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Eine wirkliche Aufwertung. Die Ruhrtönige haben ihre 700 Millionen bekommen, während die Anleihegläubiger des Reichs das Nachsehen hatten. Jetzt zerbricht man sich im A u f w e r t u n g s a u s s ch u ß des Reichstages die Köpfe, wieviel man den alten Anleihebesitzern an Brosamen geben will. Die Regierung erklärt, neben der für die bedürftigen Rcichsgläubiger vorgesehenen Dorzugsrente nur 12ö Millionen jährlich für diesen Zweck zur Verfügung stellen zu können. Der Erhebung einer Sonderfteuer von den Jnflationsgewinnlern i'iderfetzen sich die Regierung und ihre Parteien mit ollen Finessen. So werden denn die ehrlichen Zeichner von Kriegsanleihe, die dem Staate ihr Vermögen anvertrauten und dabei verarmten, ihre große Enttäuschung erleben. Eine angenehme Ueberraschung dagegen wird den großen Börsenjobbern des In- und Auslandes, die mit ihren gerissenen Spekulationen die Wäh- rung vernichteten und den Staat an den Rand de« Zusammen- Bruchs führten, bereitet. Diese Spekulanten, denen die Zeit, in der die Massen der Verzweiflung nah« waren, als eine Hochkonjunktur galt, werden eine Auswertung erleben, wiest« sie nie erträumt haben. In den Jahren 1922 und 1923, als die Mark tiefer und tiefer sank, wurde die Reichsanleih« zum Gegenstand des unbeschränkten Äärsenspiels. Man kaufte 1000 Mark für I Mark, für 50 P f.. f ü r S P f., f ü r'Uo, f ü r Vu» und schließlich für °'l«« Pf. und für noch niedriger« Preise. Von den rund 70 Milliarden Reichsanleihe, die heute noch in den Händen des Publikum» sind, waren damals etwa 50 ZNilliarden im Umlauf. Nur ?0 Milliarden befinden sich noch in den Händen der u r s p r ü n g- lichen Besitzer. Nichts liegt näher, als die ganzen Bestände, die damals durch die Hände der Spekulanten liefen, von jeder 'Aufwertung auszuschließen und für ungültig zu erklären. Umso größer dann die Freiheit und Beweglichkeit des Reichs in der Sorge für den e h r l i ch e n A l t b c s i tz. Regierung und Regierungsparteien gehen einen anderen Weg. Sie lehnen das gestern im Auswertungsausschuh unter Hinweis auf obige Zahlen vom Gen. Keil gestellte Verlangen, die Spekulation auezuschließen, ab und sind entschlossen, demjenigen, der für 1000 Mark Anleihe�/»»« Gold pseünige ge- zahlt hat, genau je 50 Mark Zlblösui, gsanleihe auszuhändigen, wie dem, der 1000 G o li> ma r k g e- zahlt hat! Nur soll der Spekulant zunächst nicht an der Aus- lasung teilnehmen. Natürlich wird das Heer der Spekulanten sich essbald rühren und Einlösung ihre» Scheins verlangen. Auf Kasten der ehrlichen Gläubiger! Alle Beschwörungen unserer Genosien, diesen himmelschreienden Akt zu unterlassen, blieben ungehört. Die Regierung, die die Sparkasseneinlagen aus der Inflationszeit streichen, isdes Darlehen aus dieser Zeit mit lächerlichen Sägen auf- werten will, läßt den Börsenspekulanten, die sich auf Kosten der deutschen   Währung bereichert haben, ihre volle Fürsorge angedeihen. Sie allein werden eine wirklicheAufwertung" erfahren!._ Sachliche Aussprache über üie Seehanülung Im Barmat-Ausschuß de» Landtages fand gestern in einer längeren Sitzung eine sachllche Aussprache über die Seehandlung .statt. Diese gründliche Auseinandersetzung, an der nicht nur Mit- f, lieber des Ausschusses, sondern auch der frühere Staatsbank- Präsident von D o m b o i s, sein Nachfolger Schröder und die übrigen Herren der Seehandlung teilnahmen, gewann dadurch an Interesse, daß Reichsbankpräsident Dr. Schacht als sachverständiger Zeuge wiederholt zu Worte kam. Nach dem Tannenzaps-Dreck der letzten Sitzungen war diese grundsätzliche Aussprache geradezu wohl- uend. Schacht hob die Mängel. der Kreditpolitik der Staatsbank im vorigen Jahre hervor, wobei die Herren vom Staatsbankdirektorium liefe Mängel teils zugaben,. tells.bestritten, und im. übrigen die .Maßnahmen erörterten,, die. inzwischen zur Abhilfe getroffen wurden.
