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Beilage zum Vorwärts" Berliner Volksblatt.

Nr. 123.

Parlamentsberichte.

Abgeordnetenhans.

Sonnabend, den 30. Mai 1891.

8. Jahrg.

nur gediente Soldaten den Vereinen beitreten und die Statuten legen, daß die Lehrer ihre Versammlungen ungestört abhalten find der Genehmigung unterworfen. Weil der Versuch gemacht tönnen.

Damit ist der Kultusetat erledigt. Das Etatsgesetz wird unverändert angenommen, ebenso Etat und Etatsgesetz im Ganzen. Schluß 4 Uhr. Nächste Sigung Sonnabend 11 Uhr ( Eisenbahngesetz).

wurde, die Vereine in das politische Getriebe hineinzuziehen, Nachdem Abg. Hansen den Wunsch ausgesprochen hat, daß wurde verfügt, daß diese Vereine in ihre Statuten die Treue zu bei dem neuen Volksschulgesetz die Eigenthümlichkeiten der ein­90. Sigung vom 29. Mai. 11 Uhr. Kaiser und Reich und die Pflege der Kameradschaft aufnehmen, zelnen Provinzen beachtet werden sollen, wird um 4 Uhr ein Ver­Am Ministertische: von Schelling, Herrfurth, daß sie aber jede politische Erörterung ausschließen. Etwaige tagungsantrag gestellt, aber zurückgezogen, da der Präsident von Graf Zedlig. Ueberschreitungen dieser Vorschrift sind mit Verwarnungen be- Röller mahnt, den seit fast 6 Monaten vorliegenden Etat zu er­Die dritte Berathung des Staatshaushalts- Etats dacht worden, aber in einigen wenigen Fällen sind allerdings ledigen. wird fortgesetzt und zwar beim Etat der Justizverwaltung; Vereine aufgelöst worden, weil sie sich sozialdemokratischen Abg. Virchow tritt für die Fortsetzung der Schliemann'schen zu dem letzteren liegt ein Antrag der Konservativen vor: Die Tendenzen hingegeben hatten. Aber im Allgemeinen kann man Arbeiten und deren Ausdehnung ein. in zweiter Lesung abgelehnte neue Forderung für einen den Kriegervereinen das Zeugniß nicht versagen, daß die Treue Senatspräsidenten beim Oberlandes Gericht in Breslau   wieder gegen Kaiser und Reich bewahrt und sich von der Parteipolitik herzustellen. ferngehalten haben. Abg. Limburg- Stirum   zieht mit Rücksicht auf die Geschäfts- Abg. Rickert: Der Minister hätte den Mißbrauch tadeln lage und um eine Beschleunigung der Etatsberathung herbei sollen, den einzelne Kriegervereine bei der Empfehlung besonderer zuführen, den Antrag zurück, zumal doch wenig Aussicht sei, den- Randidaten getrieben haben. selben durchzusetzen. Abg. Johannsen( Däne) führt Beschwerde darüber, daß in Abg. Rickert kommt auf die Verfügung des Breslauer Nordschleswig ein dänisches Lied als ein aufreizendes betrachtet Ober- Landesgerichts- Präsidenten wegen des Ausschlusses der worden ist und die Sänger bestraft worden sind, während Juden vom Geschworenendienst zurück und weist darauf hin, daß auch das Lied bei einem Besuche des dänischen Königs auch in Berlin  der Ausschluß der Juden vom Schöffendienst vorkommen soll. gespielt wurde. Die Polizeiverordnung von 1865, welche das Der Justizminister soll auch einen Erlaß an die Gerichte ge- Singen aufreizender dänischer Lieder verbietet, sollte aufgehoben richtet haben, durch welchen er sie auffordert, Beleidigungen werden. von Religionsgesellschaften und Geistlichen strengstens zu be- Minister Herrfurth: Ich kenne den Vorfall nicht, werde aber strafen. taum Remedur eintreten lassen können, da dieselbe lediglich im Wege der Gnade erfolgen könnte.

