im d en deutschen Losönien unT der deukschen Flotte befriedigt habe. England habe sich unwiderrufliche Worteile gesichert, während es Frankreich mit widerruflichen abspeisen wolle Hierin liege„eine Ungleichheit, die das Risiko in sich trägt, schlechten Einfluß aufdieBeziehun- gen der Alliierten untereinander nach dem Kr lege auszuüben, die wichtiger sind als die Be- Ziehungen Deutschlands zu ihnen". Dieser offenkundige Gegensatz zwischen England und Frankreich im März 1919 war sicher doch nicht von Deutsch - land verursacht, das damals sein Vorhandensein kaum ahnte. Aber auch heute wäre es gründlich falsch, wenn wir auf diesen Gegensatz spekulieren wollten, denn auch wir können unmög- lkli wünschen, daß er auf die Spitze getrieben wird. Wie immer der Llusgang wäre, sein Austrag würde auch für das deutsche Volk eine Leidenszeit in sich schließen, die es bei seinem jetzigen Zustand gar nicht ertragen kann. Wenn man sagt, daß Engländer und Franzosen heute scharfe Abneigung gegeneinander empfänden, so können w i r das aus eigenem Augenschein nicht bestätigen. Wir haben Engländer und Franzosen in Frankfurt a. M. an einem Tisch beisammengesehen und haben uns darüber ge- freut, wie gut sie sich untereinander verstanden. Und dabei sind die Franzosen , die nach Frankfurt a. M. gingen, in Wahrheit viel bessere französische Patrioten als die Clemenceau, Tardieu und Poincar6, die dem Idol einer französischen Ge- waltherrschaft nachjagen, während jene durch ein Netz mora- lischer Einflüsse lind gerechter Verständigungen Frieden und Sicherheit ihres Vaterlandes festigen wollen. Die Lösung, die wir Sozialdemokraten für die Wirren Europas suchen, heißt nicht England mit Deutschland gegen Frankreich oder, nach verblichenen kontinentalpolitischen Re- zepten, Deutschland mit Frankreich gegen England, sondern sie heißt: England, Deutschland und Frankreich zusammen für den Wiederaufbau der Wirtschast ünd der europäischen Kultur. Wir wünschen nicht, daß die Prophezeiung Lloyd Georges vom 25. März 1919 Wahrheit werde, die lautet: Nehmt Deutschland seine Kolonien, schraubt seine Heeresmacht auf eine Polizeitruppe herunter, verringert seine Marine auf ein Fünftel, was auch geschieht, wenn es sich durch den Frieden von; 1919 ungerecht behandelt fühlt, wird es stets Mittel und Wege finden, um an seinen Unkerdrückern Vergeltung zu üben. Wir wünschen nicht den vorläufigen Triumph und die � schließlich, sei es auch erst nach langer Zeit, eintretende Kata- strophe einer französischen Politik, die in Deutschland den nationalistischen Geist züchtet und zugleich alle Völker Frank- � reich entfremdet. Was wir als Freunde einer dauernd' friedlichen Entwicklung Europas wünschen, das ist eine ver-! stärkte Aktivität jener überall, auch in Frankreich wirkenden Kräfte, die mit den Waffen des Geistes ihren Sieg über eine Politik suchen, die zum allgemeinen Verderben führen muß. Ein öeutschnationaler Vertrauensbruch. In der vorletzten Sitzung des Auswärtigen Ausschusses stand das sog. Bemelmans-Abkommen über die freien Sachlieferungen zur Diskussion Da die Regierung den Wortlaut dieses noch nicht endgültig abgeschlossenen Vertrages vor der Veröffentlichung unbedingt schützen wollte, war nur je einem Abgeordneten jeder Fraktion ein Exemplar eingehän- digt worden. In dem Ausschuß wurde aber, insbesondere von deutfchnationaler Seite, an sich nicht ohne Berechtigung, ver- langt, daß jedem Ausschußmitglied Gelegenheit gegeben werde, sich in aller Ruhe mit dem Text des Vertrages zu beschäftigen. Die Regierung entsprach diesem Wunsch und ließ samt- l i ch e n Ausschußmitgliedern eine Kopie zustellen, die als vertraulich gekennzeichnet war. Zu einer Beratung im Ausschuß ist es noch nicht gekom- men, da inzwischen die Note der Reparationskommission ein- traf. Aber jetzt findet man den Text in zwei deutschnatio- nalen Blättern,„Tag" und.�Tägl. Rundschau" wörtlich abgedruckt.
