Abendausgabe
Nr. 388 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 191
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Dienstag
18. August 1925
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Paris , 18. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Ein offizieller bericht vom marrofanischen Kriegsschauplatz fündigt die Einleitung einer größeren militärischen Operation in der Gegend nördlich von Taza an, die die Unterwerfung des vor einigen Wochen zu Abd el Krim übergegangenen Stammes der Tschul zum Ziele habe. Die Aktion, an der ein Armeekorps und eine gmischte Brigade teilnehmen und die durch eine heftige Beschießung der Dörfer und Siedlungen eingeleitet wurde, entwidle fich bisher " normal".
Paris , 18. Auguft.( TU.) Der„ Temps- Korrespondent meldet aus Fes, daß die Umgruppierung der französischen Truppen in den nächsten Tagen zu Ende geführt sein wird. Die Franzosen werden auf einer Front von 150 kilometer angreifen. Die angreifenden Truppen bestehen aus sieben Divifionen mit insgesamt 84 Bataillonen. Die Infanteriedivifionen an der marroka
nischen Front zählen 12 Bataillone, während sie in Frankreich nur neun befragen. Das Ziel des französischen Oberkommandos iff, fo weit in das Innere des Rifgebietes vorzubringen, daß die Waffen
arsenale Abd el Krims erbeutet werden.
Die Sozialisten fordern die Einberufung des Parlaments. Paris , 18. Auguft.( TU.) Der Abgeordnete Pressemane, der geffern auf dem sozialistischen Kongreß die außerordentliche Einberufung der kammer vorgeschlagen hatte, um die Borgänge in Marokko und die Bankbeamtenbewegung zu erörtern, feilte heute nachmittag mit, daß 40 Abgeordnete eine Pefifion in diesem Sinne unterzeichnet hätten.
W
beutung der Konzessionen in die Hand nehmen wird. Man glaubt, daß die Angelegenheit politische Hintergründe habe und spricht die Bermutung aus, daß England in Marotto wieder eine Rolle spielen wolle.
Rein Abkommen mit den Drufen. Paris , 18. Auguft.( WTB.) Havas meldet aus Beirut : Entgegen einem Gerücht ist kein Abkommen mit den Drufen getroffen worden. Die eingeleiteten Verhandlungen haben fich auf die Frage der Gefangenen beschränkt, deren Herausgabe bereits gemeldet worden ist.
Die Türkei gegen England. Einspruch gegen das englische Mandat im Moffulgebiet. Das Kabinett von Angora hat beschloffen, in Genf Einspruch zu erKonftantinopel, 18. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) heben gegen die Berlängerung des englischen Mandates über Jrat, und die Rüdkehr des Gebietes von Mofful zur Türkei zu verlangen.
Spiel mit dem Feuer.
Der chinesische Befreiungskampf.
Arbeiterschaft und Auslandskapital in China .
Die große Streit- und Aufruhrbewegung in den Hafenund Industrieſtädten Chinas gegen das ausländische Groß* tapital und seine Vertreter entrollt vor allem auch ein sehr lehrreiches Bild der chinesischen Arbeiterschaft von heute. Klar und deutlich zeigt diese Bewegung den Fortschritt der auch in China einsehenden Arbeiterbewegung. Es wäre ganz falsch anzunehmen, daß etwa nur wenige Führer im Sinne der die europäischen Arbeiterbewegung erwachen. Seitdem Industrialisierung auch in China eingedrungen ist, werden die chinesischen Fabritarbeiter ganz nach abendländischem Muster in Gewerkschaften organisiert und zu modernen, klassenbewußten Gewerkschaftsmitgliedern erzogen. Gewiß, die Bauern und Landarbeiter leben noch den Trott der alten Zeit. Aber neben der Bewegung der Arbeiterschaft läuft die radikale Strömung der Studenten, ganz ähnlich, wie es einst im zaristischen Rußland der Fall war. Diese Studenten sind mehr oder weniger sozialistisch, mindestens aber start demokratisch Färbung, da in ihrem Reiche Kapitalismus und Imperialiseingestellt. Gleichzeitig hat ihre Bewegung eine start nationale förpert werden. mus einstweilen in der Hauptsache durch die Fremden ver
