türkei gesollt worden sei, ols sich Konstantinopel unter der Drohung der englischen Schiffskanonen befand. Ferner sei die Behauptung aufgetaucht, daß das angebliche Maffaker nicht von den Türken, sondern von kurdischen Räuberbonden angerichtet worden sei.(Die türkisch -militaristische Enffchuldigungslüge! Red.) Der Angeklagte bestreitet dies auf das entschiedenste. Roch Abschluß der Vernehmung des Angeklagten wird in die Beweisaufnahme eingetreten. Nach der Bekundung des Zeugen Jessen , der als erster bei der Leiche war, ist der Angeklagte an diesen Zeugen und einer Dame vorbeigehend von hinten an den Erschossenen herangetreten, hat ahne ein Wort zu sagen die Pistole !»erausgezogen und Talaat Pascha van hinten in den Kaps geschossen, o daß dieser vornüber zu Boden stürzte. Nach der Tat hat der Angeklagte die Pistole weggeworfen und ist entflohen. Der Zeuge, der ihn mit einer aufgeregten Menge verfolgte, hat ihn in der Fasanenstraße gefaßt. Die Menge war sehr empört, schlug auf den Angeklagten ein und rief ihm zu:„Raubmörder! Haut den Raubmörder." Auf Frau Talaats Vernehmung wird verzichtet. Weitere Zeugen über die Borgänge bei der Tat bekunden nichts Neues. Der Konsulatssekretär Apelian von dem hiesigen armenischen Generalkonsulat hat einen epileptischen Anfall beobachtet, bei welchem der Angeklagte am ganzen Körper von heftigem Zittern befallen worden war und Schaum vor dem Munde hatte. Ein Landsmann des Angeklagten, Zeuge E f f i a n, der ihn fest längerer Zeit kennt, bekundet Einzelheiten über ein Massaker in Erzerum im Jahre 1216, durch welches er eine große Anzahl von Verwandken verloren habe. Zwei seiner Brüder und eine Schwester seien deportiert worden. Roch den Beobachtungen des Zeugen ist der Angeklagte nervenkrank und wird öfter van Krämpfen befallen.— Geh.-Rat Dr. v. G o r d o n: Machte man in Ihren Kreisen Talaat Pascha als cigenilich Schuldigen für die Maffakers verantwortlich?— Zeuge: 3a. Geh.-Rat Amtsgerichtsrat Schulze- Charlottenburg bekundet, daß der Ange- klagte bei feiner ersten richterlichen Vernehmung gesagt habe, er habe schon nach dem Massaker von 1215 den Entschluß gefaßt, Talaat zu täten.— Der Angeklagte erinnert sich nicht, bei seiner ersten Vernehmung eine solche Auslage gemacht zu haben. Der Verteidiger meint, da die Vernehmung durch Vermittlung eines Dolmetschers stcttgefunden, fei ja vielleicht ouch eine nicht ganz zutreffende Wiedergabe nicht unmöglich.— Geh. Justiz- rat S ch u l tz e bezweifelt dies. Als er den damals fungierenden armenislhen Dolmetscher ersucht habendem Angeklagten zu übersetzen, daß er als Mörder des Talaat Pascha vernommen werden soll, habe der Dolmetsch ganz, entrüstet gesagt: »Mörder? Er ist ein großer Mann, den wir alle bewundern!" Zeug« Kaufmann K o l u s d i a n ist bei. der ersten richterlichen Vernehmung als armenischer Dolmetsch tätig gewesen. Er gibt zu, bei dieser Gelegenheit gesagt zu haben: vor seinen Augen sei der Angeklagte ein großer Mann. Er habe dies gesagt, weil auch seine Eltern und andere verwandte im Jahre ,1596 Opfer eines türkischen Massakers geworden seien und er deshalb volles Ver- ständnis dafür hatte, daß ein Mann so handle.— Der Zeuge Zigarettenhändler Terri Baschian kennt den Angeklagten und bestätigt, daß dieser trank sei.— Die Frau dieses Zeugen ent- wirst aus ihren eigenen Erlebnissen ein geradezu erschütterndes Lild van den armenischen Greueln., die gelegentlich der Massendeportationen durch die türkischen Poli- zisten und Soldaten gewütet haben. Die Frau erzählt von den schrecklichen Erlebnissen ihrer eigenen Familie. Vater. Mutter, Brüder seien weggeschleppt worden; von allen seien nur drei gerettet worden. Die Zeugin>r zählt geradezu ungeheuerliche Dinge über die Schicksale, die den Deportierten bereitet wurden, von den Hausen Leichen, die auseinandergehäust lagen, von den Masten, die man aneinandergebunden