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Nr.241 40.Jahrgang Ausgabe A Nr. 119

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Sonnabend, den 26. Mai 1923

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Schließt die Reihen!

Der Ausklang des Hamburger Weltkongresses.

Hamburg  , 25. Mai. Es war für diejenigen, die dem Schluß der Donnerstag. Sigung beigewohnt hatten, eigentlich selbstverständlich, daß mit der Rede Léon Blums   und den daran anschließenden Szenen brüderlicher Begeisterung der Internationale Kongreß seinen Höhepunkt erreicht haben würde. Dennoch sollte die heutige Schlußsizung einen des Vorangegangenen durchaus würdigen

Berlauf nehmen.

Neigung zur Gewalt

der zwei bisherigen sozialistischen Internationalen, Tom angenommen, die wir scharf beobachten müssen. Die Menschen haben Shaw und Friedrich Adler  , als gleichberechtigte Sefre- im Kriege morden gelernt. Aus dieser Erfahrung ist eine täre der neuen vereinigten Internationale gewählt. Als am Nachmittag bei Beginn der Plenarsizung der entstanden, die sich heute in ganz Europa   zeigt. Die heutige Reallich Borsigende Bandervelde von diesen Beschlüssen Kenntnis zeigt sich einmal innerhalb der nationalen Schranken, wie in Italien  gab, begrüßte der Kongreß mit stürmischem Beifall diese neue und in Ungarn  , oder sie greift über die nationalen Grenzen hinaus. Wir sind einig darin, daß es unsere Pflicht ist, mit allen Mitteln Besiegelung der internationalen sozialistischen   Vereinigung. unseren italienischen und ungarischen Genossen zu helfen. Es liegt Unmittelbar anschließend an diese Mitteilung wurden drei der nicht in unserer Macht, mit Gewalt die Reaktion in diesen Ländern pier Referate zum ersten Bunft der Tagesordnung abgehalten, zu befämpfen, aber wir halten es für eine wirksamere Waffe, den der die imperialistischen Friedensverträge und die Aufgaben vereinigten moralischen Druck durch Beeinflussung der öffent­der Arbeiterklasse betrifft. lichen Meinung auszuüben. Mussolini   und die Reaktionäre in Un­lande wirksam zu handhaben. Daraus müssen wir lernen, uns der=

