Unterhaltung unö Wissen*.rz
Veutsthlanös öevölkerung. Eine Prognose für das Ergebnis der Volkszählung. Die Ergebnisse der kürzlich zusammen mit einer Berufs- und Betriebszählung abgeschlossenen Bevölkerungsaufnahme, die nach einer Pause von 15 Iahren endlich wieder zuverlässiges statistisches Material für Deutschland erbringen soll, werden erst nach geraumer Zeit der Oeffentlichkeit bekanntgegeben werden können. Wenn auch mit Hilfe der elektrischen Hollerithmaschinen das Ergebnis schneller ermittelt werden kann als früher, so nimmt doch das Prüfen und Zusammenstellen des primärstatistischen Materials soviel Zeit in Anspruch, daß Monate oergehen werden, ehe das Ergebnis feststeht. Daß dieses Ergebnis für Deutschland von eminenter Wichtigkeit ist, braucht nicht betont zu werden. Stärker noch dürfte das Interesse des Auslandes sein, da bekanntlich Deutschlands Berpflichtungcn aus dem Dawes-Gutachten durch den viel angezweifelten„Wohlstands- index' von der Größe seiner Bevölkerung und deren Veränderungen in den Iahren 1927/29 in ihrer Höhe mit abhängen. Frage ist, ob uns auf Grund bisheriger Daten die Möglichkeit gegeben ist, das Er- gebnis der Zählung in Umrissen vorauszusagen? Die graphische Darstellung einer Bevölkerungszusammensetzung zeigt bei idealer Lage— die aber nie erreicht wird— eine Pyramide, deutet damit aus dos allmählich« Absterben der älteren Schichten hin. In Staaten, wie Italien zum Beispiel, die eine starte Zuwanderung von Menschen im besten Alter haben, wird der Abschnitt der 25- bis 45jährioen soweit ausgebuchtct, daß man eine Zwiebelform erhält. Deutschlands Bevöllerung hingegen zeigte die sogenannte Glocken- form, aus der man als Merkmale starke Geburtenhäufigkeit, starkes Absterben der Kinder im frühesten Alter, schnell anwachsende Dichte der Schichten im mittleren Lebensalter und allmähliches Absinken der alleren Klasse» ablesen kann. Diese Glockenform zeigte auch die Darstellung des Ergebnisses der Volkszählung von 1910. Ein SifNiptom, das damals schon— besser gesagt: noch!— aufsiel, war der Einschnitt, der durch die Verluste des Krieges von 1870,71 her- beigeführt worden war, dessen Wirkungen also nach 40 Jahren noch erkennbar waren. Wenn man bedenkt, daß im Weltkrieg in einer Großjchlacht soviel Menschen eingesetzt wurden, wie 1870 die ae- samt« Heeresstärke betrug, so kann man ermessen, welche tief ein- schneidenden Wirkungen der Wellkrieg auf die Beoölkerungs- i ammensetzung Deutschlands ebenso wie der Feindstaaten ausgeübt haben mag. Welche Form der.Levölkerungspyramide' werden wir nun diesmal zu erwarten haben? Gemessen an der Norm der Heiraten von 1915 ist vom Sta- tistlschen Landesamt für Sachsen zum Beispiel für die vier Kriegs- jähre«in effektiver Ausfall von etwa 60 000 Ehen errechnet worden, von denen etwas über 20 000 nachgeholt worden sind. Für Deutsch- land ergäbe sich demnach eine tatsächliche, nicht wieder einholbare Einbuße von 520 000 Ehen, von denen man annehmen kann, daß sie bei normalem Zell verlauf geschlossen worden wären. Welche enormen Folgen dieser Ausfall auf die Geburtenziffern hat. ist leicht zu ersehen. Bei der vorsichtigen Annahme, daß diesen Ehen wuh- rend der vergangenen 10 bzw. 7 Jahre nach der Eheschließung durch- schnittlich je zwei Kinder eniwachsen wären, hätten wir mit einem nicht zu-hoch eingeschätzten Verlust von über 1 Million Geburten zu rechnen. Diese Schätzung findet ihren Anhalt übrigens in einem Vergleich des Eintritts von schulpflichtigen Kindern in die Volks- schulen. 