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Nr. 380 41.Jahrgang

Beilage des Vorwärts

Die Feinde der Obst- und Laubbäume.

Erdgeschichtlich jüngeren Datums als die Nadelbäume find un-| fere Laubbäume, überhaupt die große Masse unserer heutigen Ge­mächse. Weit besser im Kampf ums Dasein" ausgerüstet ais jene, haben sie sie allmählich, aber sicher aus weiten Gegenden der Erde völlig verdrängt; sie sind die eigentlichen Beherrscher dieser im Pflanzenreiche. Wo, wie in Amerika   und ganz besonders in Eu­repa, die Nadelhölzer noch in großen Landstrichen dominieren, han­delt es sich zunächst um gebirgige Gegenden, deren Klima ihnen am meisten zusagt und ihr Fortkommen begünstigt. Da aber, wo sie auch in der Ebene noch in unübersehbaren Waldungen ihre Wipfel im Winde wiegen, verdanken fie dies zwar zum Teil ihrer Genügsam­keit, die sie auch auf dem trockensten Sandboden noch vorwärts tom­men läßt, hauptsächlich aber dem Menschen, der sie als Nuthölzer ersten Ranges in Kulturen größten Maßstabes anpflanzt, hegt und pflegt. Um feines Vorteils willen zwingt er der Natur seinen Willen auf, ohne Rücksicht darauf, daß er durch diese Gleichmacherei ihrer Schönheit den stärksten Abbruch tut. Aber damit nicht genug, ver­gißt er auch allzu leicht, daß er mit dem Heranzüchten solcher ,, reiner" Nadelholzbestände auch ihre Feinde direkt im Großen züchtet und einem großen Teil wiederum der Feinde dieser die Existenzbedingun­gen raubt. Bis dann, nachdem die Schädlinge langsam, aber stetig, fast unmerklich zugenommen haben, ein ihnen besonders günstige Ent­midlungsmöglichkeiten bietendes Jahr ihre Zahl ins Ungeheure wachsen ließ und sie in wenigen Wochen vernichteten, was in langen Jahren heranwuchs, gleichzeitig für die kommenden Jahre bedrohend, was diesmal noch von ihnen verschont ward. Und solche Katastrophen merden sich immer wiederholen, vielleicht in noch größerem Maß­stabe als bisher, wenn nicht die Forstverwaltungen einsehen lernen, daß die Natur sich nicht schablonisieren, sich ungestraft auf die Dauer nichts aufdrängen läßt, was sie selbst als nicht mehr auf der Höhe der Zeit stehend aufs Altenteil gesezt hat. Nichts fann uns die leberlegenheit der Angiospermen, der Blütenpflanzen, über die Gymnospermen, zu denen unsere Nadelhölzer gehören, mehr vor Augen führen, als die Tatsache, daß lettere, ihrer Nadeln beraubt, dem Untergange geweiht sind, während unsere Laubgemächse ihren Blätterverlust, sei er auch noch so total, immer wieder zu ersehen ver­mögen, ohne an ihrer Lebensfähigkeit Einbuße zu erleiden.

Der Raupenfraß.