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Einzelberatung im Aollausschuß.
Der in der Vormittagsfitzung leise geahnte Kanflikt war sofort bei Beginn der nachmittäglichen Zusammenkunft da. Die Regie- mngsparteien versuchten wieder, die R e d e z e i t zu beschränken. Sie verlangten in einem Antrag«in« geschlossenere Zusammen- iossung der einzelnen Positionen und außerdem, daß für die Unter» gruppen jeder Fraktion nur eine Stunde Redezeil zur Verfügung stehen sollte. Der Genosse Breitscheid   wandte sich entschieden gegen diese Einengung. Er betonte, daß es bei dieser wichtigen Frage nicht von geringerer Bedeutuna sei, al» zum Beispiel bei den«teuer- vorlagen und bei der Auswertung, daß eine gründliche Aussprache ermöglicht werde. Schließlich wurde auf sozialdemokratischen Antrag mit Unterstützung der Kommunisten, der Demokraten und des Zentrums die Abstimmung über den Guillotine- Antrag vertagt. Eine große Debatte entspann sich dann über die Position Glas. Dabei wie» der Genosse vuchwih. auf ein vorzügliches Material gestützt, nach, daß die Rückständigkeit der deutschen  Glasindustrie nicht durch einen höheren Zollschutz beseitigt werden kann. Schneider lD. Bp.) verlangte dagegen einen aus- reichenden Zollschiitz für die oerarbeitenden Industrien. Di« Beweisführung des Genossen Buchwitz für die schlesische Glas- Industrie wurde durch den Genossen Dr. Rosenfeld durch eine Dar- legung der Berhältnisse in Thüringen   wirkungsvoll ergänzt. Zu derselben Frage äußerte sich noch der Genosse Frölich- Thüringen. Er wies auf die glänzende Entwicklung einiger Glas- iabriken hin und stellte dazu in Gegensatz die furchtbare Lage, in der sich die weiteröerarbeitendc Heimindustrie mit ihrer Arbeiterschaft befindet. Aber auch diese Argumente bleiben frucht- bleiben fruchtlos, die Mehrheit stimmte die sozialdemokratischen An- träge nieder. Dann begann der Ausschuh mit der Beratung der Gruppe Terttllnduslrie. und zwar mit der Unterabteilung Seide. Die Generaldebatte über die ganze Materie wird im Anschluß erfolgen. Genosse krätzig, einer der besten Kenner der wirtschaftlichen Bedingungen des Textilge- werbes, wies in seinen Ausführungen nach, daß in der out organi- fienen Seidenindustrie da» Bestreben vorherrsche, die Ware nach dem Auslande billiger zu verkaufen, als sie den inländischen Mark, bediene. Räch seinen Berechnungen wird sich die Zollerhöhung bei einem Konsumartikel wie seidene Dam e n st r ü m p s e so aus- wirken, daß ein Paar dieses Artikels um �0 Pf bis 1 M. ver­teuert wird Dabei besände sich die Seidenindustne absolut nicht e. die solche Mahnahmen, wie sie der Zollschutz dar­
in einer Notlage, stelle, bedinge. Di« Kunstseidenproduktisn sei in Deutschland   domi­nierend. Die günstige Entwicklung dieses Zweiges beweise die Handelsstotistik, die gegenüber den Zahlen von 1913 bei der Tinsuhr einen Rückgang von 52 Praz., bei der Aussuhr dagegen eine Steige- rung um 57,6 Proz. ergebe. Die glänzende Lage dieser Industrie werde aber auch dadurch bewiesen, daß die G l a n z st o f s w e r? c in ihrer letzten Rechnungslegung einen Fabrikatiansgewinn von 10 890 000 M. nochwiesen. Sehr treffende Worte fand die Genossin Schissqcv». eine ehe- malige Textilarbeiierin aus dem Aachener Bezirk. Die Zollsatze sur Seide, die zum Teil ggeenüber den Vorkriegszöllen verdreizehniacht werden sollen, sind wirtschaftlich unmöglich zu tragen. Im Borzahre beabsichtigte die Schweiz  , ihre Zollsätze zu verdoppeln. Damals behauptete die Industrie, daß damit jede Ausfuhr unmöglich gemacht würde. Wie soll die deutsche verarbeitende Industrie Zollsätze. zu tragen vermögen, wie sie die Regierungsvorlage Vorsicht? Nach weiteren Ausführungen des Genosien Krätzig wurde die Debatte geschlossen. Die Anträge der Sozialdemokraten wurden abgelehnt. Die Regierunysmehrbeit bewilligt« die vorgeschla- aenen Sätze. Fortsetzung der Beratung Dienstag vormittag 11 Uhr.
