Nr. 279 ♦ 40.?ahrgssg
2. Seilage öes vorwärts
Sonntag, 17. Juni 192?
Was fängftDu mitDeinem Ur�uS_ an? Eine Rundfrage an unfefe Lefer.
Vom Urlaub zu reden, von wohltätiger Ausspannung nach d« Arbeitsfron, ist solange eine mißliche Sache, als ein Teil unserer Volksgenossen Fvochen- und monatelang aufge- zwungene Feierstunden bei Hungerbrot halten muß. Verbitte- rung schleicht durch die Reihen dieser Urlaubsmüden, deren Hände, klamm von Ruhe, sich sehnsüchtig nach jeder Arbeit strecken, die dem knappen Brot wenigstens den mageren Mar- garineaufstrich geben könnte. Sie, die vom Schicksal und von der Rot der Zeit Stillgelegten wollen fort vom rastgebärenden Miiranersorturlaub, hinein in das zuckende Getriebe der Arbeit, der lärmerfüllten Säle, der raschelnden Federn. Sie wollen nicht vom Urlaub reden, den sie allzulange, bis zur schalen, bitteren Neige ausgekostet haben. Aber die anderen, die Glück- lichen, die im Zenith der Arbeit stehen, mit diesen geht beim Blick durchs rauch- und staubgeschwärzte Fenster die Sehn- sucht, um aus des Tages Arbeitsgleichmaß in eine andere Welt zu tauchen, die sich außerhalb der lauten Werkstätten und dumpfen Bureaus aus Wasser, Luft und Erde grüne Schön- Helten baut. Wohl, die Sehnsucht ist vorhanden, aber welche MögKchkeiten gibt es, sie zu stillen, in einer Zeit, die schärfste Anspannung im nimmermüden Kampf ums Dasein verlangt? �* Vor dem Kriege bekamen im allgemeinen von den Handarbeitern! nur die in kommunalen und staatlichen Betrieben und w sozialen Genosienschasten Tätigen einen Erholungsurlaub, und da alle diese Betriebe blühten und gediehen, so war damit eigentlich schon der Beweis erbracht, daß die Rentabilität eines Unternehmens nicht ge- fährdet wird, wenn es gemeinnützig arbeitet und aus dieser sozial gerechten Einstellung heraus seinen Arbeitern Urlaub gewährt. In den letzten Iahren vor dem Kreg« begannen unier dem Druck der sozialreformatorischen Forderungen, denen sich übrigens auch eine Anzahl entschieden gerichteter bürgerlicher Soziaireformer nicht ent- ziehen konnten, einige größere Wert« ihren Arbeitern Urlaub zu ge-" währen. Damals bestand der heute kaum noch zu verstehende Zu- stand, daß zwar Beamte, Angestellte und Lehrer selbstverständlich ihren Urlaub erhielten, daß aber die Handarbeiter Jahr um Jahr geradezu Frondienste leisten mußten, ohne daß ihnen jemals Ge- lcgenheit geboten worden wäre, für einige Zeit von der erdrückenden Alltagsarbeit auszuspannen und sich mit Frau und Kindern eine Erholung zu gönnen. Wohin! Für das Bürgertum waren Ferien und Urlaub von jeher gleich- bedeutend einmal mit Reise und zum anderen mit Erholung für die gesamte Familie. Als nun für einen wenn auch nur kleinen Teil der Arbeiterschaft die wohltätige Einrichtung des Urlaubs geschaffen wurde, da stellte sich, und zwar bei der älteren Arbeiterschaft, vielfach das tragisch wirkende Geständnis ein, daß sie nicht wußten, was sie mit der Freizeit ansangen so l l t e n. Um in ein Bad oder eine bescheidene Sommerfrische zu fahren, fehlte ihnen, den Wochenlöhnern, die niemals etwas er- sparen konnten, das Geld. Auch hatten sie noch nicht die rechte Ein- stellung für diese Dinge. Sie fühlten sich in der Sommersrischc fremd und einsam. Am besten waren immer noch die daran,> die Verwandte auf dem Lande hatten, zu denen sie reisen konnten,! oder die ein Laubengärtchen ihr eigen nannten, auf dem sie die wenigen Tage Freizeit pusseln konnten. Die großartige seelische i Wirkung des Reifens in eine unbekannte Ferne, von fremden Ländern ganz zu schweigen, war und blieb dem Arbeiter fremd. Er hatte ja nicht einmal die Möglichkeit, das eigene deutsche Land, dessen Sprache er sprach und für das er sich als Soldat schlagen sollt«, kennenzulernen, und damals prägte der„Simplicisfimus" einen Vers, der die Situation grell und scharf beleuchtete. Er rief den deutschen Arbeitern in der Zeit der Marokkotris« und dem immer drohender heranrückenden Wellkrieg zu: Hinter den Mauern, hinter den Schloten liegt euer Boterland. Ihr sollt euch schlagen dafür und töten und habt es niemals gekannt.
