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Oelgische Reparatl'onsl'üeen. Steigerung der Reichseinunhmen zu Ncparatiouszwecke» Ueber das belgische Groubuch berichtet derPetit Parisien" u. a.: Das Traubuch der Sachverständigenberichte beschäftigt sich zu- nächst mit den deutschen   Einnahmequellen, die für Reparationen in Anspruch genommen werden können. Die Sachverständigen stellten fest, daß die Ciscnbahntarife niemals der Markentwertung gefolgt und die Ausgaben für den Betrieb unverhältnismäßig hoch seien. Eine Berechnung auf Grund der Vorkriegsein- nahmen ergäbe, daß es der deutschen   Regierung keine ernstlichen Schwierigkeiten bereiten werde, durch die Ausbsutunq der Eisen­bahnen jährlich einen Ertrag von einer Milliarde G o l d m a r k zu erzielen. Die in Aussicht genommenen Mono- pole könnten folgende Erträgnisse abwerfen: Tabak 450, Bier 200, Wein 50, Schaumwein 5, Alkohol 600, Zucker 130, Salz 70, Streich­hölzer 20, im ganzen also 1525 Millionen Goldmark. Der Mindest- wert der Kohlenaussuhr werde auf 340 Millionen Goldmark geschätzt. Hiernach würde nach vorsichtigster Schätzung, die der Steigerung fähig sei, eine Einnahme von 2865 Millionen Goldmark jährlich erzielt. Das zweite Memorandum ent- wickele den Gedanken, zugunsten der Reparationskasse B e t e i l i- gungsscheine an den deutschen   Unternehmungen zu schaffen, die das Anrecht auf 2 5 P r o z. vom erzielten Nutzen gäben. Wenn man eine Stabilisierung der Mark und eine relative Wiederaufrichtung der deutschen   Wirtschaft als natürliche Folge der Regelung des Reparationsproblems ins Augs fasse, könne die Be- teiligung an den Aktiengesellschaften allein einen Jahres- ertrag von 250 Millionen-Goldmart ergeben. Die dritte Studie kommt auf Grund des Ausfuhrüberschusses in den Monaten April bis Juni 1322 von 1000 Millionen Goldmark zu dem Schluß, daß gewisse Einnahmen ohne ernste Ungelegenheiten für di« ins Auge gefaßten Garantien der allgemeinen� Budgetver- waltung entzogen werden könnten. K e y n e s hat dieser Tage in derTimes" darauf hin- gewiesen, daß das Ruhrvolk vom übrigen Deutschland   ernährt werde; wenn der Tag komme, wo zehn Millionen Menschen die Hände hochheben und nach Essen, nur nach Essen schreien was werde da Poincar� tun? Diese Frage eines K e y n e s kann nur den Sinn haben, w i e Poincar6 die Verzweiflung der Verhungernden auszunützen versuchen werde. DerTemps" antwortet auf die Frage Keynes  ' mit folgendem Sirenengesang: An dem Tage, an dem der deutsche Widerstand aufhören werde, was nicht, wie derTemps" ausdrücklich hervorhob, eine Kapitu- lation bedeuten müsse, wie englische Politiker schreiben, di« Deutsch  . land verhetzen, sondern lediglich eine Anwendung des F r i e- densvertrages an dem Tage würde eine Zusammen- arbeit zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner beginnen, in beider Interesse. Die Industrie dieser außergewöhnlich reichen Gegend würde dann wieder regelmäßig produzieren und reichlich exportieren. Sie würde dann alsbald wieder große Kredite im Auslande erhalten, und mit diesen Krediten könne Deutschland  ohne Schwierigkeiten Lebensmittel einkaufen. Wenn das Ruhrgcbiet normal arbeite, werde es niemand nötig haben, der es ernährt. Aus diesem Grunde sei die Berliner   Regierung und die Gegner Frankreichs   in England so ungeduldig, die Franzosen aus dem Ruhrgebiet   zu vertreiben. Keynes   könne sich be- ruhigen. Wenn das Aufhören des deutschen   Widerstandes für Frank- reich u n angenehm sein würde, hätte die deutsche Regierung ihn längst beschlossen. P o i n c a r s und Lord C u r z o n werden aller Wahr- scheinlichkeit nach demnächst in Paris   zusammenkommen. Mac Kenna erwiderte auf eine Anfrage desEx- change Telegraph", daß er weder im bejahenden noch im ver- neinenden Sinne erklärt habe, sich zu weigem, den Posten des Schatzkanzlers anzunehmen. In London   soll jeder Gedanke einer Sondernote an Deutschland   aufgegeben und die Regierung soll nur entschlossen
