Hr. 453 ♦ 36. Jahrgang
2. 6dlage öes Vorwärts
Sotmtag, 25. September 1427
Der Kampf öer Automobile. 140 Kilometer in 04 Minuten.
Frühherbstlicher Festtag im Grunewald , Autorennen mit Volks- vergnügen, sozusagen erster Güte und offiziell, weil 1400 Mann der Schupo dabei mithelfen. Die Grünen haben die besten Plätze und zahlen nicht, wie unsere Amcrikanergäste, 4000 M. für den Tribünen- fitz. Aber man soll nicht neidisch sein und den 1400 das Vergnügen gönnen. Das große Publikum, das sich eingefunden hatte, war es auch nicht und bediente sich der Uniformierten zu kleinen, gern ge- leisteten Diensten, als da sind: über eine Barriere steigen, einen Stuhl öder sonst einen Sitzplatz ausfindig machen. Auf jeden Fall ent- wickelten sich die Dinge in glatter Ordnung und es kam weder zu dem gefurchtsten Massencnsturm, noch wurden sonst die zarten Herbst- blumen des Grunewalds allzu rücksichtslos zertreten. Die Zufahrtsstraßen und die Verkehrsmittel funktionierten aufs beste. Die lange Reihe der Automobile, die sich über den Kaifepdamm fast endlos heranwälzte, fand ihr Ziel auf dem vorgesehenen Wagcnplatz zur Seite der N o r d s ch l e i f e. Die große Masse der Besucher kam weniger strapaziös in durchaus nicht über- füllten Eisenbahnkupees und Straßenbahnen richtig auf ihren Plätzen an. Die Lücken, die sich am Vormittag sowohl auf den Waldplätzen wie auch auf einzelnen Tribünen und sonstigen festgelegten Steh- platzen noch gezeigt hatten, wurden jedoch angefüllt, als am Nach- mittag der größere Zustrom einsetzte. Die bevorzugtesten Plätze hatten tüchtige Baumkletterer, die sich in den Wipfeln einiger hoher Kiefern und Birken häuslich einrichteten, die nur den Regen fürchte- ten, der einzig imstande war, sie zeitweise zu vertreiben. Die da oben sahen die zu beiden Seiten bunt plakatierten Bänder der riesigen Bahn in voller Länge sich abrollen, und wenn es auch nicht aus- reichte, um von einem Cfnbe bis zum anderen blicken zu können, so genügte es doch, die hastenden Vehikel weit verfolgen zu können. Dann kam es paarweise angetobt, metallglänzend, grün, blau, rot und gestreift. Es riß sich los vom Startplatz, setzte scheinbar gleich mit der größten Geschwindigkeit ein und tobte an den Köpfen entlang, die kaum Zeit hatten, sich umzusehen. Denn der nächste Wagen mar bereits im Anzüge und ratternd vorübergehuscht. Alles krachte und donnerte, die Räder sprangen über den glatten Bodens fraßen das Band der Straße, wie es sich endlos dehnte, immer tiefer in sich hinein und waren in etwa 10 Minuten mit einer Runde von zwanzig Kilometern gesättigt. Der Mann am Steuer zeigte seinen Kops ein ganz klein wenig aus der schützenden Karosserie, der andere war ganz in ihr versunken, um der Luft möglichst keinen Widerstand zu bieten. Zuweilen, wenn ein Konkurrent sich gefahrdrohend näherte, zuckte der Motor wie erschreckt zusammen, heulte auf ohrenbetäubend und von neuem sprang der Wagen ein Stück vorwärts. Und wie es vorbeidonnerte, in kurzen Abständen, ließ sich an einigen Plätzen zu- weilen das leichte Versagen der Maschine oernehmen. Hier war irgend etwas heiß gelaufen, hier hatte das Metall nicht genügt, hier war es zu spröde, hier zu weich, hier klapperte ein Ventil. Der Motor bekam Asthma. Man ritz ihn zusammen, gab ihm neue Kraft, aber es half nichts. Langsam schlitterte das Gefährt aus der Reihe. Das andere aber, das hinter ihm war, beobachtete scharf den versagenden Gefährten und stürmte vorüber. Noch schlugen in ihm die Kolben, noch klappten die Ventile, noch drehten sich die Räder glatt. Aber ob er es aushalten würde, ob nicht irgendein winziger Fehler ihm das gleiche Schicksal bereiten würde? Sieben Runden: 140 Kilometer, das war endlos für den Fahrer, der wohl seine Maschine kannte, aber nicht wußte, ob sie der