Freitag 1. 81011925
Unterhaltung unö Luissen
Seilage ües vorwärts
Mai 1925.
Der Mai ist Harken Gangs gekommen, Die Sorge fröstelt Blüten wacht. Euch ward der Winter nicht genommen, Ihr Brüder in Aabrik und Schacht. Ihr neigt die Stirne ernstem Fragen, Ihr geht in junger Welt gebückt. Was soll es, fällt ein scheues Tagen Auf Kette, die ein Volk bedrückt? Dies. Deutschland , ist nicht Auferstehen, Doch Hätz aus Gruft und Moder stieg Und keck der Herrschsucht Fahnen wehen, Die Volk gestürzt in Fluch und Krieg. Der Tambour Tod stößt harte Zeichen, Verderben greift den Marfchallstab, Und deine armen Toten schleichen Verstört um namenloses Grab. Dies, deutsches Volk, ist nicht Erwecken Der jungen, heiligen Frühlingskrast:. Der Hunger sinnt den alten Schrecken Und rüstet neu die Kerkerhaft. Was einst Uovembersturm zerschlagen In Flammen, die das Volk gebar. Ihr wollt es dulden, wollt es tragen, Was modernd schon vergessen war? Wir dulden's nicht, wir wollen hüten Der Republik erzwungen Recht! Wir werben einer Welt der Blüten Das freie, siegende Geschlecht. Ob Arbeitsbrüder Volk verraten Um Wort und Enge der Partei--- Wir gehen doch im Mut der Taten Und ringen diese Erde frei. Es ist ein heiliges Geloben. Was dieser Mai der Wehen spricht: Wir greisen doch, das Haupt erhoben, Aus Freiheitssonnen Recht und Licht! Von Volk zu Volk soll Kunde fliegen: So ringen wir um höchstes Gut. Es liegt der Menschheit letztes Siegen In eines armen Volkes Hut. Franz Rokheafelder.
Erster Mai.
Von Andreas Latzko . l. Seit fünfzehn Jahren ist der elfte Mai für mich sonderbarerweise unlösbar mit einer alten ftindheitseriniterung verknüpft, die im Grunde gor nichts mit dem Frühlingsfeft, dem Geburtstag des kraft- und zielbewußten Proletariats zu fchafien hat. Das Erlebnis selbst ist vielmehr von der schummerigen Stimmung der Weihnachtskcrzen mit der„philosophierenden" Ueberspanntheit meiner kaum sechzehn- jährigen wchülerwcisheit gezeugt worden, wäre aber längst unter dem Scherbenhaufen der eingestürzten Iugendträume begraben, ohne die Maisonne, die viele Jahre später gerade in dieses finstere Eckchen der Vergangenheit hineinleuchtete, und wie der Lichtkegel des Schein- werfers die Erinnerung in s Bewußtsein zurückhob. . Mit sechzehn Jahren ist das herz butterweich, gerne bereit, sich rühren zu lassen, weil es ja gar so schön ist, gerührt zu sein— über das eigene Schicksal ganz besonders! Gerade während dieser über- empfindsanren Periode, da Zweifel und hosfnungcn Tag und Nacht die Seele aufpflügen, das Wundsieber der Neugier die Widerstands- kraft untergräbt! und jeder eingestreute Samen blitzschnell ins Kraut schießt, während dieser Schonzeit der Seele gerade war meine Er- ziehung einem süddeutschen Internat anvertraut, das unter Formeln, Daten, Sprachregeln und anderem Wissenschutt das zarte Flänimchen der Persönlichkeit in seinen Zöglingen zu ersticken suchte. Die Anstalt wer nicht umsonst„staatlich konzessioniert� wen ihr Tor für„reif" gestempelt ins Leben spie, der lief wie auf Schienen weiter, bis ans Grab, so luftdicht mü Gesinnung verlötet, daß kein Gedanke, der nicht gleichfalls staatlich konzessioniert war, Eingang in seine Gehirnschale finden konnte. Aus diesem ideglen Funktionieren der Anstalt einerseits, und meinem angeborenen Mangel an staatsbürgerlichen Talenten anderer- seits ergab sich das für mich sehr traurige Resultat, daß meine Weih- nachtsferien strafweise um eine Woche später angingen, als der Urlaich der„begabteren" Zöglinge. Am Morgen des 24. Dezembers durste ich erst die weite heimreise nach Ungarn antreten, und erlebte so den heiligen Abend und die