Die vorläufige Nichtveröfffentlichung entsprach einer mit dem Bertragskontrahenten getroffenen Vereinbarung. Durch die Veröffentlichung gegen alle Abrede hat sich die deutschnatio- nale Presse abermals als rücksichtslose Schädigerin der Landes- interesien erwiesen. Man muß sich die Frage vorlegen, ob vertrauliche Verhandlungen und Vorlegung von vertraulichen Schriftstücken in einem Ausschuß, in dem Deutschnatio- nale sitzen, überhaupt noch möglich sind. Wilhelms Matra�enburg. Aus dem mehrfach erwähnten Buch des Generals von Eisenhardt-Rothe werden weitere Auszüge über den 9. November 1918 in Spa bekannt. Sie ergeben ein Bild der vollendeten Kopflosigkeit im Großen Hauptquartier . So zeigt folgende Schilderung den erlauchten Komödianten in einer seiner letzten Posen: „Der Kaiser selbst wohnte bekanntlich in der Villa Fraineuse, in der bei den beschränkten Raumverhältnissen außer ihm nur zwei Flügeladjutanten untergebracht waren. Zwischen drei und vier Uhr nachmittags erteilte der Kaiser dem Generaladjutanten v. Gontard den Defehl, dieses Quartier für die Unterbringung auch des übrigen militärischen Gefolges, also der Generäle und anderer Offiziere aus der nächsten UmgebKng des Kaisers vorzubereiten. Makratzen sollten ausgelegt werde«. Proviant herangeschafft und für die herbeischafsung von Wasseu und Munition sollte Sorge ge- tragen werden. In den umliegenden Häusern wollte man das Sturmbataillon Rohr, das seit Anfang November nach Spa gelegt worden war und das als besonders zuverläsiig galt, unterbringen. Dem Befehl begann man tatsächlich nachzukommen. Das Abend- essen wollte der Kaiser im Hoszuge einnehmen und dann zur Villa Fraineuse zurückkehren, in der man sich gegebenenfalls ver- leidigen könne. Dieselbe Ansicht äußerte der Kaiser den Flügel- adjutanten Graf Dohna, Hirschfeld und von Jlsemann gegenüber. Aber auch diese heldenhafte Verteidigung unterblieb, weil man in der Eile gar nicht darüber nachgedacht hatte, gegen wen man sich eigentlich verteidigen wollte! Irgendein Kan- tinengerücht behauptete, daß„zehntausend Matrosen von Aachen her im Anzug gegen das Hauptquartier seien. Von den dort versammelten Hofgenerälen usw. wurde mangels jeg- licher Kriegserfahrung dieser Bericht trotz seiner ofsensuhtlichen Unwahrscheinlichkeit geglaubt. Wilhelm hat also nacheinander alle Heldenposen einge- nommen: Er hat in seinem Tagebuch geschworen, den Hel- dentod zu sterben, er hat nach Berlin telegraphiert, daß er bei der Truppe bleibe und als König von Preußen nicht ab- danke, er hat sich schließlich nach dem Rezept Kleists im „Prinzen von Homburg " wie der Bey von Tunis in seiner Behausung verbarrikadiert.— und ist schließlich, als er alle schauspielerischen Möglichkeiten der Situation ausgekostet hatte, still und bescheiden nach Holland abgedampft. Für die Byzantiner aber bleibt er der„Heldenkaiser". Zreie oder Awangsanleihe? In ihrem ersten Morgenblatt von heute behandest die „Frankfurter Zeitung " die Frage, was letzten Endes die Ant- wort der Reparationskommission zu bedeuten hat. Sie schreibt: Ist sie lediglich ein Produkt trockener Fachmenfchen oder der polltische Ausdruck eines endgültig zum Siege durchgebrochenen politischen Willens, der uns über demütige Unterwerfung schließlich zu vernichten trachtet? Dann gäben auch Verhandlungen wenig Aussicht. Verhandlungen sind gleichwohl das erste, was uns jetzt obliegt. Denn wir müssen uns klar werden über das, was wir wollen und können— und was wir nicht können und nicht wollen. Die Reparationskommission fordert neben der Zwangs- anleihe die Auftreibung von öll Milliarden neuer Steuern. Selbst wenn dies gelänge, würde es die Reparationszahlungen noch nicht ermöglichen. Denn es bleibt die Unmöglichkeit der Beschaffung der dafür nötigen Devisen. Vorstellbar wäre dagegen, daß man statt der einen Goldmilliarde, die die Zwangsanleihe bringen soll, eine (freie D. Red.) Anleihe von rund 2 Goldmilliarden
