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Die Eisenbahner in der Notwehr.

Genaue Einhaltung der Dienstvorschriften.

m Dienstag tagte in den Residenzfestfälen eine Funktionär tonferenz des Bezirks Berlin   des Einheitsverbandes der Eisenbahner, die aus dem ganzen Bezirk zahlreich beschickt war. Der Bezirksleiter Dreffel schilderte die jetzigen Berhältnisse im Eisenbahnbetrieb. Der fortschreitende Personalabbau zeitige ganz unhaltbare Bustände. Die Unfälle, bei denen nicht nur Bersonal, sondern, wie aus der Veröffentlichung in der Tagespresse hervorgeht, auch Reisende getötet und verstümmelt werden, häufen sich in erschreckender Weise. Der Krantenstand sei ein abnorm hoher. Das Personal, das bei der ungenügenden Entlohnung sich nur mangelhaft ernähren fann, breche zusammen und die Leistungen müßten selbstverständlich in nächster Zeit erheblich zurüdgehen. Für diese Zustände mache die Ber waltung aber das Bersonal verantwortlich, wie aus der Verfügung der RBD. Often ersichtlich sei. Dieselbe Verwaltung, die durch ihr Antreiber und Ausbeutersystem zur Ueberschreitung der Dienstvorschriften zwinge, bedrohe rücksichtslos selbst mit Dienst entlassung diejenigen, die die Vorschriften übertreten. Bflicht jedes einzelnen sei, fich felbft zu schügen und sich seiner Familie zu er­halten, deshalb müßten

fämtliche Dienst- und Unfallverhütungsvorschriften streng von jedem beachtet werden.

Alle Diskussionsredner stellten sich auf den Boden des Refe­renten und versprachen, in diesem Sinne aufklärend zu wirken. Die Stärkung der Organisation wurde als oberste Pflicht anerkannt, damit der reaktionärste Arbeitgeber in Deutschland  , die Reichsbahn  . Gesellschaft, gezwungen wird, menschenwürdige Verhältnisse und ausreichende Entlohnung zu schaffen.

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Zur Illuftration führen wir einige Unfälle dieses Monats an: In der Nacht vom 1. zum 2. Oftober fuhr in Raffel infolge angeblich falscher Weichenstellung eine Maschine auf den von Han nover- Münden fommenden Bersonenzug auf. Der Lokomotivführer des Personenzuges, der die Gefahr erkannte, fezte sofort die Schnell­bremse in Tätigkeit, so daß der Zusammenstoß start abgeschwächt wurde. Trotzdem wurden der Lokomotivführer, 2 Bugbeamte und

10 Reisende verlegt.

An demselben Lage wurde in Blingen t. Württbg. der 45 Jahre alte verheiratete Eisenbahnarbeiter rohmer von einem Bersonenzug erfaßt und getötet. Der Berunglückte, der fchon seit vielen Jahren als Streckenarbeiter tätig ist, war bei dem Unfall mit Ablascharbeiten an einem Nebengleise beschäftigt.

Am 2. Oftober fuhr in Görlig ein Zug in eine mit Aus. befferungsarbeiten beschäftigte Gruppe von Stredenarbeitern, die fich infolge der Kreuzung zweier Züge, und weil sie kurz vor dem Tunnel beschäftigt waren, nicht schnell genug in Sicherheit bringen fonnten. 5 Arbeiter wurden überfahren. Davon wurde einer leicht, die anderen 4 schwer verletzt, so daß sie mit einem Auto

ins Krantenhaus geschafft werden mußten.

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Der Konflikt in den Gemeindebetrieben. Die Berantwortlichen verteidigen sich schlecht. Die BS.- Korrespondenz verbreitet folgende Zuschrift, die ihr von städtischer Seite zugeht: Das zweitemal aljo in noch nicht drei Monaten wollen die Bertreter der Arbeitnehmerschaft einen ablehnenden Schiedsspruch mit sofortiger Arbeitsniederlegung beantworten. Bei einer solchen Stellungnahme der Arbeitnehmerschaft wird selbstverständlich das Schiedsverfahren illusorisch, denn wenn das Schiedsgericht nur dazu da sein soll, Lohnerhöhungen zu bewilligen und nach den Anträgen der Arbeitnehmer zu entscheiden, hat es jeden Wert als Schlichtungs ftelle verloren.