Christnacht'einsam in einem Schnell- zugsabteil. In München , wo ich umsteigen mußte, sah ich die ersten Christ- baumkerzen hinter Fenstern und Gardinen flimmern, und dieser An- blick verfolgte mich bis spät in die Nacht hinein, wiederholte sich in jedein Städtchen, jedem einsamen hos, jedem Bahnwärterhäuschen, das der Zug in die Finsternis hinter sich zurückschleuderte. Geladen mit Empfindsamkeit bis zum Lippenrand, in einen fauchenden Eisen- brachen eingeschlossen, der mich vorbciriß an der allgemeinen Freude, das unreife Knabengehirn noch überschattet von den phantastischen Jugendromanen Jules Bernes, sah ich den Zug durch den Welten- rauni fliegen, und es war der Erdball, der sich mit Christbäumen übersät an meinem Fenster vorbreidrehtc. Ich wußte sehr wohl. daß. während in Europa die Kerzen eben niederbrannten, im fernen Osten schon die Sonne des nächsten Tages ausging, und der Farmer in der amerikanischen Prärie erst bei seinem Mittagbrot saß. Aber ich wollte an diese exakte Wahrheit nicht denken, die wundervolle Bor- stellung mir nicht zerstören lassen!... War ich nicht über die Staatsgrenze zwischen Bayern und Oesterreich gerollt, hatte anders- farb-ge Uniformen den Zug durcheilen gesehen— und draußen blitzte unverändert das gleiche Bild vorbei, derselbe seitliche Anlaß raffte die Menschen überall in kleinen Gruppen zu einer einzigen großen Familiengemeinschost zusammen Der ganze Globus schien mir von einer Freuds erleuchtet, von den hoizbuden der sibirischen Sträf- linge bis zu den Lichttürmen der New Porter Wolkenkratzer, von den tranigen Fischerhütten in h-'mmeifest oder Grönland bis hinunter zu den Goldgruben um Kapstadt die ganze Erdrinde mit der cinheit- lichen Menschenmasse der christlichen Gemeinschaft bestrichen! Zwei Arme, weit ausgebreitet auf das Kreuz genagelt, weil sie die ganze Welt hatten umfassen, um Grenzen. Fahnen. Sprachen und alle äußerlichen Unterschiede die gemeinsame Umfriedung der Liebe hatten ichtingen wollen, drängten über Jahrtausende hinweg die Menschen doch noch zu festlicher Einheit zusammen, die alle aufgeschmintten Gegnerschaften verschlang.— Ganz jenseits von Katechismus und Kirche, von der Glaubens- frage und allem Religionsunterricht völlig losgelöst, dämmerte meiner Unreife damals zum erstenmal die ungeheure Gewalt der Idee, die Möglichkeit eines gleichen Nenners für die ganze Menschheit aus!
Trotz alledem
Nieder mit dem Plunder!
Ich merkt« nicht, daß die„Menschheit", die ich als eine Familie ge- meinsam das gleiche Fest begehen ließ, die kindische Addition un- zähliger überspannter, sechzehnjähriger Schulbuben war. Die großen Gegensätze, Jahrhunderte lang mit Menschenfleisch großgemästet, schienen mir zu kleinen, unwesentlichen Unterschieden zusammenge- schrumpft, zu Merkmalen, wie Geschwister verschiedene Taufnamen tragen, um nicht oerwechselt zu werden.„Geschichte"— das war Vergangenheit, ihr blutiger Plunder verstaubte in der Rümpel- kammer, neben dem ausgestopften Aasgeier des Waffenruhmes, neben Ritterrüstung und Postkutsche! So oft draußen die Perlen- reihe christbaumheller Fenster wie eine Festgirlande von der Finster- nis entzweigerisien wurde, um bald wieder neu aufzuleuchten— bei jeder Menschengruppe, die ich im Fluge um die eigene Freude ver- sammelt sah—, jedes Bild, das die Weihnacht nur zuwarf, war nur wie ein neuer, weiterer Pinselstrich an dem einen großen Bild, das mich beglückte! Nicht einzelne Menschentropjen, geronnen in selbst- süchtiger Enge umstanden ebenso viele einzelne Christbäume! Nein. Ein einziger Baum, mit den Sternen behängt, in die er hineinragte. streckte ein Aestchen in alle Stuben, und das verblendete, feinds.'ligs Gewirr, das der Turmbau zu Babel geboren haben sollte, scharte sich verbrüdert um seinen Glanz.