fr. 175 41. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Frühlingswanderungen.
Bir begrüßen in diesem Jahre nach einem langen und harten Winter mit besonderer Freude die bescheidenen Anzeichen eines schon vorhandenen Frühlings. Und wenn es mit den Knospen und der jungen grünen Herrlichkeit diesmal noch sehr im argen liegt, so find wird doch in aller Bescheidenheit froh überzeugt zu wissen, daß wenigstens der Winter dahin ist. Um dieses restlos zu erfahren, müſſen wir aus dem Bereich der Steinhäuser und Asphaltstraßen hinaus.
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Bom Lehrter Hauptbahnhof bringt uns der Nauener Borortzug über Spandau nach Fintenkrug. Sobald wir den Bahnhof brieffen haben, treffen wir auf die ersten Spuren des Frühlings. Wir gehen rechts hinaus, jedoch nicht in der Richtung zum' ten & nfenfruc", fondern sogleich links ab, in der Nähe der Bohn weiter. Der Waldrand ist von zahlreichen Haselbüschen befäumt, die fekt in voller Blüte stehen. Vergebens würden wir uns jedoch nach Bhmen und Blütenpracht umschauen. Die Blüten der Hasel find unfdinbar, wie die der Erlen. wir auf der meiteren Wanderung auch noch antreffen werden. Sie leuchten nicht in prangenden Far ben, auch verraten sie sich nicht durch ausströmenden Duft. Die InJeften, auf die folche Re zmittel wirken sollen, find noch nicht erSchienen. Die Hafel gehört zu den Windblütfern. Als grünlichpethe Räkchen hängen die männlichen Blüten lose beweglich an den Aeften. Die weiblichen Blüten drängen sich wohlverstedt in ihren Knofpenhüllen zusammen und ftreden nur zwei dünne rote Narben herous. Wenn wir den Haselstrauch aufmert'am betrachten, dann werden wir bald die zierl chen roten Fadenbüschel finden, die darauf morten, daß ihnen der Wind die männlichen Staubförnchen zuweht. Menn die Befruchtuna aeschehen ist, dann entsteht während des Semmers in der aus Decb'ättern gebildeten Hülle die Frucht die uns als Haselnuß mohlbefannt ist. Auch bei der Hafel ist es so wie bei den anderen Windblütern: die Blütenteile, die den männlichen Blütenstaub erzeugen, hängen außerordentlich leicht beweglich mit dem übrigen Pflanzenförper zusammen, und dann blüht die Halel gomz zeitig im Frühjahr in günftigen Jahren schon Ende FeBrar menn stetige Winde vorherrschen, und wenn noch feine Belambung der Verbreitung des B'ütenstaubes hinderlich ist. Am nächsten Wärterhäuschen überschreiten wir die Bahn. Der Weg führt durch schönen Mischwald. Hell leuchten die weißgekleideten Birken, deren Wipfel bald von einem zartorünen Schleier umwoben jein merden. Häufig treffen mir hier die Weiß oder Hainbuche an, deren Stämme ausgeprägte Länaswulften zeigen. Wir kommen zum Forsthaus Bredow. Gegenüber bem Forsthaus wenden mir uns rechts ab. Am Rande einer Wiese wandern wie zur Bahn, überschreiten diese und haben bald einen fleinen Gee erreicht. Befonders schön heben sich die schimmernden B'rfen von dem fahlarinen Boden des Lucys ab, ein farbenfrohes Frühlinasbild. Bir Bandern rechts um den fleinen See herum. Der Fußpfab ceht zu einem Graben, den mir mit Leichtigkeit überspringen, und bringt uns an das als Chauffee ausgebaute Gestell K. Wir