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brüllen läßt. Diese KombinationZgabe wäre in der That eine ungemein geschickte, welche entschieden prämiirt werden müßte! Frische Grasbutter erscheint hier, so schreibt man unS von sachverständiger Seite, jetzt täglich in den Markthallen und wird von den Hausfrauen mit Vorliebe gekauft. Dieselbe steht in einem besonders guten Ruf, aber mit Unrecht, da sie in jeder Beziehung, besonders aber an Haltbarkeit hinter der im Herbst gewonnenen, der sogenannten Stoppelbutter, zurückbleibt. Auch der Grasgeschmack derselben ist nichts für Kenner. Es ist ein zwar naheliegender, aber durchaus unrichtiger Gedanke, daß das Aroma der Blätter von den zur Zeit gerade in Blüthe stehenden Pflanzen und Gräsern herrühre. Wäre dies der Fall, dann könnte ja niemals zu einer anderen Jahreszeit und bei Stall- sütterung im Winter wohlschmeckende Butter gewonnen werden. In Wirklichkeit verhält sich die Sache so, daß die Kühe alle stark- riechenden Pflanzen, die für die Nase des Menschen ein ange- nehmes Aroma haben, nicht fressen, dagegen die bitteren Kräuter lieben. Diese bitteren Pflanzen geben der Butter den s ü ß e n Geschmack. Letzterer ist übrigens von sehr vielen anderen Dingen, welche aufzuzählen hier nicht der Raum gestaltet, mehr abhängig. wie gerade vom Futter. In der Praxis nimmt sich manche Sache ganz anders aus wie in der Theorie. Zur StreitfrageKassenarzt oder freie Nerztewahtt, habe» sich bisher Aerzte und Kaisenbeamte geäußert und die- jenigen Gesichtspunkte erörtert, die von den beiderseitigen, ein- ander vielfach entgegengesetzten Standpunkten aus in Betracht kommen. Nun geht uns auch von einem Kassenmitgliede eine Meinungsäußerung zu, die wir der Vollständigkeit halber in ihren Hauptzugen hier ebenfalls wiedergeben: Den Unterschied zwischen der Behandlung eines Patienten, welcher von einem Kassenarzt und demjenigen Patienten, der von einem nach freier Wahl genommenen Älrzte behandelt wird, auch wenn das Honorar des letzteren nur S0 Pf. beträgt, kann nur derjenige ermessen, welcher Gelegenheit hatte, diesen Unterschied an sich selber zu erfahren. Der Schreiber des Artikels in Nummer IIS hat das sicher nicht erfahren, kennt auch nicht die Ursache», warum die Behandlung beim freigewählten Arzte eine bedeutend bessere ist, wenn dieselbe auch noch geringer honorirt wird. Der Aerztestand bildet ebenso ein Gewerbe wie jedes andere; auch da richten sich Lohn und Leistung nach Angebot und Nachfrage. Da nun bekanntlich in der Aerztepraxis eine große Ueberfüllung herrscht, so hat dies bewirkt, daß die Herren sich drängen als Kassenarzt angestellt zu werden, obwohl das Ge- halt so gering ist, daß mancher Handarbeiter sich weigern würde, für diesen Lohn zu arbeiten. Die Leistung in ineist der geringen Bezahlung entsprechend; die ideale Vorstellung und Auffassung vom ärztlichen Beruf ist hier oft ganz verschwunden, denn die rauhe Wirklichkeit sagt eben: Wie der Preis. so die W aar e. Wenn der Verfasser des Artikels in Nr. 118 d. Bl. glaubt, die Kranken würden trotz der freien Aerztewahl doch als Patienten zweiter Klasse behandelt werden, so vergißt derselbe die Wirkung der großen Konkurrenz unter den Aerzten. Diese Wirkungen aber wären: erstens, daß einzelne Aerzte ihre wahrhast halsabschneiderischen Honorare nicht mehr fordern könnten; zweitens, daß Tausende von Kranken sich mehr in Be- Handlung geben, und drittens, daß die Kassen um Tausende