Der Sicherheitspakt im(dberhause.
Außenpolitische Debatte in London  .
London  , 6. Juli.  (WTB.) Im Oberhaus wurde heute die ange- kündigte Debatte über die auswärtigen Angelegenheiten von A s q u i t h eröffnet. Dieser stellte zu Beginn seiner Rede die Frage, welcher Fortschritt gemacht worden sei, oder erwogen werde, was die Räumung Kölns   und des Kölner   Gebietes durch die britischen   Truppen anbelange, ferner, welches das Ergebnis der alliierten Erwägungen der angeblichen Verzüge Deutschlands   in Er- süllung des Versailler Bertrages sei und welche Rechtfertigung für«ine weitere Verzögerung der Räumung der genannten Zone bestehe. Asquith   kam dann auf die S i ch e r h e i t s f r a g e zu sprechen und erklärte: Die bestehende Unsicherheit und der Mangel angemessener Vorkehrungen zum Zweck ihrer Beseitigung ist nicht nur gefährlich für Frankreich  , sondern für alle europäischen   Nationen. Alle bisherigen Versuche, eine Regelung zu finden, sind gescheitert: sie zu finden bleibt jedoch die erste Aufgabe der europäischen   Staats- kunft. Es ist von großer Wichtigkeit, daß Deutschland   Mitglied des Völkerbundes wirtz. Der neue Sicherhcitspaktentwnrf ist mit Befriedigung zu begrüßen. Ein solcher Pakt, der im übrigen unbedingt unzwei- deutig sein muß, würde die Autorität des Bölkerbundes nicht schwächen, sondern stärken. Ein Vorzug ist es, daß die I n i t i a- tive von Deutschland   ausgegangen ist, und daß sein Vor- schlag einen bedeutenden Fortschritt darstellt, wobei nur zu bedauern ist, daß die Bezugnahme auf die Revision von Ver» trägen unklar gehalten ist. Asquith  , der darauf die Frage der Re- vision der Friedensverträge an Hand der bestehenden Bestimmungen näher erläuterte und daraus die Frage stellte, ob der Schiedsgerichts- vertrag, der unter dem Pakt geschlossen werden solle, sich auf Fragen erstrecken solle, die sich im Zusammenhange mit dem Versailler Der- trage ergaben könnten, gab zum Schluß seiner Hoffnung Ausdruck, daß der geplante Sicherheitspakt die erste Etappe eines entscheiden- den Beitrages zur dauernden Befriedung der Welt werde. Lord H a l s d a n, der nach Asquith   sprach, erklärte, daß er den Geist de« vorgeschlagenen Paktee dillige, ersuchte jedoch um Jnforma- tionen bezüglich der Einzelheiten. Lord Grey führte aus: Die Bedeutung des deutschen   Dar- schlages zur Regelung der Sichcrheitsfrage kann nichthochgenug angeschlagen werden. Der deutsche Vorschlag weist einen neuen Weg für die Zukunft Europas  . Seit Beendigung des Weltkrieges hat die Autorität der europäi- schen Zivilisation, wie die» die Ereignisse in Aegypten  , Marokko  , China   und anderswo zeigen, beispiellos vermindert, und die Frage des Augenblicks ist, wie sie wieder hergestellt werden kann. Europa  kann aber sein früheres Prestige nur wieder herstellen, wenn et bezüglich de» künstigen Friedens ein Beispiel gibt. Die deutschen  Lorschläge für einen Sicherheitspatt eröffnen nun einen neuen Weg und einen besseren als den der alten Sonderbündnisse. Wenn sie Erfolg haben, so werden sie dem früheren Zustand, wonach Deutsch- land und Frankreich   jedes für sich versuchten, Sicherheit auf Kosten des anderen zu erreichen, ein Ende machen und beiden Ländern eine Sicherheit bringen, an der sie ein gleiches Interesse und gleichen Anteil Haben. Die' Verpflichtungen, die Großbritannien   übernehmen mußte, wären die Hochhaltzmg des Prinzips der-Schiedsgerichts- Sprkcit und de� Grundsatzes: daß Großbriiaimicn zu der angegrisfenen Motion steht..