Minister von Schelling: Ich bin dem Vorredner dankbar dafür, daß er mir Gelegenheit zur Aufklärung eines Mißverständ­nisses gegeben hat. Der Schöffenrichter, welcher sich auf eine ministerielle Anordnung berufen haben soll, hat sich auf eine Aus­laffung im nicht amtlichen Theil des Justizministerialblattes be­rufen, in welcher auf die Zuchtlosigkeit der jetzigen Zeit Bezug genommen und darauf hingewiesen war, daß dem gegenüber die Achtung des Gesetzes möglichst hoch zu halten sei. Diese Aeuße­rung war enthalten im Gutachten über die Bestrebungen wegen Einführung der bedingten Verurtheilung. Der Richter hat sich diese Ausführungen zu eigen gemacht.

Geheimer Justizrath Lucas erklärt, daß der Ober- Landes­gerichtspräsident von Breslau   die Verordnung wegen der Zu­lassung der Juden zum Geschwornendienst sofort nach ihrer Be­mängelung durch den Justizminister zurückgezogen habe, wie dies auch bei einem seit vierzig Jahren im Dienst befindlichen Beamten nicht anders zu erwarten sei.

Abg. Bödicker bekämpft die Mehrforderung für einen neuen Senatspräsidenten und wendet sich gegen die Aeußerung des Grafen Limburg- Stirum in der zweiten Lesung, worauf Letterer einzugehen ablehnt.

Abg. Cremer kommt auf die Verhandlungen in der zweiten Lesung zurück und weist darauf hin, daß der Abg. Richter ihm immer wahrheitswidrig den Vorwurf mache, daß dem Redner fein Mandat abgekauft sei. Herr Richter habe allerdings einen Theil des Materials zu Angriffen gegen ihn dadurch gewonnen, daß Herr Stöcker in dem Streite mit dem Redner keine offene Erklärung abgegeben habe.

Abg. Johannfen: Ich habe nicht die Bestrafung der Sänger bemängelt, sondern vielmehr gebeten, daß eine besser verständliche Polizeiverordnung erlassen wird.

Abg. Richter macht darauf aufmerksam, daß der Gastwirth Boyen in Gardingen lediglich seiner freisinnigen Gesinnung wegen nicht als Beigeordneter bestätigt worden ist; Redner empfiehlt die Beschwerde dem Wohlwollen des Ministers.

Lokales.

In den gestrigen Morgenblättern sindet sich unter der Spißmarte, Das war früher nicht" folgende aufregende Nachricht:

Die Leierkasten haben jetzt die Marseillaise   auf der Walze, welche von den Höfen auf die Straße flingt, ohne daß ein Schußmann davon Notiz nähme.

Da schreibt man nun viel von der Findigkeit" der Bericht­erstatter, aber diese" Findigkeit" setzt doch jeder anderen die Krone auf. Was seit beinahe 8 Monaten bereits eine alte Jacke" ist, der findige" Berichterstatter gräbt es als eine große Neuigkeit aus und setzt die ängstliche Bourgeoisie, die ob dieser Schauernachricht sofort Mord, Todtschlag und sonstige Blut­thaten wittert, in Furcht und Entfeßen.

Löwe!