schüfe, die teils Im Inland w/d teils im Ausland abzusetzen wäre. Durch die Steuern wären dann für diese Anleihe nur die Zins- und Amortifationsbeträge, also im Jahre 12l> bis 149 Millionen Gold- mark aufzubringen. Und das wäre möglich. Es wäre auch möglich, diese Steuern in Formen zu machen, die trotz der Schwankungen des Markkurses den Eingang des vollen Goldbetrages sicherstellen. Aber dieser Erfolg ist nur zu erzielen, wenn das Ausland den anderen Teil der Anleihe nimmt. Die Reparationskommission möchte sich anscheinend die äußere Anleihe für die Mobilisierung der beut- schen Gesamtschuld vorbehalten. Das geht nicht. Wir brauchen Kredit für dieses Jahr und wir vermuten sehr, daß die Mobilisierung erst dann möglich sein wird, wenn die Völker draußen für eine wirk- lich vernunftgemäße Regelung des Gefamtproblems der deutschen Reparation und der internationalen Verschuldung reis geworden sein werden. Soweit der Vorschlag dem Ziele dient, möglichst bald einen größeren Betrag zur Bezahlung aufzubringen und internatio- nale Garantien für eine freie Anleihe zu schaffen, scheint er uns wohl der Erwägung wert. Jedenfalls würde er eher zu ! einem Ziel führen, als die unhaltbaren finanzpolitischen For- derungen der letzten Rote. Allerdings ist die Frage der steuerlichen Deckung des Zinsendienstes noch gänzlich ungeklärt. Selbst die 120—149 Millionen Goldmark, die für ( Zinsen notwendig wären, sind nicht aus einem Etat aufzu- bringen, der immer wieder durch neue Wellen jder Geldentwertung über den Haufen geworfen wird. Die Schwierig- leiten werden sich nur überwinden lassen, wenn sich die Entente zu dem ernsthaften Willen aufrafft, neue Wege der Zusammen- arbeit der Nationen zu weisen und endlich einmal von der Politik der Drohungen abzurücken. Dann aber muß sie zu- nächst anerkennen, daß das angeblich aus eigener Kraft zahlungsfähige Deutschland erst großer ausländischer Kredite bedarf, um seine Produktion so steigern zu können, daß es auf die Dauer an dem Wiederaufbau der Welt mitwirken kann._ $o<t> der Lebensmlttelwucber! Der Reichslandbund hat an sämtliche maßgeben- den Regierungsstellen folgendes Telegramm gesandt: Obgleich der La.dwirtschaft für das kommende Erntejahr die | völlige Aufhebung der Zwangswirtschaft in Aussicht gestellt war, haben sich in der letzten Ernährungskonferenz die Vertreter der Länder für Getreide- und Kartoffelbewirtschaftung ausgesprochen Die Landwirtschaft fühlt sich hierdurch aufs schwerste getäuscht und ist aufs höchste erregt. Sie ist einmütig willens, sich der erneuten Ein- führung der Zwangswirtschaft geschlossen und mit ollen Mitteln entgegenzustellen. Hepp, Rösicke. Wenn die Herren Agrarier sich„getäuscht" fühlen und �„erregt" sind, was soll da erst die konsumierende B e- völkerung von sich sagen, die man mit der Behauptung getäuscht hat, daß Aufhebung der Zwangswirtschaft billige Lebensmittel bedeute und die dann für die„freien" Kartof- feln das Hundertfache des Friedenspreises hat zahlen dürfen?! Wir glauben, daß hier ganz andere Ursache zur Erregung vorliegt._ ! Oerter„enthüllt". Aus Braunschwelg meldet WTB.: Sepp Oerter richtete erneut Angriff« gegen die Mitglieder des braun- schweigischsn Gesamtministeriums, denen er ähnlich« Vergehen vor- wirft, wie diejenigen, deren er geziehen wurde. Wie die„Braun. schweigifche Landeszeitung" erfährt, hat da» braunschweigilchc Etaatsministerium die Einsetzung eines parlamentarischen Unter- suchungsausschusses in meser Angelegenheit beantragt. Personalveränderungen in der Reichswehr . Mit dem 31. März scheiden aus dem Reichsheere aus: die Generalleutnants Ritter und Edler o. Broun, bisher Chef des Personalamts der Heeresleitung, und v. Preisnitzer, bisher Kommandeur der 2. Kavallerie-Division in Breslau . An ihre Stelle treten als Chef des Pexfonalamts der Generalmajor H o y e, jetzt Ehef des Truppen- amts, und als Kommandeur der?. Kavallerie-Divijion der General- major Haffe , jetzt Jnfanterieführer der 3. Division in Potsdam . Nachfolger des Generalmajors Hoye als Ehef des Truppenamtes wird der Oberst und Abteilungschef im Reichswehrministerium Haffe.
