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Abendausgabe

Nr. 452 42. Jahrgang

10 Pfennig

Donnerstag

= Vorwärts=

Ausgabe B Nr. 223

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife

find in der Morgenausgabe angegeben

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3

Fernfprecher: Dönhoff 292-297

Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  

Berliner Volksblatt

24. September 1925

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwäris- Berlag GmbH. Berlin   SW. 68. Lindenstraße 3 Jerusprecher: Dönhof 292-29%

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Durcheinander der letzten Stunde.

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Luther und Stresemann uneinig? Hindenburg   soll entscheiden.- Pakt­konferenz und Kriegsschuld.

Der Berliner Lokal- Anzeiger" tritt heute morgen in| Kriegsschuld find schon zahlreiche Regierungserklärungen er­schärfster Form der Annahme entgegen, daß die Regierung laffen worden; die ersten, wirksamsten waren von Sozial­einig sei und daß insbesondere der Reichskanzler Dr. Luther demokraten abgegeben. Sinn und Zweck der Paktkonferenz mit dem Reichsaußenminister Dr. Stresemann übereinstimme. ist, die Vergangenheit begraben sein zu lassen und für die 3war sei man einig in dem Entschluß, zur Konferenz zu Zukunft zu forgen. Ein Versuch, auf der Pattfonferenz oder gehen, über die Fragen aber, mer gehen solle und wie die vor der Konferenz die Schuldfrage neu aufzurollen, kann daher , unverzichtbaren deutschen   Bedingungen" nur als eine Sinnwidrigkeit, wenn nicht als ein Sabotage­geltend zu machen seien, herrschten Meinungsverschiedenheiten. versuch empfunden werden. Wörtlich schreibt er weiter:

Man wird demnach dem heutigen Kabinettsrat nicht nur die formelle Bedeutung beizumessen haben, daß er nur bereits im wesentlichen feststehende Beschlüsse der Reichsregierung sanktionierte, fondern erst in ihm dürfte in der Tat die eigentliche Entscheidung fellen. Die gestrige Kabinettssigung, die etwa von 6 bis 9 Uhr gedauert hat, scheint sie jedenfalls nicht gebracht zu haben. Die Stellungnahme des Reichspräsidenten dürfte somit besonders bedeutungsvoll werden.

Herr v. Hindenburg   soll also in den politischen Strei­tigkeiten der Minister zum Schiedsrichter gemacht werden! Der Lokal- Anzeiger" beschäftigt sich dann mit der Nach richt, daß Luther   mit Stresemann zur Konferenz gehen solle, er bezeichnet fie als ein von Ententeseite stammendes halt loses Gerücht" und fügt hinzu:

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Wenn man weiter aus diesem haltlosen Gerücht nun gar her ausdeſtilliert, daß sich mit dem Entschluß, Dr. Stresemann zu be­gleiten, ein Entschluß, dem doch mancherlei Erwägungen zugrunde liegen könnten- der Reich stanzler mit Dr. Strese= manns Paftpolitit ausdrücklich identifiziert habe, so ist das eine Kombination, deren Kühnheit durch die partei politischen Abfichten ja ohne meiteres verständlich wird.

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Man soll alfo ja nicht glauben, daß der Reichstanzler und Man soll also ja nicht glauben, daß der Reichskanzler und der Außenminister der Rechtsregierung in einer entscheidenden Frage einer Meinung sein tönnten. Das ist eine Kombi­nation, die nur von Gegnern der Rechtsregierung aus parteipolitischen Absichten erfunden sein fann. Man steht wieder einmal verkehrt. Die Opposition behauptet die Einig feit der Regierung die Regierungspresse bestreitet sie! Nun ist ohne weiteres zuzugeben, daß der Berliner Lokal- Anzeiger" über die Vorgänge in der Regierung beffer unterrichtet sein fann als die Oppositionspresje. Dann ist allerdings zu sagen, daß der Lokal- Anzeiger" ungeheuer fiche Zustände innerhalb der Rechtsregie rung offenbart. Er gibt nicht nur zu, er schreit es geradezu Heraus, daß im Schoß dieser Regierung uneinigkeit und Ratlosigkeit herrschen, und das in einem Augenblick, der höchste Zielflarheit und Geschlossenheit erfordert.

Die Rechtsregierung wird durch diese Art des Lokal­zeigers", die Dinge darzustellen, zum Gespött des Inlands und des Auslands gemacht. Geht es so weiter, so werden die Ron erenzteilnehmer der anderen Seite Mühe haben, beim Erscheinen der deutschen   Delegierten das Lachen zu verbeißen, fo fehr werden fie sich dieser konfusen Gesellschaft gegenüber als die Ueberlegenen fühlen.