1915 traten 80 000 bis 100 000 Schulkinder neu in die Volksschulen«in, die Stärke der Kriegsjahre dagegen wird auf 40 000 eingeschätzt. Es zeigt sich also die enorm« Verminderung um 40 bis 50 Proz.'i— Für unsere Hochschulen muß sich der Geburten- ausiall in den Iahren 1935— 1957 ebenfalls deutlich fühlbar machen. — Setzt man ferner den Verlust von etwa 2 Millionen Menschen im besten Alter durch Krieg und Kriegsfolgen in Rechnung, so müßte die Devölterungspyramide Deutschlands drei ganz typische Merkmale innerhalb der Glockensorm tragen. Sie wird einen breiten Sockel zeigen— die Geburtenbäutung nach Kriegsende—> dann als erstes Merkmal eine starke Einbuchtung— der Geburtenausfall während des Krieges—, als zweite» Merkmal wieder eine Aus- buchtung der Klasse im jetzt 10. Lebensalter als Folg« der Geburten - zunähme 1915 infolg« der zahlreichen Krieasehcn, wird dann nor- malen Verlauf nehmen und schließlich für die Jahrgänge von jetzt 25- bis 55jährigen den markantesten Einschnitt— die Kriegsopfer— aufweisen. Da die Bevölkerungspyramide so dargestellt wird, daß links einer Senkrechten die männliche, rechts die weibliche Bevölke- rung abgetragen wird, müßten also die beiden erstgenannten Merk- mal« auf beiden Seiten ziemlich gleichmäßig zu erkennen sein, der drllte Einschnitt hingegen nur auf der männlichen Seite sich aus- wirken. Als welleres wichtiges Ergebnis dürft« mit Spannung erwartet werden, wie sich infolge der«normen Kriegsverlusie an männlicher
Bevölkerung das Derhällnis der männlichen zur weiblichen ver- schoben hat. Das als typisch festgestellte Ueberwiegen der Knaben- geburten über die Mädchengeburten im Verhältnis 106: 100 wird bekanntlich durch die häufiger« Knabensterblichkeit im frühesten Lebensalter bis zum dritten Jahre ziemlich absorbiert. Die erste Parität zwischen niännlicher und weiblicher Bevölkerung wird im 25. Lebensjahre, der Wendepunkt im 40. Lebensjahre erreicht. Schon im 50. Lebensjahre kommen auf 100 Frauen nur 93, im 70. Lebens- jähre auf 100 Frauen nur noch 77 Männer. Dieser Wendepunkt muß sich bedeutend weiter in jünaere Jahre verschieben: mit Wahr- scheinlichkeit ist anzunehmen, daß nicht später als bereits im 35. Lebensjahre dos Gleichgewicht der Geschlechter liegen wird. Ebenso wird durch frühere Sterblichkeit der Kriegsteilnehmer, die
6* kommt aus jeder Trompete Ein anderer klagender Ton, Und dennoch schallt e» gemeinsam: Reaktion. Reaktion. Reaktion!
meist gesundheillich irgendwie geschädigt sein dürften, der Abstand im Ueberwiegen der weiblichen Bevölkerung über die männliche nach dem Wendepunkt in höherem Alter bedeutend größere Differenzen zeigen. Wie schon anfangs gesagt, liegt da» Schwergewicht des Ergeb- nisses ober in der Feststellung der Bevölkerung Deutschlands über- Haupt. Die Zusammensetzung, also die Frage, wieviel produktive Kräfte Deutschland zur Verfügung haben wird, um die Reparations- pflichten zu erfüllen, ist von eminenter Bedeutung. Es muß vom statistischen Standpunkt au» als Ding der Unmöglichkeit bezetchnet werden, das Ergebnis zahlenmäßig vorauszusagen, zumal wir große und dichtbesiedelte Gebiete abtreten mußten. Eine genau« Korrelation ist also unmöglich. Möglich ist lediglich, auf ganz bestimmte Symptome der Bevölkerungspyramide schon jetzt hinzuweisen. Gerd Krey.