frei- williger Mitglieder zunehmen. Daß aber den heutigen Kassen- ärzten sowohl wie auch den leidlich gut dastehenden Privat- Aerzten eine solche Nendcrung nicht paßt, glaube ich gern. Es ist das der Beweis dasür, daß auch hier ein krasser Egoismus herrscht, wie er bei den Zunftbrüdern besteht. Diese Herren denken: Wir bestehen, ob Ihr zu Grunde geht, das kümmert unS nicht! Auch ist die Behauptung, daß die Kassen dem Bankerott würden zugetrieben werden, falsch. Die Mehrausgabe würde durch die erhöhte Mitgliederzahl gedeckt »verden. Man sieht das deutlich an den freien Hilfskassen, ivelche längst freie Aerztewahl haben. Warum sollen die staatlichen Kassen nicht dasselbe leisten? Die Kassen aber, welche nicht den einfachsten Anforderungen nachkommen können und sich bankerott erklären, das sind keine Institute für das Volkswohl, sondern nur ein Heminniß der ge- sunden Entwickelung. Die letzten Ausführungen, ob man sich auch von einem Schäfer oder von einem alten Weibe heilen lassen kann, sind Argumente, die in einer solchen wichtigen Angelegen- heit besser nicht gemacht worden wären. Wo solche Unwissenheit unter Arbeitern wirklich noch herrscht, wird sie durch den Aerzte- zwang nicht nur nicht beseitigt, sondern eher gefördert. «Line ganz eigenartige BekehrnngSmethode soll die Deutsche Evangelische Buch- und Traktat-Gesellschaft" jetzt unternehmen. Wie wir einer hiesigen Zeitung entnehmen, macht dieselbe ihre Rettungs- und Heilsversuche jetzt dadurch, daß sie Traktätlein in hebräischer Schrift zur Aertheilung bringt. Natürlich kann dies nur auf die Kinder Israels seine Anwendung finden und inüssen die Sendlinge dieser Gesellschaft sich bei ihrer HeilSthätigkeit schon solche Leute aussuchen, denen die Rasse an- zusehen ist. Welches Inhalts die Traktätlein sind, ist leider aus der Nachricht nicht zu ersehen, weder ob die speckverachtenden Söhne Israels von dieser mehrtausendjährigen Angewohnheit abgebracht werden sollen, noch ob es darauf abgesehen ist, sie in den Schooß einer anderen alleinseligmachenden Kirche überzu- führen, oder ob es nicht gar darauf nur ankömmt, die Nach- kommen Sems gleichzeitig mit den Ariern, den Germanen, gegen den gemeinsamen Feind zu feien. Jedes Thierchen hat sein Pläsirchen! Polizeibericht. Am LS. d. M., Morgens, wurde der Ar- beiter Schloßnies vor dem Hause Mühlenstr. Nr. 66 von einem Mörtelwagen überfahren und erlitt bedeutende Quetschungen an beiden Beinen. In der Wäschefabrik von Grünbaum, Koppen- straße Nr. 21. gerieth Vormittags die verehelichte Bertha Schneider, geb. Petrusch, mit der Hand in das Getriebe einer Wringmaschine und erlitt eine so schwere Quetschung dreier Finger, daß sie nach dem Krankenhause am Friedrichshain gebracht ivcrden mußte. Abends erhielt in der unbenannten Straße 29, nahe dem städtischen Abladeplatze, der Bäcker Earl Haupt von einem un- bekannten Manne ohne jede Veranlassung einen Messerstich in den Kopf, sodaß er im Paul- Gerhardt- Stift verbunden werden mußte. Zu derselben Zeit wurde ein Mädchen in seiner Wohnung, Georgenkirchstraße Nr. 1a, erhängt vorgefunden. Am LS. d. M, Abends und in der darauffolgenden Nacht fanden drei kleine Brände statt. GeriÄtks-Ietkttng. Darf ein Polizeibeamter Strafanzeigen vernichten und von der Weiterbeförderung von Straf-An- zeigen A b st a n d nehmen? Diese Frage ist bislang in der zuristischen Praxis auf Grund der Gesetzgebung unbedingt verneint. In neuerer Zeil scheint das anders geworden zu