2. Beilage zum„Vomarts" Berliner VoWlafLGertckks-Äettung.Eine neue Interpretation des Vereinsgesetzes. Wegeneiner bei dem Begräbniß des Buckbinders Kohlhardt am 12. Augustgehaltenen Trauerrede hatte sich gestern der sozialdemokratischeAbg. Vogtherr vor einer Abtheilung des hiesigen Schöffengerichtszu verantworten. Auf Antrag der Staatsauwaltsckafl war gegenden Angeklagten ein Strafbesedl in Höhe von öS M. erlassenworden, weil derselbe in einer ohne Erlaubniß veranstaltetenVolksversanimlung unter freiem Himmel(auf dem Begräbnißplatzder Freireligiösen Gemeinde in der Pappel-Allee) als Rednerthätig gewesen sei und damit gegen den§ 17 des Vereins-gesetzes verstoßen habe.— Der Augeklagte wies gegen-über dem§ 17 des Vereinsgesetzes auf den§ 10 desVereinsgesetzes hin, der Leichenbegängnisse von dem Begriffeeiner»Versammlung unter freiem Himmel" ausdrücklich aus-schließe. Solche Leichenbegängnisse, wenn sie in der hergebrachtenArt stattfinden, bedürfen einer vorherigen Genehmigung derPolizei nicht. Letztere habe bis dahin auch nie die Auffassungder Staatsanwaltschaft über derartige Leichenbegängnisse gehabt-sie habe vorher immer genau gewußt, wie sich die Sache aufdem Friedhofe entwickeln werde, ja sie pflege sogar vor-her bei dem Todteugräber Erkundigungen einzuziehen,wer an der Gruft zu sprechen beabsichtige. Die Polizeiwisse schon immer vorher, welche Maßnahmen sie imInteresse der öffentlichen Ordnung zu treffen habe. Die Dar-stellung d«S„Vorwärts", daß etwa 2000 Personen an demLeichenbegängnisse theilgenommen, müsse er dahin einschränken,daß auf dem Friedhose, wo er geredet, höchstens SOv Personenanwesend waren, die übrigen aber auf der Straße vor demfriedhose standen. Ein vernommener Schutzmann schätzte dieahl der aus dem Kirchhofe versammelten Leidtragenden aufzirka 1000.— Der Staatsanwalt beantragte die Ausrecht-erhaltung des Strafbefehls. Schon die große Zahlder Leidtragenden zeige, daß es sich hier nicht umein Leichenbegängniß„gewöhnlicher Art" handle, es sei viel-mehr anzunehmen, daß viele der Theilnehmer nicht auspersönlicher Theilnahme für den Verstorbenen, sondern zumZwecke einer politischen Demonstration gekommen seien. DieVersammlung der Leidtragenden auf dem Friedhofe habe daherin der Thal den Charakter einer„Versammlung unter freiemHimmel" angenommen.— Der Angeklagte bestritt dies ganzentschieden. Das Vereinsgesetz enthalte kein Wort davon, daßes bei der Charakterisirung der Leichenbegängnisse aus die größereoder geringere Zahl der Leidtragenden ankomme; es frage sich nur,ob die hergebrachte Form überschritten sei. Die hier beobachteteForm sei aber bei seiner Gesinnung durchaus hergebracht. DieAuffassung des Slaatsanwalts sei auch undurchführbar, weilderjenige, welcher an der Gruft sprechen will, unmöglich dafürverantwortlich gemacht werden könne, wenn ohne seinen Willendie Zahl der Leidtragenden über Erwarten anschwillt. SolcheLeichenbegängnisse seien doch auch bei Parlamentariern, in derOeffentlichkeit stehenden Personen zc. nicht ungewöhnlich. Nachder Ausfassung des Slaatsanwalts würde man auch Fabrik-ausflüge, Treibjagden zc. zu„Versammlungen unter freiemHimmel" machen können.