- Großbritannien  . darf sich nicht abseits halten, eine Politik, der Isolation ist- unmöglich..Selbstverständlich müssen die Dominions in jedem Punkte zu Rate gezogen werden, und es darf kein Druck auf sie angewandt werden, Verpflichtungen zu über. nehmen, die sie nicht eingehen wollen. Andererseits muh die Re- gierung alles und, um den Dominions die Bedeutung des gegen­wärtigen Standes der europäischen   Angelegenheiten und der Jmer- essiertheit Englands an diesen klarzumachen, und die Dominions
wissen hoffentlich, daß es für die britische   Regierung wesentlich sei. sich an den europäischen   Angelegenheiten zu interessieren, wenn sie auch vielleicht selbst keine endgültigen Verpflichtungen übernehmen wollen. Grey gab zum Schlüsse seiner Hofsnung Ausdruck, daß die Verhandlungen zur Herbeiführung eines Sicherheitspaktes Erfolg haben werden. Lord B a l f o u r, der darauf das Wort nahm, erklärte zunächst, da die Ausführungen seiner Vorredner eine Verteidigung der Politik der Regierung darstellten, bleibe ihm sehr wenig zu sagen übrig und erinnerte dann in Beantwortung der Frage Asquiths bezüglich der Räumung deutschen   Gebietes an die Umstände, unter denen die im Januar fällige Räumung oec- schoben wurde, sowie an die Ereignisse, die zu der französisch- britischen Abrüstungsnote führten. Er sagte, bisher sei von der deutschen   Regierung keine Antwort eingegangen, und dies sei der augenblickliche Stand der Lage. Balsour fuhr dann fort, er teile nicht ganz die Besorgnisse Greys, daß die Schwierigkeiten Englands aus die Abnahme des Prestiges der europäischen   Zivlli- sation zurückzuführen seien. Er stimme aber der Ansicht voll- kommen zu, daß der Weltkrieg die allgemeine Umwälzung hervor- gerufen habe, an der man jetzt kside. Lord Balsour erklärte weiter: Wir wünschen nichts, was die Frage Deutschlands   ungünstig beeinflussen könnte, nichts, wogegen der deutsche Nationalstolz oder die deutsche Politik sich wenden müßte, und ich hoffe daher zuversichtlich, daß die Vorschläge, welche wir, nachdem Deutschland   die Initiative ergriffen hat, gemocht hoben. schließlich von der deutschen   Politik angenommen werden. Wenn dem so ist, wenn wir das Glück haben werden, daß auf dieser breiten Basis ein allgemeines lleberei»kommen getroffen wird, so kann nicht der geringste Zweifel aufkommen, daß einer der wesentlichsten Beiträge zur Zivilisation und zum Frieden geschasfen werden wird. Wenn infolge unzeitgemäßen Zögern?, oder Zweifeln oder aus irgendeinem anderen Grunde irgendeine der in Frage kommenden Parteien, die an diesem Sicherhcitspatt teil- nehmen sollen, jetzt zurücktreten würde, so stimme ich mit Lord Grey darin überein, daß ein schlimmerer Schlag gegen das Glück, die Wohlfahrt der Menschen nicht gesührt werden könnt«, eine größere Erschütterung der ganzen Welt, die für die Genesung ron dem Unglück der Lergangenheit kämpft, nicht ausdenkbar ist. Ich kann nicht glauben, daß irgendwelche Staatsmänner diese gewaltige Berant- Wartung auf sich nehmen wollen. Es scheint, daß wir Land in SiiH haben, sicherlich wird das Schiff der Zivilisation nicht durch verbrecherische Torheit van jenen zum Scheitern gebracht werden, die für seine Führung in Wirklichkeit verantwortlich