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Was die Gefahr des Raupenfraßes vermehrt, ist, daß die von Laub sich nährenden Raupen zu einem sehr großen Teile nicht auf eine einzelne Baumart, etwa nur Eiche, Buche, Apfelbaum ufm. ,, eingestellt", sondern daß sie, wenn auch nicht Alles-, so doch Bieles­freffer sind und daher von Wald- und Chausseebäumen oder von Hecken ohne weiteres auf Obstbäume übergreifen und umgekehrt. Zu diesen Bielesfressern gehört z. B. eine große Anzahl der zur Fa­milie der Spinner" zählenden Schmetterlinge, von denen hier in erster Linie der Schwammspinner( Lymantria dispar) ermähnt zu merden verdient. Von seinen Raupen wurden z. B. nach Brehm im Jahre 1818 in Südfrankreich   nicht nur die Blätter der Korteichen waldungen, sondern sogar die Eicheln, dann die Mais- und Hirse­felder, alle Futterfräuter und Früchte total aufgefressen und den Be­wohnern der den Bäumen benachbarten Häuser der Aufenthalt in diesen unmöglich gemacht. In einigen Gegenden Sachsens   wurden 1752 alle Obstbäume und teilweise ganze Wälder tahlgefressen. 3m Berliner Tiergarten taten sich die Raupen nach Eckstein durch Kahl­fraß der Bäume in den Jahren 1851-53, in Aachen   1874 und 1875, im Spreewald 1888 hervor, in Boppelau 1840 sogar durch Kahlfreffen der Kiefern. Nach demselben Autor soll der nach Amerika   mitge­brachte Spinner dort zu furchtbarer Landplage worden sein.-3mei würdige Bettern stehen ihm im Goldafter( Euproctis chrysorrhoea) und im Ringelspinner( Malacosoma neustria) zur Seite, die beide oft lokal in Maffen auftreten und große Verheerungen anrichten, so 3. B. nach Eckstein der Goldafter im Jahre 1851 in Mähren  , 1867 und 1868 in Darmstadt   und Bensheim  , 1898 im Berliner   Tiergarten und in Frankfurt   a. d. D. Schwammspinner und Goldafter bedecken ihre Eier mit den Haaren ihrer legten Bauchfegmente; die hierdurch tatsächlich einem Meinen grauen Schwamm ähnelnden Eiablagen des ersteren fann man oft an Baumrinden, Zäunen und Mauern sehen, während die an den Blättern der Bäume abgelegten Eier des Gold afters sich den Blicken mehr entziehen. Häufig sieht man dagegen die Eier des Ringelspinners als harten Ring spiralförmig um dünnere

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Die Rebellion.

Roman von Joseph Roth  .

Die Nacht war still und hell. Die Hunde bellten. Ferne Türen gingen. Der Schnee fnisterte, obwohl ihn niemand betrat und nur, weil der Wind über ihn hinstrich. Draußen fchien sich die Welt zu weiten. Man sah durch die Rize   ein schmales Stückchen Himmel. Aber es gab eine deutliche Vor­stellung von seiner Unendlichkeit.

Bohnte Gott   hinter den Sternen? Sah er den Jammer eines Menschen und rührte sich nicht? Was ging hinter dem eisigen Blau vor? Thronte ein Tyrann über der Welt und feine Ungerechtigkeit war unermeßlich, wie sein Himmel? Weshalb straft er uns mit plöglicher Ungnade? Wir haben nichts verbrochen und nicht einmal in Gedanken ge­fündigt. Im Gegenteil: Wir waren immer fromm und ihm ergeben, den mir gar nicht fannten und, priesen ihn unsere Lippen auch nicht alle Tage, so lebten wir doch zufrieden und ohne frevelhafte Empörung in der Brust als bescheidene Glieder der Weltordnung, die er geschaffen. Gaben wir ihm Anlaß, sich an uns zu rächen? Die ganze Welt so zu verän­dern, daß alles, was uns gut in ihr erschienen, plötzlich schlecht ward? Vielleicht wußte er von einer verborgenen Sünde in uns, die uns selbst nicht bewußt war?

Und Andreas begann mit der Haft eines Menschen, der in seinen Taschen nach einer vermißten Uhr sucht, nach ver­borgenen Sünden in seiner armen Seele zu forschen. Aber er fand feine. Bar es etwa eine Sünde, daß er die Witwe Blumich genommen hatte und tächte fich jetzt ihr toter Mann? Ach! lebten die Toten? Hatte er sich je an Muli, dem Efel, verfündigt. War das etwa ein Unrecht, daß er das Tier, als es einmal unterwegs stehen blieb und etwas unerklärliches auf dem Boden suchte, mit einem sanften Schlag weitertrieb? Ach, war der Schlag auch sanft gewesen? War es nicht vielmehr ein harter, ein schmerzlicher, ein unbarmherziger? Muli, mein Efel!" flüsterte Andreas und legte feine Wange an die Stelle, die er geschlagen hatte.