!Uoöe. Bon Karl Ernst . Ueber den ersten Teil dieser Tragödie kann ich mich nur ver- mutungsweise äußern. Die erste Szene hat sich wahrscheinlich im Schlafzimmer des Dr. Otto Kruse abgespielt, die folgenden in ver- schiedenen Modebäusern. Hierbei hat sich durchaus nichts Ungewöhn- liches ereignet, die Vorgänge gestalteten sich vielmehr— äußerlich betrachtet— nach den ehernen Gesetzen des Althergebrachten, ge- wissermaßen nach der Schablone: sie müßten eigentlich als alltäglich angesehen werden. Und doch hatten sie in den Asfoziationsbahnen des Dr. Krufeschen Gehirns, das bis dahin mit bewunderungswllr- diger Präzision gearbeitet hatte, einige Aenderungen der Linien- führung erwirkt. Die Eindrücke aus der Umwelt stürmten ohne den Umweg über die gedankliche Kontrolle sofort in die Gefühlsbahnen, so daß sein Oiemüt überlastet wurde. In seinem Bekanntenkreis begann man ihn wegen seines melancholischen und zuweilen auf- geregten Wesens interessant zu finden. Vorgestern abend bat er mich um meine Unterstützung in der Angelegenheit, die ihn in diesen beklagenswerien Zustand gebracht hatte. „Sie müssen mir helfen. Sagen Sie"— hier wurde fem Ton unvermittelt gehetzt—„sagen Sie mir um des Himmels Willen, welches ist der Unterschied zwischen einem Trotteur- und einem Lauf- Hut, was versteht man unter Erepe Georgette, Tagal-Bolero und Mateiot, unter beige, gepaspelt und plissiertem Randoolant, was ist eine Unterkrempe, ein Revers und Liseret? Aber ich will Ihnen lieber der Reihe nach erzählen. Sie wissen, meine letzte sprachwissen- schaftliche Arbeit ist preisgekrönt worden. In meiner Freude ver- sprach ich meiner Frau ein Geschenk nach ihrer Wahl. Es enttäuschte mich nicht etwa, daß sie sich im Hinblick auf den Frühling«Garderobe wünschte. Das Weib ist nun mal anders eingestellt als der Mann. Mein Fehler war, sie bei ihren Einkaufsoersuchen zu begleiten. Zu- nächst wurmte es mich, wie sie auf die abgeleierten und offenbar zum xten Male wiederholten Phrasen des Vorkäufers prompt hin- einfiel. Rein,„hineinfiel" ist nicht das richtige Wort. Es scheint mir, als ob jeher Modehändler mit der Frau inniger harmoniert als der eigene Mann. Wenigstens find die beiden in geheimem Einoerftänd- Nw. Sie sprechen eine Sprache, die ich nicht verstehe. Ich zerbreche mir den Kopf, wo und bei welcher Gelegenheit die Frauen all diese Ausdrücke lernen wie aufgeschlagene Hüte, angeschnittene Aermel, Homespun und dergleichen. Wenn ich irgend etwas zu bemerken wage, schleudert mir der Verkäufer einen solchen Fachausdruck ins Gesicht, und ich stehe als Trottel da. Wozu hat mich meine Frau überhaupt mitgenommen? Schön, ich mache keine Einwürfe mehr. Sie oerhallen ungchört. Aber ich habe nicht einmal Gelegenheit, sie anzusehen. Kaum bat ihr der Händler das Kleidungsstück angezogen, klebt sie am Spiegel fest. Sie hat keine» Blick für mich, für die Umgebung, sie sieht sich von vorn, von hinten, von der Seite, und saugt ihr eigenes Bild ein. Ich glaube, wenn in diesem Augenblick ein Brand aus- Krocht, kümmerte jie sich, nicht darmn� �—■,. �
Was ist das für eine unheimlich« Gewalt, die Mode, gegen die wir Männer ohnmächtig find? So gern ich Musik höre, packt mich doch zuweilen ein Grauen vor ihrer Macht. Wir find ganz ahnungs- los, da schlagen ein paar Akkords unsere Seele in Fesseln. Aber in der Musik gelteck die ewigen Gesetze der Kunst, in der Mode da- gegen wird von Drahtziehern, die irgendwo ungreifbar im Hinterhalt lauern, das Empfinden willkürlich gemodelt. Was heute begeistert, ist morgen abgetakelt, häßlich, abgeschmackt. Vor den Verkäufern habe ich Angst. Wie machen sie das? Sie treten für die jeweilige Mode mit heiliger Ueberzeugung ein. und müssen demnach ihr Innen- leben alle Vierteljahr umkrempeln. Helfen Sie mirl Kommen Sie mit! Sie sollen entscheiden, ob ich übertreib«, ob ich überreizt bin." Was nun folgte, empfand Dr. Kruse als einen Kreuzzug. Die Frau wollte einen modernen Mantel haben. „Das steht Ihnen entzückend, meine Gnädigste. Das Modernste vom Modernen. Donegal-Raglan mit Steppnähten." sagte der Ver- käufer. Dr. Kruse blickte mich unsagbar traurig an. „Der Stoff? Prima, prima. Hat etwas Strich, trägt sich aber großartig. Gewiß ist es Wolle. Reine Wolle kann es für den Preis natürlich nicht fein." Ein strafender Blick aus vorwurfsvollen Augen traf den ge- quälten Ehegatten. „Dreiviertel Wolle, sonst Garn, können Sie mehr strapazieren als Wolle. Hat auch viel weicheren Fall. Wolle ist für den Sommer viel zu schwer." Verzweifelle Geste des Dr. Kruse. Die Frau: „Da stört mich nun wieder dieser Winterhut. Man müßt« erst einen Uebergangshut haben." „Oder was sagen Gnädigst» zu diesem Modell? Ganz moderner, echt englischer weiter Schnitt. Die reizende neue Echlüpferform. Einen herrlichen warmen Ton hat die Farbe, richttge Sommersarbe. Noppen. Das ist was Lebhaftes für den Sommer. Der Mantel ist fesch." Ganz bescheiden flüsterte mir Dr. Kruse seinen Eindruck zu. Er müfle an einen Mehlsack mit Stiefeln denken. Aber die Gegner hatten es gehört und sielen vereint über ihn her. Den Trumps spielte der Verkäufer aus: „Geschmack? Ein solcher Mantel, wie Sie ihn anhaben, mein Herr, zeugt nicht gerade von Geschmack." Kleinlaut entschuldigte sich Dr. Kruse, er hätte ihn vor fünf Iahren geerbt. Als die Frau die formlosen Stümpfe, die Aermel darstellen sollten, begeistert als Gedicht bezeichnete und den Mantel kaufte, sagte er nichts mehr. Wenige Stunden später schnitt er sich mit einem Rasiermeffer die Kehle bis an den Wirbel durch. Er meinte, den Glauben an den Wert der Frau verloren zu haben. In Wahrheit hatte er den Kullurfaktor Mode unterschätzt: er war ihm nicht gewachsen.
