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2.303 40.Jahrgang Ausgabe A nr. 150

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Sonntag, den 1. Juli 1923

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Attentat auf einen belgischen Urlauberzug

9 Tote, 25 Schwerverletzte.

Strenge Repressalien.

Paris  , 30. Juni.  ( WTB.) Der Agentur Havas   wird aus der Einbruch der französisch  - belgischen Truppen in das deutsche  | Interesse daran, daß das klare Recht auf unserer Scite Duisburg   berichtet: Heute nacht 2 Uhr explodierte auf der Linie Ruhrgebiet   in feinem Vertrag und feinem Rechtsbuch eine bleibt, wie es zu Beginn der Ruhrbesetzung ganz zweifels. Duisburg- Friemersheim in der belgischen Zone im In- Begründung findet, anders als in dem Code der Gewalt, der frei festſtand und durch keine Rede Poincarés und feine Ver­nern eines agens eines Urlauberzuges furz nach der Aus- von je für militärische Kreise allein gegolten hat. Darin ist sich ordnungen Degouttes verschleiert werden kann. Wir dürfen fahrt aus Duisburg   auf der Rheinbrüde eine Bombe. Der Wagen das ganze deutsche   Volk einig. Und seine Meinung von dem nicht dulden, daß wurzellos gewordene Eristenzen durch einen wurde vollkommen zertrümmert. 9 belgische Soldaten brutalen Rechtsbruch in Waffen starrender Mächte, begangen vermeintlichen nationalen Heldenkampf die Grundlagen wurden getötet und 25 schwer verletzt. Ein Wacht- an einem entwaffneten und unter den Folgen des Krieges unseres Rechts verrücken und der französisch  - belgischen Welt­posten, der die Brüde bewachte, wurde durch ein Eisenstüd getötet. niedergedrückten Lande, wird in weiten Kreisen der anderen propaganda billige Gelegenheit geben, von deutscher   Hinterlist WIB. meldet: Wie uns zu der Havas  - Meldung über die Er- Kulturvölker poll geteilt, nicht zuletzt auch in den Ländern und deutscher   Bewaffnung zu sprechen. plosion in dem Zuge auf der Linie Duisburg- Friemersheim von selbst, deren Truppen widerrechtlich im Ruhrgebiet   sizen und unterrichteter Seite aus dem Ruhrgebiet   mitgeteilt wird, können bei dort nach Kriegsbrauch hausen. Der passive Widerstand der diesem Vorfall irgendwelche Sabotage- oder Sprengungsafte von Ruhrbevölkerung gegen die Afte militaristischer Gewalt hat deutscher   Seite nach der Lage der Dinge nicht in Frage kommen, deshalb weithin Widerhall gefunden und, was seit langem ra die Eisenbahnbrücke unter militärischer Bewachung nicht mehr der Fall gewesen, tiefe Sympathien mit dem lei­fteht. Uebrigens soll nach einer späteren Duisburger   Meldung der denden deutschen   Volfe ausgelöst. Agentur Havas   das Unglück durch die Explosion eines Gas

behälters verursacht worden sein.

Paris  . 30. Juni.  ( WTB.) Der Brüsseler  " Soir" schreibt heute cbend zu diesem Attentat: Die Nachricht von diesem scheußlichen Littentat hat schmerzliche Erregung in Belgien   hervor. gerufen. Jedenfalls darf es nicht ungestraft bleiben, denn die öffent­fiche Meinung wird verlangen, daß Maßnahmen getroffen werden, hie perhindern, daß der passive Widerstand noch mehr Opfer fordert. Die deutsche   Regierung und diejenigen, die Deutschland  zum passiven Widerstand ermutigen, werden die ganze Berant­martung für die strengen Santtionen, die getroffen werden, zu ragen haben. Hoffentlich aber wird jetzt allen denjenigen, die unter irgendeinem Borwand oder in irgendeiner Form den passiven Wider­Stand Deutschlands   ermutigen, endlich einsehen, daß sie dadurch Beuten, die Belgien   über vier Jahre lang geplündert und gemartert haben, es ermöglichen, weiter Belgier zu ermorden. Dies muß auf­hören! Die ganze Welt hat genug davon!"