Sie haben sich dennoch dafür geschlagen und Vben sich für dieses schöne deutsche Land töten lassen, das sie selber erst mit großen staunenden Augen kennenlernten, als sie im feldgrauen Rock in den Militärzügen durch seine Gaue fuhren. Eine große Errungenschaft haben sie aus diesem Kampf heimgebracht: den Achtstunden- l a g, der ihnen.ein menschenwürdiges Dasein schaffen soll und im Anschluß daran eine erhöhte Urlaubs- und Freizeit, die sie benutzen sollen, um sich von der Arbeit eines Jahres zu erholen, und um das eigene Land und sein Volk kennen und lieben zu lernen. welche Möglichkeiten! Und nun sind wir wieder einmal�so weit. Immer näher rücken die Tage, an denen die Feriensonderzüge Tausende und Abertausende von Kindern an die See oder in das Gebirge führen, teils mit, teils ohne Eltern. Und wer schon in dieser Zeit vor dem Beginn der großen Ferien Gelegenheit gehabt hat, durch die deutschen Er- bolungsstätten zu schweifen, der wird mit Erstaunen festgestellt haben, daß sie zu einem großen Teil trotz Markentwertung und Teuerung bereits recht gut besucht sind, und daß für die Haupt- saison im Juli und August alle Betten weit im Vor- hinein belegt lind. Einen nicht geringen Anteil an den Be- suchern stellen die vielen weiblichen Angestellten, die sich einen Er- holungsaufenthalt noch am ehesten gestatten können. Auch sorgt für kaufmännische männliche und weibliche Angestellte in nahezu idealer Weise der Verein für Kaufmannserholungsheim«, der bereits über 20 über das ganze deutsche Land verstreute Pcnsiomshäuser im Besitz hat und darin seinen Mitgliedern in wohlfeiler Weise mit Unterkunft und Verpflegung versorgt. Neuerdings machen sich auch in dem wirtschaftlich sehr heruntergekommenen Mittelstand Bestre- bungen bemerkbar, seine Angehörigen, die vielfach kaum noch die Mittel dazu haben, wohlfeil unterzubringen. Die Arbeiter- s ch a s t und ihre Jugend verfügt über die ausgezeichnete Orggni- fation der„Naturfreunde" mit ihren gleichfalls über das ganze Land verstreuten Unterkunftshäusern. Während aber bei den Kauf- mannserholungshäusern die Kaufmannschaft selber, d. h. die Unter- nchmer, gewaltig? Summen beisteuern, sind die Organisationen der Arbeiterschaft ausschließlich auf sich selbst onge- wiesen. Die gewaltig erhöhten Fahrpreise und die unermeßlich steigenden Preise für Lebensmittel und alle Klcidungsbedarfsartikel haben bereits eine große Reihe von Urlaubs- und Erholungsreisen der arbeitenden Stände über den Haufen geworfen. Tiefste Miß- stimmung und hoffnungsloser Pessimismus machen sich in diesen Kreisen, von denen doch der wirtschaftliche Aufbau des Landes ab- hängt, immer mehr breit. Die unbedingte Notwendigkeit einer körperlichen Ausspannung und seelischen Ent- spannung ist überall anerkannt. Aber die M i t t e l reichen nicht. Was soll geschehen? Soll man verzichten und mit Frau und Kindern die Tage des Urlaubs zu Haufe verbringen, um vergrämt, verbittert und