haben den Briefelana erreicht, jenes Waldgebiet, das sich inmitten des Sovelluchs erstrect. Stellenweis zeigt uns der Briefelang das Bild eines fumpfiren Erlenbruchwaldes, während an trodeneren Stellen Kiefern mit Eichen und Birken abwechseln. Die Sumpfgebiete sind gecionete Brutstätten von Müden und anderen Insekten, die an marmen Taven den Wanderer arg planen fönnen. Wir folgen der Chaussee nach rechts bis zum Queraeftell o; auf diesem wandern wir links zum Forsthaus Brieselang, om Rande des Weldes. Wir überschreiten hier den Nieder- Neuendorfer Kanal. Jenseits besinnt die Bütenheide. Wir wenden uns halbrechts durch den Weld nach Pausin . Durch die Dorfave, in deren Mitte die Kirche fteht. wandern wir bis nahe zum Dorfende. Alsdann bienen wir lints ab zur Chauffee. Hier gehen wir ha'brechts. om Walde entIona, nach Wansdorf. Nun folaen wir der Chauſſee, die sich am Fher Berne birzieht, nach Böhow. Die drei Dörfer lienen om Südhang des Glen, der Hochfläche, die des Havefluch im Norden borenzt. Der Name entitommt dem Wendischen und deutet auf Lehm hin. Daß er dieser Landschaft zu Recht beigelent ist, beweisen d'e Lehm und Tongruben von Belten, die am Oftabhang der Hoch fläche ancelent wurden. Der Grien trennt das Henelluch im Süden von dem Rhinluch im Norden; jenes gehört dem Berliner Urstrom ta an, diefes dem Eberswalder. Wir wandern am Bahnhof Bogom
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Rennen Sie einen Herrn Jürgen Kolbenreiher? Möglicherweise trägt erich, selbstverständlich, weiß das nicht einen Schnurrbart." Der Angeredete fragte zurüd:„ Berzeihung, find Sie Schußmann? In meinem Hotel waren nämlich heute Schutzleute, die einen entsprungenen Jrren namens Kolbenreiher fuchten. Biele Schußleute durchsuchen ganz Berlin nach diesem Berrüdten."
Biele?... Bunderbar! Sie werden mich sicher finden." auf das kleine Hotel zu, in dem er die letzte Nacht geschlafen Getragen von Zuversicht, schritt er federnd und pfeifend hatte. Die Borüberhezenden, die Schußleute, Chauffeure, alle blickenden Menschenaugen, alle Menschen auf der Erbe fuchten ihn.
Da jah er wieder diese von einer unsichtbaren Last er brüdie Frau, der er schon am Morgen und noch einmal gegen Abend desselben Tages beinahe an derselben Stelle begegnet war, und die anzusprechen und nach sich zu fragen er nicht gemagt hatte, wegen der erstarrten Hoffnungslosigkeit in ihrem Antlig.
Die Frau, deren Lebensgefährte vor zwei Tagen ge. storben war, trug, in Blid und Cang schon wie törperlos ge worden, seit zwei Tagen die Laft der hoffnungslosen Bereinfamung ziellos im Kreise immer um denselben Häuserblod herum.
Das bange Gefühl, diese Frau sei in ihrem armen Herzen fo ertötet, daß sie nicht mehr geben und nicht mehr empfangen fönne, verhinder'e ihn auch jetzt wieder daran, einmal bei der Hoffnungslosigkeit anzufragen, nachdem alle von Hoff. ngen und Bielen noch Erfüllten ihm nicht hatten helfen
fönnen.
Nur den Bruchteil einer Sekunde sah sie Jürgens bangen Blid auf fich gerichtet. Ein stöhnendes Schluchzen brach aus. Drei Töne. Dann trug sie, wieder starren Gesichtes, weiter langsam durch die Straße ihre hoffnungslose Vereinſamung.