Das neue Mittel gegen Zuckerkrankheit. Seit etwa Jahresfrist hört man wiederholt von einem neuen Heilverfahren gegen Diabetes, das in Toronto   in Kaimda seinen Ursprung genommen hat. Ein junger Arzt namens Banting   hat an der dortigen Universität ein Präparat hergestellt, das aus der Pankreas oder Bauchspeicheldrüse von Rindern u. Vgl. bereitet wird. In dem Laboratorium des Pro- fessors Macleod ist das neue Mittel dann weitcr bearbeitet und in größeren Mengen hergestellt worden. Man nennt esInsulin", nach den sogenannten Langcrhansschen Inseln, einer besonders in Frage kommenden Region der Bauchspeicheldrüse. Das Präparat soll nach Berichten amerikanischer und englischer Blätter geradezu Wunder wirken, und bei der starken Verbreitung der Zuckerkrankheit ist es selbstverständlich, daß der Andrang von Kranken sowie die Gesuche um Ueberlassung des Mittels in Toronto   sich häufen. Neuerdings hört man auch, daß England, Norwegen   und andere Länder sich eifrig bemühen, einen genügenden Borrat von Insulin in di« Hand zu bekommen, um ihn unter ihre ausübenden Aerzte zu verteilen. Diese vielleicht unbeabsichtigten reklamehaften Nebenerscheinungen scheinen in den Kreisen deutscher   Fachleute stutzig gemacht zu haben. Es ist in der Tat nicht zu leugnen, daß schon die ersten Mitteilungen in den englischen Blättern ein bißchen stark auf Sensation zuge- schnitten waren. In Deutschland   hat sich nun ein freiwilliges Komitee von Fachärzten zusammengetan/ um der Angelegenheit wissenschaftlich nachzugehen: es find die Herren Krehl. Minkowski  . Fr. Müller, o. Noordcn, Strauß, Umber und Fuld. An der Spitz« steht Professor Minkowski   in Breslau  . Die Herren gedenken, wenn die Erwartungen eintreffen, in einiger Zeit ein in Deutschland   selbst hergestelltes Präparat zu liefern, dessen Dosierung und genauere An- wendung dann ausgeprobt ist, so daß es allgemein zugänglich ge- macht werden kann. Bis dahin dürfte es sich empfehlen, dem neuen Mittel, das vielleicht nicht ganz unbedenklich ist, gegenüber doch noch einige Zurückhaltung walten zu lassen. Stierkämpfe in Florenz  . Di« Stierkämpfe, die lange Zeit eine Eigentümlichkeit Spaniens   waren, werden jetzt auch in anderen Län- dern beliebt. So haben sie sich in Frankreich   hier und da, besonders im Süden, eingebürgert, und auch in anderen romanischen Ländern oerlangt man nach ihnen. So erscheint jetzt in den italienischen Städten eine reisend« S ti e r t a m p f g e s e l l s ch a f t. Es mögen nicht gerade die erlesensten Toreadore und Matador« sein, die auf die Dörfer" gehen. Jedenfalls ereigneten sich in Florenz   bei einem dort stattfindenden Stierkampf aufregende Szenen. Der Stier- kämpf wurde beendet, ohne daß der Stier hatte getötet werden können. Das Publikum aber oerlangte seinen toten Stier, fühlte sich um die Hauptsensation betrogen und weigerte sich, das Theater zu verlassen. Die Haltung der Menge wurde so drohend, daß �die Toreadore, die bereits in ihr Hotel gegangen waren, eilig zurück- geholt werden mußten. Sie erschienen in Hemdsärmeln in der Arena, brachten es aber nicht fertig, dem Tiere den Todesstoß zu geben, und so mußte der Stier, der aus drei schweren Wunden blutete, schließlich mit einem Schlag auf den Kopf getötet werden.