Aber alle diese Sympathien find in Gefahr, durch das

Deshalb haben wir immer dringender gefordert, daß die Reichsregierung, die die Verantwortung trägt, f l a r und un­zwei deutig zu der Frage Stellung nimmt, ob der passive Widerstand, der aus dem Willen des Ruhrvolfes geboren wurde, durch organisierte Sprengverbände in sein Gegenteil verwandelt werden darf. Reichskanzler Cuno hat Treiben der. Sprengkolonnen ausgelöscht zu werden, find, den passiven Widerstand gepriesen und den aktiven als immer wieder in seinen Reden, die oft recht kurzweilig zu lesen die sich gerade im Ruhrgebiet   breitmachen und nun schon eine unmöglich abgelehnt. Aber noch immer warten wir auf ein erhebliche Zahl von Anschlägen auch auf Reichseigentum zu unmißverständliches Wort, das die Dynamitpolitiker von den verzeichnen haben. Zu allen Zeiten freilich hat nackte Gewalt Rodschößen der Reichsregierung schüttelt. Die Wendung des wieder Gewaltakte ausgelöst. Und Verzweiflungstaten ein- Kanzlers auf dem Rheinischen Provinziallandtag kann so deiner, die sich gegen unerträgliches aufbäumen, haben noch gelesen werden, als ob sie nur die Verwendung von Dynamit immer menschliches Verständnis gefunden. Etwas ganz und Revolver im Parteikampfe verpöne. Es ist not­anderes aber ist es mit den organisierten Kolonnen, die jetzt wendig, daß er offen und ehrlich, wie es zweifellos feine den passiven Widerstand in einem aktiven umzu- innerste Meinung ist, auch nach außen von der Gewaltanien­wandeln suchen. Sie stehen ganz offen unter völkischer" Lei- dung im besetzten Gebiete abrückt. Die klare Linie, die ihm tung. Sie finden in allen pölfischen" Streifen lebhafte Unter der Wille der Ruhrbevölkerung vorgezeichnet. und die der fügung. Ihre Mitglieder werden als nationale Helden ge- Reichstag   gebilligt hat, darf der Kanzler um feinen Preis feiert, ihre Mittel fließen aus reichen, aber unbekannten verwischen lassen. Quellen. Es ist zweifellos, daß in diesen Kolonnen sich alles sammelt, was bisher in Verschwörerklubs Deutschland unsicher gemacht hat und noch unsicher macht.