Das Zreiheitslanö Amerika . Im amerikanischen Staat Tennessee gibt es ein Gesetz, dem- zufolge ein Lehrer an einer staatlichen oder mit staatlichen Mitteln unterstützten Schule, der irgendeine Theorie lehrt,„welche die Ge> schichte von der Erschaffung des Menschen wie die Bibel sie berichtet', ablehnt und der insbesondere„lehrt, daß der Mensch von einem niedrigeren Tier abstamme', sich einer strafboren Handlung schuldig macht. Dieses Vergehens ist jetzt einer der Raturwissenschaftslehrer einer staatlichen Schul« angeklagt, der an Hand eine» früher staat- lich zugelassenen Lehrbuches seine Schüler mit der Darwinschen Theorie bekannt gemacht hat. Dieses Werk war im Jahre 1919 an allen staatlichen Schulen eingeführt, bis William Jennings Bryan , Verteidiger des Glaubens und zeitweise demokratischer Präsident- schastskondidat, den Feldzug gegen den Darwinismus eröffnete. Die Verhandlung soll im Juli stattfinden; wird der Lehrer für schuldig bestinden, so wird es zum Appell an die höheren Gericht« kommen. Schulmänner und Laien in Tennessee und darüber hinaus
Der Kakaöu. von Bruno Frei . Meine Wirtin hat einen Kakadu. Ich beobachte ihn schon seit längerer Zeit und muß gestehen, daß er es verstanden hat. mir Respekt abzunötigen. Es besteht für mich kein Zweifel, daß dieses Tier ein kräftiges Selbstgefühl hat. Die Schmach der Gefangen- schaft hat seinen Stolz nicht gebrochen. Mit unheimlichem Starrsinn rüttelt der Kakadu an den Gittern seines Käsig»; von keiner Ersah- rung belehrt, sucht er vergeblich die Drahtstangen zu zerbeißen. So oft ich ihn sehe— der Käsig steht am Fenster einer Hinterstub«—. ist er damit beschäftigt, finsteren Blick» Anlauf gegen das Gitter zu nehmen. Er geht fo weit wie möglich an der quer gestellten Kletter- ftonge zurück, wiegt in immer kräftiger werdendem Schwung den ganzen Körper, fttofft die Muskeln, um dann mit um so größerer Kraft eine schon vorher in» Auge gefaßte Stelle des Gitters mit dem Schnabel zu packen. Mit verbissener Wut zerrt er an dem un- nachgiebigen Metall. Kein Mißerfolg hindert da» Tier, die Versuche vergeblicher Auflehnung zu wiederholen. Der grüngelb« Federbusch sträubt sich, wild rollen die Augen und ein durchdringender Schrei. der aus indischen Tropennächten zu kommen scheint, erschüttert uns. Wir fühlen die Angst der Kreatur und ihren brüllenden Willen zum Leben. Immer von neuem wiederHoll sich das grausame Spiel: da» Recken und Spannen der Muskel zur höchsten Leistung und da» ahn- mächtig« versagen am fühllos harten Metall. Verwundert dachte ich nach über da» Treiben diese» Tiere». Warum gewöhnt e» sich nicht an die neuen Bedingungen seines Da- sein»? Warum findet es sich nicht ab mit dem Unabänderlichen? Irgendwo in der Tiefe diefe» Bewußtseins schlummert die Erinne- rung an hohe schlanke Palmen und an Sonnenschein, an Gefährten und Gefahren, an Kampf und Lust. Die Freiheit ist mehr als Speis« und Trank, unersetzlich und unvergeßlich. Das Tier rüttelt an den Gittern feine» Käfigs, weil es unvernünftig ist, weil es die Kräfte nicht kennt, die die Vernunft oerleiht, und die den hochgespannten Lebenswillen herabzudrücken besähigt, bis er dem Tiefstand neuer Daseinsbedingungen angepaßt Ist. Der Kakadu ist ein Tier und lebt seinen Instinkten. Freihett ist für den tierischen Instinkt Lebens- jubstanz, Lebensinhalt. Lebensfundoment. Was nützt die geschält« Banane, dl« gezuckert« Orange, die gekochte Kartoffel und da«