nahme der chinesischen Arbeiterschaft gegen die ausländischen Ein besonders einprägsames Bild von der StellungKapitalisten bietet die Haltung der chinesischen Seemanns Union , wie sie in verschiedenen Aufrufen an die chinesische Arbeiterschaft und an die Arbeiter der ganzen Welt Russische und polnische Manöver. niedergelegt ist. In ihrer ersten Proflamation unter der UeberWien, 18. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Wie aus Bukarestchrift: Das wildeste und grausamste Gemezel in der Gegemeldet wird, begannen an der rumänisch- polnisch- cuffifchen Grenze das Wüten des fremden Kapitalismus: Nach der Anweisung schichte der Menschheit" schildert die Seemanns- Union zunächst Mannesmann verkauft Marokkokonzessionen. die großen russischen Manöver, zu denen nicht weniger der ausländischen Kapitalisten feuerte die Schanghaier britische Paris , 18. Auguft.( TU.) Die französische Morgenpresse gibt in als 500 000 Mann zusammengezogen find. Dieses große militärische Polizei auf unbewaffnete chinesische Studenten, Arbeiter und großer Aufmachung Berliner Meldungen wieder, wonach die Aufgebot ist als Demonftration gegen die polnischen Zuschauer, die am 30 mai in den Straßen von Schanghai Mannesmann Gesellschaft ihre Konzeffionen im Manöver an der russischen Grenze gedacht. Es unterliegt aber bei Zuschauer, die am 30 Mai in den Straßen von Schanghai Rifgebiete an ein anglo- amerikanisches Ronsorden gespannten russisch - rumänischen Beziehungen auch feinem Ergebnis waren 41 Tote und mehr als 120 Verlegte. Auf demonstrierten. Das Schießen dauerte mehrere Tage an. Das tium zu übertragen beabsichtigt. Die Amerikaner follen Zweifel, daß der ruffische Truppenaufmarsch auch als Demon- feiten der Polizei war fein Berlegter. Ein ähnlicher Fall er Das Geschäft finanzieren, während die englische Gruppe die Aus- ftration gegen Rumänien dienen soll. eignete sich am 11. Juni in Hantau, wo 15 Personen ihren Bermundungen erlagen und mehr als 60 verlegt wurden. Der Streit, der darauf in größerem Umfange einsetzte, brachte die Kapitalisten nicht zur Vernunft. In der Provinz Kanton wurde am 23. Juni von britischen und anderen ausländischen Soldaten unter Verwendung von Kanonenbooten mit Ma rung gefeuert. Mehr als 80 Chinesen starben auf der Stelle, unter ihnen waren 14 Studentinnen und 6 Kinder. Verletzt Aufruf fort: wurden mehr als 400. Nach dieser Schilderung fährt der
und Bölkerbund.
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Sozialismus
Paris , 18. August.( Eigener Drahtbericht.) Die Resolutions tommission des sozialistischen Parteitages, die am Montag zu der Erkenntnis von der linmöglichkeit gekommen ist, dem Plenum des Barteitages über die politische und parlamentarische Taktik der Bartei einen die Meinungsverschiedenheiten zwischen Mehrheit und Dcinderheit überbrüdenden einheitlichen Tegt zu unterbreiten, hat die Beratung über die Fassung der Anträge auf Dienstag vertagt. Sie hat auf Antrag Renaudel dagegen eine gemeinsame Reso. Iution beschlossen, die zu den Ereignissen in Marotto Stellung nimmt und deren Tegt ebenfalls am Dienstag vormittag festgestellt werden soll. Weiterhin werden dem Plenum unterbreitet werden: Ein Antrag, die Kolonialpolitik auf die Tagesordnung der nächsten nationalen und übernächsten Parteitage zu setzen; ein Antrag, der die Einberufung des Parlaments fordert, um sich mit der Politik in Marokko und dem Streit der Banfangestellten zu beschäf tigen; endlich ein Antrag, der die Frattion beauftragt, sofort nach Wiederzufammentritt der Rammer einen Gefeßentwurf auf Einführung des vollständigen Verhältniswahlrechts einzubringen.
Aus der Debatte vom Montag abend ist noch nachzutragen, baß Longuet eine heftige Kritik an der Zusammensetzung des Bölferbundes übte, der in seiner Mehrheit aus Bertretern konservativer und reaktionärer Regierungen bestehe. In seiner heutigen Gestalt sei der Völkerbund eine Liga der siegreichen Bölter gegen die Besiegten. Er habe insbesondere bei dem Zwischenfall von Korfu fläglich versagt und bedürfe der dauernden Ueber. wachung durch den Sozialismus. Auch 3yromski vertrat die Auffassung, daß weder der Völkerbund in seiner jetzigen Gestalt, noch das Völkerrecht zur Lösung der großen internationalen Fragen ausreichten. Deshalb müsse der Sozialismus eine neue Technik und eine neue Form an deren Stelle fezen, die allmählich dazu führen müßten, die nationalen Befugnisse durch internationale Bestimmungen einzuschränken.