Das deutsche   Volt leidet unendlich. Die Lebensmittelpreise sind unerschwinglich geworden. Vor den Läden stehen wieder die Polonäsen aus der Kriegszeit, aber die Ware verschwindet. Nach der Sprengung die Represalien. Sind die Mordanschläge im unbesetzten Deutschland   schon Unterernährung und trasser Hunger wüten. Das Milliarden­Köln, 80. Juni.  ( WTB.) Die Besatzungsbehörde hat im Laufe ein Verbrechen am gesamten Volfe, so noch vielmehr schuldenkonto des Reiches wächst ins Nebelgraue. Die Zeiten, des heutigen Vormittags im Zusammenhang mit dem Eisen die Sprengoersuche und ähnliche Aktionen im be fegten Ge- der die Völkischen   Dr. Wirths Erfüllungspolitik schmähten, er= bahnunglüd auf der Brücke bei Duisburg   eine Reihe biete. Sie nügen dem Reiche in nichts, aber sie schädigen die scheinen heute fast in rosigem Lichte, wenn man den Dollar­van Duisburger   Bürgern als Geisein festgenommen, und zwar, Bevölkerung der besetzten Gebiete in unverantwortlicher Weise. furs vom November 1922( 8000) mit dem vom Juni 1920 femeit bisher befanntgeworden ist, die beiden allein im Rathaus Für jeden der Ueberfälle oder der Sprengungen müssen die( 154 000!) vergleicht. Die Reichsregierung hat Ursache, fich anmesenden Magistratsmitglieder Dr. Weiß und Cremers, Re- gesamten Bewohner der betreffenden Ortschaften neue schwere felbst zu prüfen, ob ihre Reden genügen, um das Elend ab= gierungsrat Eylers, der bereits gestern vorübergehend verhaftet Lasten auf sich nehmen, neue Beschränkungen ihrer Freiheit zuwehren. Es sind Taten erforderlich. Eine dieser Taten worden war, die Oberstaatsanwälte Dr. Bach und Dr. Fudidar, ertragen, neue Ausweisungen, neues Elend erdulden. Für die würde sein, wenn die Regierung auf Grund ihrer Vollmacht den Landgerichtspräsidenten Dr. Brand, den Führer der Zen Schlußabrechnung, die doch einmal fommen muß, wird durch schnell und endgültig reinen Tisch machen würde mit denen, trumspartei Dr. Feldhaus und den Herausgeber der Rhein  - die Aktivisten" nichts geändert, es sei denn, daß die Situation die unter nationaler Maske den passiven Widerstand und das und Ruhrzeitung", Luko. Es wird vermutet, daß auch die übri- für Deutschland   noch schlechter wird. Wir haben aber alles ganze Volk in die Luft sprengen möchten. gen Parteiführer als Geiseln festgenommen werden sollen. Der Oberbefehlshaber der Besagungstruppen hat für Duisburg  unter Androhung hoher Strafen folgende Maßnahmen angeordnet: Berhaftung von zwanzig Bürgern als Geifeln, Schließung der Kaffeehäuser, Theater, Rinos und sonstigen öffent­lichen Lokale, Berbot des Straßenbahnverkehrs, Verbot des Verkehrs von Personenkraftwagen und Lastkraftwagen sowie von Motorrädern, Berbot des Fußgängerverkehrs von 10 Uhr abends bis 5 Uhr morgens, Einstellung der Erteilung von Bassier­facinen und von Fahrbescheinigungen für Wagen aller Art und für Personen.

werden!"

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Die Wirkung des Papstbriefes.

Paris  , 30. Juni.  ( WTB.) Vor Beendigung der heutigen Nacht-| Katholiken und der Flamen interessieren, weil diese die sigung der Kammer erklärte fich Ministerpräsident Poincaré Ruhrpolitik der Regierung am schärfsten fritisieren. bereit, die voliegende Interpellation der Abgeordneten Du mesnil, Marc Sangnier   und Magallon über das Schreiben des Papstes in der Reparationsfrage und die Interpellation des Abg. Rollin über die Legimität der französischen   Schuldenforderung an Deutschland   und die Notwendigkeit, deren Zahlung zu erzwingen, am tommenden Freitag zu beantworten.

Rom  , 30. Juni.  ( WTB.) Osservatore roma" betont in einer Notiz zu der letzten päpstlichen Spende, daß die verschiedenen Spenden, die der Heilige Stuhl nach Deutschland   und Oesterreich gesandt hat, nicht zur Linderung der Not in einer einzelnen Gegend, sondern nach den ausdrücklichen Absichten der Spender zur Linderung der Not der 3entralmächte im allgemeinen bestimmt waren.