Das wird um so sicherer der Fall sein, menn die Regierung wirklich der deutschnationalen Schrulle nachgibt, die Baft fonferenz irgendwie mit einer Diskussion über die Schuld am Kriegsausbruch von 1914 zu verbinden eine Berbindung, deren Sinn fein politisch denkender Mensch be­greift. Gegen die einseitige Belastung Deutschlands   mit der

Sueida entsetzt.

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Kolonne Gamelin   eingerückt. Baris, 24. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Aus Beirut  wird gemeldet, daß die französischen   Truppen unter dem Befehl des Generals Gamelin in Sueida eingerüdt find. Die Gegenangriffe der Drufen feien abgewiesen worden.

Neue spanische Rif- Offensive. Paris  , 24. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Die spanische Offensive in Marokko   hat erneut begonnen. Wie sich das" Journal" aus Madrid   melden läßt, sollen die bei Cebadilla gelandeten spanischen   Truppen 15 000 Mann starf zum Angriff übergegangen fein. Diese Operationen feien von der Flotte unterstüßt worden. Nach 4stündigen erbitterten Rämpfen, an denen auch Flugzeuge teilgenommen hätten, sei es den Spaniern gelungen, sich des Berges Malmusi und Morro Viego zu bemächtigen.

Die Regierung vertritt nach außen nicht eine Parteifoali­tion, sondern Deutschland  . Die Deutschnationalen wollen sich vor ihren Wählern nicht allzusehr blamieren, darum soll sich Deutschland   einer Blamage aussehen. Die Regierung trägt die Verantwortung dafür, daß Deutschland   nicht durch die Rücksichinahme auf deutschnationale Parteibedürfnisse einer außenpolitischen Niederlage entgegengeführt wird.

Der Kabinettsrat.

Berlin  , 24. September. Amflich. Das Reichsminifterium frat heute vormittag unter Borsig des Herrn Reichspräsidenten   zu einem Kabinetisrat zusammen. Zur Beschlußfassung ftand die deutsche   Antwort auf die Einladung der alliierten Regierungen zu einer Konferenz über die Sicherheitsfrage. Es wurde be­schlossen, die allierte Einladung zur konferenz anzunehmen; als deutsche Delegierte werden der Reichs­tanzler und der Reichsminister des Auswärtigen an der Konferenz teilnehmen.

Im weiteren Berlaufe der Sigung wurden auch die zur Be­hebung der gegenwärtigen Teuerungslage anzuwendenden Maß­nahmen erörtert. Der Herr Reichspräsident brachte dem Reichs­minifterium gegenüber eindringlich zum Ausdrud, daß alles nur irgend Mögliche geschehen müsse, um die jetzige Preisbewegung im rüdiäufigen Sinne zu beeinflussen.

Baris forscht nach dem Kaufpreis. Paris  , 24. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Der plögliche umschwung in der Haltung der Deutschnationalen, die Aufgabe ihrer Opposition gegen den Sicherheitspatt wird hier dadurch erklärt, daß es ihnen gelungen sei, von der deutschen   Regierung beträchtliche 3ugeständnisse zu erlangen. Der Berliner   Bertreter des " Petit Barisien" meldet seinem Blatt z. B., daß die Ministerkonferenz nach deutscher   Auffaffung einen vorläufigen Charakter habe und daß der endgültige Abschluß des Bertrages auf einer späteren Konferenz erfolgen soll. Der Widerstand der Deutsch­nationalen sei nicht so sehr gegen den Westpakt gerichtet gewesen, als gegen die gleichzeitig und parallel laufenden Verhandlungen auch über die Ost verträge. Sobald die Reichsregierung die Formel der Deutschnationalen freie Hand im Osten" angenommen habe, werde deren Widerstand verschwunden sein.

Das Deuvre" stellt fest, daß sich die Deutschnationalen ihre endgültige Stellungnahme zum Sicherheitspakt für die Diskussion des Garantiepaftes im Reichstag   vorbehalten. Um nicht ge bunden zu erscheinen hätten sie darauf bestanden, daß Luther   und Schiele an der Baftfonferenz teilnehmen. Wenn Stresemann   allein die Berhandlungen führen werde, würden sie ihn eher angreifen fönnen. Aehnliches habe sich anläßlich der Londoner Konferenz im vorigen Jahr ereignet. Nichtsdestoweniger sei der Damesplan ratifi­ziert worden und dies würde auch beim Garantiepaft der Fall sein.( Und Luther   fährt wahrscheinlich mit nach Locarno  .)

falsch; einer seiner Unterführer, Abd el Kasim, hat einen Brustschuß erhalten.