Es wurden zunächst noch zwei Spezialreferate zu dem Bunft 2( Rampf gegen die Reaktion) entgegengenommen, über den Bauer und Abramowitsch am Dienstag referiert hatten. Zunächst sprach Runfi als ungarischer Emigrant, der die Als erster Redner sprach zu diesem Thema in Vertretung garn wiffen diese Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Aus­weiße Schreckensherrschaft in Horthy  - Ungarn   geißelte und den des ursprünglich vorgesehenen in England zurückgehaltenen felben Machtmittel zu bedienen, um das Gewissen der Welt gegen beutschösterreichischen Genossen für die den geflüchteten ungari Ramsay Macdonald  , der Vorsitzende der Fabier- Gesellschaft die Reaktion zu mobilisieren. Was die andere Art der Reaktion be­fchen Sozialisten gewährte Gastfreundschaft besonders dankte. Genosse Sydney Webb. In echt englischer Kürze und trifft, die mit diplomatischen, militärschen und anderen Mitteln über Nach ihm hielt Wels eine furze Rede, in der zunächst nüchternheit beschränkte fich Webb auf einige wenige Aus- die Grenzen hinausgreift, führt uns auf das deutsche und russische die Ausführungen Bauers dahin ergänzt wurden, daß in führungen allgemeiner Art, indem er den Imperialismus der Problem. Wir wissen, daß es die Diplomatie der Entente ge= Deutschland   die Reattion nicht nur in den Demütigungen großen und fleinen Siegermächte als Ursache der fortgesetzten wesen ist, die die sozialistischen   Reime der deutschen Republik nicht durch den französischen   Militarismus, sondern auch in den Berstörung der Weltwirtschaft und der Bedrohung des Frie- zur Entwicklung hat kommen lassen. Wir sind also gewillt zusammen­fommunistischen Taten und Worten die kräftigste Nah- dens brandmarkte, sich gegen die Gewaltpolitik wandte und zuwirken, um der Entwicklung der deutschen Republik möglichst freie Bahn zu schaffen.( Bravo  !) Auch die internationale Ausnutzung rung findet. Ebenso wie Blum tags zuvor die Sorgen und für die Revision der Friedensverträge aussprach. der Finanzkraft ist ein starkes Mittel der Reaktion. Die Stimmungen der breiten Massen Frankreichs   vorzüglich ge- Nach ihm hielt Genoffe Hilferding ein großangelegtes finanziell abhängigen Staaten werden so zu Werkzeugen der großen schildert hatte, so gab nunmehr Wels ein erschütterndes Bild Referat, in dem er die Ursachen der katastrophalen wirtschaft- finanzträftigen Staaten. Hilferding   hat mit großer Meisterschaft die der burch äußere und innere Feinde emig gehegten jungen lichen Entwicklung in Europa   und in der ganzen Welt einer wirtschaftlichen Zusammenhänge aufgezeigt. Es muß unsere Aufgabe deutschen Republik, die feinen frohen Tag bisher er- meisterhaften Prüfung unterzog, die trotz ihres eminent wiffen- fein, immer weitere Kreise über diese Dinge zu informieren. Bei der leben konnte. Er schloß diese mit starker Leidenschaft vorge- fchaftlichen Charakters bis zulegt mit der größten Spannung russischen Gefahr haben wir es, wie die neuesten Ereignisse zeigen, tragenen Ausführungen mit dem im Namen der deutschen   angehört und mit stärkstem Beifall aufgenommen wurde, da fozialistischen Arbeiterflaffe abgelegten Gelöbnis, für die Er- er an der Hand von Tatsachen und Ziffern die verbrecherische haltung der Republit und gegen die Reaktion gemeinsam mit Unfähigkeit des Kapitalismus enthüllte, den Krieg zu liqui­allen übrigen Parteien der Internationale weiterzufämpfen. dieren, und die Aufgaben der neuen sozialistischen   Internatio­Bei diesen aufrüttelnden, lebhaft begrüßten Worten war nale demgegenüber stellte. die Müdigkeit des Kongresses gebannt. Er hörte mit lebhafter Sympathie den Bericht der Kommission zur Bekämpfung der Reaktion, den der mutige Herausgeber der Londoner J.2.P. Zeitschrift New Leader", Genoffe Brailsford, erstattete; er fand warm empfundene Worte für die bedrohte deutsche Re­publit.

Die Abstimmung über die Resolution zu diesem Punkte ergab volle Einstimmigkeit über den ersten wichtigsten Teil, während bei dem zweiten, der sich speziell mit Sowjetruß I and befaßt, eine Minderheit sich der Stimme enthielt unter Führung der gesamten englischen Delegation, die sich wegen der augenblicklichen englisch  - russischen Spannung eine beson dere zurückhaltung gegenüber den Bolschewisten auf erlegen zu müssen glaubte.

noch mit der

alten Rivalität zwischen. England und Rußland  zu tun. Wir müssen hier vor allem fordern die de jure- Anerkennung der Sowjetrepublik. Die Ausartung des Sowjetregimes ist die Wir­fung der Politik des tapitalistischen Regimes des West ens. ( Bravo  !) Wir appellieren in dem Kampfe gegen alle Arten der Reaktion an die Internationale. Der Reaktion fann nur ent gegengetreten werden mit den Methoden der Arbeit und des Kampfes, ( Lebhafter Beifall.)

Es entspinnt sich dann eine Geschäftsordnungsdebatte wegen der Art der Abstimmung über die von der ersten Kommission vorgelegten Modigliani  ( Italien  ) beantragt Einzel Refolutionen. abstimmung  . Der Kongreß beschließt, die Abstimmung en bloc Dor Darauf spricht zum Punkt 1 der Tagesordnung als letzter Referent Vandervelde- Belgien.

zunehmen.