— Der Gerichtshof schloß sichder Ansicht des Staatsanwalts an und verurtheilte denAngeklagten wegen Uebertretung des§ 17 des Vereinsgesetzes zu20 M. Geldstrafe ev. 4 Tage Gefängniß. Die Interpretation desWortes„hergebrachte Form", wie sie der Angeklagte gegeben, seiunzutreffend. Es handle sich um die ortsübliche, von derAllgemeinheit als hergebracht beobachtete Form. Hierhandle es sich nicht um die„hergebrachte", sondern um eine hier-von ganz abweichende Form. Ganz abgesehen von der Zahl derTheilnehmer weis» die Thatsache, daß offenbar ein großer Theilder Theilnehmer dem Verstorbenen nicht persönlich, sondern nurpolitssch nahe stand und daß der Angeklagte eine politische RedeSonnkogsplsudevet.Herr Zelle, der Oberbürgermeister von Berlin, hat alleHände voll zu thun. Nun haben wir— bis auf weiteres—alle Ministerherrlichkeiten bei einander; und es fragt sich nur,wie stellen es die Väter der Stadt am klügsten an, die gestrengenHerren milde zu stimmen Herr Zelle und die Seinen verziehen ihrGesicht in die freundlichsten Fallen und machen ihr unterlhänigstesKompliment. Schon rüsten sie sich zum feierlichen Festmahl, das denneugeworbenen Staatsrettern zu Ehren im Rothen Haufe servirtwerden soll. Schon sind die Sachverständigen in Küchen-angelegenheiten bereit, das Bankett so kostbar als möglich zugestalten; und die Zeremonienmeister zerbrechen sich den Kopf,wie die Herren Minister nach ihrem Rang, nach ihren Würdengebührend an der Tasel Platz zu nehmen hätten. Ja. ja. dasist ein schwieriges Beginnen; und welche Last von Verant-wortung auf den Schultern des städtischen Ober-Hauptes ruht, davon hat der„nörgelnde Pöbel" kaumeine Ahnung. Das Volk von Kannegießern, das wärein seiner beschränkten Erkenntniß sogar imstande, dreist zu fragen:Wozu dies übereifrige Liebeswerben, wozu dies unlerthänigeEinschmeicheln, wozu das Absingen von Gnadenarien und nochdazu bei allzeit fortschrittlichen Männern? Sie haben sich oftschon so sehr brav und wohlgesinckt aufgeführt; sie haben stetsgetreulich grollende Gewalten in Temuth zu besänftigen versucht;sie haben immer Verständniß für Opsergaben, welche die Freund-schaft stützen, bewiesen; und welchen Lohn erhielten sie mitunterfür ihre Frönimigkeit. Schreckt Herrn Zelle das„Forckenbccken"nickt, das auf dem Schloßplatz steht, der Brunnen mit demantiken Aegir, vor dem einst Forckenbeck, der vielgerühmte.dastand, wie ein geprügelter Knabe? Wird das den Männern,die berufen sind, für Ordnung und alte Sitte die Zuchtruthe zuschwingen, imponiren, wenn die Rathsmannen der Hauptstadtgebückt und süß lächelnd vor ihnen an der Galatafel des Fest-saales im Rathhause vorbeidefiliren? Ob Herr v. Köller. derSckneidige, sick wirklich in süddeutscher Lust so arg veränderthaben mag, daß er in zärtlicher Bonhommie dem Stadt-verordneten Alexander Meyer zutrinkt:„Sollst leben. alterJunge!" und ihm vergnüglich auf den feisten Bierbauch klopft?Und bange Fragen, überschwänglickc Hoffnungen stürmenauf die Seele manches Ralhsgewaltigen ein. Ob er wobl kommenkönnte, ob er sich entschlösse, er, der Erhabene, den man heutein allen Tonarten preist, dessen Namen man nur mit geheimerVerzückung nennt. von dessen Hochadel hunderterlei Anekdotenzu berichten wissen, kurz, er, der Grandsetgneur?Seit Fürst Hohenlohe zum Reichskanzler ernannt ist, hat d,eBezeichnung Grandsetgneur einen suggestiven Zauber auf alle«utbürgerlichen Gemüther geübt. Ter Begriff Grandseigneur,die Bezeichnung für altfranzösisches Herren- und Kavalierwesen.hat die armseligen Köpfe wie mit einer Art von Rauschgehalten, daraufhin, daß es sich hier um eine„ungewöhnlich�Form, um eine Versammlung unter freiem Himmel handle.Hoffentlich beruhigt sich Genosse Vogtherr nicht bei diesem fürBerlin immerhin seltsamen Urtheil.Die Firma Samuel Zielenziger» Bank- und Wechsel-geschäft. Unter den Linden S9a, Inhaber Samuel und JacquesZielenziger und Max Rosenthal, hat, wie das„Jnt.