Leipzig , 10. Juni. (VDZ.) Alsbald nach Eröffnung der Freitag- fiizung hält Reichsonwalt Dr. F e i st« n b e r g e r die Anklagerede: Bisher hatten wir uns hier mit militärischen Delikten zu be- schäftigen, während wir es heute mit Straftaten zu tun haben, die nach dem bürgerlichen Strafgesetzbuch zu beurteilen sind. Bei der Wertung von Kinderaussagen ist außerordentliche Vorsicht geboten. Schwerer als der Vorwurf der Mißhandlung erwachsener Gesänge- ner ist der, daß der Angeklagte so gegen Kinder vorgegangen sein soll. Der Reichsanwalt kommt nach ausführlicher Untersuchung zu dem Schluß, daß die Geheimen Feldpolizistcn Reichs b'eamt« waren. Zur Strafbarkeit nach§ 148 RStGB. gehört die subjektive Kenntnis des Täters, daß er Beamter ist. Diese Kenntnis liegt vor. Der Angeklagte wußte, daß er nur Personen festnehmen durfte, die als Täter in Frage kamen. Er hat immer erklärt, daß es sich um die Aufklärung von Straftaten gehandelt habe. Wenn er heute sagt, er habe auch polizeiliche Vorbeugungsmaßregeln treffen wollen, so hat daran früher offenbar nicht gedacht. Jeder, der im öffentlichen Dienst steht, hat die Rechtmäßigkeit seiner Hand- lungen zu prüfen. Nach der Verordnung vom Dezember 1899, die die Grundlage des Verfahrens gegen Jugendliche bildete, ist die Festnahme Unverdächtiger unzulässig, wenn die Festnahme nur zu Ermittlungszwecken dienen soll. Was die Festnahme Ver- dächtiger betrifft, so hat. das Bewußtsein von der Widerrechtlichkeit dem Angeklagten gefehlt. Der Reichsanwalt führt auch entgegen- gesetzte rechtliche Möglichkeiten an und fährt dann fort: Aller- dings hat der Angeklagte gesagt, die Umstände hätten dies geboten erscheinen lassen: aber jugendsiche Personen brauchi man nicht nachts aus dem Bette zck> holen: dazu ist morgens noch Zeit genug. Die Fesselung einer Reihe von Jugendlichen und das Zusammenbinden zweier Knaben sind ebenfalls unzulässig. Hier kommt auch das Sittengesetz in Frage. Der Angeklagte ist vielleicht nicht mit Unrecht der Schrecken von Dendermonde genannt worden. Der Angeklagte hat ferner die Host der sechs Knaben, welche strafunmündig waren, obwohl die Untersuchung bereits im Dezember abgeschlossen war, noch über den 22. Dezember hinaus verlängert. Dadurch hat er gegen§ 343 des Strafgesetzbuches verstoßen. Ein positiver Beweis dafür, daß er Jugendlichen Esten und Waster entzogen hat, ist nicht erbracht. Diese Kinderaussagen sind mit großer Vorsicht aufzunehmen. Kinder lügen bewußt nur dann, wenn sie selbst etwas getan haben. Im übrigen aber kann man nur wünschen, bei Erwachsenen so wenig bewußte Unwahrheit zu finden, wie bei Kindern. Kinder sind abhängig von dem, was um sie vorgeht, weil sie nicht die Urteilsfähigkeit wie die Erwachsenen haben. Sie lasten sich daher auch mehr beeinflussen als diese. Die hier abgegebenen Kinderaussagcn sind sicher übertrieben, können aber nicht als völlig unwahr angesehen werden. Das Verhalten des Angeklagten zeigt eine gcwiste Härte und er war von starkem Ehrgeiz beherrscht. Dadurch wurde er veranlaßt, in den Mitteln nicht allzu wählerisch zu sein. Wenn der Angeklagte bei seiner Vernehmung durch die Reichsanwoltschast dauernd Ausflüchte machte(die er auf die Besorgnis zurückgeführt hat, an Belgien aus- geliefert zu werden. Red.), so spricht dies nicht dafür, daß er ein ganz reines Gewisten hatte. Der Zweck des Vorgehens gegen die Kinder war die Erzielung von Geständnissen und von Angaben über andere. Wenn ein Kind so viele Wochen im Gefängnis ge-