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Abg. Krause: Wenn das Verfahren der National- 3tg." gegenüber als berechtigt hingestellt werden sollte, dann wird Ver- Der Verein deutschfreisinniger Handlungs- Gehilfen nunft Unsinn. Die Verwarnung ist im Gesetz nicht vorgesehen; winselt die Prinzipale um materielle Unterstützung an; er kennt die Polizei hätte die Bestrafung der Zeitung verlangen tönnen, aber seine Pappenheimer und weiß daher, daß nur dann von aber nicht gleich zur Konfistation schreiten sollen. den Chefs etwas zu erlangen ist, wenn er sie mit den dreimal Abg. von Rauchhaupt: Es wäre doch besser gewesen, wenn verfluchten Sozialdemokraten recht gruselig macht. Und wah die Herren Nationalliberalen eingestehen wollten, daß sie eine lich, muß ein echtes Unternehmerherz nicht vor Entrüsturaz wesentliche Thatsache nicht kannten, als sie ihren Vorstoß unter- schwellen, wenn ihm der Verein deutschfreisinniger Handlungs nahmen. gehilfen mittheilt, daß durch die wüsten agitatorischen Hez- und Die Abgg. Friedberg   und Krause, ebenso v. Huene Brandreden der sozialistischen   Versammlungsredner, die nicht ( Bentrum) bleiben dabei, daß der Polizeipräsident nicht gleich allein gegen erwiesene Schäden, sondern gegen alle Arbeitgeber hätte zur Konfiskation schreiten sollen. und alle Besitzenden gerichtet sind, in das Herz des jungen Abg. Czwalina bringt die Ungiltigkeit der standesamtlichen Mannes der Keim der Unlust, der Trägheit, der Gleich­Atte zur Sprache, welche in einer rheinischen Gemeinde dadurch giltigkeit und des Trozes gepflanzt wird!" Gut ge= entstanden ist, daß der Vertreter des Standesbeamten, weil er brüllt, Bisher haben wir zwar inzmer nicht mehr Beigeordneter war, auch die Vertretung des Standes- geglaubt, daß dann, wenn Der junge Mann" bis beamten nicht mehr führen dürfte. Daraus werde die Ungiltig in die Nacht hinein im Geschäft festgehalten wird, werm er feit der von diesen Beamten geschlossenen Ehen gefolgert; das an Sonntagen ins Engrosgeschäft kommen muß, nur um zu sehen, wäre aber eine große Ungerechtigkeit gegen die betroffenen, ganz wie sein Chef schön frühstücken kann, wenn er von seinem ,, rbeit­unschuldigen Personen. In irgend einer Weise müsse hier geber" behandelt wird, als müßte in ihn auch hier in Deutsch­Abg. Richter: Der Vorredner beruft sich auf einen Bericht Remedur geschaffen werden. land die Zivilisation nach afrikanischem Muster getragen werden, der Bossischen Zeitung", welcher naturgemäß ein furzer Auszug Justizminister v. Schelling: Die Standesämter in der Rhein  - in das Herz des jungen Mannes der Keim ber Unkust, der der mehr als eine Stunde langen Rede war. Ich habe Herrn provinz unterstehen der Aufsicht des Staatsanwalts; infolge Trägheit, der Gleichgiltigkeit und des Troyes   gepflanzt wird", Cremer gegenüber nur behauptet, was in der konservativen Presse dessen bin ich berechtigt, über die Thatsache Auskunft zu geben. aber wir sehen ein, daß wir uns bisher getäuscht haben, daß die festgestellt war, daß angesichts des Abschlusses des Kartells Herr Von einem Standesbeamten, dessen Amtsperiode im Mai 1890 sozialistischen Heyreden das Amt des Pflanzers übernommen Cremer von seiner Kandidatur zurückgetreten sei auf Veranlassung ablief, der aber selbst sich im Irrthum befand, daß sie haben, denn der deutschfreisinnige Jünglingsverein sagt es, und des Geheimraths Rottenburgs, daß dafür 10 000 oder 20 000 M. noch bis zum Mai 1891 dauere, sind sechs Ehen abgeschlossen das ist ein ehrenwerther Mann! Allerdings giebt der Aufruf für konservative Wahlzwecke gegeben wurden. Daß Herr Cremer worden. Die Ehepaare sind aufgefordert, die Eheschließung zu Mißstände zu, und in seiner Unschuld meint er, daß die Erfüllung Davon etwas zum persönlichen Vortheil erhalten hätte, habe ich wiederholen. Das ist von allen sechs Paaren geschehen. Damit seiner Forderungen( die er nicht mittheilt) ebenso im niemals behauptet. Es muß besondere Gründe haben, daß Herr ist der Fall erledigt. Ich habe dem Reichskanzler vorgeschlagen, Interesse der Geschäftsinhaber als der Der Gehilfen Gehilfen liegt. Cremer seine Person immer wieder in die Deffentlichkeit bringt. in dem bürgerlichen Gesetzbuch eine Bestimmung aufzunehmen, Db viele Kaufleute als stiftendes oder außerordentliches Mit­Abg. Cremer: Das Lehte ist echt Richtersch. Ich habe daß eine Ehe nicht angefochten werden kann, welche vor einem glied" beitreten werden, wagen wir, selbst nach der beweglichen Herrn Richter nicht verklagt, weil ich durch ihn nicht beleidigt Beamten geschloffen ist, den die Eheleute für den berechtigten Ansprache gegen die Sozialdemokraten, sehr zu bezweifeln; denn werden kann, weil ich ferner weiß, daß er sich dahinter zurückziehen Standesbeamten halten mußten; ich habe auch vorgeschlagen, wenn die Prinzipale von Mißständen" hören, pflegen sie ihre wird, er hätte davon nichts gesagt, weil endlich in dieser ge- daß dieser Bestiminung rückwirkende Kraft gegeben werden soll. Taschen zuzuknöpfen. segneten Zeit ein Abgeordneter überhaupt nicht angeklagt werden( Bustimmung.) Uns soll es aber recht sein: Wir gönnen dem Verein von fann während der parlamentarischen Session, so daß sich die Sache Abg. Eynern wiederholt seine Erklärung darüber, daß Handlungsgehilfen, der die Mißstände im Berufe beseitigen 21 Städten, darunter der Stadt Berlin  , die Polizeikosten durch will, seine Prinzipale. Der Verein will scheinbar den Teufel vielleicht mehrere Jahre hingezogen hätte. den Staat erleichtert wurden, während die anderen Gemeinden durch Beelzebub vertreiben! die Kosten selbst tragen müssen. Redner empfiehlt die gesetzliche Regelung dieser Frage.