knusprig« Korn— wenn die Luft nicht getränkt ist von den süßen Düften des Waldes, und der Raum sich nicht dehnt in unendlicher Tiefe, der Raum, in dem man sich badet mit weit ausholenden Schwingen, das Element, in dem zweckvoll sich bewegen— erst leben heißt. Atmen, Essen, Verdauen, Schlafen— heißt das leben? Die tierische Unvernunft sagt nein. Sie kann sich nicht bescheiden, sie kann nicht einen Ersatz annehmen für den naturgegebenen Lebens- drang, sie kann sich nicht abfinden mit einem Mindestmaß, wenn die Triebe volle Erfüllung verheißen, sie wehrt sich in ohnmächtiger Wut, wenn � künstliche, lebensseindliche Hindernisse den Ausblick ver- rammeln, sie zerrt an den Gittern, st« schäumt in der Raserei der Verzweiflung— bis die Ermattung eintritt und die Kräfte versiegen. Polly, der Kakadu, wurde krank. Das Zerbeißen der Gitter. stanzen nützte nichts, die Freiheit war für ihn verloren. Er senkte tief den Kopf und hackte selbstmörderisch mit dem Schnabel in die weiche Brust. Er verweigerte die Aufnahme von Speise und Trank. Sterben schien ihm leichter, denn als Leiche leben. Roch einmal nahm man ihn au» dem Käfig. Matt und hilflos hüpfte er auf die Stuhllehn«. Armer Vogel! Die grünseidene Tapete ist kein Dschungel! Unerreichbar fern ist der Urwald. Deine Flügel sind beschnitten worden von dem Dogelhändler, der dich vor Jahresfrist in Kalkutta verkaust hat. Der deutsche Ingenieur in der Fremde wollte seiner Schwester in Berlin eine Freude machen, und so kamst du als indischer Gruß in diese Well der Käfige und Gitter. Sie haben dir das Leben genormnen, als st« dir die Freiheit nahmen. Du mußt sterben, wenn du dich nicht fügen kannst. Der Kakadu fügte sich nicht. Er blieb vornehm bis zu seinem End«. Würdevoll drehte er sich um, das Anllitz zum Licht, und uns den Rücken kehrend. Seine Krallen umfingen mit einer traurigen Zärtlichkeit das Stückchen Nahrung, das wir ihm brachten. Dann wendete er sich ab und aß mit den Augen in die Sonne blinzelnd. wie es sich für einen vornehm erzogenen Kakadu gehört. Den Kampf gegen da» Gitter gab er nicht auf. Er starb gestern an der Krank- heit, die tödlich ist für alle Wesen, die die Vernunft nicht gebrauchen können. Er starb an dem Starrsinn, mit dem er an seinem wicbtigsten Leben-gut festhielt. Entweder als Kakadu leben oder sterben. Außer- halb de» kakadusischen Daseins gibt es kein Leben. Er starb als Held, als Patriot, ein Vorbild der Treue, der Ausdauer und Frei- heitsliebe seines Geschlechtes. Wir sind gewohnt, die Superiorität der Vernunft und die Minder- werttgkeit der Unvernunft als Kategorien unseres Urteils zu ge-