Hans Thoma an den preußischen kuliusmlnlster. Altmeister Hans Thoma bot an bin preußischen Kullu»m!nister Dr. Voelitz in Erwiderung seine« Schreiben« anläßlich der Eröffnung der Hon». Thoma-Ausstellung in der Berliner Raffmalgalerie folgende Ant- wort gerichtet: „Euer Exellenz danke ich herzlich für den freundlichen Brief, » toelchem Sie Wik Ihre Anteilnahme a» momem tünftlerifchen
Schaffen, wie es jetzt in der Hans-Thoma -Ausstellung in der Ratio- nalgalerie in einer großen Anzahl von Bildern zu sehen ist, zum Ausdruck bringen. Wenn man dieser Sammlung eine Benennung beilegen will, welche so ungefähr ihr Wesen bezeichnen soll, so scheint es mir, daß keiner der gangbaren Kunstparteinomen dazu passen will und auch in meiner ungewöhnlich langen Schaffenszeit nie dazu passen wollte, so daß in der Mitte der siebziger Jahre mich ein be- rühmter Münchener Kritiker den nicht talentlosen Erfinder der sozialdemokratischen Malerei nannte, dessen Bilder an Häßlichkeit mit den Alldeutschen und mit dem Franzosen Courbet wetteiferten. Ich habe meine Figurcnbilder immer mit sachlichem Ernst gemalt und nicht mit der Absicht, dem gebildeten Sonniags- Publikum im Kunstverein Spaß zu machen. Daher kommen Miß. Verständnisse, die man aus sozialpolitischen Gründen zu oerstehen suchte. Mit Politik hatten und haben meine Bilder nichts zu tun Und weil ich auch nie daran dachte,„deutsche" Bilder zu machen� gerade deshalb glaube ich. daß man mein künstlerisches Schaffen unbedenklich deutsch nennen kann. Meine Bilder kommen aus dem Zwang einer deutschen Seele hervor— dos ist das Band, welches ihre Bielgestnltigkeit zu einer Einheit verbindet. Wenn nun ein Künstler, der durch Jahrzehnte hindurch abseits und in der Stille verborgenen Schaffens das Gefühl gewonnen hat. daß auch er in seiner Stille im harmlosen Schaffen etwas beigetragen hat zur Erkenntnis echten deutschen Wesens, darf er sich fcbon diesem Froh. gefübl ein wenig hingeben, besonders wenn er dreiundachtzig Jahre überschritten hat, wo Frohqefühl nickt mehr in Hochmut übergehen kann. Seit das Unglück über Deutschland hereingebrochen ist und auf ihm lastet, haben wir uns gewöhnt zu sagen: Armes Deutschland ! Aber wir wollen doch auch wieder hie und da ausschauen, da werden wir sehen, daß man das deutsche Volk auch„reich" nennen kann en edlen Gütern, die kein Feind uns nehmen kann. Es sind Güter, die Gott selber der deutschen Seele anvertraut hat, damit sie dieselben hüte. Güter, die Gott selber braucht, wenn er sein Menschenvolk regieren will.— Am Schlüsse bitte ich Ew. Exzellenz, die Nachlässig. keit meines Schreibens zu entschuldigen; in meinem halbqelähmten Zustand fällt mir dieses oft schwer, und doch wollte ich Ihnen für Ihren warmherzigen Brief so persönlich wie möglich danken." � Erhöhung der Pibllolheksgebühre«? Durch die Presse geht die Nachricht, daß der Berliner Magistrat beabsichtige, die von den Lesern der Stodtbibliothek sowie den Stadtbüchereien in Charlotten- bürg, Neukölln, Schöneberg , Spandau , Steglitz und Wilmersdorf zu zahlende Jahresgebühr von 10 Mark auf 20 Mark zu erhöhen und außerdem für jeden entliehenen Band 30 Pfennig zu erheben. Wenn fckon die vom Berliner Magistrat verfolgte Spar- Politik, die den Bibliotheken kaum die nötigsten Mittel für die An. schalfung von Büchern und Zeitschristen läßt, diese Anstalten unaus. weichlich dem allmählichen Verfall entgegenführt, so ist die Herauf. setzung der Leihgebühren ganz besonders dazu angetan, auf die Bs. Nutzung der Büchereien lähmend zu wirken und die Volksbildung damit auf da» schwerste zu schädigen. St ist nicht einzusehen, wie sich der Magffttat angesicht» der fortgesetzten Steigerung der Bücher. preise, die es dem Arbeiter wie dem Mittelstand« verbietet, auch nur das notwendige Material zur Fortbildung und geistigen An- regung käuflich zu erwerben, zu einer derartigen Maßnahm« ver« stehe« kam», Soll die Benutzung de» öffentlichen Bücher»!« wirk«
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