Gegen Morgen schlief Andreas ein. In seinen ersten Schlaf rauschte schon der frühe Lärm der Straßen. Das Tier blieb unbeweglich. Es ließ ein leises Grunzen hören und näßte das Stroh, das sofort gefror. Sein Urin roch schwer und betäubend.

3meige gelegt. Nur ausnahmsweise greift die Raupe des Eichen prozessionsspinners( Thaumetopoea processionea) arf andere Laubbäume über, fie lebt vielmehr fast ausschließlich auf Eichen, denen sie mitunter, so nach Edstein 1819 und 1828 in West­ falen  , 1876 bei Schönebeck a. d. E., 1886 und 1887 bei Dessau  , recht schädlich wird. Der giftigen Wirkung ihrer leicht abbrechenden Haare fügen, daß auch die Haare des oben mehrfach erwähnten Goldafters gedachte ich schon in meinem vorigen Artikel, will jedoch noch hinzu­ähnliche Wirkungen auf der Haut des Menschen hervorzubringen ver­mögen.

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Eulen und Wickler.

ONFUELER NITROPE + 8857-732)

Zu weit würde es führen, auch nur die wichtigsten der zur Fa milie der Eulen, die ja den berüchtigten Schädling dieses Jahres, die Forleule, stellen, gehörigen Arten zu nennen, deren Raupen als un­erwünschte Mitesser an Nuzungspflanzen auftreten. Nur einiger sei Erwähnung getan. So z. B. der Wintersaat- Eule( Agrotis se getum), die gleich ihren nächsten Berwandten, dem Ausrufungs zeichen( A. exclamationis) und der Adereule( A. corticea) Raps und Rübsen, Rüben und Kohl, Wintersaaten und Gartenpflanzen in oft sehr empfindlicher Weise heimsucht. Die Gamma- Eule( Plusia gamma) steht ihnen nicht nach: 1828 vernichtete sie z. B. nach Brehm in Ostpreußen   die Leinfelder, 1888 die Zuckerrübenfelder in Sachsen  und Anhalt, und die Graseule( Charaeas graminis) hat häufig schon große Wiesenflächen tahlgefressen. Der gleichfalls dem Raps und den Radieschen, vor allem aber allen Rohlarten jahraus, jahrein in intensivstem Maße verderblich werdende Schmetterling ist aber un­streitig der den Tagfaltern zugehörige große Kohlweißling( Pieris brassicae) und fein etwas fleinerer, ihm sonst sehr ähnlicher Better P. rapae. Beide find sie jedem Kinde bekannt, fallen fie jedem im Sommer in den Gärten und auf den Wegen, in den Straßen und auf den Pläken in die Augen. Und faum gibt es einmal eine feine Rohl­pflanzung, an der man nicht die allbekannten Raupen der beiden Falter bei ihrem Zerstörungswerte sähe, das sich, wenn ihr Besizer die freilich nicht geringe Mühe scheut, immer und immer wieder seine Pflanzen abzuraupen, alsbald bemerkbar macht: nur die fahlen Rippen starren ihm entgegen, das zarte Grün fiel der unersättlichen Freßgier der ungeladenen Gäfte zum Opfer. Im allgemeinen find sonst die Tagschmetterlinge, vom Baumweißling( P. crataegi) ab­gesehen, der auch die Obstbäume besucht, aber recht selten geworden ist, nicht als schädlich anzusprechen. In der Familie der wickler ent­stehen, trotz der Kleinheit der Schmetterlinge und somit ihrer Raupen, der Forst- und Gartenwirtschaft eine ganze Reihe von Feinden. Die Maden" in unseren Erbsen, in Aepfeln, Birnen und Pflaumen sind die Raupen verschiedener Wickler- Arten wie Grapholita nebri tana, dorsana, po monella, und funebrana, der unter dem Na­men Syring, Heu- und Sauerwurm berüchtigte Schädling der Wein­berge ist die Raupe des Traubenwidlers( Conchylis ambignella); die des Grün- oder Kahneichenwicklers( Tortrix viridana) miederum bohrt sich in die Knospen unserer Eichen, aber auch anderer Laub­bäume und vermag troß ihrer Kleinheit völligen Rahlfraß herbei­zuführen: so nach Brehm 1863 im Berliner   Tiergarten, 1879 und 1880 in der Leipziger   Gegend. Zu guter Letzt sei noch der Klein­sten, der sogen. 3ünsler und Motten gedacht, deren Raupen nicht nur, wie die unserer allbekannten Kleider- und Belzmotten( Tinea pellionella und tapezella), sich mit der Untersuchung auf den Nähr­wert unserer Woll- und Pelzfachen mehr als der unachtsamen Haus­mert unserer Woll- und Pelzfachen mehr als der unachtsamen Haus frau lieb ist befassen, sondern auch wie der Rornwurm( Tinea