unerhörten Beanspruchung im Sturmes- tempo standhalten würde. Was waren die Stadtbahnzüge für lang- same Kutschen, die auf den parallel laufenden Gleisen nach Nikolassee geradezu zur Konkurrenz aufgefordert wurden. Wie schwer kamen sie vom Fleck, sa schienen beinahe stille zu stehen, wenn solch eine bunte Granate auf Rädern vorbeiwirbelte. Aber der eine hatte es in sich, dieser rote Opelwagen. Als Vier- zehnter wurde er abgelösten, d. h. im siebenten Paar. Aber gleich wie er das erstemal vorüberhuschte, wie seine Räder dem Teerboden schmeichelten, wußte man, daß dieser von einer anderen Rasse war. Es pochte nicht lauter in ihm, aber gleichmäßiger. Er riß sich durch
und ging dröhnend über die Kurven, überholte alles und war noch wenigen Runden an der Spitze Da blieb er und niemand konnte ihm den Platz mehr streitig machen. Schließlich Ehrenrunde an den Tribünen vorbei, Händeklatschen und ein Kranz. Dann die anderen Rennen, die Straße hielt tapfer aus. Die Zuschauer auch. �tm Nachmittag sollten je zwei Benz- und Wandcrcrwagen in sechs Runden 120 Kilo- meter durchjagen. Ein Benzwagen fiel sofort aus, die anderen drei aber hetzten sich gemeinsam in einer Runde ab. Die zweite Runde sah nur zwei Wagen, und schließlich kehrte nur noch einer von ihnen mit asthmatischem Motor zurück. Unwillkürlich fällt einem das Lied von den Negerlein ein, von denen immer einer in jeder folgenden Strophe verlorengeht.— Die Wagen hatten völlig versagt.— Dann um 2 Uhr 20 Minuten ein Trompetenstoß: und zwei Aluminium-Ungetüme jagten mit lautem Motortakt los. Im Ab- stände von je 45 Sekunden folgten noch vier weitere Wagenpaare. Die beiden Opelwagen starteten nicht mehr. Der Ruhm des ersten Rennens genügte der Firma wabrscheinlich. Von Runde zü Runde holte der von Hörner gesteuerte Benzwagen Zeit auf und ging als schneidiger Sieger durchs Ziel. Er hatte 160 Kilometer in 79 Mi- nuten 57 Sekunden durcheilt und somit eine Durchschnittsgeschwindig- keit von 120 Kilometer erreicht. Ein anderer Benzwagen fiel jedoch schon nach der ersten Runde aus. Wegen mannigfacher Defekte fielen von der vierten Runde ab eine Anzahl Wagen aus, und schließlich wurde der Kampf noch zwischen den beiden Horchwagen und dem Erhardtwagen bestritten, die weit hinter dem siegreichen Benzwagen folgten. Gegen Ende dieses Rennens fetzten Regenschauer ein, die viele Besucher zum Verlosten der Tribünen und Stehplätze veranlaßten und auch den Güsten auf den Bäumen wurde so ungemütlich, daß sie ihre luftigen Sitze verließen. Nur ein Reklameflugzeug, das während der ganzen Veranstaltung fleißig Runden flog, ließ sich durch nichts beirren und knatterte über die Köpfe der Tausenden, die hier zu- sammengekommen waren, siegreich dahin. Die gestrigen- Resultate. Der Zweck der Rennen Ist eine internationale Prü- fung zweisitziger Kraftwagen, deren Motoren 6, 8 und 10 LS nicht überschreiten. Die Resultat« waren gestern: 1. Renneu: 1. Opel(Fritz v. Opel jr.)... 2. Neckarsulm (Georg Klöble) 3. Heim(Franz Heim).... 4. Fafn i r(W. Uren)... 5. S e l v«(E. Lehmann).... Der Sieger Opel erzielte eine Durchschnittsgeschwin- di g ke i t von 128 Kilometern. 2. Rennen: Vorzeitiger Abbruch, da sämtlich« gemeldeten 4 Wagen(2 Benz, 2 Wanderer) Defekte erlitten und auf der Strecke liegen bleiben mußten. Z. Rennen: 1. Benz(Hoerner)....... 2. Horch(Baier)........ 3. Horch(Ender»)....... 4. ErHardt(Friedrich)..... 5. Steiger(Koch)....... Bei den zum Schluß folgenden Rekordversuchen starteten ein 40/150 LS Opel, zwei 18/45«r Adler, ein 27/56 LS Benz und ein großer 82/200 LS Venz. Da am heutigen Sonntag die Rekord- versuche noch einmal unternommen werden, und dann die Ergebnisse der beiden Tage ausgewertet werden, läßt sich über das Resultat der gestrigen Versuche noch nichts Genaues sagen.