sein. In einer Strafsache wider den früheren Schuhmann Daubitz wegen Beleidigung eines Polizeilieutenants rechtfertigt das Urtheil der zweiten Strafkammer die Vernichtung von Strafanzeigen seitens eines Polizeilieutenants, indem es diese Vernichtung ausdrücklich als berechttgt hin- stellte. Zu dieser Ansicht gelangte das Gericht auf Grund des Tagesbefehls des Polizeipräsideuten von Berlin vom S. De- zember 1S7S, der der Schutzmannschaft nach Ansicht des Gerichts nicht nur sehr löblich vorschreibt,ihre Tüchtigkeit nicht durch möglichst viele Anzeigen von Kontraventionen zu beweisen, son- dern dadurch, daß sie das Publikum zuvörderst möglichst vor Kontraventionen warnen und von solchen zurückzuhalten suchen," sondern serner der Schützmannschast vorschreibenur dann zu Denunziationen zu schreiten, wenn ihre Warnung unbeachtet ge- lassen wird oder sie auf Böswilligkeit stoßen." Wird diese An- ficht vom Reichsgericht als zutreffend erachtet, so würde es inter- essant fein, zu beobachten, ob die dargelegte Ansicht auch dann für zutreffend erachtet wird, wenn einem Polizeibeamten vorge- morsen wird, er habe Strasthaten, die zu seiner Kenntniß kamen nicht verfolgt und der Polizeibeamte dreserhalb sich für be- leidigt erachtet. Auf Grund einer anonymen Denunziation wurde gestern vor der 4. Strafkammer Landgerichts I. wegen Beleidigung der Kaiserin Friedrich und deren Tochter, Prinzessin Victoria , Mit- glieder des landesherrlichen Hauses feines Staates, durch Worte" gegen den Waschanstaltsbesitzer M. unter Ausschluß der Oeffent- lichkeit verhandelt. Die Strafthat soll bereits im Sommer des Jahres 1889 geschehen fein. Als Zeugen fungirten zwei Frauen, die mit M. nicht gerade auf besonders freundschaftlichen Fuße stehen, die aber vom Gerichtshofe für glaubwürdig erachtet wurden und auf deren eidliche Aussage hin die Verurtheilung des Ange- klagten zu 6 Monaten Gesängniß erfolgte. Durch das Fehlen einer Schutzvorrichtung die Körper- Verletzung eines seiner Arbeiter veranlaßt zu haben, wird dem Fabrikbesitzer August Friedrich Prillwitz aus Rixdorf zur Last gelegt, und hatte sich derselbe deswegen gestern vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts II zu verantworten. Am 7. No- vember v. I. sind dem Arbeiter Stanislaus Novakowsky von einer Holz-Hobelmaschine von drei Fingern je zwei Glieder abgequetscht worden. Es wird dem Verunglückten große Fahrlässigkeit zur Last gelegt, indem er mit seinen Kollegen sprach und dabei nicht auf die Maschine geachtet haben soll, und außerdem wird ihm Trunkenheit vorgeworfen. Was den ersten Vorwurf betrifft, so kann sich der Verunglückte nicht ganz davon reinigen, während bezüglich des zweiten Umstandes festgestellt wird, daß etwa für 39�40 Pf. leichter Schnaps von etwa 4 Arbeitern getrunken sind, also von einer Trunkenheit, die ihn zur Arbeit unfähig macht, nicht gesprochen werden kann. Von ganz besonderein Interesse ist es jedoch, wie der Angeklagte sich von der Strafe frei machen will. Er führt nämlich an, daß er die Holz- bearbeitungs- Fabrik, die von einem gewissen König eingerichtet ist, ohne jede Kenntniß vom Geschäft übernommen habe. Er selbst sei Molkereibesitzer und verstehe gar nicht, was Schutz- Vorrichtungen sind. Der Sachverständige, Ge werberath von Stülp- naael, bekundet unter Vorlegung einer Zeichnung, baß die in Rede stehende Maschine die für.die Glieder der Arbeiter allerges ährlich st e sei, sie führe ganz allgemein den Namen F i n