in ganz Amerika stehen hinter dem Angeklagten. Mr. Bryan da- gegen ist so begeistert von der Gelegenheit, die sich hier bietet, den Naturwissenschaftlern,„diesen ehrlosen Schurken', wie er sie nennt, „die den amerikanischen Kindern ihre Religion rauben und sie zu Atheisten machen', eins auszuwischen, daß er sich der Staatsanwalt- schaft zur Verfügung gestellt hat. Er rechnet damit, daß den elf- tausend Mitgliedern der„Amerikanischen Vereinigung zur Förderung der Wissenschaft' 109 Millionen Amerikaner gegenüberstehen, die anderer Ansicht sind. Der Fall hat heute bereits nationale Bedeutung erlangt, und seine Entscheidung wird als„Test' für die„Fundamentalisten' an- gesehen, wie sich die Vorkämpfer für die mittelatterliche Verdunkelung in den Vereinigten Staaten nennen. Tennessee steht mit diesem „Anti-Slffen-Gesetz' nicht vereinzelt da. Es ist sehr wahrscheinlich. daß Kalifornien ln Kürze ähnliche Strafbestimmungen treffen wird; in Oklahoma ist es seit zwei Jahren unmöglich, in staatlichen Schulen die Evolutionstheorie zu lehren. In Texas hat die Leitung der Staatsuniversität angeordnet, daß„kein Ungläubiger, Atheist oder Agnostiker, keine Person, die nicht an Gott als das höchste Wesen und den Beherrscher des Weltalls glaubt, in irgendeiner Eigenschaft an der Universität beschäftigt werden solle'. In Kentucky und Texas haben die Parlamente gleichfalls Anti-Eoolutionsgesetz« beschlossen, die allerdings vom Oberhaus nicht bestätigt wurden— in Kentucky gab eine Stimme den Ausschlag. In einer Reihe von anderen amerikanischen Staaten sind ähnliche Gesetze eingebracht. „Im ganzen Süden und Südwesten ist die Stimmung sehr für die Fundamentalisten und Anti-Evolutionisten,' so schreibt die Zeit- schrift„Ration'.„Das Parlament von Georgia hat einer staat- lichen Bibliothek kürzlich die Unterstützung versagt aus dem erklärten Grunde, daß sie Bücher über die Evolutionslehre enthielte, und ein Biologieprosessor an der dortigen Mercer-Unioersity wurde im ver- gangenen Oktober wegen seiner Anschauungen abgesetzt. Dies« Ver- solgung von Professoren wegen darwinistischer Anschauungen datiert in Amerika von den achtziger Jährt»; damals wurde der Geologe Alexander Winchell seines Amtes an der Danderbilt-Unioerstty ent- setzt, weil er sich den modernen geologischen Lehren über die Eni- Wicklung der Erde angeschlossen hatte. Hand in Hand mit diesem Versuch, die Evolutionstheorie zu unterdrücken, geht die Bewegung, die sich dafür einsetzt, daß die Schöpfungsgeschichte nach der Bibel gelehrt wird; das geschieht meistens in der verhüllten Form der Bibellektüre in den Schulen.' Di« kleine Stadt Dayton, wo die Verhandlung gegen jenen rasch berühmt gewordenen Lehrer stattfinden wird, nimmt heute schon in jeder Zeitung breiten Raum ein. Man erwartet über zwettousend Besucher von auswärts und stellt Pläne auf, um sie in Eisenbahn « wagen unterzubringen: denn ihre Zahl ist größer als die Einwohner» zahl der Stadt. Auf dem Rasen vor dem kleinen Gerichtsgebäude werden Sitze aufgeschlagen und Lautsprecher aufgestellt, so daß man von dort der Verhandlung folgen kann. Und während so Zimmer- leute, Komitees, Juristen und Gerichtsbeamte den großen Tag vor- bereiten, werden überall kleine Affen verkauft als Andenken an „Monkeyville", wie Dayton von einem spottsüchtigen Publikum getauft worden ist.