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Die am 9er!mer iValö. Die köllnische, könlgsheide und der«Irrgarten" bei Altglienicke der Axt verfallen. Bon zuverläffiger Seite erhalten wir den folgenden Bericht, aus dem sich eine derart große Gefahr für den Groß-Berliner Dauer- wald ergibt, daß die in Betracht kommenden Behörden für
schnelle Klarstellung werden sorgen müssen. Unser Gewährsmann schreibt: Als im vergangenen Jahre die Gemeinde Adlershof einen energischen Protest gegen Sie Waldverwüstungen in den Gemeinden Baumschulenweg , Johannisthal , Riederschöneweide und Adlershof erhob, wo in den letzten beiden Jahren Hunderte von Morgen Wald- bestand der Axt zum Opfer gefallen waren, hoffte man in den ge- nannten Ortschaften, daß damit weiteren Woldoerwüstungen end- gültig ein Paroli geboten worden fei. Weit gefehltl Wie wir er- fahren, sollen im kommenden Winter wiederum Hunderte von Morgen Wald längs der Görlitzer Vorortbahn abgeholzt werden. In der Köllnischen und Königsheide sind bereits 80 Proz. der dort stehenden Kiefern angeschalt, die diesen Winter geschlagen werden sollen. Der Wald rechts der Görlitzer Bahn zwischen Adlcrshof, Altglienicke und Grünau, der sogenannte»Irrgarten", soll sogar mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. Schon jetzt wird für die geplante Ab- Holzung Baum für Baum abgemesten. Der„Irrgarten" wird, wie es heißt, In kurzem in den Besitz der „Gesellschaft Märkischer Heimstätten" übergehen, die dort Siedlungs- gelände schaffen will. Dabei sind zwischen Baumschulenweg und Adlcrshof bereits Hunderte von Morgen Ocdland für Siedlungszwecke durch den Wald schlag der letzten Iahrevorhanden. Man wundert sich daher, wie der preußische Landwirtschastsminister und die Regierung in Potsdam überhaupt eine Zustimmung zu diesen geplanten neuen Abholzungen geben konnten, handelt es sich dabei doch um Teile des berühmten Dauer- waldes, von dem der Zweckvcrband seinerzeit behauptete, daß er „auf ewig" für die erholungsbedürftige Berliner Bevölkerung er- halten bleiben wird. Sollte nicht noch rechtzeitig den geplanten neuen Waldoer- Wüstungen ein energisches Halt geboten werden, so werden die Aus- flügler nach der Oberfprce schon im nächsten Jahre, um in den Wald kommen zu wollen, bis hinter Grünau , bis nach Zeuthen oder Schmöckwitz fahren müssen, was sich kinderreiche Familien in An- bettacht der geplanten neuen Fahrpreiserhöhung wohl nicht allzu oft im Sommer werden leisten können. Es wäre daher angebracht, daß die von den geplanten neuen Waldverwüstungen am schwersten be- troffenen Ortschaften und auch da» zuständige Bezirksamt in Treptow Protest dagegen erheben, zumal, wie bereits erwähnt, die früher ab- geholzten Flächen bei Riederschöneweide und Adlershos genügend Terrain für Siedlungszwecke bieten. Fast scheint es einem aber so, als ob bei manchen Siedlungsgesellschaften das Siedeln erst an zweiter Stelle kommen soll und daß man zunächst erst einmal den aus den Abholzungen erhofften Gewinn erzielen möchte. Ver Sruöer als Dämon. Wie man zu einer milden Strafe kommt. Unterschlagungen in Höhe von 450 000 M. zum Schaden eines Hamburger Bankhauses bildeten den Mittelpunkt einer seltsamen Strafsache, die di« 3. Strafkammer des Landgerichts I beschäftigte. Angeklagt wegen Hehlerei war der Kaufmann Siegmund Schim« m e l, der aus der Untersuchungshaft vorgeiührt wurde. Der Bruder des Angeklagten, der 20jährig« Adolf Sch., hatte Ende v. I. dem Bankhause Lisser u. Rosenkranz in Hamburg , bei dem er angestellt war, zwei Scheckformulare