lizei in Belgien . festen hat, so prägt sich seinem Gedächtnis manches ein, was es sonst vergessen Höste. Eine Anzahl der Mißhandlungen, die von den KW» dern behauptet werden, mutz deshalb als erwiesen angesehen werden. Zu betonen ist, daß der Angeklagte den guten ZweA verfolgte, dos deutsche Heer zu sichern. Aber manche Momente lasten die Tat des Angeklagten in wesentlich ungünstigerem Lichte erscheinen. Er mußte daran denken, daß das Andenken des deutschen Namens geschädigt werde. Besonders schwer wiegt es, daß er die Geständnisse von Kindern herausgeholt hat. Eine Zuchthausstrafe würde keine an- gemessene Sühne sein, mildernde Umstände können dem Angeklagten zugebilligt werden, denn aus ehrlosen Motiven hat er nicht ge- handelt. Deshalb ist ein Ehrenrechtsverlust nicht am Platze. Der Reichsanwalt beantragt am Schlüsse seiner zweistündigen Red« eine Gesamtstrafe von zwes Jahren Gefängnis und Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Äemter auf die Dauer von fünf Iahren. Verteidiger Justizrat Dr. Kaiser- Leipzig geht zunächst aus den Sinn der ganzen Kriegsprozeste ein, die nicht der Gerechtigkeit. sondern der Rache dienten. Die feindlichen Staatsmänner wissen ganz genau, daß Enigleisungen überall vorgekommen sind. Es liegt ihnen aber nur daran, immer wieder aller West vor Augen zu führen, wie die Deutschen gehaust haben. Dem An» geklagten muß geglaubt werden, daß er sich nicht als Beamter, son- dern als Soldat in der Etappe gefühlt hat. Wenn er in der ersten Zeit der Reichsanwoltschast die Unwahrheit gesagt hat, so darf man ihn deshalb nicht als unglaubwürdig ansehen/ denn er hatte dos Recht, möglichst zurückhaltend zu sein, um der Entente nicht in die Hände zu arbeiten. Höchst bedenklich wäre es, die Verhältniste, unter denen der Angeklagte im Herbst 19l? tötig war, setzt im Jahre 1921 am grünen Tisch vom kühlen Rechtsstandpunkt aus würdigen zu wollen. Unsere Leute hatten die Pflicht, den Machinostonen der feindlichen Einwohnerschaft im besetzten Gebiete energisch entgegen- zuarbeiten. Mit dem Strafgesetzbuch in der Hand hätte der An- geklagte seine Ausgabe nicht erfüllen können. Das pflichttnößige Ermesten bestimmt sich nicht nach dem Strafgesetzbuch, sondern nach den Kriegsnotwendigkeiten. Wenn der Angeklagte die Sstofunmün- digen freigelasten hätte und infolgedesten vielleicht zwei Tage später wegen einer neuen Störung der Signale ein Eisenbahnunglück sich ereignet hätte, sollte er dann seinen Borgesetzten gegenüber sich etwa mit dem Strafgesetzbuch entschuldigen?(Das Publikum klatscht spontanen Beifall, wird aber vom Präsidenten energisch zur Ord- nung verwiesen.) Was die Erpressung der Geständnisse anbetrifft, so ist den Kinderaussagen in keiner Weise Glauben beizumessen. Es war eine Freude, die Hungen so lügen zu hören. Ihre Angaben stnd vollkommen unzutreffend. Bei den ganzen Ver- hältnisten des Gefängnisses war es vollkommen ausgeschlossen, dag der Angeklagte die Kinder fast täglich geschlagen haben sollte, ohne daß die« von anderer Seite beobachtet worden wäre. Auf den An- geklagten fällt mich nicht der Schatten eines Verdachts. Der Ver- teidiger beantragt, den Angeklagten in allen Punkten freizusprechen. In seiner Erwiderung betont der R e i ch s a n w o l t, es ent- spreche nicht den Tatsachen, daß die Verfolgung der Kriegsdelitte auf Befehl der Entente erfolge. Sie geschehe vielmehr aus Grund der deutschen Gesetzgebung und es entspreche dem deutschen Rechtsempfinden, daß strafbare Handlungen auch zur Bestrafung gezogen würden., Der Angeklagte bleibt dabei, die Kinder niemals geschlagen zu haben. Das Urteil soll Sonnabend 1 Uhr verkündet werden.