Nene Wegener- Filme. Eine Paul. Wcgenec- Film- N.. G. ist gegriindrt worden zu dem Awelkc, Bmil- Wegener- Filme herzustellen und zu vertreiben. Die Oberleitung hat Paul Wegener  . Als erster Kilm soll der GroßfilmLebende BuddhaS", eine Phantasie aus dem Schne-land Tibet, gedreht werden.
sein, Berichte der Reparationskommission zu veröffentlichen, in denen diese Vorschläge für die deutschen   Zahlungen gemacht hatte._ Keine Kapitulation! Genosse Hilferding   über die Verständigungsfrage. Parts, 6. August.  (WTB.) Dr. Rudolf Hilferding   erklärte einem Vertreter derErs Nouoelle", es könne von einer Berständi- gung nicht di« Rede sein, solange die Ruhrbesetzung andauere, die nicht als Druckmittel, um Zahlungen zu erlangen, sondern als ständige Bedrohung und als«in« Operation angewendet werde, um Deutschland   zu zerstückeln. Der passive Widerstand im Ruhrgebiet   sei nationale Pflicht. Von der Regierung, vom ganzen Lande, von den Parteien der äußersten Rechten bis zu den Kommunisten, von den übriggebliebenen Resten der Militärpartei bis zu den Gewerkschaften, die letzteren hätten einen starken Beweis hierfür gegeben, werde niemand in dieser Frage nachgeben. Frank- reich möge eine Lösung finden, di« seinem Prestige und dem beut- schen Patriotismus Genüge leiste. Frankreich   möge durch seine Forderungen beweisen, daß es Gerechtigkeit wünsch«, damit man, erklärte Hilferding  , dem Volke zeigen könne, daß das, was Frank- reich wolle, Reparationen sind und nicht die Vernichtung Deutschlands  , dann werde man aufrichtig und loyal am Wiederauf- bau mitarbeiten; bis dahin fei keine Verhandlung möglich. Hilferding fuhr fort, Deutschland   hungere nach Frieden und Wieder- aufdau. Es könne und werde 30 Milliarden Goldmark bezahlen. Allerdings sei das eine Ziffer, die nicht überschritten werden dürfe. Auf die Frage, ob die Ruhrbesetzung di« Erfüllung unmöglich mache, die vier Jahre hindurch nicht bewirkt worden sei, antwortete Hilfer- ding, man könne Fehler, die begangen wurden, nicht ableugnen. Man könne sie nur in die Worte zusammenfassen, sie seien die Folge eines gewollten Mißverstehens auf beiden Seiten. Frankreich  hob« nichts getan, um das deutsche   Volk von seinem Friedens- willen zu überzeugen. Di« Unabhänigkeit des Reiches sei fort- gesetzt durch di« französische Politik sei sie Regierungspolitik oder nicht bedroht gewesen, durch die man versucht«, ein« sepa- ratistische Bewegung und di« Schwächung der liberalen deutschen  Regierungen, die bereit gewesen wären, sich mit Frankreich   zu ver- ständigen, herbeizuführen. Dar Ruhrwiderstand aber habe mehr als moralischen Erfolg, so verzweifelt er auch fei. Auf die Frage, ob ein« Katastrophe unmittelbar bevorstehe und cb ein« soziale Revolution die Schwierigkeiten überwinden werde, antwortete Hilferding  : Zählen Sie nicht darauf! Wir werden jusqu'au bont kämpfen, viel länger, als man voraussetzt. Wenn die Regierung bis jetzt viel- leicht bei ihrem Widerstande es an Entschlußfähigkeit und Weitblick hat mangeln lassen, so muß ich darauf hinweisen, daß jetzt ein neuer Reorganisationsplan in Ausarbeitung begriffen ist. Di« Industrie werde alle notwendigen Opfer bringen; Kon- Zessionen und Abkommen zwischen Industriellen und Arbeitern seien möglich, Frankreich   habe das Gefühl des Widerstandes allgemein geweckt. Die sozial« Frag«, so akut sie auch sei, werde zweifellos an zweit« Stelle treten angesichts des gemeinsamen Werkes, die uaNonole Verteidigung" sicherzustellen. Der Staat werd« für fein Budget den Goldwert annehmen. Das sei die erste Aufhellung der Lag«. Wenn die Reichsbant die