entwendet, diese gefälscht und dann hier in Berlin die Summe von 450 00«) Mark darauf erhoben. Mt diesem Beide st lichtete er nach Brüssel , wo«r sich in der Rue de Spa ein« elegante Wohnung mietet« den Grandseigneur spielte. Bor seiner Flucht hott« er dem jetzige Angeklagten den Betrag von 150 000 M. übergeben. Der Angeklag begann nun seinerseits den noblen Kavalier zu spielen und fcf.' brauchte ebenfalls in kurzer Zeit 60 000 M., während er sich mit 90 000 M. an einem geschäftlichen Unternehmen des Kaustnanns'vtdk in Scheveningen beteiligte. Bald daraus wurde der flüchtige Adolf Schimmel, der unter dem Namen Arnauld Fredwill in A n t- werpen einen neuen Millionenscbw«ndel verübt hatte, verhaftet. Da das Auslieserungsverfobrsn i>hr lange hinziehen dürfte, wurde vorläufig gegen den Bnü' in oerhandelt.— Bor Gericht stellte der Verteidiger unter Ben"C: Adolf Sch. auf olle, di« mit ihm in Berührung kamen, einen>' idezu hypnotischen Einfluß ausgeübt habe und sich selten jemand setner dämv- nischen Energie habe entziehen können. Dos Gericht sah als erwiesen an, daß der Angeklagte zum Teil unter dem Einslusie semes Druders gebändelt hob«, und erkannte trotz der Hohe der Summe nur auf 9 Monate Gefängnis unter Anrechnung von zwei Monaten Untersuchungshaft. _ Die gefährliche Abstinenz. Ein bisher einzig dastehendes Vorkommnis hat sich in dem großen Betrugsprozeß gegen die Mitglieder der schwindelhotten „Roland Ä.- G" zugetragen, der. wie mitgeteilt, vor einer
Aräulein.
12] Von Paul Enderling . Copyright, IttO, by J. G. Cotiascbc Buchhandlunß Nachf. Stuttgart u. Berlin Fräulein stopfte eifriger, als unbedingt nötig war. Sie war etwas errötet, spürte dies, ärgerte sich darüber und er- rötete nur noch mehr.„Ein herrlicher Tag, nicht wahr?" „Schade, diese geistreiche Bemerkung wollte ich eben auch gerade machen." Fräulein wollte böse werden, aber sie mußte lachen. Und eine Weile lachten beide, sich an dem lachenden Gesicht des anderen immer wieder entzündend. „Schade, daß hier kein Photograph ist," begann er wieder. „Wenn er uns drei jetzt aufnähme, könnte man es mit der Unterschrift..Familienidyll" herausgeben." „Aber Herr Kandidat!" „Aber Fräulein!" Und wieder lachten beide. Und Eva, die im Görkcschen Hause herzlich froher Stimmung ungewohnt war. versuchte über ein Kissen hinweg, einen Purzelbaum zu schlagen. „Stoß dich nur nicht, Kindt" „Nein, nein. Kissen paßt schon auf, daß es nicht weh tut." Aber als sie verlangte, daß Fräulein es ihr nachwe, wurde dem Spiel rasch ein Ende gemacht... „Nun muß ich gehen. Ich habe aber noch eine Bitte." „Und?" „Schreiben Sie mir, sobald Hermann kommt!" „Erkundigen Sie sich doch lieber. Oder er kann es Ihnen ja selbör schreiben." Lochar Franzius drehte ärgerlich an seinem Schnurr- Kärtchen.„Ich kann es mir ja schließlich auch denken, nicht wahr?" Endlich versprach Fräulein, zu schreiben.„Und was soll ich Görkes sagen, wenn sie hören, daß Sie da waren?" „Sagen Sie, daß ich Ihretwegen gekommen bin." Sein Gesicht war ganz ernst, als er das sagte. ***
dreimal aus, zerriß den