und ins Master geworfen habe, wie man die Unglücklichen am Meinen oerhinderte und sie mit Schlägen im Master weilertrieb, van der Ermordung der Man- ner im Angesicht der Frauen, von der Vergewaltigung der Frauen und Mädchen durch die Genda-.men und von der körperlichen Verstümmlung der sich Mide -sehendeu usw. usw. Diese grausige Schilderung erregte sichtliches Entsetzen unter der Zuhörer- schast:— Prof. Dr. Niemeyer erklärt hierzu, daß die Aussagen dieser Frau vielleicht als Ausgeburt einer übergroßen Phantasie hier und da ausgelegt werden könnten. Wenn irgend ein Zweifel « dieser Aussage vorhanden sein sollte, so tonne er jagen,
eines Voltes. daß lausend solcher Berichte notorisch vorliegen. Jedenfalls bitte er. die beiden Sachverständigen Geh. Rat L c p- s i u s und Exellenz Liman von Sanders zu vernehmen.—- Geh. Justizrat Dr. o. G o r d o n schließt sich diesem Ersuchen an. Das Gulachken des Prof. Lepsius. Prof. Dr. Lepsius: Die allgemeine Deportationsorder wurde im April 1215 vom jungiurkifchen Komitee beschlossen und von Talaat als Minister des Innern und Enver als Kriegsministsr angeordnet. �Die Deportation hat die gesamte armenische Bcvölke- rung der Türkei mit gewissen Ausnahmen betroffen. Vor dem Kriege gab es 1 852 222 Armenier in der Türkei . Die Order ging dahin, die Armenier in den Nordrand der mesopatami- ich en Wüste zu deportieren. In einem amtlichen Telegramm heißt es: »Das Verschickungsziel ist das Nichts." Das war auch der Sinn der Order. Und für diese Durchführung wurde gesorgt. Von der ostanatolischen Bevölkerung sind kaum 12 Prozent am Ziel angekommen. Die anderen Männer, Frauen, Kinder sind unterwegs durch Hu nger, Krankheit, Massakers umgekommen. Diesen Feststellungen liegen die Berichte der deutschen Kon- s u l e und des deutschen Botschafters zugrunde. Nach dem Urteil des Botschafters in Konstantinopel sind eine Million armenischer Männer, Frauen und Kinder umgekommen. Günstiger lag es bei den aus Südanatalien, Zilicien deportierten Masten. Der Weg war kürzer, auch wurden zum Teil Bahnen benutzt. Diele Bevölkerung ist„n u r" dezimiert worden. Die Ar- menier sind systematisch dem Tode enlgegengesührl worden. Sobald die Konzentrationslager durch Zuzug überfüllt waren, wurden die Leute in die wüste geführt und dork abgeschlachtet. Es war keine Umsiedlung, sondern die offene Absicht, ein ganzes Volk zu vernichten. Es liegen sehr realistische Vorstellungen in deutschen, englischen und amerikanischen Berichten vor. Nur mit den brutal st en Methoden konnte in so kurzer Zeit eine Million Menschen vernichtet werden. Das hat auck das Kriegsgericht, das 1912 Talaat, Enver und andere Jung- türken zum Tode oerurteilte, festgestellt. Möglich war die Durchführung dadurch, daß alle Wadis, Krimakans, die sich wei» gerten, mit Absetzung bedroht wurden. Es besteht ein Kriegsbesehl: Zeder Türke, der den Armeniern Unterstützung leiht. soll vor seinem Haus gelötet und sein haus verbrannt werden. So wurde ein Terror ausgeübt. Verschont blieben 222 222 Armenier in Konstantinopel , Smyrna , Aleppo . Da», ist das Verdienst von General v. Li mau und des deutschen Konsuls von Aleppo Raesler. Auch General v. d. Goltz verhinderte in Mossul die Verschickungen. Es wird vielfach so dargestellt, als ob die Maßnahmen eine Folge der Ausbeutung der Türk«? durch arme- nische Koufleute seien. Es war aber keine spontane Volks- bewegung, sondern eine administralive Maßnahme. Die kaufmännische Bevölkerung van Konstantinopel usw. ist ver- schont worden, dagegen.die 82 Prozent ousmachende Bauern» beoölkerung in die Wüsten oerschickt worden. Die armenische Frage ist eine Folge des Gegensatzes der rufst- fchen und englischen Diplomatie. 