Polnischer Ministerkonflikt.
Sikorski gegen Pilsudski . Warschau , 18. Auguft.( Tul.) Der Konflikt zwischen Marschall Pilsudski und Kriegsminister Sitorsti wird immer ernster. Kriegsminister Sikorski hat die Regierung aufgefordert, sämtliche Offiziere, die als Anhänger Pilsudsfis bekannt sind und die an seiner letzten Protesttundgebung teilnahmen, unverzüglich aus der Armee zu entfernen. Wenn er mit seinen Forderungen nicht durchdringt, joll Siforffi zurüdzutreten beabsichtigen.
Ruffisches Ränkespiel.
Die Kommunisten biedern sich bei den Faschisten an. Rom , 18. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Der russische Botschafter in om, Kerstenzeff, erklärte einem Vertreter der faschistischen Epoca", die Bedeutung des von London vorgeschlagenen Garantiepattes und des auf Deutschland ausgeübten Druces, in den Völkerbund einzutreten, liege darin, ein russisch - deutsches Einvernehmen zu verhindern, sowie Deutschland in ein Arsenal gegen Rußland umzuwandeln.( Dieser Unsinn ist fängst widerlegt morden. Red.) Rußland fönne fol
einer Bolitif nicht wohlwollend zuschauen, auch fönnie Rußland ebenso wenig wie Italien einer von Endland beherrschten Liga von Bölkern günstig gefinnt sein.(!) Die Wiederaufnahme des politischen Feldzugs Englands gegen Rußland sei durch die Eifer- schinengewehren und Geschüßen in die einheimische Bevölke fucht auf die Fortschritte der russischen Wirtschaft verursacht. Kerstenzeffs Erklärungen im Berein mit seinen ständigen Beteue rungen des herzlichen Einvernehmens zwischen Ruß land und Italien haben in Rom großen Eindrad gemacht.
Die Lage der Aga.
Die Löhne sichergestellt.
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Gläubigerversammlung
am Donnerstag.
Wie die Telegraphen- Union von unterrichteter Seite erfährt, merden die noch rückständigen Löhne bei den Aga- Werten iezt aufgebracht. Die am Freitag fällig werdenden Löhne find schon fo gut wie sichergestellt. Es werden dem Betriebsrat einige sehr gute Wechsel zur Distontierung über geben, um damit ebenfalls für die Löhne eine Grundlage zu fchaffen. Bon Amerita liegen Angebote vor, die zeigen, daß das Interesse für das Wert sehr groß sein muß. Außerdem hat sich bereits eine große Anzahl ausländischer Geldgeber gemeldet, die das Wert unterstügen oder sich beteiligen wollen. Für Donnerstag nachmittag werden die Hauptgläubiger zu einer Sigung zusammentreten, und es wird mit Bestimmtheit erwartet, daß alle Schwierigkeiten behoben werden.
Waffen bei Demonstrationen. Sind Stöcke Waffen?
Die letzten Erlaffe des Polizeipräsidenten, die gegen bewaffnete Demonstranten" gerichtet. sind, haben die Frage auftauchen laffen, was denn mun eigentlich Waffen" im Sinne der Polizei find. Zwei fellos fönnen Stöde, Latten, Pfähle und Pflastersteine, so harmlos sie sich in den Händen des Einzelmenschen ausnehmen mögen, bei einer erregten Menschenmenge einen ganz anderen Charakter erhalten. Auf eine Anfrage erläutert das Polizeipräsidium den Be griff„ bewaffnete Demonstration" folgendermaßen:
Zur Behebung von Zweifeln über die Rechtsmäßigkeit des Borgehens der Polizei in derartigen Fällen wird darauf ver. wiesen, daß die Reichsverfassung und das Reichsvereinsgesetz Ber sammlungen und Umzüge nur gestatten, wenn die Teilnehmer unbewaffnet find.