Dann strich sie dos„Geehrter Bogen und nahm einen dritten. „Werter Herr Franzius! Ihr Freund kommt heute abenv an. Er hat sich für 9 Uhr telegraphisch angemeldet. Er wird sich sicher sehr freuen, Sie zu sehen. Hochachtend— Dasin strich sie das„Hochachtend" aus. zerknüllte den Bogen, steckte ihn in den Ofen und verbrannte ihn mit einem Streichholz. Nach diesem Autodafe nahm sie einen neuen Boden und schrieb:„Lieber Herr Franzius!" Und zum Schluß:„Herzlich Ihre..." Und sie unterbrach alle ihre Arbeit und ließ auch den Strumpfberg im Stich und warf den Brief in den Kasten am Tobiastor. An diesem Abend kam Hermann Görke nach Haus«. *** Hermanns erster Weg am nächsten Morgen war zu Lothar Franzius. Sie waren Freunde gewesen, solange sie sich kannten. Sie schrieben sich Briefe, wenn sie sich nicht sahen.— Franzius kurze, voller Tatsachen; 5)ermann lange, schwärme- rische. .�ermann rankt sich an Lothar." hatte der Oberlehrer mal gesagt,„aber es ist keine Gefahr, daß er ihn erstickt. Denn er ist keine Parasitennatur, und Lothar ist aus Eisen." Lothar Franzius sah am Schreibtisch, als Hermann eintrat. „Gib mir etwas von deinem Fleiße ab," sagte Hermann. „Oder nein, behalte ihn! Er würde mein Charakterbild zu sehr verändern. Er würde mich direkt nivellieren." „Du siehst nicht gut aus." Lothar blickte ihn scharf an. „Dann ist mein Aussehen ein Spiegelbild meines Innern, und ich bin Harmonischer, als ich glaubte. Junge, Junge, hast du eine Ahnung, wie elend ich bin— elend w der dop» pelten Bedeutung des Worts." Lothar bot ihm Zigaretten an.„Hat der alte Herr ge- bußpredigt?" „Nein." „Das wundert mich." „Wie sollte er. Ich habe in diesem Semester zum ersten- mal keinen Zuschuß von ihm verlangt. Er ist sehr gut aus
Nack drei Tagen schrieb Fräulein an den cand. arch. Lothar Franzius:„Lieber Herr Franzius! Ihr Freund i mich zu sprechen." Hermann wiegte sich im Schaukelstuhl. ist—" Dann strich sie das„Lieber" aus und nahm einen„Deine Sparsamkeit erschreckt mich." neuen Dogen._____ 1„Ich glaub's. Laß aber das unerquickliche THenia und j
»Geehrter Herr FraRZins! Ihr Frumd G>
Mir ein Goldivasser eint"
Lothar brachte eine vierkantige Flasche, stellte Gläser auf und schob das Papier auf dem Schreibtisch beiseite. Dabei wurde ein kleines Kuvert mit einer Stadtmarke sichtbar. Lothar schob es schnell unter die großen Blätter. Hermann bemerkte es wohl. Niemals hatte Lothar ein Geheimnis vor ihm gehabt. Er empfand etwas wie einen Schmerz, aber gleich darauf lachte er.„Was geht mich Lothars Liebelei an?" dachte er.„Aber nein, Lothar liebelt nicht. Er ist aus zu festem Holz. Zum Donnerwetter, warum ärgere ich mich aber dann?" Und er trank rasch den Likör und goß sich einen zweiten ein.- „Wie weit bist du nun?" „Mit dem Studium?" „Ja." „Soweit wie am Anfang." »Hermann!" „Ja, sehe ich denn wie ein Jurist aus? Kann ich denn jemandem imponieren? Kann ich jemand lahm und wund reden? Nun also, was würde ich dann als Jurist für eine traurige Figur machen." „Das bildest du dir nur ein." Hermann lächelte müde.„Ich bin verbraucht, Bester. Wir Görkes sind verbraucht. Unsere Vorfahren haben zu viel gearbeitet. Sie haben alle Kraft absorbiert. Mit dem Rest. der mir geblieben, langt es nicht hin und nicht her." »Ja, willst du denn dein Leben lang aus Vaters Tasche leben?" „Du drückst beute alles so unangenehm deutlich aus. Das käme übrigens nie in Betracht. Denn siehe: Vater würde mich, falls ich durchs Staatsexamen raßle, verleugnen, ehe der Hahn dreimal gekräht hat." Das glaub ich nicht. Du bist ja schon mal durchs Examen gesaust, und es ging. Weißt du's noch?" Beide lachten. Eis dachten daran, wie Hermann damals er- Königlichen Gymnasium durchs Abiturientenexamen ge- war. Er war mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Seit Menschengedenken hatte niemand so im Mündlichen ver- sagt. Schließlich hatte ihn der erbitterte Mathematikprofessor gefragt, was zweimal zwei sei. Da war er aus seinen Trau- men erwacht und sagte kaltschnäuzig:»Das weiß man nicht so genau." .... S'.'V(Forts, fcsgtj i