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Es hat reichlich lange gedauert, bis die Reichsregierung fich entschloß, durch den Mund des Kanzlers vor den Sprengattentaten im Ruhrrevier zu warnen. In Baul Boncour begrüßt die päpstliche Initiative. Barmen hat Herr Cuno von den Unbesonnenheiten" ge­Paris, 30. Juni. Der Excelfior" hat eine Umfrage unter sprochen, die vermieden werden müßten, er hat erklärt, daß einer Reihe von Abgeordneten über den Eindruck des päpstlichen er solche linbesonnenheiten" verurteile, ob sie von rechts oder Schreibens unternommen. Der sozialistische Abgeordnete Paul an den Kardinalfekretär Gasparri, wenige Tage nach der Es ist kein Zufall, daß das Friedensschreiben des Papstes links fämen, und er hat den Saz angefügt:" Parteipläne Boncour äußert sich folgendermaßen: Wie sollten wir Inter. Bewilligung der Kredite für die französische   Botschaft können nicht mit Dynamit und Revolver durchgeführt nationalisten dem Papste nicht zustimmen, wenn er den beim Batikan durch den Senat ergangen ist. Der päpstliche Damals stand die Deffentlichkeit noch unter dem unmittel. energischen Versuch unternimmt, um eine Bersohnung der beim Vatikan durch den Senat ergangen ist. Der päpitliche Friedensappell hat in Frankreich   jene Wirkungen ausgelöst, haren Eindruck des Dynamitattentats von Mün ölker herbeizuführen? Der Papst besigt eine ungeheure mora Die vorauszusehen waren: Berlegenheit beim Natio­fter, mo völkische Heldenjünglinge im Dunkel der Nacht eine Tische Macht, die sich nicht ableugnen läßt. Er setzt sie ein und nalen Block, der zwar firchenfreundlich, aber noch mehr natio­fozialdemokratische Druckerei in die Lust gesprengt und das ruft dem Schuldner ins Gedächtnis, daß er sich bemühen liftisch gesinnt ist, Entrüstung und zugleich heimlich e Haus in Brand gesetzt hatten. Vielleicht daß der Kanaler müffe, feine Schulden zu bezahlen; den Gläubigern aber, daß Schadenfreude bei den Radikalen, die zwar firchen­Kann sich etwas dieses schamlose Attentat besonders im Auge hatte, als er da Besseres denken? Ich für meinen Teil, schließt Boncour, fann die feindlich aber wenigstens in der Ruhrfrage zum größten nor warnte, Barteipläne" mittels Dynamit und Revolver Intervention des Bapstes nur begrüßen und ich glaube, alle Friedensappell acht Tage vorher ergangen, dann wäre es Teil auch nationalistisch angehaucht find. durchsetzen zu wollen. Inzwischen aber wird durch das Sozialisten müssen meine Ansicht teilen. Todesurteil von Mainz   und durch den Anschlag der Regierung vielleicht unmöglich gewesen, die Vatikan  = gegen den belgischen Urlauberzug mit allen Kredite durchzusetzen. Ist es ja eins der Hauptargumente der feinen Folgen erneut die ungeheure Gefahr aufgezeigt, die Paris  , 30. Juni.  ( EE.) Der Temps" meldet aus Brüssel  , antifleritalen Parteien in Frankreich   gegen die Wiederauf­sich in den Geheimbünden der politischen Desperados tonzen- daß, obwohl das Schreiben des Papstes dem neuen Kabinett noch nahme der Beziehungen zum Vatikan  , daß der Papst Bene­triert. Eine Gefahr nicht nur für die Bewohner des befeßten nicht offiziell vorgelegen habe, diefes ihm gegenüber eine sehr flare dikt während des Krieges prodeutsch gewesen sei. Die Gebietes, sondern für das ganze Deutsche Reich, für den Be- Haltung einnehmen werde. Das neue Kabinett werde von seiner Gründer des nationalen Blocks, Clemenceau  , Millerand   und stand der Republik   und nicht zuleht für das ohnehin aus tau- früheren Entschädigungspelilit nicht abgehen. In sozia Poincaré   begründeten hingegen die Notwendigkeit der Wieder­fend Munden bluiende deutsche   Belt. listisen Kreisen merde das Schreiben des Papstes sehr aufnahme der Beziehungen zum Vatikan   mit der Behauptung, günstig beurteilt. Weit mehr würde das Urteil der belgischen daß diese Deutschfreundlichkeit des Papstes im Weltkriege eben

"

Nicht der geringste Zweifel tann darüber walten, daß

Belgien   und der Papstbrief.

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Wäre der