unerfrifcht in die neue sich ein Jahr lang ausdehnende Arbeit hineinzugehen? Hebt JingerAeige! Wir sind überzeugt, daß sich unter den Hunderttausenden un- serer Bezieher und Bczicherinnen, Leser und Freunde eine große Menge gewandter Köpfe befinden werden, die um«inen Ausweg aus dieser scheinbar trostlosen Lage nicht verlegen sind, und an alle diese richten wir die Aufforderung, uns möglichst anschaulich, wenn auch in kurzen, knappen Worten zu berichten, wie sie trotz geringer Wittel Arlaob und Ferien zu verbringen gedenken oder wie sie sie in letzter Zeit bereits verbracht haben, welche Erfahrungen und Ein- drücke sie dabei gesammelt haben und wie sie sich die Zukunft des Arbeilerurlaubs vorstellen. Ohne Zweifel werden sich aus diesen Mitteilungen der Leserschaft selbst für all« die vielen, die heute glauben, keine Möglichkeit zur Ausnutzung ihres Urlaubs zu haben, doch noch Fingerzeige ergeben. Denn Urlaub ist gleichbedeutend mit der Möglichkeit, neue Lebenskraft und Lebcnsfreudigkeit für eine Zu- kunft zu sammeln, die an sich nicht gerade freundlich aussieht, aber ohne Erholung völlig trostlos werden müßte. Zn Potsdam ist der Straßenbahntarlf in Staffeln von 600, 800 und 1000 Mark festgesetzt. Demgegenüber stehen also die Berliner Bororte mit zurzeit 430 M. bedeutend Keffer da. Leipzig erHöhle den Mindesrtarif auf 700 M.
vom Nutzen ües schlechten Wetters. Wenn die augenblickliche Kälte uns geradewegs in die neue Eiszeit hineinführen sollte, so lange noch zwei Menschen übrig bleiben, werden sie keine Langweile empfinden, denn sie können sich über das Wetter unterhalten. Vielleicht ist das Wetter das schönst:, von dem man gar nicht spricht, wie ja auch die Frauen die besten sein sollen, von denen man nicht spricht. Und deshalb hat der Süd- länder mit feinem schönen sich gleichbleibenden blauen Himmel und himmlischen Wetter gar keine Gelegenheit, vom Wetter zu reden. Uns aber gibt schon ein Wölkchen, ein Sonnenstrählchen Gelegenheit, über das Wetter zu sprechen. Und was sollten alle unsere jungen Leute anfangen, wenn sie sich zum erstenmal kennenlernen, be- fangen gegenüberstehen und nicht dieses ewig vorhanden«, ewig gütige und unausschöpfliche Thema hätten. Jedermann weiß, daß es eins Notbrücke ist, die er betritt, wenn ihm gar nichts anderes einfällt und die immer so gefällig ist, daß sie ganz bestimmt nicht einfällt. In der Eisenbahn ist es ganz genau so. Die überaus Höf- liche Frage an das heimlich oerehrte Gegenüber, ob man wohl das Fenster schließen bzw. öffnen soll, ist gar nichts anderes als der uralte Trick der Männlichkeit, überhaupt erst mal ein paar Bröckchen aus dem Mund der Holden zu hören, worauf sich dann sofort und ohne Zwang eine Verbindung mit dem gerade herrschenden Wetter ergibt. Und von da ist es ein Kinderspiel, auf jedes beliebige andere Thema hinüberzuwechseln, wenn man nicht schon ganz blöd und zag ist und die Dame gegenüber nicht Zahnweh, Migräne oder sonst