g e r h o b e l m a s ch i n e". Schon bei der vor 3 Jahren stattgehabten Unfallverhütungs- Ausstellung sei eine Schutzvor- richtung gezeigt, welche einen jeden Unfall an solcher Maschine absolut unmöglich mache. Dies sei auch bei der in Rede stehenden Maschine der Fall. Wenn jene Vorrichtung vorhanden, konnte der Unfall unmöglich geschehen. Der Vertheidiger stellt zuerst zwar die nur zu richtige These auf, daß die Fabrik- Inspektoren verhundertfacht werden müßten, nennt aber hinterher die etwaige Verurtheilung des Angeklagten einePrämie auf den Leichtsinn" des Verunglückten, welchem durch die Verurtheilung des Angeklagten ein Anspruch auf zivilrechtliche Entschädigung gegeben würde. Ter Vorsitzende erklärt bei der Urtheilsverkündung, daß das Gericht nicht nach den zivilrechtlichen Folgen fragen könne, zieht jedoch den Leichtsinn des Angeklagten, der allerdings nur auf einer durch die Gewöhnung an die Gefahr hervor- gerufenen Abstumpfung gegen diese beruht, bei der Slrafhöhe in Betracht und erkennt auf nur 30 M. Geldstrafe. Das gemeingefährliche Treiben gewisser Winkelkonsulenten trat wiederum in einer Verhandlung zu Tage, die gestern vor der 91. Abtheilung des Schöffengerichts stattfand. Der ehemalige Kanzlist Max Alexander Meißner hat vor einigen Jahren ein sogenanntes Volksanwalts-Bureau eröffnet. Seine Thätigkeit hat ihm schon mehrfache Vorstrafen eingetragen, zuletzt wurde er wegen Urknndenfälfchimg und Unterschlagung zu drei Monaten Gesängniß verurtheilt. Jetzt lagen wiederum sechs Betrugsfälle und zwei Unterschlagungen gegen ihn vor. Zu denjenigen Per- sonen, welche den Rath des Angeklagten in Anspruch nahmen, gehört« auch die Ehefrau eines Mannes, der in Plötzensee eine Strafe verbüßte. Die vertrauensselige Frau ersuchte den Ange- klagten um seine Vermittelung, um ihr eine Unterredung mit ihrem Manne zu erwirken. Der Angeklagte erklärte, daß dies ihm ein Leichtes sei. Die Frau zahlte vorläufig 10 M., die in Ans- ficht gestellte Unterredung wurde aber immer verschoben. Die ohnehin arme Frau opferte noch mehrmals kleinere Beträge, ohne den Zweck zu erreichen, auch händigte sie dem Angeklagten zwei Mark ein. die dieser versprach, dem Gefangenen zuzustellen, damit derselbe sich eine Erleichterung zu verschaffen vermöge. Alle diese Beträge hat der Angeklagte für sich behalten und im Interesse der Kundin keinen Schritt gethan. In einem zweiten Falle hatte sich ein Geschäftsmann an den Augeklagten gewendet mit dem Ersuchen, ihm ein Darlehn von 500 M. zu verschaffen. Meißner stellte die Erfüllung dieses Wunsches als so sicher in Ausficht, daß er den Darlehnssucher zu bewegen wußte, ihm selbst zunächst mit einem Darlehn von 50 Mark unter die Arme zu greifen. Der Geschäftsmann erhielt weder die 500 Mark, noch konnte er die 50 Mark zurückerhallen, auf sein Drängen gab der Angeklagte ihm endlich einen faulen Wechsel, der am Verfalltage nicht honorirt wurde. Der Staats- auwalt beantragte gegen den Angeklagten eine Gefängnißstrafe von vier Monaten, der Gerichtshof ging aber über den Antrag hinaus und erkannte auf fünfMonate Gesängniß und ein Jahr Ehrverlust. Kleine Ursachen, große Wirkungen. An einem August- Nachmittage des vorigen Jahres spielte der vierjährige Knabe des Garderobenhändlers Bohne mit einer Gießkanne auf dem Flur des Hauses der Wilsuackerstraße, in welchem sein Vater einen Laden besitzt. Das Kind verschüttete dabei etwas Wasser, wodurch die Portiersfrau Pilger, welche