-Bl." be-richtet, die Kollekte der königl. Lotterie- Einnahme niedergelegt.Im Laufe des letzten Jahres häuften sich nämlich die Klagen,die das genannte Bankhaus gegen seine Kunden auf Zahlungvon Differenzen beim Landgericht I. anhängig machte, und dieauf Börsengeschäfte der Kunden mit dem genannten Bankhausezurückzuführen waren. Die Herren Zielenziger und Rosenthalwurden in allen Instanzen abgewiesen. und das vomsechsten Zivilsenat des Kammergerichts gefällte Urtheil sprachsich mit großer Schärfe gegen die Geschäftsführung der klagendenFirma aus. Vor längerer Zeit wurde in einer Briefkasten«Denunziation des„Volk" auf zene Prozesse hingewiesen und an-gedeutet, daß es mit der Stellung eines königlichen Lotterie-Ein-nehmers wohl nicht verträglich sei, mit seinen Kunden Börsen-geschäfte zu machen, die deren Leistungsfähigkeit weit überschrittenund deshalb ihren wirthschaftlichen Ruin herbeiführen müßten.tierdurch aufmerksam gemacht, stellte die vorgesetzte Behördermittelungen über die Geschäftsführung des Bankhauses undüber die Art, wie die Kunden zu Börsengeschäften herangezogenwürden, an, und das Ergebniß war ein derartiges, daß HerrZielenziger seine Kollekte niederlegte.Ein Seitenstült zu dem Disziplinarverfahren gegen denehemaligen freisinnigen Reichstags- Kandidaten Müller-Schöneberg, welches mit der Dienstentlassung desselben endete,bildet ein dieser Tage zum vorläufigen Abschluß gekommenesDisziplinarverfahren gegen den freisinnigen Gemeinde- SchöffenEmil L i e b i n g in Reinickendorf. Der seit über 10 Jahre i»der Gemeindevertretung thätige Mann, dessen Wohlthätigkeit inder Gemeinde allgemein bekannt ist, stand an der Spitze derOpposition gegen den Amtsvorsteher Wille und hat, als dieWahlzeit des letzteren zur Neige ging und die Neuwahl zur Dis-kussion stand, gegen die Amtsführung des Herrn Wilke eine Reiheschwerer Vorwürfe erhoben. Er ist deshalb s.Z. vom Landgericht IIzu einer Geldstrafe von mehreren hundert Mark verurtheilt wordenund das Reichsgericht hat die dagegen eingelegte Revision ver-worfen, obwohl der Reichsanwalt selbst aus prozessualenGründen die Aufhebung des ersten Urtheils beantragt hatte.Demnächst ging Liebing gegen den Amtsvorsteher Wilke mit einerStrafanzeige wegen Verletzung seiner Eidespflicht vor und gabeine Reihe von Zeugen an, die im Vorverfahren thetlweise auchgehört worden sind. Die Strafanzeige halte aber keinen Erfolgund auch im Beschwerdewege richtete Liebing nichts aus. Nunwurde gegen diesen das auf Dienstentlassung gerichteteDisziplinar-Verfahren von dem Kreisausschuffe des KreisesNieder- Barnim eröffnet, indem ihm vorgeworfen wurde,daß er durch sein ganzes Vorgehen gegen den Amts-Vorsteher die Würde seines Amtes gröblich verletzt habe.Der Angeklagte wurde hierbei vom Justtzrath Munckel unddem Rechtsanwalt Dr. Flatau vertheidigt und diese stelltenin ihren umfangreichen Vertheidigungsreden, in denen sie auchGelegenheit nahmen, das gegen den Kanzler Leist ergangene Er-kenutniß der Disziplinarkammer heranzuziehen, ganz substantiirteund motivirte Beweisanlräge für die Richtigkeit der von demAngeklagten erhobenen Beschuldigungen. Der Kreisausschuß hatdiese Beweisanträge abgelehnt und sofort auf Dienst-entlassung des Herrn Liebing erkannt, weil derselbe durchsein Verhalten der öffentlichen Achtung, des Ansehens und Ver-trauens verlustig gegangen sei.