was hat. Das Wetter hat überhaupt immer den gefälligen Ver- mitller abgegeben� So schildert Lothar Brieger in seinem Buch über den herrlichen Maler Theodor Hosemann höchst amüsant die Zustände in dem Berlin der 30er und 40er Jahre. des vorigen Jahrhunderts:„Alle großen Plätze waren noch ungepflastert, mit einer großen Laterne in der Mitte. Wenn es regnete, standen die Frauen hilflos gegenüber veritablen Seen. Daher denn auch alle Frauenfreunde bei herannahendem Regenwetter schleunigst ihre sicherer. Behausungen verließen und sich an den Hauptplätzen auf- stellten, um die günstig« Gelegenheit zu einer nickst viel Geist er- fordernden Anknüpfung zu benutzen. Im vormärzlichen, Berlin gab es zwei AritnüpfunHsmöglichkeiten:'die Straße bei Regen und den Verein." Wenn nicht das Wetter wäre, wäre sicher auch nicht dieser Scherz zustande gekommen, der sehr nach Wahrheit riecht. Bei starkem Regenwetter nähert sich ein Herr mit aufgespanntem Schirm einer jungen Dame, die gleichfalls einen aufgespannten Schirm trägt, und bietet ihr seinen Schirm an. Darauf die Dame erstaunt:„Aber mein Herr, Sie sehen doch, daß ich bereits einen Schirm habe." Und der unoerblüffte Herr:„Das ist es ja gerade, mein Fräulein, was ich Ihnen vorschlagen wollte. Wir machen einen Schirm zu." Man schimpfe und zetere also über das arge Wetter nicht. Es birgt vielleicht ungeahnte Möglichkeiten. Es ist dem einen sin Uhl und dem andern sin Nachtigall gewesen und— geblieben. Cm einträgliches Geschäft. Der Schulmann als Generalpächier. In Teltow hatte die Stadtoerordneteyoerjamm- l u n g sich mit dem B o l k s sch u l r e k t o r M i c t h g e zu beschäftigen, dessen außrvamtlich« Tätigkeit von unseren Genossen beleuchtet wurde. Rettor Miethge gehört selber dem Teltower Stadtparlament als Vertreter der angeblich„unpolitischen" Bürgerlichen an, die dort in der Minderheit sind, während die Sozialdemokratie die Mehrheit hat. Im Volksschulwosen empfindet man ihn bei allen Neuerungen als Vater der Hindernisse, und schon lange steht er in offenem Kon- flikt mit dem Elternbeirat, der ihm nicht untertänig und gehorsam ist. Im Privatleben ist er frommer Christ und eifriger Kirchenvertretcr. Welche Ucberraschung gab es nun in der Arbeiterstadt Teltow, als in öffentlicher Stadtvorordnctensitzung diesen: Führer der Bürger- lichen von unserem Genossen Prochnow ein(gelinde ausgedrück!) sehr profitables Geschäft vorgehalten wurde.* Miethge hatte von der Teltower Kaiialterrain-Aktiengesellsck�ft 22 Morgen Wiesen- land für den geringen Preis von 10000 M. gc- nachtet, auf den die Gesellschaft sich nur einließ, weil der Herr Rektor kein Geschäft machen, sondern das Land in Parzellen a n E.lrern feiner Schüler weiter verpachten wollte. Er hat es auch an eine Anzahl kleiner Unterpächter abgegeben und läßt sich den Pachtzins in Kartoffeln, also in einem wert- beständigen Entgelt zahlen.' In der Stadwerordnetenversamm-
14j
Als die Wasser fielen.