Was sagt der Schiedsspruch, der gestern gefällt und sogleich von ben Arbeitnehmern abgelehnt worden ist? Er führt aus, was jeder nur billigen fann, daß bei der jeßigen wirtschaftlichen Lage der faum erreichte leidliche Stillstand in der

Aufwärtsbewegung der Preise nicht durch Bohnerhöhungen gefährdet werden darf, und daß man wenigstens einige Wochen abwarten soll, um zu übersehen, ob tat sächlich die Aufwärtsbewegung der Preise zum Stillstand gelangt ist oder nicht. Schon Anfang November, also nach etwa zwei bis drei Wochen, sind nach diesem Schiedsspruch neue Verhandlungen zwischen den Werkleitungen und den Vertretern der Arbeitnehmerschaft mög­lich. Die Löhne der Arbeiter der Gas- und Basserwerte Berlins  , und zwar sowohl der im städtischen Befiz befindlichen Werte wie der der Deutschen Gasgesellschaft( früher Englische   Gasgesellschaft) stehen auf gleicher Höhe mit denen der Kämmerei, Reichs- und Staats­arbeiter. Bei der Beurteilung der Höhe der Löhne in den städtischen Betrieben darf aber auch nicht übersehen werden, daß neben den sonstigen Borteilen eines günftigen Tarifvertrages allen Arbeitern,

Am 3. Oftober versah in Leipzig   Blagmit der 52 Jahre alte Schrankenwärter Otto Krämer seinen Dienst. Dabei wurde er von einem rangierenden Güterzug überfahren und so schwer verlegt, daß er bald darauf verstarb.

Am 3. Oktober fuhr infolge dichten Nebels der D- 3ug Köln  . Ostende   in der Nähe der Station Rote Erde bei Aachen   auf einen dort haltenden Güterzug auf. Beide Hauptgleise des Bahnhofs Rote Erde mußten gesperrt und der Berkehr durch Umleitung aufrecht erhalten werden.

Am 4. Ottober ftürzte infolge angeblich falscher Weichenstellung in Chemnig ein Personenzug um. Dabei wurden 3 Reisende getötet und 12 verlegt.

Also ein furchtbares Anflagematerial.

Sechs Tote und 40 Berstümmelte

zeigen, wohin der Kurs der Reichsbahnhauptverwaltung und der Storruptionsgeldempfänger gesteuert wird. Dennoch versucht die Berwaltung, die Deffentlichkeit im Geschäftsbericht( 1. April 1923 bis 30. September 1924) von einer zunehmenden Verkehrssicherheit zu reden. Nur" 96 Tote und 362 Verletzte bucht dieser Bericht. Eine Bagatelle!

Wenn schon von Betriebsunfällen geredet werden soll, dann müssen im Interesse der Deffentlichkeit fämtliche tagtäglich ich ereignenden Unfälle im Gesamtbetriebe, d. h. alle Unfälle in den Eisenbahn- Ausbesserungswerfen, Betriebs- und Wagenwerfstätten, in der Bahnunterhaltung usw. einbezogen werden. Wir empfehlen der Reichsbahnverwaltung, die Unfallziffern und die hiermit in Berbindung stehenden Krankheitsfälle bei den Betriebskrankenhassen einzuholen. Rechnet man die allein im Bierteljahr 1924 nur beim Rangieren beschädigten Wagen, Materialschaden, so ist dies der beste Gradmesser, d. h. 9718 Stud, hinzu und den hieraus entstandenen ungeheuren

wie die Verwaltung wirtschaftet.

Zu dieser Mißwirtschaft haben die Funktionäre des Berliner  

Bezirks Stellung genommen, weil sie am Ende ihrer Kraft sind. Sie wollen nicht mehr Leben und Gesundheit der eigenen den und rücksichtslosen Geschäftemachern, gegenüber sich langweilen Berson und ihrer Familie aufs Spiel fezen gegenüber faltrechnen den Räten und Amtsvorständen, die das Personal mit Löhnen und Ge­hältern abspeisen, das in feinem Verhältnis steht mit den Lebens. haltungsfoften.

