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Nr. 271.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Biertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags: Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreiche Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1894 unter Nr. 6919.

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11. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzetle oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse:

Bozialdemokrat Berlin  !

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2. Dienstag, den 20. November 1894. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Arbeiter! Parteigenossen! Trinkt hein boykottirtes Bier!

Attentat

auf das allgemeine Wahlrecht.

Paris  , 16. November. 1894.

"

Das allgemeine Wahlrecht, das die Legitimisten in Frankreich   nach der Revolution von 1830 zuerst forderten, beginnt jetzt den Kapitalisten aller politischen Parteien furchtbar zu werden. Die Agentur Havas  " berichtet uns, daß Eure monarchistische Regierung in Deutschland   mit dem Gedanken umgeht, es auf ein unschädliches Maß zu beschränken; die Bourgeois unserer dritten Republik machen den Versuch, es zu verstümmeln.

Mitglied des Generalraths der Rhonemündungen das Miß­fallen der Regierung erregt hatte. Das Ministerium fürchtete von der Kammer getadelt zu werden, deshalb hatte es lange Erklärungen vorbereitet, um sein Verfahren zu entschuldigen; doch wie groß war das Erstaunen der Minister: sowohl die Rechte als auch die Linke klatschte ihnen Beifall.

halb ihres geschäftlichen Wirkungskreises absolut frei seien und das Recht hätten, die politische Freiheit ihrer An­gestellten zu unterdrücken. Alle anderen Eisenbahngesellschaften haben seitdem das Beispiel der Orleansgesellschaft befolgt. Nach den Eisenbahngesellschaften tamen die Bergwerks­gesellschaften, die alle Arbeiter fortjagen, welche so kühn sind, sich zu Gemeinderäthen wählen zu lassen. Wie man Deputirte, die nicht zu den Bedienten gehören, gaben dem sich erinnern wird, hatte der berühmte Streif von Carmaux Ministerium ihre Billigung; und ein Radikaler, der Handels- den Zweck, die Bergwerksgesellschaft zur Wieder minister gewesen ist, HerrTerrier, erklärte: ,, Die Funktionen eines anftellung Calvignac's zu veranlassen, den sie fort­Gewählten und eines besoldeten Staatsbeamten seien nicht gejagt hatte, weil er zum Maire gewählt worden war. verträglich." Mitglieder der Rechten und der äußersten Die Kapitalisten möchten allen in Lohn und Sold Stehenden, Linken bestiegen die Rednerbühne, um denselben Grundsatz d. h. allen, die ein Salaire  " in Gestalt von Lohn oder Bu allen Zeiten hat man sich diesseits der Vogesen des zu vertreten. Statt das Ministerium zu tadeln, nahm die einer Besoldung erhalten, die Annahme und Ausübung jedes allgemeinen Wahlrechts zu Protesten gegen die herrschende Kammer einen Beschluß an, welcher dem Ministerium auf- Wahlamts verbieten, und auf diese Weise ein beschränktes Regierung bedient: unter Napoleon III.   wählte man re- giebt, ein Gesetz über die Häufung der Wahlfunktionen und Wahlrecht errichten, das in ihre Hände allein die öffent­publikanische Abgeordnete, um die kaiserliche Regierung zu der Funktionen besoldeter Staatsbeamten einzubringen. lichen Gewalten legen würde. Man sieht, wie genau die ärgern, und heute wählt man Sozialisten, um das Die kapitalistischen Abgeordneten verlangen, daß die anarchistischen Augriffe auf das allgemeine Stimm­Ministerium zu ohrfeigen. Die Wahl Lafargue's drei oder vierhunderttausend Staatsbeamten außer recht den geheimen und inbrünstigsten Wünschen der in Lille   1891 begann diese neue Reihe von Abgeordneten, halb des allgemeinen Stimmrechts gestellt werden Kapitalisten entsprechen. die fortgesetzt wurde durch die Wahl von Thiery- Caze in dem sollen. Das Gesetz wird schwer zu redigiren sein, und Tarn- Departement, von Carnaud in Marseille  , und die sich es wird sich mancherlei ereignen, ehe es bewilligt ist- fortsetzen wird durch die Wahl von Gérault- Richard   in zumal unter einem Ministerium, dessen Chef, Herr Dupuy, Paris, der soeben zu einem Jahre Gefängniß verurtheilt

Zur Diskussion

Gallus  ,

felber Profeffor war, als er zum Deputirten gewählt wurde, über den Frankfurter   Parteitag.

wurde, weil er von Cafimir Perier und dessen habgierigen ähnlich wie viele andere Mitglieder der Kammer, des Ahnen unehrerbietig gedacht und gesprochen hatte. Die Senats und anderer Wahlkörper. Es wäre etwas zu stark, Regierung weiß, was ihrer wartet; sie braucht nur einen wenn dieses Ministerium und die Kammer erklären wollten, Sozialisten anzurühren, um sofort die Wähler auf denselben daß alle Lehrer der Universität und alle Mitglieder der aufmerksam zu machen, die ihn schleunigst in das Palais Akademien, gleich den wegen ehrloser Verbrechen Bestraften, Bourbon senden, neben die Minister, die ihn ins Gefängniß ihrer politischen Rechte zu berauben sind. haben schicken wollen.