�rbeitslosenkrawall im Gewerkschaftshaus. Das Berliner Gewerkschaftshaus war gestern der Schauplatz wüster Tumulte. Mittags, gegen 1 Uhr, erschien nach Be' setzung sämtlicher Zugänge eine Deputation von Arbeitslosen im Bureau des Allgemeinen Deutschen Gewcrkschastsbundes und ver- langte, daß dieser den zirka 2000 Arbeitslosen, die— offenbar von Kommunisten aufgehetzt— mit roten Fahnen erschienen waren, eine Erklärung darüber abgebe, was er zu tun gedenke, um seine be- kannten zehn Forderungen zur Behebung der Arbeitslosigkeit durch- zusetzen. Dos zufällig allein im Bureau anwesende Vorstandsmit- glied, unser Genosse K n o l l, begab sich dann in die Höhle des Löwen und erklärte den außerordentlich erregten Demonstranten, daß ein Teil der Forderungen des ADGB . bereits erfüllt sei und daß der andere erfüllt werden würde. Sollte ein Rest zu erfüllen übrig blei- den, so würden die Mittel zu prüfen sein, die ihre Durchführung er- möglichten. Unser Genosse erklärte weiter, daß die Gewerkschaften im gegebenen Augenblick auch nicht davor zurückschrecken würden, alle geeigneten gewerkschaftlichen Mittel anzu- wenden, um der schreienden Not der Erwerbslosen ein Ende zu bereiten. Das ganze Lexikon der kommunistischen Schimpfworte bekam der Redner natürlich an den Kopf geworfen. Außerdem aber wurde sehr stürmisch verlangt:„Werst dos Aas ins Wasser!" und„Ersäuft doch die ganze Bande!". Nur dem Einschreiten der besonnenen Ele- mente ist es zu verdanken, daß Genosse Knoll nicht im Engelbecken durch Arbeiterhände ein schmähliches Ende gesunden hat. Diesen „Edelmut" begründete ein Zwischenrufer mit dem Wort:„Na ja, sie haben uns schon den alten Graukopf runtergeschickt, weil sie wissen, daß wir dem so leicht nichts tun." Außer diesen persönlichen Bedrohungen wurde der ganzen Gewerkschaftsbewegung angekündigt, daß man sie„kurz und klein schlagen" und aus den Gewerkschaften herausgehen werde. Die Diskussionsredner er- klärten, man würde heute sämtlich:: Gewerkschafts- und Mogistrats- angestellte, die in den Arbeitsnachweisen eine Funktion ausüben, hinausschmeißen und die Kontrolle selbst übernehmen. Das soll der Auftakt zu„größeren Dingen" werden. Man will die De- monstration nach dem Gewerkschaftshause tagtäglich in ver- stärktem Maße wiederholen und wird, wie aus den Dro- Hungen zu schließen ist, dann, wenn die Aktion die genügende„Stei- gerung" erfahren hat, auch nicht vor dem äußersten Mittel zurück- schrecken. Dieser Tatbestand ist für die Arbeiterschaft äußerst beschämend. Eben ist ein von Freund und Feind anerkannter Arbeiterführer durch die Hand eines Mörders gefallen, der aller Wahrscheinlichkeit nach im Lager der Reaktion zu suchen ist. Das eben vergossene Blut sollte allen Arbeitern die Notwendigkeit vor Augen führen, dem unglück- seligen Bruderkrieg in ihren Reihen eine Ende zu setzen. Durch solche wüsten Auftritte, wie sie oben beschrieben sind, wird man dieser Notwendigkeit nicht im geringsten gerecht. Ganz im Gegenteil! Das Bürgertum reibt sich vor Vergnügen die Hände und sieht schon den Tag herankommen, an dem auch bie Ge- werkschaften zernagt vom Brudcrkampf zusammenbrechen und die Arbeiterschaft schutzlos der Profitgier des Unternehmertums und der Gewalt der Kahr und Escheriche ausgeliefert ist. Aber die Vorgänge des gestrigen Tages geben auch der Regie- rung und den Unternehmern zu denken Anlaß. Große Teile des deutschen Proletariats befinden sich in einer e r s ch r e ck l i ch e n N o t. Wenn diese Menschen, die seit Monaten sehr oft weit über ein Jahr, keine Arbeit und kaum das Brot zum Sattesten haben, in ihrer höchsten Verzweiflung sagen, uns ist alles egal, wir haben nichts mehrzuverlieren, dann stnd nicht jene, die zu solch verzweifel- tem Mittel greifen, allein die Schuldigen, die Hauptschuldigen sind jene, die nicht genug getan haben! Die Fürsorge der Regierung für die Erwerbslosen darf nicht allein