„Wir sitzen im Weltraum. Sie und ich!" Seine kleinen Augen starrten Gude intensiv entgegen. „Wissen Sie, wer ich bin?" Seine Stimme war flüsternd, seine Mienen deuteten Mystik an. „Ich— bin— der— größte— Expressionist— unserer — Zeit," sagte er, den Satz deutlich skandierend. Er schlug mit der Faust auf den Tisch: ,Llber zugleich der letzte!" „Die Zeit der Expressionen ist vorbei," fuhr er langsam fort.„Wolzer stammen die Ruinen unserer Zeit, die rauchen- den Feuerstätten in der ganzen Welt, die Ueberbevölkerung und der Sterblichkeitssatz, woher kommen die Abschlachtereien und das große Ragnarock?"'Er näherte sein Gesicht dicht dem Gudes:„Davon, daß wir Menschen uns Ausdruck verliehen!" rief er.„Wir waren Expressionisten, Expansionisten, wir wollten der ganzen Welt, allen Ländern unser eigenes ver- fluchtes Gepräge geben! Ja, das wollten wir!" Er senkte die Stimme.„Darum bekamen die Europäer zu viele Kinder, Millionen mehr, als die Länder fassen können! Und die Natur. Die bildeten wir um, wie es uns selbst am besten in unseren Kram paßte! Wir vergaßen die Natur! Wir vergaßen, daß wir ihre Kinder waren! Wenn ich meine Seestücke malte"— er hob seine Hand— „so verhöhnte ich das Meer! Ich kann feinere Wellen malen als du, dachte ich, und hier— hier! in mir sind feinere Farben verborgen, als die Nordlandssanne über die Schären legen kann. Ich. ich, ich! verstehen Sie, das war die Palette, auf der ich mestre Farben fand. Genau so wie Deutsche, Enzlän- der und Franzosen dort draußen! Ausdruck meiner selbst und Eindruck aus die anderen. Das nannte man Schlagkraft! Jetzt male ich nicht mehr," sagte Rustad.„Ich habe ent- deckt, daß ich viel, viel mehr bin als mein Ich!" Sude bückte fragend auf. „Ich bin die Natur!" sagte Rustad mit Hoheit.„Das Universum wirkt durch mich. Ich bin ein Teil des Alls!" Er schlug mit der Hand auf den Tisch.„Und das All selbst!" Er schüttelte schwer den Kopf. „Deshalb male ich nicht mehr. Der Expressionismus ist fctl" Er schwieg eine. Minute,»Was war. ich als Maler?
Privatmann! Egoist! Jetzt fühle ich das Universum in mir. Einmal werde ich von neuem wieder schassen. Wie die Natur selbst schafft. Nicht die anatomischen Kabinette des Naturalis- mus! Nein, frisch, wie die Natur schafft. Bon außen, durch mich hindurch und hinaus!" Er streckte die Arme aus. Es war, als schwölle er, bis er den ganzen Kajütsraum ausfüllle, seine Mantelschöße flat- terten wie mächtige Flügel, sein Schatten wogte vor dem Licht der niedrigen Lampe ungeheuer groß über die Wandtäfelung, ergoß sich wie eine kohlschwarze riesige Wolke über die Decke, wie eine fliegende Haut, in die er hineinfuhr---. Gude hatte ein Sofa für Rustad zurechtgemacht, als er aber am nächsten Morgen seinen Arbeitsraum betrat, war der Norweger fort. Das Sofa war in Ordnung gebracht, Gläser und Karaffen sogar ausgespült und beide Kuhaugen geöffnet, um den frischen, kühlen Morgen hereinzulassen. * Der Wassertank der Bark Bsß Ruthby stand mittschiffs. Gude hatte eine Persenning als Wind- und Sonnensegel da- hinter� anbringen lassen, die quer über das Schiff ging und es in zwei Teile teilte. Das Leben achtern ging ihn nichts an. Er bedachte, daß es ihm an und für sich nicht anders ging als jedem, der in diesen Zeiten sein Haus mit anderen teilen mußte. Sein Promenadenplatz war beschränkt, das war