Vor dem Hotel sprach der Borfier mit einem Schußmann. Zurüdweichend blieb Jürgen stehen, bewegte den Beigefinger
vorüber auf der Chauffee weiter, die durch ausgedehnte Wiesen führt. Am Ende der Wiesen geht halblinks der Jungferndamm ab. Bald haben wir den Wald erreicht: auf der Blockbrücke überschreiten wir den von Belten kommenden Muhraraben. Nun führt der Weg durch den Wold weiter, om Rande fanneftredter Dünen, die fich das Dorf Senninsdorf mit feinen orcken Fobrifanlagen. Nach furzer Bonderung find mir am Bahnhof Henninsdorf, von we aus mir die Rückfahrt noch Berlin ( Stettiner Bahnhof) antreten. Weg. länge etwa 25 Rilometer.
rechter Hand ausdehnen. Am Ende des Waldes fehen wir vor uns
Zepernick- Birkenwerder.
Mit dem Bernouer Rug fobren wir vom Stettiner Borortbahn hof bis 3epernid. Bom Bahnhof wenden wir uns rechts, überschreiten Mie hier vorüberfliekerde Bante, und fommen durch die Kolonie Schönbrüd zum Dorf Schönow . An dem feinen Kirchlein vorüber wondern wir zum Nordoussona des Dories . Hier menden wir uns hoblints. Durch ein an Dünen reiches Waldgebiet foten mir dem Wandliker ene bis zum erften Querwen: eine Gondorube ist hier angelegt worden Auf dem Quermeg gehen wir nach lints: Das Dünengebiet spüren wir sehr deutlich an her fans dinen Beschaffenheit des Menes. Bold baben wir jedoch die Chauffee erreicht, der mir bis zum Gorinfee folaen. Wir wandern rechts m diefen fleinen märkischen Waldlee, an deffen Geftade sich im Sommer ein renes Freibeheleben abinielt. herum. bis wir auf den nördlich vom See vorüberführenhen Besteffmea G fnmmen. Diesem Mefteweq folgen mir in westlicher Richtung, überschreiten die Brenzlauer Chauffee und both darauf die Liebenwa der Meinbahn und hohen bald das Gut Dammsmühle erreicht. Der Bold befteht aus Riefern; das Gelände ift nahezu eben, nur hin und mieder unterbrechen ffine flochwelline Erhebungen die Gleichmäkin feit der Bandschaft. Mir neben nach finfs um das Gut herum, bis mir auf die vom Mühlenbed kommende Chauffee gelangen. Diefer folmen wir nach Norden, an dem Gutspark mit seinen Teichen'nnen vorüber, his zu einer Wenteilung. Hier wenden wir uns mech tints. In der Nähe des Mühlenberer Sees wandern wir auf dem Summter Ben meiter durch schönen Wa'd. Wir fommen zum Summter See, in deffen farer t sich die meninen Häufer von Summt spiegeln. Durch Summt führt die Liebenmather Chauffee. die wir beim Chauffeehaus erreichen. An ber bald darauf folgenden Biegung der Chauffes mandern mir meradeaus meiter ein Wirtshaus steht an hiefer Stelle. Infer Weg geht had in finuraercher meftlicher Richtung als Gestell F( Summt- Geften durch den orft Oranien. hura. Auch hier hoben mir ein an Dünen reiches Gelände, deffen Erhebimoen mir rechts und links des Menes bentlich aufsteigen fehen. Schließlich führt der Weg aus dem Wald hinaus, furz vor dem Bahnhof Birkenwerder .
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Wenn wir noch Reit genug übrig baben, tönnen wir ben etwas nördlich gelegenen Bobbenfee und die dicht dabei vorüber fießende Briefe aufluchen. Auch hier hoben wir Gelegenheit, an ben mit ihren beiche benen Blüten geschmüdten Erfen die Smiren des wiedererstandenen Lenzes morzunehmen. Des Winters Macht ift aebrochen, der frühling hat seinen Einzug gehalten!( wegfänge etwa 22 Kilometer.)
Sonnabend, 12. April 1924
Er wollte seine Ruhe haben...