— II. Viele Jahre waren vergangen, und hatten die Erinnerung an die einsame Weihnachtsfahrt unter dem Berg von Gleichgültigkeiten begraben, die jeder Tag über den vorausgegangenen entleert. Längst war ich um eine Generation zurückgerückt, stand hinter der Tür«, die Geheimnisse und Erfüllungen birgt, und hatte selbst die Glocke zu schwingen, die zur Bescherung ruft. Ich war„Vater", das heißt: ich hatte meinen Sitzplatz vor der großen Schaubühne eigentlich schon weiterverkauft, und durfte ihn nur mitbenutzen, bis ich den Nachfolger in die Handlung eingeführt, ihm den Inhalt der bereits abgespielten Szenen erzählt, und nach meiner Art erläutert hatte. Sechs Jahre alt war das neue Leben, das meines zu verdrängen von mir selbst in die Welt gerufen war, als am ersten Mai ein Demonstrationszug von Arbeitern unter unseren Fenstern vorbeizog, und mein Sohn eine Erklärung von mir forderte für die Menschen- schlänge, die hinter einer roten Fahne singend die Stadt durchzog. Viel hatte ich in der Zeit zwischen jener Christnacht und diesem ersten Mai gelernt, hatte mich wie der gehörnte Siegfried im Drachenblut der Enttäuschungen gebadet, und war gepanzert gegen die Ver- lockungen hochklingen'der Worte und Bilder, die sich zumeist aus Kosten der Tatkraft mästen, ihre eigene Erfüllung vordrängen, wie die Kinder ihre Erzeuger. Und doch!... Während ich dem sechsjährigen Gehini Sinn und Ziel des Maifestes zu deuten suchte, tauchte aus der Versenkung, ganz ohne mein Zutun, jenes verschrobene Weltbild der Christbaum- stimmung auf. schob sich gcwaltsanr als Vorlage, die ich nur zu pausieren brauchte, unter meine Erklärung! Ich wußte nur zu gut, wie grundfalsch die Vorstellung gewesen war. Farben, Fahnen, Grenzen. Sprachen, und alle sonstigen„historischen" Gegensätze seien zu unwesentlichen Nuancen eingeschrumpft innerhalb der großen Ein- heit, die der Glaube umschloß. Ich hotte gelernt, daß im Gegenteil das„Ich" die Cinheit war, die nackte haut das Heiligtum, und mit wachsender Entfernung von diesem Mittelpunkte das„Große", das Umfassende zu wesenlosem Schatten erblaßie! Aber aus dem Traum, den Wissen so erdrosselt hatte, quoll doch die Antwort hervor auf die schwierige Frage, was eine hofsnung zu bedeuten habe, die leibhaftig hinter Fahnen einherging, und trotzdem noch lange keine Wirklichkeit war! Wieder malte ich den Globus in den Raum, und ließ überall, wo Menschen in harter Fron ihr karges Brot dem Ueberfluß ab- ringen mußten, gleiche Kolonnen durch die Straßen marschieren, hinter derselben Fahne, auf den Rhythmus desselben Liedes. Wie der Bach zum Strome schwellend zuletzt die Meere speist, die alles Leben umklammern und mehr als die Hälfte der Erdkugel bedecken, so rieselte auch hier eine Ader der anderen entgegen, um dereinst die Einheit zu werden, die mn Grenzen, Fahnen, Sprachen, um alles, was sprengt� zerreißt, und darum schwächt, die gemeinsame Um» friedung des Menschenrechtes schlingt! Und Heller, als einst im matten Lichte der Christbaumksrzen der sechzehnjährige Trämner die Sterne auf die Welt der Christenheit niedersinken sah. strahlle im Glänze der Maisonne der Frühlingshimmel, wie ans dem blauen Stoff der Arbeitskittel gespannt, den neuen Glauben nieder, es werde doch von schwieligen Hände» einmal noch die große Mauer errichtet werden, die undurchlässig für alle Irrtümer der Vergangen. heit, Fahnen, Farben, Wappen, und allen blutigen Plunder der„Ge- schichte" auf den Schutthaufen außerhalb der umfriedeten Gemein- samkeit drängt.