— Ebenso wie Herr Müller-Schöneberg hat auch Herr Liebing die Berufung beim Oberver-waltungsgericht eingelegt.erfüllt. Jeder Käsehändler unter ihnen hüpft vor Wollustauf einem Beine und jubelt: Wir haben ihn, wirhaben ihn, wir haben den Grandseigneur! Von Notizen undNotizchen wimmelt es in der Bourgeoispresse und sie alle liefenaus eine Huldigung für den Grandseigneur hera"s. Das hoch-verstiegene Adelsbewußtsein derer von Hohenlohe lieb angeblichden jetzigen Reichskanzler einmal einem Wittelsbacher Prinzenentgegnen: Was Sie sind, bin ich schon lange. Dieses höchstwichtige Vorkommniß erfüllt jede schlottrige Unterthanenseele mitandächtigem Erstaunen, und als gar bekannt wurde, daß in grauenZeiten einmal ein Graf Württemberg einer Komtesse Hohenlohedie Schleppe nachgetragen habe, da waren die lieben Leutchenvollends um den winzigen Rest ihres Verstandes gekommen undsie erschauerten in unbändiger Ehrfurcht vor solcher Grand-seignerschast.Es ist erstaunlich und reizt zu satirischem Hohngelächter, wiedieselben Männer, die in Knechtseligkeit erstarrt find, zugleichheuchlerisch vor den Bildern der Befreier in den geistigenKämpfen der Menschheit niederknieen können, immer voraus-gesetzt, daß zwischen ihnen und da Gcifteskämpen ein Jahrhundert und mehr dazwischen liegt. Dieselben Helden, die ausder„National-Zeitung" und verwandten Organen ihre süßen Er-quickungen über den Grandseigneur Hohenlohe zogen, werden inwenigen Tagen im Andenken an den großen Voltaire schwelgen, deram LI. November 1694 zu Paris geboren ward. Die servilstenAnbeter der Autorität werden sich berauschen an den Jubelartikelnzu Ebren.ines Mannes, der in stachligem Spott sowohl, wie inaufrührerisch-zornigem Patdos morsche Götzen niederschmetternhalf und der Grandseigneurschaft mit seinem scharren Verstandund seiner bitteren Laune die tödlichsten Hiebe versetzte.Es steckte in Voltaire eine echte Publizistennatur im größter.Stil; voll von beweglichem, unruhigem Geist, in der gährende»Epocke des IS. Jahrhunderts ewig angeregt und biszur Verschwendung, wie sie sich nur ein Grandseigneurvon Genies Gnaden erlauben darf, zu Anregungen bereit. Dazuunterlag er dem Zwang, der alle aufrüttelnden Kampfgeister be-herrscht, dem Zwang zur Mittheilsamkeit. Menschen seinesSchlages darf man nicht nach Philistermoral messen, und nichtmit starrer, einseitiger Pathetik untersuchen. Sie sind zu kom-plizirt in ihrem Wesen. Sie unterdrücken keine Bosheit, die siejemandem anhängen können, der eine ihrer Schwächen verletztbat, sie unterdrücken aber auch keinen zornigen Ausschrei, wennRecht in Unrecht verwandelt wird, und sie unterdrückenden bösesten Hohn nicht und reißen mit unerschrockenerHand den Lorbeer von den Stirnen falscher Heiliger. Friedrichden Zweiten von Preußen hatte der ewig regsame EspritVoltaire's mächtig gefesselt, aber seinem schroffen Absolutismuswar der große Skeptiker bald innerlich ein Greuel. Friedrichder Zweite witterte den unheiligen Satan in Voltaire und dieBeiden mußten nothwendig in Unfrieden scheiden; und als derMann, der zu schöngeistiger Zier am preußischen Hofe zu reichEin zweinnddreißigfacher Sünder sollte Herr Hos»p