Diese Art des allgemeinen Stimmrechts, die Irrthümer der jederzeitigen Minister wieder gut zu machen, wird den herrschenden Klaffen lästig.

Die Fränkische Tagespost", das Organ des Genossen Grillenberger, enthält die folgenden Ausführungen zur

Rede Bebel's:

gehalten, wobei ihm wieder einmal der Gaul durchgegangen" In einer Berliner   Parteiversammlung hat Bebel eine Rede ist, wie ihm dies öfters passirt, wenn etwas nicht nach seinem Aber alles ist möglich. Die Majorität hat mit ihrer Tages- Kopfe geht. Bebel hat auf dem Frankfurter   Parteitag infolge ordnung den glühenden Wunsch offenbart, ein Attentat auf das feines Gigensinns, wenn auch nur indirekt, eine unzweifelhafte allgemeine Stimmrecht zu begehen, das ihre Klassenherrschaft be- Niederlage erlitten, wobei ihm allerdings der ganze Partei­droht. Vor etwa zehn Jahren erließ die Gesellschaft der Orleans  - vorstand Gesellschaft geleistet hat. Sich darüber zu ärgern, ist Aber das allgemeine Stimmrecht hat noch andere Un- Eisenbahn in ihren Bureaus einen Utas, der allen ihren sein gutes Recht; nicht sein Recht ist aber, sich über Partei­annehmlichkeiten. Jüngst nahm sich der Generalrath des Beamten, die Gemeinde- und Stadträthe waren oder irgend es in jener Versammlung thatsächlich gethan. In erster Linie beschlüsse hinwegzusetzen und dieselben herunterzureißen, irie er Departements der Rhonemündungen, der ein Wahltörper ein anderes Wahlamt hatten, anbefahl, die betreffenden richtet sich sein 3orn ja gegen die Abstimmung in der sogenannten ist, heraus, das Ministerium zu tadeln, weil es das Ver- Aemter niederzulegen, oder auf ihre Anstellung durch die bayerischen Angelegenheit". Er ist aber nicht damit zufrieden, dem brechergesez gegen die Anarchisten beantragt und von der Eisenbahn- Gesellschaft zu verzichten. Die Sache machte diesbezüglichen Beschluß des Parteitages in der für die bayerischen Bedienten- Majorität hatte annehmen lassen: drei Angehörige damals großes Aufsehen; sie kam im Parlament zur Sprache Parteigenossen, die er kurzweg" Spießbürger" nennt, denkbar ver­dieses Generalraths waren Regierungsbeamte, einer ein Richter und Clemenceau   fragte die Regierung, ob sie einer privaten legendsten Weise zu opponiren, sondern er spricht von einer Po­und zwei: Professoren an der Universität. Der Minister, Handelsgesellschaft erlauben könne, die Befehle des allgemeinen litit der Verwässerung und des Opportunismus, welche durch die voller Wuth, daß seine eigenen Beamten ihn kritisirten, ließ Wahlrechts zu verletzen, indem sie Angestellte, die von ihren füddeutsche( also nicht blos bayerische) Strömung" in die Partei fie abſegen. Mitbürgern zu einem Amte gewählt sind, zwinge, dieses getragen werde. Ueber diese Redensart etwas anderes ist es Die Angelegenheit dieser Beamten wurde gestern von Amt niederzulegen. Man antwortete ihm, die Freiheit den berufensten Brinzipienwächter, wobei es ihm allerdings regen wir uns nicht auf. Bebel hält sich einmal für dem Sozialisten Carnaud vor die Kammer gebracht, der des Handels und der Industrie erheische, daß manchmal passirt, daß er seine eigenen, mitunter sehr rasch gleichfalls ein abgesetzter Lehrer ist, abgesetzt, weil er als jeder Arbeitgeber und jede Handelsgesellschaft inner- wechselnden, einer oft geradezu verblüffenden Mauferung" unter­

Feuilleton.

Im Exil.

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Habe ich Ihnen weh gethan, sagte René, der, wie von einem plöglichen Stoß emporgeſchnellt war. O nein! antwortete fie, und erröthete noch mehr, während René fühlte, daß er, von ihrer Verwirrung ange: steckt, auch roth wurde.

nicht

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Hierauf folgte eine dringende Einladung, irgend ein Kapitel der heiligen Schrift nachzulesen.

Als er an einem Stift für junge Mädchen vorüber­ging, war er überrascht, von einem Chor heller Stimmen die Marseillaise   singen zu hören. Lebhaft interessirt war er näher getreten, so daß er auch die Worte verstehen konnte: Es ist ein schönes Land,

Darin der Kampflärm schweigt; Es ist das süße Kanaan, Das uns die Liebe zeigt.