für Reinhaltung des Flurs Sorge zu tragen hatte, so ärgerlich wurde, daß sie m den Laden des VaterS ging, um sich zu beschweren. Sie traf hier nur den Geschäftsführer Rosenthal und den Kommis Sigismund S ch m u h l an. Beide folgten der Frau nach dem Flur, um die von dem Kinde gemachte Verunreinigung anzusehen. Es kam dabei zwischen Roseuthal und der Portiersfrau zu einem Wort- gefecht, wobei der elftere sich hinreißen ließ, seiner Gegnerin einen Schlag ins Gesicht zu versehen. Die Frau strengte gegen Rosenthal die Privatklage an und schlug Schmuhl, der dem ganzen Auftritte beigewohnt hatte, als Belastungszeugen vor. Trotz aller Vor- Haltungen des Vorsitzenden beschwor Schmuhl im Termin, daß er von dem in Rede stehenden Schlag nichts gesehen habe. Dieser Eid soll ein wissentlich falscher sein. Die Anklagebehörde hat eine ganze Anzahl Zeugen ermittelt, welche bekunden sollen, daß Schmuhl die Mißhandlung sehen mußte und daß er sich auch verschiedenen Personen gegenüber so ausgesprochen habe, daß er sie gesehen habe. Im gestrigen Termine vor dem Schwurgericht des Landgerichts I blieb der Angeklagte dabei, daß er von der Verabfolgung der Ohrfeige nichts gesehen und somit auch keinen Meineid geleistet habe. Die Verhandlung er- litt einen Aufenthalt dadurch, daß sich alle zum Schwur- gericht gehörigen Personen nach �der Wilsnaaerstraße be­gaben, um aus Grund der Lokalbesichtigung sich darüber ein Urtheil bilden zu können, wie nahe der Angeklagte bei den strei- tenden Personen gestanden, bezw. inwieweit die Belastungszeugen von ihrem Standpunkt aus in der Lage waren, die fraglichen drei Personen zu beobachten. Während der Staatsanwall Groß- pietsch die Schuld des Angeklagten durch die Beweisaufnahme für zweifellos erwiesen hielt, plädirte der Vertheidiger, Rechts- anmalt Leonh. Friedniann, für Freisprechung. Nach kurzer Be- rathung sprachen die Geschworenen den Angeklagten schuldig Bei der Frivolität, mit der der Meineid geleistet sei, beantragte der Staatsanwalt gegen den Angeklagten eine Zuchthaus- strafe von drei Jahren. Der Gerichtshof erkannte aus drei Jahre Zuchthaus , fünf Jahre Ehrverlust und dauernde Unfähigkeit als Zeuge ver- nommen zu werden. Mehrere Glanzleistungen eines Berliner schweren Jungen' I beschäftigten gestern in mehrstündiger Sitzung die zweite strai' kammer hiesigen Landgerichts I, und zwar auf Grund einer An klage wegen schweren Diebstahls und Hehlerei, welche sich gegei s. den Kellner Eduard Bessert, sowie die Handelsmann F a h n e r t' schon Eheleute richtete. Bessert ist ein alter, gefährlichel Einbrecher, welcher mit Vorliebe sich öffentliche Gebäude zum, Schauplatz seiner Thätigkeit auswählt. Er ist zuletzt wegen Diebstahls im Ministerium des Innern zu 4 Jahren Zuchthaus verurtheilt worden. Nach seiner Entlassung aus der Straf« anstatt begab er sich wieder nach Berlin und nahm hier Aufenthalt bei dem der Polizei als Verbrecher bekannten Dachdecker und Handelsmann F a h n e r t, welcher ihn polizeilich nicht anmeldete. Gleich nach seiner Freilassung hat er sein verbrecherisches Gewerbe wieder in großem Umfange aufgenommen und in ganz kurzer Zeit vier schwere' Einbruchsdiebstähle verübt. Bei einem Einbruchsversuch in der Wohnung des Grasen Douglas, Bellevuestt. 