r e d i gZe r a. D. S t ö ck e r nach der Anklage sein, wegen derer sich gestern vor der 143. Abtheilung des Schöffengerichts zuverantworten hatte. In 32 Fällen war ihm nämlich eine Ueber-tretung des Kranken-Versicherungsgesetzes zur Last gelegt worden.In dem der Berliner Stadtmission gehörigen Hospiz am Gen-darmenmarkt ist eine Anzahl Leute bedienstet gewesen, deren An-Meldung zur Krankenkasse der Gastwirthe und verwandter Ge-werbe nicht innerhalb der vorgeschriebenen Zeit vondrei Tagen bewirkt worden ist. Der Angeschuldigte.erklärte, daß nicht er. sondern der von der Mission eingesetzteDirektor Hartmann verantwortlich sei. Es sei demselben aus-drücklich die Verpflichtung der An- und Abmeldung des Personalszur Orts-Krankenkasse übertragen worden. Somit sei nicht derVorsteher der Mission, sondern der Direktor Hartmann alsArbeitgeber anzusehen. Da diese Angaben durch den ZeugenHartmann bestätigt wurden, und der Vorsitzende feststellte, daßes nach Z 82a, des Krankenversicherungs-Gesetzes gestattet sei, dieVerantwortlichkeit in betreff der Versicherung einer anderenPerson zu übertragen, so wurde der Angeschuldigte freigesprochen.Vor dem Rixdorfer Schöffengericht hatten sich am Frei-tag der Zigarrenmacher Carl Friedrich F r e e s e und der MaurerWilhelm Krüger wegen gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchszu verantworten. Der Anklage lag folgender Sachverhalt zuGrunde: Am Abend des 26. Mai d. I. kamen die Angeklagtenin die Restauration von Carl Kramer am Richardplatz und be-stellten eine große Weiße, die ihnen auch verabfolgt wurde.Bald darauf trat Freese an das Büffet und frug den Wirth inhöflicher Weise, welches Bier er ausschänke, wobei er sich gleichzeitigals Bierkontrolleur der Arbeiterpartei vorgestellt haben soll.Kramer erwiderte, er frage ja auch nicht, wo der Fragestellerarbeite, und im übrigen habe er keine Lust, sich darüber Vor-schriften machen zu lassen, woher er sein Bier beziehe. Inseinem Lokal verkehrten keine Arbeiter und daher solle auchFreese dasselbe schleunigst verlassen. Als dieser darauf ruhigerwiderte, er werbe doch seine Weiße austrinken können, eilteKrause an den Tisch, wo Krüger saß, ergriff die Weiße und goß sievor der Thür aus, wobei er bemerkte:„Die Weiße bleibt dort, woSie bleiben!" Bevor sich Freese von seinem Erstaunen über diese!eigenartige Handlung des Wirths erHoll hatte, forderte dieserihn wiederholt auf, sich zu entfernen. Krüger wollte gegen dieseBehandlung seines Genossen protestiren, ehe ur aber aussprechenkonnte, wären Beide von einer Anzahl Gästen umringt undwurden von denselben auf die Straße gestoßen, wo sie aufsgröblichste mißhandelt wurden. Erst mit Hilfe eines Nacht-Wächters konnte Krüger seinen noch im Lokal befindlichen Huterhalten. Das Ende vom Lied war die obige Anklage.Der Gerichtshof sprach beide Angeklagte kostenlos frei.In der Urtheilsbegründung führte der Vorsitzende, Amtsgerichts-rath N i e m i r aus, daß Krüger überhaupt nicht zum Verlassendes Lokals aufgefordert worden sei, aber auch Freese keine Ver-anlassung gehabt habe, das Lokal sofort zu verlassen, da er durchVerabfolgung der Weiße auch das Recht erlangt hatte, dieselbezu verzehren. Eine Aufforderung zum sofortigen Entfernen wärenur dann berechtigt gewesen, wenn die Gäste sich ungebührlichbenommen hätten, was hier keineswegs der Fall war.