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Am nächsten Tag tam Andreas grußlos in die Stube. Er entnahm selbst Brot und Margarine dem Schrant. Die fieine Anna fam aus der Schule. Sie schmiegte sich an ihn, als wollte sie ihn versöhnen. ,, Spiel ein bißchen!" bat fie. und Andreas spielte auf seinem Leierkasten die wehmütigsten Lieder, mit denen der Fabrikant das Instrument ausstaffiert hatte. An der Quelle faß der Knabe" und die Loreley  ". und die Melodien erinnerten ihn an jenen glücklichen Sommertag, an dem er zum ersten Male in den Hof dieses Hauses gekommen war.

D, wunderbar war der Sommer, eine foftbare Schnur glücklicher Tage, Tage der Sonne und der Freiheit, der alten Lindenbäume in den gastfreundlichen Höfen. Die Fenster in allen Stockwerken flogen auf, rundliche rote Freudengesichter steckten die Mädchen wie feftliche Lampions zu den Küchen hinaus und der Duft guter Speisen sättigte die Nase. Lachende Kinder tanzten um die Musit, das Kreuz blinkte in der Sonne, die Uniform, heute von Stroh und Unrat beschmutzt, wie sauber und ehrfurchterregend war sie damals!

Katharina tam. Mit sachlichen, knappen Bewegungen hantierte sie im Hause. Sie schien ihren Mann gar nicht mehr zu sehen. Sie stellte mortlos und mit einem heftigen Ruck eine irdene Schüssel auf seinen Platz. Er tannte diese kleine Schüssel mit der schadhaften Glasur. Manchmal be­famen ein alter Bettler, eine verirrte Rage, ein zugelaufener Hund aus ihr zu essen. Katharina selbst schlürfte die Suppe aus einem rótgeränderten Berzellanteller. Auch hatte sie den Rohl von den Kartoffeln gesondert vor sich aufgestellt. Aber in der fleinen Schüssel Andreas' mischte sich alles und ein großer Knochen ragte zwischen dem Mischmasch wie ein Dach frümmerstüd im Schutt eines zerfallenen Hauses.

Was sollte er tun? Er und wurde demütig und richtete von Zeit zu Zeit sein Auge auf Katharina. Sie hatte ein rotes Geficht und war sehr sorgfältig onduliert, mit vielen fleinen Wellchen, die bis zu den Augen reichten und in der Mitte trug sie ein paar furz geschnittene und in die Stirn gefämmte, am Ende mit einem scharfen Lineal abgeschnittene Härchen, die wie Fransen eines Schals ausfahen. Sie duftete wie ein Friseurladen nach allerlei Gerüchen, Patschuli mischte fich mit Haaröl und dieses mit Kölnischem Basser. Ein anderer hätte sofort erkannt, daß Katharina einen ganzen Bormittag im Damenfrifiersalon zugebracht hatte. Andreas aber merkte nichts.