Goldabschätzung für Kredite vorgenommen habe, dann könne man dank der vorhandenen Devisen die Privatwirtschaft weiterstnan- zieren, und zwar auch mit Hilfe der jetzt geplanten langfristigen Goldanleih«. Schließlich erklärte es Hilferding   für«in« entscheidende Notwendigkeit, daß Frankreich   den Garantiepatt annehme, den England und Amerika   ihm vorgeschlagen haben. Wenn dann Frankreich   des Friedens oersichert werde, auf den es Anspruch Hab«, werde es vielleicht endlich Muße haben, den guten Willen Deutschlands   anzuerkennen, an den nicht zu glauben, zweifellos das größte Unrecht gewesen sei. * Köln  , 6. August.  (WTB.) Di« Sozialdemokratisch« Partei hatte ihre Vertrauensleute aus den Wahlkreisen Köln  , Aachen  , Koblenz  , Trier   und dem Saargebiet Sonntag hier ver- ämmelt. Der Reichstagsabgeordnet« Sollmann sprach über die politisch« Lag«. Er vertrat die von der Fraktionsmehrheit beschlösse- nen politischen Richtlinien und verwarf unter lebhafter Zustimmung der Bersammlring di« Sondertagung der sozialdemokratischen Abgeordneten in Weimar  . Es wurde«in st immig ein« Entschließung ange- n o m m e n, in der die Kapitulation der arbeilenden Massen vor dem Gewallregiment des französischen   Imperialismus abgelehnt wird und die Ueberzeugung zum Ausdruck gebrocht wird, daß di« Unter- werfung unter die militaristische Herrschaft der Franzosen   und Belgier keine Erleichterung, sondern nur noch größere dauernde Bedrückung und Belastung bringen würde. Die Ent- schließung verlangt von der Reichsregierung, daß sie keine Gelegen- h«jt vorübergehen laste, um mit der Entente zu Verhandlungen über die Wiederherstellungsfrage und Beendigung der Ruhraktion zu kommen. Im Interesse der außenpolitischen Stellung und Be- tätigung Deutschlands   wird Deutschlands   Eintritt in den Völkerbund für notwendig gehalten; von der Reichsregierung werden entsprechende Schritte gefordert. Die Resolution schließt: Gegenüber allen Loslösungsbestrebungen im Rheinland  « bleibt die Sozialdemokratie in schärfster Abwehr. Sie bekämpft den aus übelsten Elementen bestehenden Putschismus im Rheinlande, der nur unter dem Schutze fremder Bajonette Bedeutung vortäuschen kann, ebenso entschieden wie jedes andere Attentat auf di« deutsche Republik. Die Entschließung, welch« das Vorgehen einer Sondergrupp« von sozialdemokratischen Abgeordneten mißbilligt, wurde gegen die Stimm« des Abgeordneten Fries angenommen, der an der Weimarer   Sondertagung teilgenommen hatte. Prof. Langevins Serliner Einürücke. Paris  . 6. August.  (WTB.) Professor L a n g e v i n von der Sorbonne, der der französischen   Liga für Menschenrechte angehört und der kürzlich auf Einladung des Deutschen Friedenskartells in Berlin   weilte, hat nach seiner Rückkehr nach Paris   einem Vertreter derHumanite" erklärt: Die ganze Erbitterung hat sich in Deutsch  - land gegen uns gerichtet, besonders beim Mittelstand und in den intellektuellen Kreisen. Während die Arbeiter zum größten Teil sozialistisch oder kommunistisch eingestellt sind, sind die Deutschen  des alten Regimes, die ganz auf die Staatsorganisation vertraut hatten, außerstand«, die wirklichen Ursachen ihres Elends zu entdecken. Sie können nicht von heute auf morgen ihre Ge- mütsverfassunq ändern. Langevin weist auf die Gefahren hin, die daraus früher oder später für den Weltfrieden erwachsen können. Heute werfe sich ein großer Teil der Bevölkerung dem Nation alis- mus in die Arme. Eine weniger blinde Politik als die Poincares hätte diesen Teil der Bevölkerung der notwendigen Aussöhnung zuführen können. Deutschland   stehe vielleicht, ungeachtet seiner schein- baren Ruhe, vor einer Katastrophe. Die durch die Wirtschaft- liche Krisis verursacht« Erregung werde noch verstärkt angesichts der Ausweisungen aus dem Saargebiet, dem Rheinland   und