1895 wurden 52 222, 1896 122 222 Armenier anläßlich der großen anatolischen Majsakres getötet; ohne daß England oder Rußland einen Finger gerührt hätten. Die Publikoticnen des Auswärtigen Amtes werden zeigen, daß die deutsche Regierung und insbesondere v. Liman, die beide in aller Welt angeschwärzt wurden, ganz korreft gehandelt haben(?). General Exzellenz Liman von Sanders fügt den Aussüh»- rungen des Pros. Lepsius noch einige Bemerkungen vom militari- schen ffiefichtsrnjntte hinzu. Alles, was in Armenien geschehen ist, sei in zwei Testen zu betrachten. Erstens bestand ein Befehl der jungtürkischen Regierung in bezug auf die Deportation der Armenier. Zweitens aber sind die Kämpfe, die in Armenien stattgefunden haben, daraus entstanden, daß die Armenier sich ihrer Haut wehrten gegen hie angeordnete Entwaffnung, der sie sich nicht, fügen wollten und daraus, daß sie zugunsten der Russen gegen die Türken aufgetreten sind. Die deutsche Re» gierung hat alles getan, was sie nach Lage der Dinge da» mais tun könnt«. Sie hat in oerfchiedenen Fällen durch Vermittlung des Botschafters Graf Metternich und des Markgrafen V a l l a o i c i n i gegen solche Greuel energisch Stellung genommen. In einem besonderen Falle bin ich ganz energisch gegen eine beab- sichtigte Deportation eingeschritten und habe gedroht, daß ich die Gendarmen totschießen lassen würde, wenn ein Armenier deportiert würde. Es fft eine der größten Verleumdun- gen der ausländischen Preste, daß die deutschen Offiziere und auch die Beamten an irgendeiner solchen Greuelmaßregel sich beteiligt hätten. Die Schilderungen über die Greueltaten gegen die Armenier werden durch den katholischen Bischofsoertreter Monsignon Krikolis B a l s k i a n, der aus Manchester direkt zum Termin gekommen ist, in gebrochenem Deutsch in ausgiebigster Weise vermehrt. Der Zeuge hat sich mehrfach in Armenien ausgehalten, auch im Jahre 1915 und 1916. Er ist selbst dem Schicksal verfallen, deportiert zu werden, hat die fürchterlichsten Scheußlichkeiten miterlebt und weih, daß ein ganzes vernichkungsprogramm gegen Armenier bestand und direkt B e.s e h l e gegeben wurden, ungezählte Männer, Frauen und Kinder zu töten. Der Zeuge selbst ist n« gewissermaßen durch ein Wunder gerettet worden. Auf Pe- fragen der Verteidiger bestätigt der Zeuge, daß nicht nur in Ar- menien allgemein die Ueberzeugung herrscht, daß Talaat Pascha der Vcrontworttiche für die Greuel war und von ihm die Bemerkung gefallen sei:..3ch habe für die Lösung der armenislhen Frage mehr getan, als Abdul Hamid in Z0 Zähren'. Es folgen dann die Gutachten der medizinischen Sach- oerständigen über den Geisteszustand des Angeklagren. Medi- zinalrat Dr. S t o r m e r hat keinen Zweifel daran, da? der Ange- klagte ein Epileplrker ist. Dies müsse bei der Beurteilung seiner Tat ins Gewicht fallen. Er könne aber nicht sagen, daߧ 51 des Strafgesetzbuchs anwendbar fei; der Angeklagte befand sich bei Begebung"der Tyt nicht in-einem epileptischen Zwangszustande, die freie Willensbestimmung war nicht ausgeschlossen. Prof. Dr. L i e p m a n n schließt sich im allgemeinen diesem Gutachten an. Die schauerlichen Erlebniste des Angeklagten mit ihren schweren seelischen Erschütterungen haben den Angeklagten in einen Zustand der A f f e k t e p i l e p s i e gebracht, der ihn anders zu beurteilen zwingt als andere Menschen. In Uebereinstimmung mit diesem Sachverständigen neigt Prof. Dr. C a s s i r e r der Ansicht zu, daß es sich bei dem Angeklagten um Anfälle handelt, die mit seinem ganzen Seelenleben in engster Verbindung stehen. Er sei durch die gräßlichen Erlebnisse ein schwerer P s y ch a p a t geworden, denn er Hobe die schwersten seelischen Erschütterungen durchgemacht, die für einen Menschen nur denkbar seien. Prof. Dr. Forst er kommt zu dem Schluß, daß er der per- sönlichen Ansicht zuneige, daß auf den Angeklagten der 8 51 des Strafgesetzbuchs anwendbar fei.— Zu der letzteren Ansicht kommt auch der letzte Sachverständige Dr. med. H aake. Hierauf wird die Verhandlung um 6� Uhr auf Freitag 9 Uhr vertagt._