5a. ist er ab- l gefaßt worden. In der Nacht zum L6. September v. I., d. h. zu einer Zeit, wo der Graf Douglas verreist war, kam der Kutscher desselben etwas später nach Hause; er mußte den Portier herausklingeln und als er die Treppe hinaufging, merkte er, daß eine Gestalt geräuschlos auf den Hos hinaushuschte. Man witterte sofort Unrath und mit Hilfe eines großen Neufundländer Hundes wurde der Angeklagte, welcher die Stiefel ausgezogen hatte und auf den Strümpfen umherlief, gestellt. Er behauptete, daß er ein Bedürsniß habe verrichten wollen und, da er die Hausthür noch offenstehend gefunden, eingetreten sei. Man brachte den verdächtigen Atenschen zur Wache; i hier legte sich derselbe zunächst einen falschen Namen bei, wurde auch wieder entlassen, es wurde aber später festgestellt, daß man einen alten, routinirten Einbrecher vor sich gehabt hatte, dessen Thätigkeit bald darauf die Kriminalpolizei lebhaft beschäftigte. Eine Reihe von Einbruchsdiebstählen aus jener Zeil trugen ganz den Stempel der Thätigkeit des Ange- klagten und Krinunalkommissarius Braun ließ den Angeklagten Bessert längere Zeit durch Beamte beobachten, um ihn womög- lich bei der That zu überraschen. Es wollte jedoch nicht glücken. Am Morgen des 6. November meldeten die beobachtenden Be- amten, daß Bessert erst früh Morgens 5 Uhr nach Hause gekom- men und eiligst in seiner Wohnung verschwunden sei. Bald dar- auf meldete auch schon eine Depesche, daß in der Komman- dantur beim Grafen von Schliefsen ein Einbruchsdieb- stahl verübt worden sei. Trotzdem vor der Kommandantur ein Doppelposten steht und des Nachts die Korridorthüren im Innern verschlossen gehalten wurden, ist in der Stacht zum 6. November doch ein Dieb in die Wohnung des Grafen v. Schlieffen ein- gedrungen und hat dort gehörig aufgeräumt. Außer einer Baarsumme von 700 M., zum großen Theil in Lv-Markstücken bestehend, ist ein großer Posten von Silbersachen gestohlen' worden, ferner ein goldenes Ketten-Armband mit Saphiren und Brillanten, eine goldene Brochs mit Rubinen und Diamanten, i eine Panzerkette mit Siegelring mit Wappen:c.:c. Da in der Kommandantur eine zahlreiche Dienerschaft vorhanden war, ist es eigentlich unbegreiflich, wie der Diebstahl verübt werden konnte. Von dem Thäter hatte man keine Spur, doch fand man am That- orte ein Stück abgerissenes Zeitungspapier, welches zum Lerräther an dem Verbrechen werden sollte. Die Kriminalpolizei ging nun dem Fahnert energisch zu Leibe und als inan ihn fest- »ahm. fand man eine Summe von 270 M., welche er angeb­lich als seinHandelsgeld" immer bei sich führte. Auch Bessert wurde festgenommen, muß aber noch Gelegenheit gehabt haben, der Frau Fahnert größere Geldsummen zuzustecken, denn es wurde nichts bei ihm gesunden. Was endlich Frau Fahnert betrifft, o war dieselbe anfänglich höchst ungehalten, daß ihr der Kom- missarius die Frag« vorzulegen wagte, wie viel Geld sie in der Wohnung habe, und sie versicherte, daß siearme Leute" seien undkaum das liebe Leben hätten". Der Kriminalkommiffarius begnügte sich daniit aber nicht, sondern erklärte, daß der ver- haftete Ehemann das Vorhandensein größerer Geldsummen schon zugegeben habe, und drohte, sämmlliche Polstermöbel aufzu- chiieiden, um nach dem Gelde zu suchen. Nunmehr öffnete Z-rau Fahnert ihre Taille und hotte zwei Rollen mit Goldstücken )eraus, welche sie auf der Brust trug. Sie jammerte sehr dar- über, daß man ihr dielange gesammelten sauren Ersparniffe" wegnehmen wolle und klagte sehr über die Ungerechtigkeit der Welt. DieseErsparnisse" waren nun merkwürdiger Weise theils in eine erst zwei Tage vorher ausgestellte Zeitungs-Abonnements- quittung auf