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Die 24jährige Rosa Schatys wurde mit einem Relfenstrauß in der Hand und Würgemalen am Hals in einem Hausflur der Alvenslebenstraße aufgefunden. Sie hatte mit Altohol, Blumen und Zärtlichkeiten ihren Geburtstag gefeiert und war in Fest. ftimmung aus dem Leben gegangen. Freiwillig oder nicht? Der Wurstmag, die Mädchen, Zuhälter, Caféhauskellner, Hausbewohner in der Alvenslebenstraße werden erfolglos befragt. Keine Spur, fein Fingerzeig. Endlich leuchtet ein Anhaltspunkt wie ein einsamer Leitstern durch den undurchsichtigen Nebel des Rätselhaften. Ein junger Student mit Hornbrille ist mit der Toten, damals der Feuchtfröhlichen, gesehen worden und ist nun spurlos verschwunden. O, er wird sich wohl hüten, sich der Polizei zu stellen! Denn hat er das Berbrechen begangen- er weiß wohl, was ihm winkt. Die Zeugen behaupten ja, das Geburtstagskind habe noch 100 Mart in der Tasche gehabt. Die fehlen: also Raubmord vor den neuen Schwurgerichten gleich Todesstrafe oder 15 Jahre Zuchthaus. Und hat er es nicht getan, wie soll er sein Alibi beweisen, da doch kein Mensch gesehen haben kann, wie er leise, um niemand zu meden, nachts in fein Zimmer geschlichen ist. Alfo Mord? 500 Mart Belohnung! wer die nicht gern ver. dienen wollte eine Auslandsreisegebühr. Aber wo den Anhaltspunkt finden? Die Kriminalpolizei zerbricht sich den Kopf. Die Tat ist doch im Hause selbst geschehen. Aber der Bürger, wo steckt der? Die Emwohner des Hauses in der Wrenslebenstraße wer den noch einmal der Reihe nach einzeln vernommen. Niemand weiß etwas. Endlich, da, einer. Das erfahrene Auge des Kriminalfommiffars glaubt etwas bemerkt zu haben. So etwas Unwäg. bares, aber so etwas... das genügt schon. Der weiß mehr als er fagt. Er muß mehr wissen. Raus damit Na also.„ Sie haben nachts die Tür nicht öffnen fönnen? Das Mädchen hing auf der Türflinte?! Und Sie haben geschwiegen, haben uns die große Mühe nicht erspart?"" Ja, aber wenn ich in den Mordverdacht gekommen wäre? Ich bin ja nur ein Bürger, der seine Ruhe haben will. Die Frau mit dem Neffenstrauß hing an der Klinte bas war Unordnung. Ich hängte sie ab, legte sie beiseite da war wieder Ordnung. Und dann legte ich mich schlafen. Alles andere, was geht mich das an. Die Polizei versteht ja ihre Sache und ist auch dazu da, alles aufzuklären."
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So der Bürger. Tugendhaft und ängstlich, lafterhaft und ordmit einem nungsliebend, brutal und weh'eidig mit sich selbst Wort eine Süße der Gesellschaft. Was würde aus der Gesellschaft, aus dem Staat, wenn sie sich auf lauter solche Ordnungspfeiler stützte, wie bas tapfere Schneiderlein aus der Alvensiebenstraße? Gefeßzt den Fall: die Schalys hätte noch geatmet, fie wäre am Leben geblieben, wenn ihr Hilfe geworden wäre; fie wäre gestorben, weil der biedere Schneidermeister sie wie ein Süd Bieh am Boden hat liegen laffen. Hätte er sich nicht gar strafbar gemacht, weil e: einen Menschen in hilflosem Zustande dem Tode preisgegeben? Der Spießer schreit bei jeder Gelegenheit nach Polizei. Er ist unter Umständen bereit, den Uebeltäter selbst zu Innchen. Es ist ja nicht allzu lange her, als die Menge einen jungen Dieb einfach vor den einfahrenden Zug stieß. Die Kriminalpolizei ist aber nicht imstande, die Indizien und die Anhaltspunkte bei Berbrechenentdeckung aus den Fingern zu faugen, fie ist auf die Hilfe des Publi fums angewiesen. Daher die Presseberichte des Polizeipräfibiums, die Säu'enanschläge über begangene Verbrechen. Bas fchert dies aber den Spießer! höchstens, daß er der Sensation wie Vormittags 10 Uhr: Nachrichtendienst. Bebes täg'ichen Brotes bedarf und daß die Belohnung ihn zur Hilfe kanntgabe der Kleinhandelspreise der wichtigsten Lebensmittel in der Zentralmarkthalle. Nachm. 12.15 Uhr: Vorbörse. Nachm. anspornt. 12 55 Uhr: Uebermittelung des Zeitzeichens. Nachm. 1.05 Uhr: Nachrichtendienst. Nachm. 2.15 Uhr: Börsenbericht.