sind. Ich weiß, daß wenn ich diese Hoff- uung zum Ausdruck bringe, und es gibt mir große Befriedigung so zu denken, die britische   Regierung die wärmste Sympathie aller jener haben wird, die in diesem Hause gesprochen haben, und ich glaub«, daß sie nicht allein die Parteien, für die sie sprachen, sondern daß sie die besten politischen Gedanken unseres Landes vertreten und wünschen, daß die Bemühungen der Regierung, die für ein« Sache, die nicht die Angelegenheit einer einzelnen Partei noch eines einzel- neil'Landes, sondern der Zioilisaikön an sich ist, von dem größten Er- folge gekrönt werde. -In der Fortsetzung der Debatte erklärte Lordkonzier Cave in Beantwortung einer Frage Lord Redesdales, ab in dem Sicherheit»- pakt vorgesehen sei. wie die Bedingungen de» Paktes durchgeführt werden sollen:Ich bitte den Fragesteller, warten zu wollen, bis das Dokument dem Parlament vorgelegt wird. Wie das Hohe Hau» weih, ist der Vertrag noch nicht formuliert, aber er ist bereits oder wird in wenigen Togen Gegenstand von Derhandlungen sein."
Der Kampf in Marokko  . Prestige- oder UerständigungSpolittk. Paris  , 6, Juli.  (Eigener Drahtbericht.) Die kritische Zu- s p i tz u n g der militärischen Lag« in Marokko   stellt die französische  Regierung vor folgenschwer« Entscheidungen. Nachdem man wachen- lang der öffentlichen Meinung die Wahrheit vorenthalten und Sieg über Sieg gemeldet hat, wo in Wirklichkeit Abd el Krim   eine von Woche zu Woche sichtbarer in Erscheinung tretende militärische Ueberiegenheit-zu erringen vermocht hat, wird am Montag zum ersten Male amtlich zugegeben, daß die Entwicklung auf dem marokkanischen Kriegsschauplatz eine verhängnisvoll« Wendung ge- nommcn hat, die vorgeschobenen französischenLinien aus einem großen Teil der'Front durchbrochen sind und der Massenabfoll der bisher treugebliebenen Stämme nicht nur die einzige Bahnlinie, die das nördliche Marokko   mit Algier   verbindet, ernstlich"bedroht bzw. den Besitz der beiden wichtigen Städte Fes und Tozo stark gefährdet. Ein außerordentlicher französischer Mini st errat trat daher am Montag abend zusammen, um über die Lage in Marokko   zu beraten. Wie die« Dinge liegen, gibt es für Frankreich  nur zwei Ausweg« aus der Krise: entweder einen roschen Friedensschluß mit Abd el Krim oder die Fortsetzung der militärischen Operationen im wesentlich breiteren Um- fange als bisher.' d. h. die Entsendung neuer beträchtlicher Ver- stärkungen an Materiol und Menschen zur Einleitung einer großen Offensive gegen Abd el Krim  . Indessen wird von den militärischen Sachverständigen selbst zugegeben, daß Frankreich   dadurch in einen Kolonialkrieg von langer Dauer verwickelt werden kann. Die wiederholten Erklärungen, die Painlevö und Briand   In beiden Kammern des französischen   Parlaments abgegeben haben, lassen keinen Zweifel darüber, daß die zuständigen Regierungsstellen bis- her der Auffassung gewesen sind, daß ein.Friedensschluß mit Abd el Krim erst dann möglich sei, wenn durch einen entscheidenden Sieg das m i l i t ä r i s ch e P r e st i g e Frankreichs und damit seine Autorität in den nordosrikanischen Kolonien wiederhergestellt ist. Die Entwicklung der letzten Wochen dürste ober auch die französische  Regierung davon überzeugt haben, daß die von den Nationalisten mit Unterstützung der gesamten Rechtspresse verlangte Offensive zu einem