Donnerstag, 14. August 1924

Die

granella) und der Mehlzünsler( Asopia farinalis) auf Speichern und in Bäckereien großen Schaden anzurichten vermögen. Bienenmotte( Galleria mellonella) dringt sogar in die Bienenstöcke ein, wo ihre Raupe sich vom Wachse nährt und ganze Stöcke ver­derben kann. Das alljährlich wiederkehrende, recht unerfreuliche dens fast aller Blätter vornehmlich unserer Flieder-, aber auch der Schauspiel endlich des teilweisen Zusammenrollens und Braunwer­Blätter verschiedener anderer Bäume und Sträucher verdanken wir dem Fraße der Räupchen der Fliedermotte( Gracillaria syringella)

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Troß äußerster Beschränkung in der Aufzählung der als Feinde recht stattliche geworden; sie alle aufzuzählen ist, ganz abgesehen unserer Kulturen auftretenden Schmetterlinge ist ihre Anzahl eine davon, daß es weit über den Rahmen dieser Zeilen hinausgehen würde, auch schon deshalb unmöglich, weil eben gar zu viele Raupen feine Roftverächter sind. Es kann daher auch ein bisher für un­schädlich erachteter Schmetterling aus irgend einem seiner Entwid= umg günstigen Umstande plötzlich in einer Gegend in großer Zahl erscheinen und seine Raupen können alsdann in Massen an Kultur­pflanzen gefunden werden, an denen sie in normalen Jahren ihren Hunger nicht zu stillen pflegen.

Hypnose- Phantasien.

Schwere Anklagen gegen einen Pastor.

Die Straffammer des Landgerichts II   wird sich in der nächsten Zeit als Berufungsinstanz mit einem Fall beschäftigen, der geeignet ist, allgemeines Aufseher zu erregen. Wegen Unterschlagung, fort­gesetzter Anstiftung zum Diebstahl, fortgesetzter Hehlerei und fort­gesetzter Verleumdung war der jetzt erst 20 Jahre alte Schneider Ernst Kain aus Ruhlsdorf bei Bernau   im Juni dieses Jahres zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren Gefängnis sowie 1000 Goldmark Buße an den Nebenkläger Pfarrer Barth aus Ruhlsdorf vom Schöffengericht Pankom verurteilt worden, auch war er sofort in Haft genommen worden. Nach dem Urteil handelt es sich um an Erpressung grenzende, in raffinierter und dreister Weise ausgeführte der durch die Begleitumstände außergewöhnliche Fall in der nächsten Straftaten. Da gegen das Urteil Berufung eingelegt wurde, wird Woche nochmals vor der Strafkammer zur Verhandlung gelangen. Der Angeklagte Rain verfehrte in dem Hause des Pfarrers Barth, da er mit dessen Sohn Hans befreundet war. Anfang 1922 trat er in Beziehungen zu dem 18jährigen Walter Heine, von dem er eines Tages Geld befam, um ihm Stiefel zu besorgen. Nach einiger Zeit erflärte Rain, dem jungen Manne, daß er ihm teine Stiefel getauft habe, sondern das Geld einem fpiritisti­schen Berein übergeben habe. Dadurch sei Heine Mitglied des Vereins geworden. Er dürfe aber davon nichts verraten, sonst würde er ermordet werden. In der Folgezeit verlangte der Ange­flagte von dem unerfahrenen jungen Mann forigesezt Geldzahlungen für den Verein, manchmal in der Woche ein- bis zweimal, immer unter der Drohung, daß es ihm sonst ans Leben gehen würde. Eingeschüchtert opferte der Jüngling alles, was er an Geld besaß, und als er mit seinen Hilfsmitteln zu Ende war, wurde er von Kain gezwungen, seine Eltern zu bestehlen. Nachdem es ihm nicht mehr möglich war, Geld fortzunehmen, mußte er Lebensmittel von dem Gehöft der Eltern liefern. So holte Kain eines Nachts vier Säde Kartoffeln ab, schließlich wurde der junge Heine auch noch gezwungen, das Silberzeug seiner Mutter zu stehlen und es dem Angeklagten auszuhändigen, der dafür 450 Goldmark erlöste. Trotzdem trat Rain schon nach wenigen Tagen mit neuen Forderungen auf. Bon Berlin, wo er sich bei Verwandten vorüber­gehend aufhielt, rief Kain an, Heine müsse unbedingt binnen zwei Tagen 160 mart an den Spiritistenverein zahlen, sonst sei sein Leben bedroht. Ins Berhör genommen, gestand Heine alles ein. Daraufhin wurde Rain in Berlin   verhaftet und nach Ruhlsdorf in die Polizeigefängniszelle gebracht. Als er am nächsten Tage ins Gerichtsgefängnis in Bernau   übergeführt werden sollte, fand man ihn auf seiner Pritsche liegend in festem Schlaf, aus dem er erst nach drei Tagen erwachte. In der Zwischenzeit war er von den Aerzten Dr. Tischbein und Dr. Hirsch beobachtet worden. Beim Erwachen erzählte Kain, daß der Pastor Barth abends um 8 Uhr mit dem Schlafrock bekleidet in feine Belle getreten sei und ihm erklärt habe, er würde jetzt in einen 70 ft ündigen Schlaf verfallen. Wenn er dann noch leben sollte, so werde der Pastor feine Gewalt mehr über ihn haben, da ihm in letzter Zeit zuviel Haare ausgefallen feien. Rain beschuldigte den Pastor weiterhin, baß er ihn im hypnose zustand gehalten und zu den