— Jeden-falls wird kein Arbeiter diesen famosen Wirth jemals wieder„belästigen".DvivfkaKen Vvv Nedaktton.2 Halsstarrige. Eine„deutsche" Sparkasse giebt e? nicht:Sparkassen werden von einzelnen Gemeinden oder Kreisen er-richtet und zahlen im allgemeinen 3 pCt. Zinsen.I. M. alter Abonnent. Ohne Einsicht deS Erbregressesunmöglich zu beantworten.H. L. Ja.angelegt war, von Friedrich schied, da warf der König demDenker und Schriftsteller die Bemerkung nach: Ein stolzes Talentund ein so niedriger Charakter. Und seit jener Zeil ging es inalle deutschthümelnden Schulbücher und auf alle deutschlhümelndenMagister über: Voltaire war trotz allem ein hämischer fran-zösischer Affe. Dabei blieb es für die Schulweisheit bis aufunsere Tage. Wie sollte es auch anders kommen unter einemGeschlecht, das, soweit es Gewalt und geistigen Einfluß übenkann, nicht blas vor dem Grandseigneur sich platt aus den Bauchwirft, sondern jeden Lieutenant wie einen heiligen Schirmherrnder Ordnung anbetet? Wo jede Resvektwidrtgkeit gegen ge-weihte Einrichtungen, insbesondere gegen die militaristischenmit grausamen Strafen geahndet wird, da werden die Spötterund Ankläger gerne zu frivolen Hunden gestempelt.Immer wieder ertönt das einförmige Geschrei: Aufrecht-erhaltung des Respektes und selbst, wenn sich grauenhafte Symp-tome unhaltbarer Zustände offenbarten: Der Respekt auch vorihnen soll gewaltsam gewahrt bleiben. Nicht selten liest manin Berliner Gerichtsverhandlungen, wie das sog. Züchtigungsrechtder Dienstherrschaft, nach dem Sinne aller Reaktionäre, ein erfreulich-patriarchalischerTleberrest aus guten altenTagen, zuMißhandlungenarmer Dienstboten verleitet. Erst kürzlich wurde eine FrauSaling in Berlin wegen solcher Mißhandlung verurtheilt; aberals starke Milderungsgründe wurden ihre erregbare Nervositätund ihre Heftigkeit geltend gemacht. Darin aber liegt geradedas Verkehrte. Mit dem Züchtigungsrecht, dem barbarischenUeberbleibsel, verführt man so leicht jede rohe Willkür oder jedeskrankhafte Temperament zur Mißhandlung und Entartung. Derbrutale Charakter, der sein Recht zu üben glaubt, wird bald vorBestialitäten nicht zurückschrecken, wie sie in ungeheuerlichem Maßeder Ersurter Prozeß Gerlach eben enthüllte. Man denke!Entsetzliche Mißhandlungen werden wochenlang fortgesetzt. Ober-förster Gerlach sieht im Geldsack seiner entmenschten Frau eineArt von höherer Macht. Das Heirathsgut schafft ihr bei demDutzendmenschen einen unsinnigen Respekt, den sie durch dieMacht seelischer Brutalität zu erhalten weiß. Das Angstgeschreider Gequälren dringt aus die Straße. Zeugen vernehmen es.Sie melden nichts. Es wird eben das Züchtigungsrecht angewandt;und sei es auch grausam geübt, die Leute sind abgestumpft. Hätteman Hunde auf freiem Felde so bestialisch geprügelt, wiedas unselige Dienstmädchen von Frau Gerlach auf dem Kartoffel-acker getreten wurde, irgend wer vom Thierschutzverein hätteein Lamento erhoben. Aber so! Frau Gerlach wagt aufoffenem Feld eine unglaubliche Mißhandlung, so sicher arbeitetdie Bestie in ihr, kraft des infamen, niederträchtigenZüchtigungsrechtes; und die Zuschauer? Je nun, die Gerlach hatidr Recht geübt, freilich vielleicht zu derb. Das ist alles! Di«Gerlach ist streng bestraft. Der Widersinn aber, jeglicher Rohheitein Recht über die Dienstleute, die doch als Vertragsberechtigt«ihren Vertrag schließen, jedem kranken Temperament die Machtüber die Gesunden zu belassen, bleibt besteheu. �.Ipsta.