Der erste Heimtransport Verwundeter. Toulon  , 24. September.  ( TB.) Das Transportschiff Caroline", das vom Staat als Hospitalschiff gechartert wurde, ist mit dem ersten Verwundetentransport aus Casablanca hier eingetroffen.

Meuternde französische Soldaten in Saarbrücken  . Saarbrüden, 24. September.  ( TU.) Aus unbekannten Gründen haben vor einiger Zeit eine Anzahl franzöfifcher Soldaten hier ge­meutert. Einige Soldaten versuchten, auf deutsches Gebiet zu ent­fliehen, wurden aber im Elsaß   verhaftet und vom Mezer Kriegsgericht zwischen zwei Monaten und zwei Jahren Ge­Kriegsgericht zu Strafen zwischen zwei Monaten und zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Ein abgeschlagener Angriff. Polizeipräsidentendebatte im Leipziger   Stadtparlament. Ein Aufruf Abd el Krims an Südamerika  . Leipzig  . 24. September.  ( Eigener Drahtbericht.) Zu einer Paris  , 24. September.  ( EP.) Die" Humanité"( Komm.) ver- stürmischen Debatte kam es am Mittwoch im Leipziger   Stadt­öffentlicht eine Botschaft Abd el Krim   an die Völker Süd parlament. Die Deutschvöltischen beantragten, daß das Rolle­ameritas, in der er erflärt, daß die Kabylen ebenso für ihre gium durch den Rat von der Landesregierung die Abberufung Unabhängigkeit fämpfen, wie seinerzeit die Südamerikaner des Leipziger Bolizeipräsidenten Genossen Fleißner das spanische Joch abschüttelten. Das torrumpierte und dessen Stellvertreter fordern soll. Nach lebhafter Aussprache Europa   habe fein Recht mehr, die Völker der anderen Kontinente zu beherrschen. Die arabischen Stämme wollten nichts von England, Frankreich  . Italien   und Spanien   wiffen. Die ägyptischen Brüder hätten den ersten Schlag gegen die Fremdherrschaft geführt und er hoffe bald den zweiten in Marotto führen zu fönnen. Die Nachricht von einer Berlegung von Abd el Krims mar

wurde dieser Antrag gegen die Stimmen der Völkischen abge. lehnt, dagegen der sozialdemokratische Antrag auf Berbeffe rung der Bezüge der Landespolizei, sowie ein weiterer An trag auf Bermehrung der Polizei mit großer Mehrheit angenommen.

Verfehlte Hoffnungen.

Der enttäuschte bloc national. ( Bon unserem Pariser   Korrespondenten.) Paris  , 22. September. Das Entsegen des Bloc national über die Politik der. Regierung Painlevé   wird immer größer und damit werden, die Hoffnungen auf eine Verständigung mit dem jetzigen Kabinett von Tag zu Tag fleiner. So geht herbe Ent­täuschung durch das Lager der Nationalisten, die nichts fehnlicher wünschen, als morgen wieder das Ruder in die Hand nehmen zu fönnen.

Bor allem hatte man in diesen Tagen im Bloc national damit gerechnet, daß es anläßlich der Wahl des Präsidenten der Finanzkommission an Stelle des sozialistischen   Abgeord= neten Vincent Auriol   zu einer Verschärfung des Konfliktes zwischen den Radikalen und Sozialisten fommen würde. Was sie zu diesem Zwecke tun konnten, haben sie getan! Ihr Liebes­werben um die Radicalsozialisten ging fogar so weit, daß sie sich bereit erklärten, für den radikalen Abgeordneten Henry Simon zu stimmen, von dem sie wußten, daß er den Sozialisten nicht angenehm war. Auch das half nichts! Die erste leber­raschung wurde den machtlüsternen Herrschaften durch die Antwort der Radikalen zuteil, die den Sozialisten Vincent Auriol   wiederwählen wollten. Er ließ sich aber durch nichts von seinem Entschluß abbringen, das Amt des Präsidenten der Finanzkommission nicht wieder anzunehmen. Die Hoffnungen der Nationalisten stiegen wieder; aber auch jetzt vergeblich!" Sie mußten ihren Kandidaten Dariac, rühmlich bekannt durch seine Dentschrift über das Rheinland  , bald wieder in der Versenkung verschwinden lassen, da die Sozialisten wissen ließen, daß sie für den ehemaligen. Innenminister Malon ein­treten würden, der bekanntlich unter dem Regime Clemenceau  zur Berbannung verurteilt worden war. Außerdem erklärten unsere Genossen sich bereit, mit den anderen Gruppen der Linksmehrheit eine Plenarsizung zur offiziellen Ernennung des gemeinsamen Kandidaten der Linken abzuhalten. Ihr eiden und den Herren des Bloc national einen endgültigen Bille mar, unter allen Umständen eine Ueberraschung zu ver. Strich durch die Rechnung zu machen.