Ihn beschäftigte nur das Rätsel der plöglichen Verände­rungen, die sich um ihn vollzogen hatten. Es war wie eine Berzauberung. Er versuchte, sich den Borfall in der Straßen­bahn flar ins Gedächtnis zu rufen. Er sah wieder den Herrn, der ihn angegriffen hatte. War es nicht umgekehrt gewesen? Was hatte der Herr nur gesagt? Daß die Invaliden fimu lierten! Und es stimmte. Wie oft hatte Andreas selbst Simu­lanten gesehen. Woraus entnahm er eigentlich, daß der Herr ihn persönlich gemeint hatte? Er sprach ganz allgemein. Er ärgerte sich mit Recht über die Versammlung. Waren es doch Tagediebe, Rebellen, Gottlose, fie wollten die Regierung stürzen und fie verdienten ihr Schicksal.

Es war eben eine Ausnahme, daß Andreas das Pech hatte, mit einem unfreundlichen Schaffner, mit einem ver­ständnislosen Polizisten zusammenzustoßen. Sie sollen ihn nur vor Gericht bringen. Hier wird er kategorische Bestrafung der untergeordneten Organe verlangen. Hier wird er seinen Lebenslauf erzählen, seine Kriegsteilnahme, feine Begeiste rung für das Baterland. Er wird die Lizenz wiederbetom= men. Er wird Katharinas Achtung aufs neue erringen. Er wird Herr im Hause sein. Der Mann seiner Frau. Šie stand auf. Ihre breiten, in ein Mieder gepreßten Hüften bewegten sich selbständig und die strogende Fülle ihrer Brüfte zappelte, wenn sie einen Schritt machte. Andreas erinnerte sich an ihre gemeinsamen Liebesfeste, an den Drud ihrer nachgiebigen und dennoch muskulösen Oberschenkel und er höhlte die Hand und glaubte wieder die breite, weiche, schweilende Endlosigkeit ihrer Bruft zu fühlen.

Ach! laßt uns nur vor Gericht kommen. Dort ſizen feine ungebildeten Polizisten und feine rohen Schaffner. Die Ge­rechtigkeit leuchtet über den Sälen der Gerichtshöfe. Weise, noble Männer in Talaren sehen mit flugem Blid in das Innere des Menschen und sondern mit bedächtigen Händen die Spreu vom Weizen.

Hätte Andreas eine Ahnung von der Jurisprudenz ge­habt, so hätte er gemußt, daß die Gerichte sich bereits mit ihm beschäftigten. Denn sein Fall gehörte zu jenen sogenannten eiligen Fällen", die nach einem Erlaß des modernen Justiz­ministers sofort in Behandlung genommen wurden und zur Erledigung famen. Schon hatten die großen rollenden Räder des Staates den Bürger Andreas Bum in die Arbeit genom­men und, ohne daß er es noch mußte, wurde er langsam und gründlich zermahlen. ( Fortsetzung folgt.)