Da erfahrungsgemäß von den mit Stöden und ähnlichen Gegenständen ausgerüsteten Teilnehmern an Bersamm lungen und Umzügen Schlägereien mit anders Den. fenden herbeigeführt werden, bei denen die Stöcke usw. zu störe perverlegungen benugt werden, ist die Polizei berechtigt und ver pflichtet, derartige Versammlungen und Il mzüge zu ver. hindern, gegen die Teilnehmer Strafanzeige zu erstatten, jo wie die Stöcke zu beschlagnahmen. Auch fann gegen diese Per fonen Schuhhaft verhängt werden."
Im Interesse einer Entgiftung der durch die Hafenkreuzler- und Kommunistenerzesse unerträglich überspannten innerpolitischen Aimosphäre wäre es zu begrüßen, wenn die Ablegung jeglicher Waffen, auch der Stöde, von allen Seiten freiwillig in die Tat umgesetzt würde. Solange aber die Jünger vom Hakenkreuz allfonn täglich bis an die Zähne bewaffnet, mit Brotbeutel und Seitengewehr behangen, die Straßen unsicher machen, wird ein solcher Wunsch wohl nur ein sehr frommer bleiben.
Wir sind weder dem japanischen oder dem britischen noch irgendeinem europäischen Volf als Nation feindlich gesinnt. Wir sind aber entschieden gegen die Imperialisten, welche eine hochnäfige und graufame Unterdrückung unserer Raffe ausüben. Diese sind Geißeln der Menschheit. Wir sind bereit zu den letzten Opfern für die Befreiung der Menschheit von diesen Feinden der arbeitenden Klasse.
Diese Proflamation wurde im Namen des Verbandes der chinesischen Seeleute und der 500 000 anderen streifenden Arbeiter veröffentlicht. Der zweite Aufruf erging durch die Presse aller Länder der Welt an die Seemannsvereinigungen und Arbeiterorganisationen aller Staaten. Hier heißt es:
Nach dreimaligem Blutvergießen an unbewaffneten chinesischen Studenten, Arbeitern und demonstrierenden Mädchen und Knaben und viermaligen Ueberfällen auf Hochschulen, nach mehreren Dutzenden von Verhaftungen und Rörperlegungen mit schweren physischen Schäden für die chinesischen Einwohner, ist nunmehr die Zweigstelle der chinesischen Seemanns - Union in Schanghai in die Liste der Opfer der ausländischen Imperialisten eingerüdt. Diese Zweigstelle wurde am Bormittig des 3. Juni ohne Angabe des Grundes und vorherige Mitteilung von völlig bewaffneten Polizisten und Detektiven überfallen. Angestellte und Mitglieder der Union hatten nicht einmal 3eit, persönliche Sachen mitzunehmen. Das Bureau wurde sofort geschlossen und versiegelt. Was für ein Recht hat der ausländische Stadtrat zu seinem Vorgehen? Die chinesischen Geeleute tun ihren guten Dienst für alle Länder der Welt, d. H. für die Menschheit."
In einem dritten Aufruf, der am 8. Juni in Schanghai ebenfalls im Namen des Verbandes der chinesischen Seeleute veröffentlicht wurde, heißt es schließlich:
„ Wir haben Ungerechtigkeit, Grausamkeit und Blutvergießen ber Schanghaier britischen Polizei beobachtet, die mit Gewehren und Revolvern öffentlich harmlose chinesische Studenten sowie Arbeiter gemordet hat, als Studenten und Arbeiter, ohne eine einzige Waffe bei sich zu haben, demonstrierten. Wir stellen fest, daß die perfönliche Freiheit der Chinesen mit Füßen getreten wird, daß unser Leben in Gefahr ist in einer Zeit, wo Rechtlofigkeit, Ungerechtigkeit und Blutdurst herrschen. Unter diesen Umständen sind wir gezwungen, einen allgemeinen Streit durchzuführen, bis Engländer und Japaner aur Ueberzeugung fommen, daß fie uns unrecht getan haben und sich dem Rechte sowie den Forderungen der Generalunion für Arbeit, Handel und Erziehung Chinas beugen werden.
Zur gleichen Zeit sandten die chinesischen Seeleute an Ramsey Macdonald , den früheren englischen Premierminifter, ein Telegramm, in dem es heißt:
„ Ausländische Stadtpolizet feuerte auf unbewaffnete Studenten, die in Schanghai Reden hielten und gegen die Verhaftung ihrer Kameraden protestierten. Sie hatten an diesem Tage an einer Gedenkfeier für Arbeiter einer japanischen Fabrit teilgenommen, die bei einem Streit von Japanern getötet worden waren. Sieben