bestehen in der Zahlung von Un- terstützung. Sie muß unter allen Umständen Arbeit schaffen. Das Unternehmertum aber muß dazu angehalten werden, seine Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen. Es darf nicht einfach— weil es sich nicht mehr lohnt— durch Stillegung von Betrieben, die Arbeitsbeschaffung sabotieren und skrupellos neue Arbcitermasten auf die Straße setzen. Die Regierung kann versichert sein, daß die Arbeiterschaft sie rückhaltlos unterstützen wird, wenn sie die Forderungen des ADGB . nicht nur anerkennt, sondern auch durchführt. Nur auf diese Weise kann die große Gefahr, die aus der Not der Erwerbslosen für unser öffentliches Leben erwächst, gebannt werden. Allen jenen aber, die gewissenlos genug sind, diese Not für ihre poliüschen Zwecke auszunützen und nachher die Aermsten der Armen den Gerichten überlasten, rufen wir zu:„Hände weg von den Erwerhs- lose nl"_
Säuberung in Stargarü. Skprgard i. Pom.. 10. Juni. (Eigener D:al)tbericht des„Vor- wärts".) Wir berichteten am Montag, daß Verhandlungen zwischen den Berliner Regierungsstellen und den hiesigen Gefangenenlagern stattfinden jollten, um zu prüfen, in welcher Weise sich einzelne Wach- Mannschaften Uebergriffe gegen die internierten Ostjuden haben zu- schulden kommen lasten. Die Untersuchung ist nun abgeschlossen und hat das Ergebnis gezeitigt, daß die Wachleute Erich Otto , Willnow und Raps wegen schwerer Mißhandlungen am Donnerstag au» dem Dienst entlasten worden sind, und daß deren Bestrafung erfolgt. Gegen drei weiter« Leute schwebt das Der» fahren; es ist noch nicht abgeschlossen. Di« Internierten behaupten mit positiver Bestimmtheit, daß sie von einem Wachmann mit dem Gewehrkolben geschlagen worden sind, und daß dabei das Gewehr mitten entzwei gesprungen ist, während die Wachleute dies bestreiten. Tatsache ist jedoch, daß das Gewehr eines Wachmannes am anderen Tage nach dem Brande in zwei Stück« geschlagen war. doch will der betreffende Wachmann mit dem Gewehrkolben auf den„E r d- b oben"(!) geschlagen haben. Di« Wachleute wollen zu den Miß- Handlungen von den Internierten gereizt worden sein. Daß die unglücklichen Opfer geschlagen und mißhandelt worden sind, hat die Untersuchung einwandfrei ergeben. Allen Wachleuten wird von jetzt ab ein Revers vorgelegt, worin sie sich unterschriftlich ver- pflichten, alle Mißhandlungen usw. zu unterlassen. Wer gegen diese Vorschrift verstößt, wird sofort entlasten. Hossenllich läßt man die entlassenen Prügelhelden nicht lausen, sondern führt sie ihrer wohl- oerdienten Strafe zu._ Der Weg zum Richkeramt verbarrikadiert. Der H o u p t a u s- schuß des Preußischen Landtags führte am Freitag die Beratung des Justizetats zu Ende. Aus den Debatten ist das offene Ge- ständnis des Deutschnationalcn Dr. D e e r b e r g zu erwähnen, daß der weitaus größte Teil der Richter sich innerlich noch nicht auf den Boden der Republik gestellt hat. Um weiteren Volkskreisen den Weg zum Richteramt zu öffnen, hatten Sozial- demokraten und Demokraten den hier bereits ausführlich_ besprochenen Antrag gestellt, befähigte Personen aus allen Bevölte- rungskreisen zur Staatsprüfung zuzulassen, auch wenn sie nicht den vorgeschriebenen Bildungsgang zurückgelegt haben. Wegen dieses Antrags hat bereits der„Lokal-Anzeiger" Lärm geschlagen mit der Behauptung, daß dadurch„die Rechtspflege untergroben" würde. Auch die Mehrheit des Hauptausschustes meinte, daß das heilige Monopol der zünftigen Juristen nicht angetastet werden dürfe, und stimmte den Antrag mit den Stimmen der beiden Rechts» Parteien und des Zentrums nieder. Auch die Kommunisten stimmten dagegen, ließen aber nachher erklären, daß dies nur irr- tümlich geschehen sei. Erhöhung der versicher ungsgreuze für Augestellte. Der Reichs- rat nahm den Geietzenlwurf über Aeuderung des Versicherungs- geietzes für Angestellte an. Die BersicherungSgrenze wird auf 28 000 M. erhöhl.