"

ev

etwas zu erhöhen; eine ganz neue Arbeit für ihn, die er immer gewissenhaft erledigen wollte; die unaufhörliche Anstrengung, die es ihn kostete, seinen Geist von den wissen­[ Nachdruck verboten.] schaftlichen Studien, an die er bisher gewöhnt war, auf das Begriffsvermögen seiner Schulkinder herabzuschrauben das alles war gerade genug, das war beinahe zuviel, Roman von Georges Renard  . Autorisirte Ueberseßung jedenfalls zuviel, als daß ihm noch Muße zum Nachdenken von Marie Kunert  . oder gar zu Langeweile geblieben wäre. Er lebte in einem wahren Wirbel voil Arbeiten, die seine Kräfte, seine Gedanken ganz und gar in Anspruch Als er eines Tages in einem Band Daudet   blätterte, nahmen. Alles, was er außerdem thun konnte, war, den er sich aus einer Bibliothek geholt hatte, fand er, daß das Terrain zu rekognosziren, auf dem er fortan wandeln den er sich aus einer Bibliothek geholt hatte, fand er, daß sollte. Er versuchte, sich mit dem waadtländischen Leben, alle Worte wie" Teufel!" meiner Tren!" ich schwöre.... Er war ärgerlich auf sich selbst wegen dieser Ver- in das er so plöglich hinein geschleudert worden war, ver- mit Bleistift durchstrichen waren, und auf dem Titelblatte Romans von Oftave Feuillet entdeckte wirrung, die ihm lächerlich erschien. Glücklicherweise hatte traut zu machen. Er war in diesem Lande ein Fremder in eines Niemand Zeit, sich darum zu bekümmern. Alle riefen aber des Wortes vollster Bedeutung und bemühte sich nun, das folgende anonyme Kritik irgend eines Lesers: Da, 100 der Geist Gottes fehlt, ist alles 1111= Fräulein Rosa Kranz zu: Aufgepaßt! Chaos der ersten verwirrenden Eindrücke zu lichten. Ein Winzer that so, als Als ein echtes Kind der gottlosesten Stadt der Welt vollkommen und verkehrt!" Auf dem Bahnhofe stießen wollte er er sie ver folgen. In dem Augenblick, wo sie sich, ohne großen hatte er schon seit langem den letzten Rest seines katholischen seine Blicke neben den herkömmlichen Plakat mit der drei­Widerstand zu leisten, fangen ließ, schob man ihr den Glaubens verloren. Nun war er überrascht, als er ent- sprachigen Inschrift vor Taschendieben wird gewarnt!" tleinen Henri in die Arme. Sie erschrat darüber so deckte, welchen riesigen Platz die Religion in diesem pro- auf einen großen Anschlagzettel, auf dem geschrieben stand: Also hat Gott   die Welt geliebt, daß er seinen ein­sehr, daß sie ihn mit einer unwiderstehlichen Bewegung testantischen Lande einnahm. des Mergers zurückstieß, über die sogar Jules de Marnand Am Sonntag war er zur Zeit des Gottesdienstes geborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, lachen mußte. melancholisch in den schweigenden, einsamen, fast todten nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben." Er war schließlich neugierig, wo diese Leidenschaft, für Das ist mir gleich, dachte sie, aber dieser Herr Messant Straßen der Stadt umhergeirrt, in der die feſtgeschlossenen die Erbauung von Leuten seines Schlages zu sorgen, wohl 1st für einen Franzosen gerade nicht sehr galaut. Wie Häuser aussahen, als nähmen sie Anstoß an seinem plan­tann er sich mit einem solchen Rinde abgeben! losen Umherstreifen und dem klang seiner Schritte. Auf aufhören werde. Auf einem Kissen in seinem Zimmer ent­In diesem Augenblick war sie nahe daran, den Worten den Geländer des Quais hatte er einen kleinen, gelben deckte er die Worte: Traue auf den Herrn. Seine Hilfe wird Dir niemals an glauben, die sie wenige Tage zuvor von einem Deutschen Bettel entdeckt, der von vier großen Steinen beschwert, da gehört hatte, der behauptete, daß Frankreich   entschieden nicht lag. Er las: Ein Knallbonbon, den er am Ende eines Soupers mehr auf der Höhe der Kultur und Zivilisation stehe. Habt Acht! Jrret Euch nicht: Gott läßt seiner nicht spotten. Mas öffnete, überraschte ihn mit den: Spruche: der Mensch sät, das wird er ernten.

IV.

René hatte sich in seiner neuen Existenz bereits zurecht gefunden. Sechs bis sieben Unterrichtsstunden täglich mit den Privatstunden, die er gab, um sein färgliches Gehalt

Und dies wird

mangeln."

Gott   selbst hat es uns ins Herz geschrieben, daß wir bald geschehen, wenn der Herr vom Himmel herabkommt, ihn lieben und anbeten sollen." mit den Engeln seiner Macht und inmitten von Feuer­flammen!...

Bei einer Abendgesellschaft, die an einem Sonnabend stattfand, ließ der Herr des Hauses, nachdem es Mitternacht