Abg. Brandenburg empfiehlt, die Waisenräthe mit dem Vormundschaftsgerichte in engere Verbindung zu bringen. Abg. Jürgensen bezeichnet den Umbau des Gefängnisses in Flensburg   als dringend nothwendig.

Geheimer Ober- Justizrath Starke erkennt diese Nothwendig feit an, es fehle aber noch an den nöthigen Geldmitteln und außerdem müsse erwogen werden, ob nicht auch ein Umbau des Gerichtsgebäudes erfolgen müsse.

Der Etat des Justizministeriums wird genehmigt.

Minister Herrfurth erklärt, daß das Gesetz in der nächsten Session wieder vorgelegt werden würde, sobald die jetzt noch mit den einzelnen Städten schwebenden Verhandlungen abgeschlossen sein würden. Beim Etat der landwirthschaftlichen Verwal= tung fragt

Abg. v. Riffelmann, ob die 300 000 M., welche zu Versuchen mit der Einlassung von Hochfluthwasser in bedeichte Niederungen bestimmt sind, auch für solche Niederungen verwendet werden können, deren Bedeichung erst noch im Entstehen ist. Minister v. Heyden bejaht diese Frage.

Beim Etat des Ministeriums des Innern bringt Abg. Friedberg die Beschlagnahme der National- Zeitung" vom 16. Wai zur Sprache, welche lediglich dadurch veranlaßt sei, daß zweimal der verantwortliche Redakteur, aber nicht der Drucker und Verleger angegeben war. Befugt zur Beschlagnahme Abg. v. Wackerbarth   empfiehlt dem Minister im Interesse war der Polizeipräsident allerdings, aber gezivungen dazu war er nicht. Daß für dieses Vorgehen ein vernünftiger Grund vor der Landes- Pferdezucht die bessere Berücksichtigung der Buchtthiere handen war, ist sehr zweifelhaft; es liegt lediglich ein un- auf der Eisenbahn. überlegter Gewaltaft des Polizeipräsidenten Polizeipräsidenten   vor, welcher Minister v. Heyden erklärt, daß er diese Frage schon in Er­schon die Volts- Zeitung" ohne jeden Grund mit Beschlag, bewägung gezogen habe. legt hat. Der Minister sollte gegen solche Vorkommnisse Fürsorge Es folgt die Berathung des Etats des Kultusmini

treffen.

steriums.