den Namen des ersten Angeklagten, theils in ein Stück Zeilungspapier gewickelt, welches genau zu dem beim Grafen Schlieffen vor- gefundenen Stück Zeitungspapier paßte. Die Angeklagten konnten diese merkwürdige Erscheinung nicht auf- klären, die Kriminalpolizei aber machte sich sofort ihren Vers darauf, um so mehr, als man bei Bessert auch einen Schrauben- zieher vorfand, der genau in die an den Spinden und Kästen des Grafen Schlieffen vorgefundenen Einbruchsspuren paßte. Daß Bessert diesen Diebstahl verübt, erscheint ganz zweifellos. etwas allgemeiner waren die Berdachtsmomente bezüglich der übrigen Diebstähle, die sämmtlich in den ersten Morgenstunden ausgeführt waren und in der Gleichartigkeit ihrer Ausführung allerdings stark auf Bessert hindeuteten. So war in der Nacht zum 8. Oktober bei dem Baumeister Hennicke, Leipzigerstr . 18. eingebrochen und demselben Silbersachen im Gesammtwerthe von 700 M. gestohlen worden. Die Einbrecher müssen sich vor zehn Uhr in das Haus geschlichen haben und haben die verschlossene Korridorthür, nachdem sie eine kleine Fensterscheibe derselben ein- gedrückt hatten, mittels des auf der inneren Seite im Schloß steckenden Schlüssels geöffnet. In der Nacht zuin 30. Oktober sind aus der verscylossenen Wohnuug des Schneidermeisters Münchmann am Königsplay, Silbersachen im Werth« von 200 M. gestohlen worden. Endlich handelt es sich um einen Silverdiebstahl im Palais des Justizministeriums in der Nacht zum 3. Oktober. Hier haben die Spitzbuben aus einem im Eßzimmer des Justizmmlsters stehenden Zylinderbureau 12 Eßlöffel, 12 Eßgabeln. 12 Dessertlöffel. 10 Dessertgabeln, sechs Untersätze und verschiedene Messerbänke gestohlen. Diese Silbersachen waren Eigenthum des Fiskus und hatten einen Werth von ca. 400 Mark. Die Diebe sind jedenfalls nicht von der Wilhelmsttaße, sondern von der Mauersrraße aus in das Justizministerial-G-däude gedrungen. In der Mauerstraße be- fand sich damals nämlich ein Neubau, welcher an den Hof des Palais des Fürsten_ Stolberg prangte. Der Wächter dieses Baues hörte in der Nacht zum 3. Oktober ein Klopfen an seiner Thür und als er öffnete, stand ein Mann vom ihm, welcher sich als der Kutscher des Fürsten Stolberg vorstellte und darum bat, daß er über die Mauer steigen dürfe, da er sich mit dem Stolberg 'scheu Portier schlecht stehe und nun, wo er sich verspätet, von demselben nicht ins Haus gelassen werden solle. Der Bauwächter gestattete auch das Uebersteigen der Mauer und er erfuhr erst später, daß weder der Fürst Stolberg , noch dessen Kutscher zu jeuer Zeit in Berlin war. Vom Hofe des Stolbergsschen Palais kann man leicht in das Palais des Justizministeriums gelangen. Da die An- geklagten in allen Fällen ihre Schuld bestritten, mußten sämmt- liche vorgeladene 30 Zeugen vernommen werde». Ein Zeuge, welcher zur Uederführung des ersten Angeklagten bei deui Ein- bruch ins Justizministerium dienen sollte, war nicht zur Stelle und der Gerichtshof mußte deshalb dw Fortsetzung der Ver- Handlung auf Donnerstag anberaumen. Künstliche Gebisse gehören nach einer vor wenigen Tagen gefällten Entscheidung des hiesigen Kalnmergerichts nicht zu den Heilmitteln,»velche die 5Irvskrankenkassen ihren Patienten zu gewahren haben. Tiefe richterliche Entscheidung, ivelche großes Aussehen erregt, wurde dadurch hervorgerufen, daß eine hiesige Krankenkasse sich weigerte, das künstliche Gebii, wel- ches eine Pattentm auf Geheiß des behandelnden K'ffenarttei