dem Ruhrgebiet  . Der Aufenthalt der Ausgewiesenen im unbesetzten Deutschland   trage»och zum Anwachsen der Erregung bei. Die Verwendung schwarzer Truppen bei gewissen Ausweisungen verstärke diese Empfindungen. Langevin erklärt, er habe leider fest- stellen müsten, wie offenkundig gerade auch das Elend in Berlin   und die Erregung der Bevölkerung gegen Frankreich   fei. Bombenfunde in Tortmund. Dortmund  , 6. August.(TU.) Hier wurden gestern nachmittag an zwei Stellen Zeitzünderbmr.ben gefunden. Sie wurden von deutschen   und französischen   Feuerwcrkleuten unschädlich gemacht. Seipels tzabsburger-Nartei. Wenn die deutschösterreichischen Christlichsozialen im November 1318 und später noch einmal durch ihre Stimmen dem Beschluß der provisorischen und der konstituierenden Volksvertretung auf Ein- führung der Republik   zur Einstimmigkeit verhalsen, so ge- schah dies nicht nur unter dem Druck des Wiener Proletariats; auch groß« Teile ihrer städtischen Anhängerschaft und ganz besonders ihre bäuerlichen Wähler wollten von der Herrschaft der Habsburger  , di« die Schmach von Jahrhunderten durch das Ultimatum an Ter» bien, durch den Krieg, durch Karls Verrat an seinem Bundesgenossen gekrönt hatten, nichts mehr wissen. Als aber S e i p e l an Stelle Hausers Parteiführer wurde, mußte dieser Wechsel schon als ein Zeichen dafür genommen werden, daß sich di« Monarchisten wieder hervorwagen. Jetzt ist kein Zweifel mehr erlaubt: Eben hat der Präsident des größten klerikalen Vereins, des einst von Franz Fer- dinand beschirmten Katholischen Schulvereins, der ehemalige Graf Resseguier, in einem Artikel seiner zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck gegeben, daß der Republik   baldder Kragen abge­dreht" werde, und er hat versichert, daß drei Viertel aller katholi- schen Geistlichen nach wie vor das Gebet für den Kaiser sprechen; was diese Herren allerdings nicht hindert, sich von der Republik  57 Milliarden jährlich als Kongrua, als garantiertes Mindestem- kommen, zahlen zu lasten. Diese Gelder sind zwar zum großen Teil von Marxisten, Evangelischen, Juden, Konfessionslosen usw. aufge- bracht, aber trotzdem stinken sie nicht. Auch andere hervorragende Christlichsoziale bekennen tagaus tagein stramm ihr schwarzgelbes Herz aber die richtige obrigkeitliche Verkündigung hat dieser Zustand erst jetzt durch zwei fast gleichlautende Veröffent- lichungen der Christlichsozialen   Partei und der Partei der österrei- chischen Monarchisten gefunden, in denen ein gemeinsames Vorgehen der beiden Parteien bei den Herbstwahlen und sogar die Verschmelzung der beiden Parteien feierlich angekündigt wird. Di« Folge wird wohl sein, daß auf der christlichsozialen Kan- didatenliste auch die Führer jenes Monarchistenhäufleins, das sich offen dazu bekennt, erscheinen werden unbekümmert darum, daß von diesen Herren schon nicht mehr unsichtbare Fäden zu den Terror- banden derOstara" führen, die schon mehr als einmal Arbeiterblut vergasten hat. Di« Frage jedoch, wie der Parteiführer Seipel dieses Bündnis mit seinem wiederholten Eid auf die republikanische Ver- üssung als Abgeordneter und Minister vereinbaren könne, glaubt die WienerArbeiter-Zeitung  " mit dem Hinweis darauf beantworten zu sollen, daß Seipel nicht umsonst Moraltheologe sei. Im übrigen steht einer Monarchie in Deutschösterreich die Macht des Proletariats im Wege und diese nicht allein.