Minister Herrfurth: Die National- Zeitung" hat dieselben Abg. Dürre tritt für die Aufbesserung der Lage der Lehrer thatsächlichen und rechtlichen Beduktionen wie der Vorredner an den höheren Lehranstalten ein und hofft nach der neulichen bereits am 19. Mai gemacht, aber allerdings dabei nicht von einem Erklärung des neuen Ministers auf eine Erfüllung der Wünsche unüberlegten Gewaltatt" gesprochen. Ich kann das Verfahren derfelben.

des Polizeipräsidenten nicht mißbilligen aus einem Grunde, der Minister Graf Zedlik: Die einschlagenden Verhältnisse sind bisher mit Stillschweigen übergangen worden ist. Die Beschlag- schon erörtert worden und es wird vielleicht in der nächsten Session nahme einer Beitung ist allerdings sehr störend sowohl für den schon eine Vorlage gemacht werden. Erst wenn die Gehaltsfrage Verleger als für die Leser einer Zeitung; man sollte nicht ohne geregelt ist, wird die Aszension geregelt und aus dem jetzigen will­Weiteres mit einer Beschlagnahme vorgehen, sondern erst eine fürlichen Verfahren herausgehoben werden können, in welcher Warnung eintreten lassen. Aber bei der National- Zeitung" war Weise, weiß ich noch nicht. dasselbe Versehen bereits am 11. März vorgekommen und deshalb Abg. Knörcke tadelt die Verweigerung des Urlaubs an die ist eine Verwarnung eingetreten. Wenn diese Warnung nichts nützte, Bolfsschullehrer für den Besuch der Lehrerversammlung in Mann so war der Polizeipräsident vollständig berechtigt, zur Konfistation heim. Der Minister verlange, daß diese Veſammlung in die zu schreiten, da man doch nicht einen Unterschied etwa zwischen Ferien gelegt werden solle. Das ist aber bei der verschiedenen Sozialdemokratischen und anderen Blättern machen kann. Ich habe Dauer der Ferien nicht möglich. Den Gymnasiallehrern sei der deshalb keinen Grund, eine allgemeine Verfügung zu erlassen. Besuch des Philologenkongresses gestattet, und deswegen fogar Abg. Friedberg  : Der Polizeipräsident hätte wohl in an- Anstalten, von denen mehrere Lehrere dorthin wollten, auf längere derer Weise die National- Zeitung" hinweisen fönnen auf diesen Beit in die Ferien geschickt worden. Fehler. Nach der Erklärung des Ministers scheint es sich also um einen überlegten Gewaltakt zu handeln.

Es fragt sich nur, wer in dieser trauten Vereinigung den Andern über den Löffel barbieren wird: die Prinzipale die Ge­hilfen, oder umgekehrt und daher geben wir zum Schluß dem taufmännischen Sozialistentödter- Verein den wohlgemeinten Rath: Hüten Sie sich vor den Prinzipalen!

Ein nenes Geheim ,, mittel" wird gegenwärtig mit der in diesem Geschäftszweig üblichen übergroßen Reklame in der ge­sammten bürgerlichen Presse augepriesen. Dasselbe fällt in das Gebiet der von dem Geheimmittelschwindel besonders kultivirten Geschlechtskrankheiten und da bekanntlich die Dummen nicht Alle werden, so muß jedenfalls das Geschäft ein ziemlich einträgliches sein, sonst würden die gewiegten Herren Geschäftsleute, welche hier den Absatz betreiben, nicht so große Geldkosten für die theuren Zeitungsannoncen aufwenden.

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Ein Philanthrop" hat entdeckt", daß es keine konstitutionelle Syphylis gebe" und erläßt daher ein Trostwort für die ge­sammte Menschheit". Der Messias ist ein Dr. Joseph Hermann, welcher seine epochemachende Entdeckung in einer Brochüre nieder­gelegt hat. Seine Lehre" lautet der Reklame zufolge:

" Die Syphilis   ist eine einfache, örtliche Krankheit, welche nie ins Blut des Menschen übergeht, vollkommen heilbar ist, nie bleibende Folgen zurückläßt und nie durch Zeugung und Vererbung sich weiter verpflanzt; die Syphilis gefährdet nicht die allgemeine Gesundheit und das Leben des Menschen, geht über die primitiven und die unmittelbaren Folgeformen nie und nimmer in ander­artige Erkrankungen über".