Es heißt aber feineswegs, die Berdienste Hilferdings und den Wert seines Referates verkleinern, wenn gesagt wird, daß die folgende Rede des Genossen Léon Blum   das eigentliche Erlebnis in dem bisherigen Berlauf des Kongresses darstellt. In faum zu überbietender Meisterhaftigkeit der Form und des Inhalts, geistvoll, flar und überzeugend, schil­derte Blum die psychologische und geschichtliche Entstehung der Fehler und Sünden der Friedensverträge von 1919. Mit be­merkenswerter Tapferfeit wandte er sich gegen die Gewalt­politik der Regierung seines eigenen Landes, zugleich wußte er mit unvergleichlicher Ueberzeugungskraft und tattvollster Ich kann die Ausführungen von Hilferding   und Webb unter­Offenheit die Stimmungen und Sorgen der französischen   schreiben, möchte aber diese erste Gelegenheit, nach dem Kriege Boltsmassen gegenüber dem Reparationsproblem und der vor einem internationalen Rongreß zu sprechen, benugen, um dar Sicherheitsfrage zu schildern. Dank der ausgezeichneten deut zulegen, worin die Besonderheiten der belgischen Partei fchen Ueberfegung Grumbachs ging den deutschsprachigen bestehen. Mir selbst wird vorgeworfen, daß meine Unterschrift unter dem Berjailler Vertrag Delegations- und Tribünenzuhörern nur wenig von dieser erstklassigen rhetorischen Leistung und politischen Tat verloren. steht. Diese brutale Tatsache ist wahr. Wenn mich dabei etwas Immer neue Beifallsftürme brachen aus, die sich am Schluß tröstet, so die Tatsache, daß ich nicht der einzige Sozialist bin, der ih unterschrieben hat, sondern daß auch der Name Hermann zu einer wahrhaften Ovation gestalteten. Müller darunter steht.( Modigliani  : Das ist etwas ganz anderes!) Im übrigen ist meine Unterschrift erfolgt im Einverständnis mit der gesamten belgischen Partei. Bir mußten diese Unterschrift leisten, benn fie bedeutete für uns die Befreiung unseres Landes von der fremden militärischen Besetzung und die Festlegung unseres An fpruches auf Reparationen. Außerdem haben wir verschiedene Reserven bei diesem Vertrag gemacht. Mit Freude habe i gelesen, daß Eduard Bernstein   in der Glode" schrieb, das deutsche Bolt habe es zu bedauern, daß im Januar 1923 feine Sozialisten mehr in der belgischen Regierung faßen. In der Tat haben wir belgischen Genossen von vornherein gegen die Ruhrbesetzung pros testiert.( Bravo  !) Bir taten das aus der Ueberzeugung, daß die Welle des Hasses zwischen den Nationen durch diese gewaltsame Besetzung nur immer größer werden fönne. Das haben wir selbst in Hamburg   während des Kongreffes am eigenen Leibe erlebt. Bir wurden aufgefordert, ein Lokal zu verlassen mit der Be­gründung: So wenig dürfen hier Belgier   und Franzosen   ein Lofal betreten, wie man unde in einen Salon läßt!"( Lebh. Pfui­rufe). Wir haben dagegen feinerlei Geste gemacht; denn wir haben nicht vergessen, daß solche Fälle leider auch vortamen in Lille  und Brüssel  , als unser Freund Hilferding   zu uns fam, um für die Berföhnung der Völker zu reden. Wir haben empfunden, daß, wenn der Haß etwas Nationales ist, der Stumpffinn inter­national ift.( Lebh. Zustimmung).