Migräne. Die Migräne ist eines jener Leiden, die den Be- fallenen aufs heftigste peinigen, ihn für einen halben oder ganzen Tag vollständig untauglich für jede Tätigkeit mac i. ohne daß die Krankheit aber jemals zum Tode führt. Sie trttt in Form von Anfällen auf und ist durch schwere, meist halbseitig« Kopfschmerzen gekemizeichnet. Den Kopfschmerzen gehen oft Augenstörungen vor- aus; im Gesichtsfeld tritt ein bewegter dunkler Fleck auf, dessen Ränder nicht selten leuchtend und gezackt erscheinen. Die rasenden Schmerzen können sich bis zur Uncrträglichkeit steigern und machen den Kranken völlig arbeitsunfähig. In vielen Fällen setzt während des Anfalls heftiges Erbrechen ein. Ist der Anfall vorüber, so erfreut sich der Kranke sofort vollständigen Wohlbefinden». Di« Entstehung der Migräne ist noch sehr umstritten. Nur eines steht wohl unzweifelhaft fest, daß die Migräne ererbt ist. und zwar ae- wohnlich von einem der Eltern auf die direkten Nachkommen. Im übrigen nimmt man auch Zusammenhänge mit der Gicht und mit der Epilepsie(der Fallsucht) an. Was sich im einzelnen bei der Migräne im Gehirn abspielt, ist noch unklar. Man vermutet auch Beziehungen zwischen den Sexualorganen und der Migräne, da die Anfälle während der Schwangerschaft wie in den Wechseljahren vielfach ausbleiben. Ein sicher wirkendes Mittel gegen Migräne besitzen wtr nicht. Es werden Aspirin, Pyramidon und sonstig« schmerzstillend« Mittel. Chinin und Arsen, klimatische und diätetische Kuren empfohlen. Im Anfall selbst muß vor allen Dingen für Ruh« gesorgt werden; Lagerung des Kranken im Dunkeln und Vermeidung aller über- flüssigen Geräusche. Im höheren Aller pflegen die Anfäll« all- mählich an Heftigkeit abzunehmen, ja zu verschwinden.
brauchen. Das Tier hat nur«inen Instinkt und keine Vernunft«i» der Mensch. Das Tier kann au» einer geänderten Situation keine Schlüsse ziehen, kann sich nicht anpassen wie der Mensch mtt seiner für göttlich gehaltenen Vernunft, dieser neuen biologischen Waffe de» zum Menschen gewordenen Tiere» im Kampf« ums Dasein. Er ver- mag mit ihr selbst aus den schwierigsten Verhältnissen, die seinen natürlichen Trieben und deren Befriedigung unüberwindlich schei- nende Hindernisse bereiten, noch Auswege zu schaffen und An- passungsmögllchkeiten zu finden. Er kann durch den Gebrauch der Vernunft feine Bedürfnisse aufs äußerst» einschränken. Er vermag den unnatürlichsten Daseinsbedingungen, den triedfeindllchsten Leben»- stellungcn noch neue Chancen abzulisten. Er triumphiert am Ende auf dem Gipfel der menschlichen Zivilisation über die vernunst-unter» jochte Natur. Aber der tote Kakadu stört mich in meiner Begeisterung für bi« Segnungen der Vernunft. Er löst alle Zweifel au», die kein eng- lisches Wasserklosett und keine Reklamemesse auslöschen können. Wie. wenn wir dennoch die Gefoppten wären? Wir rütteln an keinen Käsigen und lehnen uns nicht auf gegen die Beraubung unserer natur-gegebenen Rechte. W i r passen un» dank unserer herrlichen Vernunft allem an, auch an den engsten Käfig, an die ärmlichste Dachkammer, an das trockenste Stück Brot, an die längste Arbeitszeit. an die Greuel des Krieges, an Zuchthau» und an Schützengräben. an alle raffinierten Arten von Gillern und Käfigen, mtt denen die Systeme der Macht von Menschen über Menschen ausgestattet sind, un> uns in dem Genuß unserer Freiheit, in der Erfüllung unserer Lebenstriebe zu hemmen und zu hindern. Wir können uns allem anpassen und scheinen noch stolz darauf zu sein. Unser Anpassung»- vermögen Ist unser Unglück. Don Lassalle stammt die grausam« Formel des ehernen Lohngesetzes, das die Wirtschaft beherrscht: die Lohne richten sich nach der untersten Grenze der jeweiligen Leben»- Notwendigkeiten. Wären wir unbescheidener, wären wir unver» nünftiger, aber instinttsicherer gegen die Bedrohungen unserer Ge- sundheit und unseres Glücks, kämpften wir an gegen jene, die un, ewig zur Anpassung mahnen— w i r würden da» Schicksal zwingen, wir würden die Käfige unserer Sklaverei brechen und nicht sterben wie der arme Kakadu. Denn unsere Flügel sind nicht beschnitten, unsere Krallen scharf und unser Wissen von der Schwäch« der Gitter Nor. Nur unser tlerhaft gesunder Mut ist durch die menschlich« Der« nunft angekränkelt. Der Kakadu könnte einen Politiker lehren!