Das Rundfunkprogramm. Sonnabend, den 12. April.
Tageseinteilung
" Stahlhelm", der Tröfter.
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4.30-6 Uhr: Unterhaltungsmusik. 7-7.30 Uhr: Wer darf einen Bubikopf tragen?"( Ruth Götz). 830 Uhr: 1. Erinnerung an Sorrent , Jn Nr. 41 der Deutschen Deftillateur Beitung finden wir von Curtis. Wolga , von Stolz( Rudolf Zank). 2. La Charmeuse, von folgendes Inferat: Stablbelm, Wort und Bild als waren Corbin( Trompete, Richard Stegmann , 3. Pagen- Arie aus Masken- eiden feit 16 gefügt, foll für Wein und Spirituofen ball", von Verdi( Mizzi Fink), 4. Heitere Vorträge( Karl Schnog ), bezirksweise verwertet werden. Verwertungsgesuche und Angabe 5. Herrgott, beschütz den Rhein , von Brückner, Dirndl- Lied von Nelson( Rudolf Zank), 6. Saeterjentens- Sondag, von Ole Bull , der Bezirksgröße erbeten Auguft Pinnide, Hildesheim ." Romanze von Koslak( Trompete. Richard Stegmann ), 7. ParlaWalzer, von Arditi( Mizzi Fink). Am Flügel: Kapellmeister Otto Urack .
vor der Brust verneinend hin und her, pfiff, die Brauen hoch. gezogen, einen Ton und fehrte um.
" Die suchen ja mich, den Falschen. den Scheinfürgen, den Schedfälscher, den, der im Hotel den Namen Kolbenreiher auf ben Meldezettel schrieb. Sie suchen das Nichts, das sich an. maßte, zu sein."
Die Angst, festgenommen und eingesperrt zu werden und fich dann nicht mehr suchen zu fönnen, jagte ihn fort. In ein anderes Hotel zu gehen wagte er nicht. Er wagte nicht mehr,
sich sehen zu laffen. Ganz plöglich sah er feine Möglichkeit mehr, fich zu finden.
„ Eingefreift!... Im Freien schlafen! Eingetreift!" Ein letter Rest von Hoffnung, Hilfe zu finden bei der Hoffnungslosen, trieb ihn ihr nach, die Straße hinunter, die in den Tiergarten mündete. Sein Gesicht war in Abwehr verzerrt. Die Zähne bleckten.
tand. Die Bereinsamte neben ihm hatte sich nicht gerührt. Sein Körper fiel auf die erste Bant, die am Spreekanal Sie ängstigte fich nicht. Sie blidte blidlosstarr auf das Leben, das weiter gina, hinweg über ihr Leben: Zwei Stadtbabnzüge, feuchtende Lineale, schoben fich aneinander vorbei, durch die Nacht.
Sah das Sterhezimmer, wo der, mit dem zusammen fie in Kampf und Leid des Lebens ein Leben gelebt hatte, noch auf dem Bette lag, weiß zugedeckt, bis zum Rinn. Am Tone schon des ersten Wortes, das sie sprach, fühlte Jürgen, hak neben ihm das Schicksal faß.