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Dann rühmte sich der Entdecker" diefer großen Lehre", daß ea seine Erfindung nicht bloß, bevor er damit vor das große Publikum getreten ist, an einem halben Duhend Meerschweinchen ausprobirt habe, sondern daß er erst, nachdem er es so und so viele Dugend Jahre erprobt und Tausende von Menschen von ihrem Leiden dadurch befreit habe, jetzt als 74 jähriger Greis mit seinen Erfahrungen als Spezialist für Syphilis vor die Deffentlichkeit trete.

Zum Schluß kommt dann noch die bei dieser Sorte von Anpreisungen stereotype Humanitätsmaste zur Anwendung: .. erachte es für eine heilige Pflicht, frei und offen, mitten im Sturme der gegentheiligen Anschauungen, dem falschen System der heutigen Syphilislehre zum Troß seine Lehre über Syphilis aller Welt zu verkünden. Schließlich ist also nur das Bestreben, der Menschheit einen

Minister Graf Zedlių: Es sind jetzt schon 120 Tage im Jahre schulfrei, deshalb muß der Urlaub für die Lehrer möglichst Abg. Rickert: Alle Zeitungen sollen gleich behandelt werden, beschränkt werden, und ich habe die Maßregel, auch wenn sie aber der Polizeipräsident hätte doch mehr als einmal warnen nnpopulär war, ergreifen müssen.( Beifall.) Die Ferien können Lönnen, wie ja fogar in den Preßordonnanzen eine dreimalige nicht allein nach den Wünschen der Lehrer geregelt werden, dabei Verwarnung vorgeschrieben war. Redner weist darauf hin, daß kommen die Wünsche der Eltern viel mehr in Frage, als die der Dienst zu erweisen der Beweggrund, welcher den Entdecker" der der Polizeipräsident von Richthofen an die Kriegervereine ein paar Lehrer, welche allgemeine Versammlungen besuchen wollen. neuen Heilmethode" und die das Anpreisen ausführende Ge­Rundschreiben erlassen habe, durch welches dieselben aufgefordert( Lebhafte Zustimmung rechts.) Feindlich gesinnt bin ich den schäftsfirma veranlaßt, mit der größten Marktschreierei das werden, Personen, welche sich als reichsfeindlich erweisen, auszu- Lehrerversammlungen nicht, aber von der weltüberwindenden Macht Wittelchen der ganzen Menschheit bekannt zu machen, oder viel­schließen. Diese Maßregel sei eine lediglich politische und werde der dort gehaltenen Reden fann ich mich nicht überzeugen.( Lebhafter mehr nur sie von dem Vorhandensein in Kenntniß zu sehen. Der Beifall rechts.) Solche Strömungen müssen an die Deffentlichkeit Damit prunken die Herren voin Geheimmittelschwindel immer, vom Reichstage stets bei Wahlprüfungen mißbilligt. Minister sollte in dieser Beziehung eine allgemeine Verfügung heraustreten, dann wird der gesunde Sinn der Lehrerschaft schon daß sie es nur aus Liebe zur leidenden Menschheit thäten, hinter­die Reaktion dagegen finden.( Lebhafter Beifall rechts.) her kommen sie aber mit ihren hohen Preisen, welche es der

erlassen.

Minister Herrfurth: Die Kriegervereine beruhen auf einer Verordnung von 1842; sie haben besondere Vorrechte, z. B. in Uniform und bewaffnet zu erscheinen, Fahnen zu führen u. f. w. aber sind auch gewiffen Einschränkungen unterworfen, es dürfen

Abg. Rickert: Wie ich höre, ist im Einzelnen Urlaub er- Mehrheit der Menschen nicht ermöglichen, die angeblich so vor­theilt worden; da die Zahl der Lehrer, welche die Lehrerversamm- züglichen Mittel fich zu verschaffen. Beides reimt sich sehr wenig lung besuchen, eine geringe ist, ist der Differenzpnntt fein so er zusammen; hier trifft es auch wieder zu; der Preis ist ein ziem­heblicher. Vielleicht versucht der Minister, die Ferien so zu lich hoher."