alles. Die Segeltuchwand sicherte ihm die Diskretion, die er seiner Nachbarin gegenüber für selbstverständlich erachtete. Es gab keine Verbindung zwischen den beiden Teilen des Decks. Ihm war klar, daß der unterste Teil des Schiffes vom, den er selbst bewohnte, nicht unmittelbar an die Kajüten achtem stieß. Dazwischen befand sich ein abgeschlossener Lastraum. So glückte es ihm, in den kommenden Tagen ungestört zu bleiben. Ein paarmal sah er Rustad, der sich langsam und ge- wichtig auf dem Kai gegen die achtere Landungsbrücke be- wegts. Er lüftete ernsthaft seinen Hut vor Gude, während er feierlich vorbeiging, als wäre er sich seiner ungeheuren Ver- antworlung bewußt. Täglich um sechs Uhr kam der Magen mit den schellenläutendei! Ponys und den beiden Küchen- jungen, die— mit der Umgebung vertraut— an Bord sprangen. Ein paarmal wandten Handwerker sich an Gude wegen Reparaturen, zu denen sie, wie sie sagten, bestellt waren, und er wies sie an die Bewohnerin des Achterschiffes. Der. Matrose Matti lebte nach wie vor m sewer Kambüse.!
Er spülte das Deck und bereitete das Frühstück für Gude, sowie den ganzen Tag lang Kaffee für sich selbst. Meistens faß er vom im Schiffe, halb versunken in eine aufgeschossene Trosse, die Arme stundenlang um die Knie geschlungen, lächelte das Frühlingswetter an und blinzelte langsam mit den langen, hellen Augenwimpern, als ob er die Zeit in Sekunden ein- teilte, die gingen und gingen. Gude mißgönnte ihm diese Apathie nicht. Man konnte es sich wohl noch leisten, einen Mann jvu halten, der sich damit begnügte, Pflanze zu sein in einer Welt, in der die meisten sich wie Tiere aufführten. Das Wasserboot kam jeden Morgen und legte sich vor Beß Ruthbys Bug. Kapitän Samuelsen schien die Derände- rung an Bord ganz zu ignorieren. Aber seine Diskretion war zweischneidig. Hin und wieder kam ein vorwurfsvoller Blick in sein Auge, ab und zu schmatzte er mit den Mundwin- kein, als verschluckte er eine oertrauliche Bemerkung. Doch im großen ganzen zeigte Kapitän Samuelsen Takt! Als Gude eines Tages an Deck kam, sah er, wie Matti mit einem Mund, der noch weiter offen stand als gewöhnlich, durch das Spundloch des Wassertanks starrte. Zögemd stak der Matrose die Hand durch das Loch und ließ den Arm lang- fam nachgleiten. Es fiel Gude ein, daß er ja tatsächlich den einzigen Wasser- behälter des Hauses besaß. Reuig über seine Vergeßlichkeit trat er näher an das Gefäß heran. Wie mochte sie wohl achtern fertig werden, fvenn er selbst alles Wasser, das an Bord kam, mit Beschlog belegte! Er beugte sich über den Wasserbehälter und sah, daß er jetzt kaum halbvoll war, vor noch nicht einer Stunde war er gefüllt worden. In hohem Grade verwundert, fragte er Matti, doch er zeigte nur durch die Oefstiung des Tanks, und Gude sah nun, daß die Wasserfläche beständig sank. Ueber das Deck floß kein Wasser. Von einem Leck konnte also keine Rede sein. Er bückte sich und untersuchte den unteren Rand des Gefäßes. Und an der dem Achterschiff zu- gekehrten Seite fand er ein an den Tank festgelötetes Robr, das unter die Segeltuchwand kroch und dort verschwand. Es schien erst ganz vor kurzem angebracht zu sein. Ziemlich verblüfft erhob er sich. Das war offenbar eine reguläre Leitung mit einem Hahn nach den achteren Kajüten. Sehr rücksichtsvoll vqn Herrn Rustad! Fortsetzung folgt.)