veröauer«kriegvom?ahre 1525 von Franz Lauflötter. Im Frühling des Jahres IS2S hatte die Bewegung der süd- und westdeutschen Bauern ihren Höhepunkt erreicht. Die Erbitterung war aufs höchste gestiegen, und ein gewaltsamer Zusammenstoß zwischen Bedrückern und Unterdrückten erschien unvermeidlich. Es lag eine Gewitter stimmung in der Lust. Ucbcrall rotteten sich die Bauern zusammen: sie hielten Versammlungen ab, bildeten bewaffnete Hausen unter gewählten Führern und ver- schafften sich nach Möglichkeit Waffen. Um sich Geldquellen zu er- öffnen zwecks Deckung" der Kriegskosten, beschlossen sie, die goldenen und silbernen Geräte aus den Kirchen zu nehmen sowie Klöster und Stifte mit einer Geldsteuer zu belegen. Ein Verfahren, das die Fürsten in schweren Kriegszeiten stets angewandt haben. Trog dieser Maßregel gelang es den Bauern nicht, ihre Bewaffnung der ihrer Gegner gleichzumachen. Einige von ihnen trugen Wehr und Har nisch und waren von Jugend auf in den Waffen geübt. Dies waren besonders die Oberfchwaben, zumal die Allgäuer. Andere waren mangelhaft bewaffnet und ungeübt, so daß die Bemühungen ihrer kriegserprobten Führer nur wenig Erfolg versprachen. Vor allen Dingen fehlte es den Bauern an Geschütz und Pulver sowie an Reiterei. Auch ließ die Disziplin viel zu wünschen übrig, und init der Verproviantierung der großen Hausen haperte es sehr. Trotzdein nahm die Bewegung ihren Fortgang, sie war nicht mehr aufzuhalten. In den letzten Märztagcn setzten sich die Bauen:- Haufen allenthalben in Bewegung: aus dem Schwarzwold und dem Odenwald , vom Allgäu und vom Ried, von der schwäbischen Alb und aus dem Taubertal zogen Zchntousende von Bauern heran. Ueberall schlössen sich neue Kämpfer ihnen an, um„die heilige Sache des gemeinen Mannes" zu unterstützen. Die Herren trafen natür- lich die Gegenmaßregeln, da sie ahnten, daß die erbitterten Bauern zum äußersten bereit waren. Der schwäbische Bund, der aus Fürsten und Grafen, Bischösen und Rittern bestand, dem auch viele Städte angehörten, sammelte ein starkes Heer unter der Führung des de- rühmten Feldherrn Georg T r u ch s e ß. Das Bauernheer hatte ebenfalls einige kriegserfahrene Führer, unter denen der hervor- roaendste ein verarmter Edelmann, Florian Geyer, war, der mir warmem herzen und fester Hand der Bauernschar diente. Auch der bekannte Götz von Berlichingen , der Ritter mit der eisernen Hand, befand sich zeitweilig im Dienste der Bauern. Andere Führer waren Georg Metzler und der Weinwirt I ä ck l e i n R o h r b a ch aus Böckingen bei Heilbronn , ein gescheiter Kopf, aber wegen seiner kecken, verwegenen Streiche übel berüchtigt. Noch einmal versuchten die Bauern, aus srledtichem Wege ihr Ziel zu erreichen. Sie übergaben den Herren ihre Forderungen, die in Form von einzelnen Artikeln zusammengestellt waren. Diese berühmten 12 Artikel, die die Wünsche und Beschwerden des Landvolks enthielten, erklären einleitend, es sei eine schändliche Bcr- leumdung, wenn gesagt werde, daß die Bauern die Absicht hätten, die geistliche und"weltliche Obrigkeit zu beseitigen oder gar zu er- morden, und daß diese Absicht in der neuen reinen Lehre ihre Ur- fache habe. Man möge die Artikel ruhig und sachlich prüfen und dann urteilen. Die Forderungen selbst sind wirtschaftlicher und religiöser Art wie ja von jeher die sozialen und wirtschaftlichen Bc- strebungen der linterdrückten mit religiösen Elementen verquickt worden sind. Die Bauern verlangten: Abschaffung der drückenden Zehnten und Frondienste, Beseitigung des. Großgrundbesitzes und Rückerstattung des geraubten Grund und Bodens an die recht- mäßigen Eigentümer, Zerschlagung der geistlichen Stifte und Ver- teilung des Landes an die landlosen Proletarier, lie forderten ferner freie Weide für das Dorfvieh, freie Jagd, freien Fischfang, freies Ver- fügungsrecht über den Wald, endlich verlangten sie Verbesserung der im argen liegenden kirchlichen Zustände und Behebung der schreien- den Mißbrauche, Wahl der Geistlichen durch die Gemeinde und ver- nünftige Auslegung des Evangeliums. Eine wichtige Forderung war auch die Befestigung der Kleinstaaterei mit ihrem Unrecht und ihrer Unterdrückung, sie wollten nur einen Herrn über sich haben, den Kaiser, er allein solle die Gerichtsbarkeit haben, er allein solle die Rechtsprechung ausüben, aber nicht durch fremde, gelehrte Richter, sondern durch Männer ihres eigenen Standes. Die Herren gingen scheinbar auf Verhandlungen ein, well sie ihre Vorbereitungen noch nicht genügend getroffen hatten, im Grunde ihres Herzens dachten sie gar nicht daran, auch nur über die Forderungen zu verhandeln. Sie waren entschlossen, keinerlei Nach-