Patriotismus und Geschäft. Im Rheinlande sind Bestrebungen im Gange, die das deutsche Spiritusmonopol zertrümmern und ein rheinisch-ftanzösisches Spiri- wsmonopol ausrichten wollen. Die Abgeordneten Sollmann und M e e r f e l d haben folgende Anfrage an die Reichsregierung gerichtet: Zwischen der Interalliierten Rheinlandkommis- s i o n in Koblenz und zwischen rheinischen Spiritusinte r- e s s e n t e n haben Verhandlungen zur Herbeiführung eines f r a n- zösisch-rh ei nischen Spiritusmonopols stattgefunden. Sind der Reichsregierung diese Vorgänge bekannt? Sind Maß- nahmen getroffen, um das Durchbrechen des deutschen Spiri- tusmonopols zu verhindern?
Die wieüergutmachungshäufer. Paris , 10. Juni. (Havas.) In der Besprechung, die vor einigen Tagen im Ministerium für die befreiten Gebiete zwischen französischen und deutschen©ochverständigen über das deutsche Angebot an Frank- reich, als Reparation 25000 Holzhäuser zu liefern, geführt wurden, wurde festgestellt, daß der Preis für diese Häuser bedeutend höher sei, als für die gleichen von der französischen Industrie ge- lieferten Modelle. Um eine beträchtlich« Verminderung des Preises der verschiedenen Typen zu erreichen, wurden ge- wisse Aenderungen an den vorgelegten Plänen und Voranschlägen von der deutschen Delegation verlangt. Da diese kein« endgültige Verpflichtung übernehmen konnte, wurde beschlosten,«ine Kam- Mission von Sachverständigen nach Deutschland in Begleitung eines Vertreters des Ministeriums für die befreiten Gebiet« zu senden, die die fertiggestellten Konstruktionen an verschiedenen Plätzen wie Stuttgart . Berlin und seiner Umgebung besichtigen und von den Unternehmern gleichzeitig mit den verlangten K a n st r u k t i o n s. änderungen einen Preisnachlaß zu erzielen suchen soll, um die Preise mit den französischen in Einklang zu bringen. »- Paris , 10. Juni. (MTB.) Wie„Petit Parisien" mitteilt, wird die französische Sachverständigenkommission, die über den Dertaufspreis der Häuser mit den Herstellern in Deutschland verhandeln soll, Sonnabend abreisen. Etwa acht Tage später werde der Minister für Wiederaufbau in der Lag« sein, die E n t sch e i d u n g über das deutsche Angebot zu treffen.
Grft zerstören, dann neubauen. Paris . 10. Juni. (EP.) In der Deputiertenkammer führte Bvuisscm(Soz.) zur Marinevorlage aus: Wäre es nicht bester, statt so- viel Schiffe zu bauen, den Artikel 190 des Versailler Vertrages zu revidieren, der Deutschland erlaubt, Kreuzer bis zu 6000 Tonnen und Panzer bis 10000 Tonnen zu bauen? Warum 36 U-Boote bauen, während Deutschland gemäß dem Versailler Friedensvertrag 34 dieser Schiftsgattung liefern muß und wir 24 zu zerstören verpflichtet sind?" Der Berichterstatter Denis« er- klärte, daß die Kommission ihr bestes getan habe, um diese un- sinnige Zerstörung zu vermeiden, sie habe sich jedoch den Beschlüsten des Obersten Rate» fügen müssen. Der Berichterstatter für die Fi- nanzkommisston, Chappedelaine, unterstützte Bouiflons Vor- schlag, die Artikel des Friedensoertrages von Versailles , welche die Schiffskräfte Deutschlands betreffen, zu revidieren, er werde jedoch für die Vorlage stimmen, well sie als ein Minimum erscheine, und Frankreich müsse in der Lage sein, seine Neutralität anderen 'Mächten gegenüber im Falle eines Krieges zu verteidigen.