Bu Füßen der beiden regte sich leise das Leben: streifte das Masser die Meuer.
Sie hob die fraftlose Hand. Sie fagte, verzudenben, tränenrauben, warnenhen Tones, als warne fie jeden einzelnen dieser Erde: Kein hartes Wort fann mehr zurüd genommen werden."
Erschlossen plöklich und schmerzlich berührt von der er habenen Grise diefes fchicfalhaften Leids der Hoffnungs lofig eit, berührte er die Schulter der Vereinsamten.
Sofort brad) fie in stöhnendes Weinen aus. So früh gestorben, weil er für diese Zeit zu gütig war. Bu gütig war. Stand schwer auf. Bu viel, zu viel ist mir ge fchehen." Und ging. Das Dunkel nahm fie.
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Bor dem reglos Sigenden, der schmerzlich bewegt den verflingenden Schritten lauschte, anferte neben der fleinen Eisenbrüde im Kanal ein Frachtschiff, auf dessen äußerster
Wird nun dieser Schnaps auch an Juden abgegeben? Der Gott, der Eisen wabien ließ, schuf auch August Binnide und seinen böltifchen Stahlhelmichnaps.
Spize unter dem roten Signallicht ein junger Hund stand, der aufmerksam blickte. Und wie damals, da er, fommend aus Ratharinas Zimmer, zusammen mit den neuen Bezirksführern stadtwärts marschiert war, wehte auch jetzt fühler Teergeruch, und durch die Baumkronen schimmerten die Lichter der Stadt.
Entbunden durch seine tiefempfundene Hilfsbereitschaft, die ihm verstattet hatte, das eigene Leid zurückzustellen, und verstärkt noch durch das erinnerungsträchtige Landschaftsbild, war in Jürgen plöglich Sehnsucht nach Katharina und zu gleich mit dieser brennenden Sehnsucht das Gefühl, förperlich vorhanden zu sein, mit solch blizhafter Schnelligkeit entstanden, als ob es ihm nie entschwunden gewesen wäre.
So gewaltig war die Freude, daß ihm nicht Kraft blieb, den Freudefchrei auszustoßen. Weichheit tat sich milde in ihm auf. Tränen drongen durch die Lider. Machtvoll zog die Hoffnung in ihn ein.
lief,
Schnaual", flüsterte er zärtlich und lockte mit Daumen und Reigefinger. Der Hund erhob sich, webelte mit dem Schwanzftumpf, zutraulich wimmernd, auf dem Bordrand hin und her, stand, blickte, bellte verlangend einen Ton. Stille ringsum. „ Ein Hund und am Himmel die Sterne. Das ist zu viel und zu wenig für den Menschen. Zu wenig und zu viel. Der Mensch leidet... Er erkenne im Leide und fämpfe!" fagte Jürgen. Das war wie ein Gelübde.
Ohne Eile, ohne Weile schritt er stadtwärts, zum Bahnhofe. Und fuhr mit dem nächsten Zuge zurück in die Heimatstadt. Seine Haare waren ergraut, Gesicht und Körper ganz vom Fleische gefallen.
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Einige Tage nach seiner Rückkehr Herr Wagner und drei Aerzte waren bei Jürgen gewesen stand in der Zei tung, Herr Kolbenreiher, Teilhaber der bekannten Banffirma ( deren Stammhaus übrigens schon in den nächsten Tagen in neuer, verschönerter und bedeutend vergrößerter Gestalt dem Parteienverfehre übergeben werden würde), habe sich durch seine unermüdliche und hingebungsvolle Arbeit eine Nervenentzündung zugezogen, die zwar sehr schmerzhaft, aber bei der kräftigen Ronstitution des Patienten nach Ansicht der Aerzte allein schon durch Ruhe und den Aufenthalt in frischer Luft rasch zu beheben sei, so daß Herr Kolbenreiher seine bewährte Arbeitskraft bald wieder in den Dienit der Firma werde stellen können. ( Fortsetzung folgt.)