Erpressung am Parlament. Mussolinis Wahlrecht. lieber die Methoden, mit denen Mustolini das Parlament ge» zwungen hat, seiner schändlichen Wahlreform zuzustimmen, berichtet der Korrespondent des sozialistischen LondonerDaily Herald" aus Rom  : Eine ganze Woche hindurch hatten sich die besten Redner der Opposition bemüht, das Unrecht und den Unsinn des Wahlrechtscnt- wurfes darzulegen. Mustolini saß auf seiner Bank mit dem gleich- gültigen und gelangweilten Ausdruck eines Schulknaben, der dem endlosen Vortrag seines Meisters folgen muß, ohne ihm wider- prechen zu können. Nachdem die oppositionellen Reden vorbei waren, stand Mustolini auf, steckte seine Hände in die Hosentasche und sprach eine Stunde, in der er im wesentlichen nur das Folgende sagte: Entweder stimmt ihr meinem Wahlgesetz. er.twurf zu, oder aber ich jage die Kammer auf der Stelle auseinander. Zu diesem Zweck« hatte er im Abge- ordnetenhause eine sogenannte Ehrenwache untergebracht, und als der Tag der Abstimmung kam, wurde diese Wache durch ein Massenaufgebot der Faschisten innerhalb und außerhalb des Parlaments verstärkt. Als die Abgeordneten, von denen man annahm, daß sie gegen Mussolinis Entwurf stimmen werden, in das Parlament gelangen wollten, wurden sie beschimpft und es war offen- kundig, daß die Masse das Parlament stürmen würde, wenn di« Abstimmung ungünstig aussallen würde. Alle Zugänge zum Perawngssaal waren von Scharzhemdea, die Ochsenziemer trugen, besetzt. Di«Popolari", die katholische Volkspartei, von der man an- nahm, daß sie die Haupttriebkraft des Widerstandes gegen Musto- lini bilden, beschloh unmittelbar vor der Abstimmung, es möge sich jeder seiner Haut wehren wie er kann. Die Folge dieser Stellung- nähme war heiter, aber zugleich auch tragisch. Die katholischen Volksparteiler standen nacheinander auf, und der eine stimmte für, der andere gegen Mussolini  . Während der Abstimmung war das Haus in vollem Aufruhr. Inmitten dieses Getöses sah ich einen Abgeordneten, der sich Gehör zu schaffen versuchte. Als die Ruhe hergestellt worden war, merkte man, daß er schwer leidend ist. Er sagte, daß er als ehrlicher und aufrechter Mann in das Parlament eingezogen sei und es ebenso verlassen wolle. Er lege also sein Mandat nieder. Der Mann heißt Merizzi. Ein anderer, ein gewesener Soldat aus Sardinien  , L u s s u, schloß sich ihm an. Er sagte, daß Mussolini   die Behauptung aufgestellt habe, daß alle ausgedienten Soldaten Faschisten wären. Lussu sagte, daß er der Sekretär der gewesenen Soldaten aus Sardinien  ist und offen erklären müsse, daß Mussolini   gelogen habe. Unter dem Druck des faschistischen Terrors stimmte hernach das Parlament dem Wahlentwurf Mussolinis zu; damit hatte cs sein Schicksal besiegelt ver berufene Ratgeber. Die Montags-Rote Fahne" be- zeichnet, wie nicht anders zu erwarten war, alle unsere Angaben über den ehrenwerten Herrn Treint als Lügen: Nicht er habe um einen Posten bei der französischen   Militärmission in Polen   ersucht, sondern er habe ihn vielmehr abgelehnt. Dabei verstrickt sich die R. F." in einen blödsinnigen Widerspruch, indem sie erklärt, Treint sei erst zwei Monate nach seiner Demobilisierung für diesen Posten bestimmt(!?) worden. Auch der Ausspruch über die Annäherung an die Sozialisten,wie die Hand sich!em Geflügel nähere, um es zu rupfen", sei erlogen. Di«Rote Fahne", deren Leser natürlich nicht in der Laa.' sind, die tranzösi'ch" Presse zu verfolgen, hat leicht leugnen. Wir halten demgegenüber unsere Behauptungen voll aufrecht, und zwar erstens, weil der erwähnte Aus» fpruch Treints s chwarz auf weiß unter seinem Namen in derHumanite" zu lesen war und niemals widerrufen oder abgeschwächt wurde; zweitens, well die Behauptung über sein Gesuch um«inen Posten in der Militärmission für Polen  m i n d e st e u s zehnmal in der sozialistischen   und gewerkschaft» lichen Presse Frankreichs   aufgestellt wurde und Herr Treint es niemals gewagt hat, ihr entgegenzutreten. Er wird auch schon wissen, warum«r dies unterläßt..,