Ehe nun die Abstimmung über die von Huysmans  eingebrachte Resolution zum ersten Punkt( die imperialistischen Friedensverträge) vorgenommen wurden, fam noch der letzte der vier vorgesehenen Referenten, Vandervelde  , zu Wort. Die Rede des belgischen Parteiführers zeichnete sich durch In diesem Augenblid, gegen 8 Uhr abends, sollte diese großen rednerischen Schwung aus und war an wizigen Ein­fällen reich. Ueber Bergangenes, wovon er sprach, mag man taum zu überbietende Begeisterung dennoch eine gewaltige verschiedener Meinug sein. Ueber die Gegenwart zeigte Steigerung erfahren, als nämlich Genosse Crispien als man sich einig, da einmal die Resolution, die u. a. den Borsigender im Namen des Kongresses und insbesondere der fchärften Protest gegen Bersailles wie gegen Deutschen   dem Genossen Blum zu diesem mutigen, vorbild die Ruhrbesetzung und eine Solidaritätserklärung mit dem lichen internationalistischen Bekenninis dankte. In einem Widerstand leistenden Ruhrproletariat enthält, unter glücklichen Einfall warf Crifpien in diesem Zusammenhang den Namen Jaures   in den Saal und ließ die Erinnerun­lebhaftem Beifall einstimmig angenommen wurde. Dann sprach Genosse Wels an Stelle des leider ertrant- gen an erhebende Stunden der Vorfriegsinternationale ten Henderson ein Schlußwort des Triumphes über die wachrufen. Im ganzen Saale   waren die Genossen aller Län­wiederhergestellte Einigkeit. Stehend brach die Versamm der aufgeftanden, und fieberhafte Hände flatschten Beifalls hung in ein dreifaches Hoch auf die Internationale aus, ftürme. Jekt nahm der andere Vorsitzende des Tages, Ge­Beren Kampftlänge machtvoll erdröhnten. Und auch nach dem nosse Bandervelde, den Namen des großen Toten auf, Schlußglodenzeichen erlebte man noch etwas Ergreifendes: ließ auch den sozialistischen   Opfern der deutschen   Reaktion eine Zunächit ftimmte die vielföpfige dänische Delegation die Huldigung zuteil werden und schloß nach einem Hinweis auf fozialistische Hymne ihres Landes an, dann folgten die das Erhebende der Stunde mit einem hoch auf die beutschösterreichischen und deutsch   böhmischen Internationale, in das tausend Menschen im Saal, Genossen mit ihrem Lied der Arbeit", und schließlich ertönte auf dem Bodium und den Galerien begeistert einstimmten. aus allen deutschen   Kehlen der Sozialistenmarsch.

Die Sozialistenrethen waren auch international geschlossen.

Es bleibt noch übrig, auf die Donnerstagsfizung, die den unzweifelhaften Höhepunkt des Rongreffes bildet, einen rajchen Rüdblid zu werfen.

Die beiden Rommiffionen hatten die Aufgabe, die Refo­tutionen fertigzustellen zu den Buntten 1 und 2 der Tages­ordnung des Rongreffes, um fie dem Plenum vorzulegen, und fekte diefe langwierige Aufgabe auch am Abend fort. Anderer­

In tiefer Erregemg ging der Kongreß auseinander, wobei einer der besten franzöfifchen Sozialisten, der Genoffe Paul Faure  , dem Vorwärts"-Berichterstatter gegenüber die Gefühle aller mit einem treffenden Wort fennzeichnete: Die Internationale   hat ihre Seele wiedergefunden."

Nach der Rede Otto Bets' teilt

Brailsford- England

Hamburg  , 25. Mai.

feits faßte die Erefutive gleich in ihrer konstituierenden Sigung als Berichterstatter der ersten Kommission mit, daß diese wichtige Entscheidungen bezüglich des Siges und der 3uzwei Resolutionen vorlegen wird, von denen die eine, zur fammenfegung der Internationale. Einstim internationalen Realtion, einstimmig, die andere über die mig wurde London   als Siz der neuen Internationale be- russische   Frage nicht angenommen wurde. Fortfahrend, er­stimmt und ebenso einstimmig wurden die beiden Sekretäre Härte er: Seit dem Kriege hat die Reaktion manche neue Formen

In der Reparationsfrage fehlt es noch heute an jedem System. Die Regierungen sehen sich zusammen aus Bantenchefs.( Heiterkeit). Aber die einen, die glauben, mit Gewalt alles regeln zu können, ermeisen sich ebenso ohnmächtig wie die anderen, die als geriebene Geschäftsleute empfohlen wurden. Wir Belgier wissen am besten, wie ein Bolf unter fremder Besatzung zu leiden hat. Wir haben deshalb gefagt: Solches darf sich niemals wiederholen ( Bravo  !) und haben deshalb gegen die Ruhrbefehung protestiert. Gestern haben wir, als Blum und nach ihm Crifpien sprach. hier unvergeßliche Augenblicke erlebt; diefes Erlebnis bewies uns, daž In uns allen eine gemeinsame Kampfeflamme fodert. ( Bravo  !) Das vor Jahrzehnten geknüpfte Band zwischen den inter­nationalen Proletariern ist jetzt durch nichts mehr zu zerreißen. Der