Die Plenarsizung der Linksgruppen fand unter dem Borsiz des sozialistischen   Abgeordneten Compère- Morel statt. Die Rechte war geradezu entfekt! Ihre Enttäuschung wurde, vollkommen, als am Tage darauf Bincent Auriol mit dem Finanzminister Caillaug tatsächlich nach Amerika   reiſte und 24 Stunden später bekannt wurde, daß der Kammerpräsident Herriot   von dem Ministerpräsidenten zu einem intimen Früh­der Bresse   des Bloc national hatte damit ihr Ende erreicht stüd" eingeladen worden war. Die künstliche Zurückhaltung und nun jagt durch die Spalten der größeren und fleineren: Organe, die der Sache der politischen und finanziellen Reaktion dienen, ein Sturm der Entrüstung, des Entfezens und der Melancholie. Es ist nichts mit dem Zusammenbruch des Links fartells! So schreibt Emile Buré, der vor Jahren noch Briands rechter Arm war und heute zu den fanatischen Nationalisten gehört: Ich habe es ja von jeher prophezeit, ich habe es ja schon am 12. Juli gesagt, daß das Kartell wiederauferstehen würde. Herr Caillaur hat wohl geglaubt, er würde die Sozia­liften beruhigen, wenn er an die von ihnen geforderten Finanz­reformen heranginge. In Wirklichkeit hat er sie nur noch lüsterner gemacht... unter diesen Umständen wird die Bahn wieder frei für Herriot  . Das weiß Herr Doumergue   und er freut sich feineswegs darüber!"

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Im ,, Gaulois" stößt Curtius noch wildere Alarmrufe aus: Malon, das bedeutet Krieg gegen den Senat, Krieg gegen den Geist der Ersparnisse und des sozialen Konservatismus Als Beweis dafür zitiert der Gaulois" den Quotidien", in dem zu lesen stand, daß die Wahl Malpŋs und die von Caillaug eingebrachten Reformvorschläge nur dann zu ihrer vollen Auswirkung gelangen könnten, wenn die Kammer­mehrheit bereit sei, den Kampf gegen den Senat aufzunehmen und das hohe Haus" zu zwingen, sich dent Willen des aus dem allgemeinen direkten Wahlrecht hervor­gegangenen Unterhauses zu unterwerfen.

In der Tat hat Caillaug, gegen den die Sozialisten zum Schluß der Sommersession den Kampf in erster Linie führten, durch die Ausführung seines Verspre chens, der Kammer zum Wiederzusammentritt bestimmte Gesetzentwürfe vorzulegen, die den Forderungen der Linken weitgehend Rechnung tragen würden, im Lager der Links­mehrheit und besonders auf ihrem sozialistischen Flügel eine starte Entspannung hervorgerufen, über deren Folgen sich die Rechte natürlich ebenfalls nicht im Unflaren ist. 3war legten sich die Blätter des Bloc national bei der Besprechung diefer Entwürfe anfänglich noch eine gewisse Reserve auf, aber der natürliche Drang, die Privilegien des Besizes zu ver­teidigen, hat trotzdem sehr rasch den Sieg über innerstrategische Erwägungen davongetragen. So fand man z. B. bereits 48 Stunden nach der Beröffentlichung des Budgetentwurfes für 1926 im Temps  " und in den Debats  " die schärfste Kritik an der Fistalinquifition", zu der Caillaur wieder zurückkehre, und an den demagogischen Zugeständnissen", die er ben Sozialisten mache.

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In dieser neuen Atmosphäre entdecken die Bortführer des Bloc national plöglich, daß die Regierung Painlevé   auch auf anderen Gebieten Ziele verfolgt, die fich gegen rechts richten, Der französische   unterrichtsminister, beffen Auf­enthalt in Berlin   von den nationalistischen franzö fischen Elementen mit startem Mißtrauen verfolgt wurde, hat & B. angekündigt, daß er dabei ist, einen Entwurf zur Ein­