öegnaüigung französischer Meuterer. Paris . 10. Juni. (TU.) Auf Antrag des Justiz- und Marine- Ministers hat der Präsident der Republik eine Reihe von B e g n a- digungsmaßnahmen zugunsten der aufständischen Seeleute im Schwarzen Meere gell offen. Der Marine. minister wird heute die Liste der begnadigten Seeleute, ungefähr 20 an der Zahl, bekanntgeben.(Es handelt sich um die vom Kriegs- gericht verurteilten sogenannten„Rädelsführer" der Matrosenmeu- terei, die vor Odessa und Sebastopol im Frühjahr 1919 an Bord mehrerer Kriegsschiffe ausgebrochen war. Die Matrosen erklärten damals, der Krieg, den man sie gegen die B o l s ch e w i k i zu führen zwinge, sei verfassungswidrig, da eine Kriegserklärung nicht erfolgt sei. Auf das ausdrückliche Versprechen des kommandierenden Admirols, daß man sie nach Frankreich zurückbefördern und daß ihnen nichts geschehen würde, gaben die Matrosen die von ihnen ge- fangengenommenen Offiziere wieder frei. Kaum in Toulon wieder angelangt, wurden sie jedoch«ingesperrt und verurteilt. Die sozio» listischo Partei führte seit zwei Jahren für die Begnadigung einen hartnäckigen und bisher erfolglosen Kamps.)
Deutschlands Zahlungen. Paris , 10. Juni. (Dcna.) Die Reparationskommissien gibt amtlich bekannt: In Ausführung des Artikels V des Zahlungs- plans hat Deutschland bis heute rund 840 Millionen Gold- mark in Gestalt von Schatzbons mit Fälligkeit am 31. August 1921 und rund 200 Millionen Goldmark in fremden Devisen gezahlt. Der überschießende Betrag von etwa 40 Millio- nen Goldmark wird zur A m o r t i s i e r u n g eines Teils der vor- erwähnten Schatzbons Verwendung finden. Front, und Besitzwechse! der.Times". Aus London wird der TU. gemeldet, daß die„Times" in das Loger der Regierung übergeht. Lord Northclisf« soll dies« teure Zeitung, die ihm wöchentlich 2500 Pfund kostet, veräußern wollen. Den- reiche Reeder Sir John E l l e r m a n n hat bereits die Anteile angekauft. Der„Outlock" nennt die Erwerbung der„Times" einen persönlichen Erfolg Lloyd Georges. Dieser hatte sich immer schon geärgert, daß die„Times" in den M e i- nungsverschiedenheiten mit Frankreich nicht auf seine Seite getreten s«'. Zwischen der Tschechoslowakei und Rumänien ist ein Ab- kommen abgeschlossen worden, in dem die beiden Siaaicn sich gegenseitige Hilfe zusichern für den Fall eines unprovozierten An- griffs durch Ungarn . Die ewig Steuerscheuen. Der Reichslandbund veröffentlicht eine Entschließung, in der er gegen die bekanntgewordenen Steuerprojekt« zur Erfüllung des Ultimatums Stellung nimmt. Insbesondere pro- testiert er gegen das Steuerprojekt, das darauf abzielt, den Gold- wert des Grund und Bodens mit einer 20prozentigen Zwangshypotbek zu belasten. Er sieht darin den ersten Schritt zu einer Verstaatlichung des Grund und Bodens und der Vernichtung des deutschem Bauernstandes.—, Natürlich enthält die Entschließung auch e'ne theoretische Bereitschaftserklärung. der Landwirtschaft, die„schwersten Opfer" zu bringen. Aber sobald praktische Vorschläge gemacht werden, dann ertönt jedesmal ein lautes Nein. Die„Deutsche Zeitung" bringt unter großer Aufmachung eine Pariser Meldung, wonach der Aomiral v. Holtzendorff durch das Reichsgericht unter Anklage gestellt werden soll. In seiner Entrüstung hat das Blatt Gergesten hinzuzufügen, daß der betreffende Admlral schon seit etwa zwei Jahren— gestorben ist. Ebenso reingefallen sind der„Reichsbote" und die„Tägliche Rundschau".