für Frankreich   sehr ko st spieligen Abenteuer werden kann, das allzu leicht zahlreich« Menschenleben. Material und Geld verschlingen wird. Die Regierung scheint sich insolgedesien für den Versuch entschlossen zu haben, auf dem von den französischen  Linksparteien geforderten Verhandlungswege zu einem F r i e d e n s s ch l u ß mit Abd kl Krim   zu gelangen. lieber die B e d i n g u n g e n, die F r a n k r e i ch und Z p a n i e n gemeinsam vorzuschlagen, beqbsichtigen. werden am Montag Mit. icilungen verbreitet, wonach die beiden Mächte, bereit seien, die Autorität des, Riss anzuerkennen und dessen wirt- schaftliche E n t w i ckl u n g s s rei h e i t sicherzustellen. Darüber hinaus soll Frankreich   bereit sein, die strittige Zone nördlich des
Ouergha. deren Besetzung durch die französischen   Truppen im Früh- jähr 1924 den Angrijs Abd el Krim  » ausgelöst hat, den Stämmen de» Riss zu überlassen, als Bedingung dafür aber die An- erkennung der Souveränität des Sultans durch Abd el Krim oerlangen. In dieser Forderung dürfte da» Haupt- Hindernis für«inen Friedensschluß zu suchen sein. Die Souveränität de» Sultans von Marokko ist ein reines Luftgebild«. Die Anerkennung seiner Souveränität würde in Wirklichkeit die Anerkennung der s r a n z ö s i s ch- s p a n i s ch e n Ober- Hoheit über da« Ris bedeuten. Sie wird von Abd el Krim  , der seit drei Iahren gegen Spanien   und Frankreich   nicht für die Auto- nomie, sondern für die Unabhängigkeit ds Riss kämpft, aufs ent- schlcdenste abgelehnt, und es ist kaum anzunehmen, daß ihn seine militärischen Erfolge über zwei europäische Großmächte geneigter zu zu einem Berzicht gemacht haben. Wenn also Frankreich   wirklich den Frieden will, so wird es seinen Widerstand gegen die Un- abhängigkeit des Riss, dessen Stämme seit 2000 Jahren niemals ein« Fremdherrschaft geduldet haben, aufgeben müssen.
Die völkerbunüsvereine in Warschau  . lvarschau, 6. Juli. Die neunte Tagung deS Weliberbande« begann am Sonnabend mit Kommissionssitzungen. Im Vorder- gründe standen die Entwürfe eines allgemeinen Minder- heitenschntzvertrages. Bei dem offiziellen Empfang der Delegierten sprach der polnische Arbeitsminister S o k a I von dem polnisch-jlldischen Ausgleich, obne jedoch auf Einzel- Heiken einzugehen. NaS Pressemeldungen soll eS sich vor allem um daS Zugeständnis der Handelserloubnis an Sonntagen handeln.
Gelsenkirchen   wirü geräumt. GelsenNrchen. 6. Juli.  (Eigener Drahtbericbt.) Die Besatzung der Gelsenkirchen  -Bochumer   Zone hat den Befehl erhalten, sich marschbereit zu halten. Im Laufe dieser Wocke wird zunätbst die Artillerie abrücken. Tie technischen Truppen werden als letzte die zu räumende Zone vcrlasien. In Verbindung mit der Räumung baben in den letzten Tagen zahlreiche Osfizierc und Mannschaften Urlaub erhalten. Die Devölkerung hat die Mitteilung von der Räumung in würdiger ernster Haltung empfangen. Die Ober- bürgermeister der zu räumenden Städte haben die Bevölkerung dringend gebeten, bei dem Abzug der vesatzungstrupppn Ruhe zu bewahren und alle Handlungen zu unterlassen, die geeignet sind. Reibungen mit der Besatzung hervorzurufen.
Oesterreichs   Gesondlenwechfel. Der Oesterreichisch- Deutsche Voltsbund vecairstoltete gestern eine herzliche Äbschiedskundgebung für den Gesandten Riedl, der sich eine Begrüßung des neuen Gesandten Dr. Felix Frank anschloß.