Der Beschluß der Funktionäre der Eisenbahner ist ein erzwun­gener in doppelter Hinsicht. Die Verwaltung zwingt sie nach der von ihr angeordneten Dienſtvorschrift( siehe Verfügung der Reichs­bahn- Direktion Berlin  ) ftritte zu arbeiten, weil sie sonst rücksichtslos entlassen resp. mit hohen Geldstrafen bestraft werden. Die Eisen­bahner selbst aber müssen sich, ihr Leben und ihre Gesundheit schüßen, und zwar nicht zuletzt im Interesse des reisenden Publikums selbst.

die über zehn Jahre beschäftigt sind, für den Fall der Arbeitsunfähig feit oder des Todes Ruhegeld oder Hinterbliebenenversorgung zu gesichert ist, und daß die Mehrzahl der Arbeiter eine dauernde Be­schäftigung hat. Wenn die Arbeitnehmerschaft bei der Behandlung der Löhne darauf hinweist, daß der Friedensreallohn nun insofern nicht erreicht set, als der jegige Wochenlohn nominal nur unwesentlich über dem der Friedenszeit liegt, so darf nicht übersehen werden, daß die Stundenlöhne 30 bis 40 Broz. über den Borkriegslöhnen liegen. die Stundenlöhne 30 bis 40 Broz. über den Borkriegslöhnen liegen. Wenn trotzdem

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der frühere Wochenrealfohn nicht erreicht**

wird, so liegt das daran, daß die Arbeitszeit früher 54 Stunden, heute 48 Stunden beträgt.

Es darf auch nicht übersehen werden, daß, wenn die städtischen Werke jezt die Löhne steigern würden, eine solche Erhöhung nicht nur eine Aufbefferung der Löhne in der gesamten Stadtverwaltung bedeuten würde, sondern daß weiter darüber hinaus für Staat und Reich die Rüdwirtung nicht ausbleiben könnte. Eine allgemeine Erhöhung der Löhne bei Stadt, Staat und Reich müßte aber im gegenwärtigen Augenblic sich auch in Handel, Gewerbe und In­buſtrie auswirken und somit eine allgemeine Verteuerung der Lebenshaltung herbeiführen."

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Dazu ist zunächst zu bemerken, daß die städtische Seite offenbar der Auffassung ist, daß die Schlichtungsinstanzen die Aufgabe haben, auch die bescheidensten und berechtigten Lohnforderungen der Ar beiterschlaft abzulehnen. Es ist den Vertretern des Gemeinde und Staatsarbeiterverbandes natürlich nicht eingefallen, zu ver langen, daß der Schlichtungsausschuß bzw. die tarifliche Schiedsstelle die Pflicht hätten, sich ohne weiteres die Forderungen der Arbeiter­schaft zu eigen zu machen. Immerhin waren die Forderungen dies­mal so bescheiden und berechtigt, daß die Arbeiterschaft die

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Erwartung hatte, die Schlichtungsinstanzen würden diesen For derungen Rechnung tragen. Run erzählt die städtische Seite", daß die Aufwärtsbewegung der Preise augenblicklich zu einem Stillstand" gekommen sei und man, ehe man dieser ein­getretenen Teuerung Rechnung trage, erft abwarten müsse, ob die Aufwärtsbewegung auch anhalte.

Mit einer solchen Methode der Abgeltung der bereits einge tretenen Teuerung könnte die Arbeiterschaft bis auf den St. Nime merleinstag warten. Es ist aber wirklich ein starkes Stüd, jetzt noch mit der alten Lüge zu tommen, wonach eine Lohnerhöhung zur Teuerung führe. Ausgerechnet die städtischen Werke ,, bei denen der Lohnfaftor eine immer geringere Rolle spielt, kommen mit diesem alten Ladenhüter, den selbst die Bereini gung der Arbeitgeberverbände nicht mehr zu gebrauchen wagt

Es wird

In diesem Zusammenhang ist es notwendig, auf eine Notiz zurückzulommen, die gestern in der bürgerlichen Presse zu finden war. Es wurde da die märchenhafte Behauptung aufgestellt, daß die Gemeindearbeiter mit ihrer Lohnbewegung die bevor. stehenden Gemeindewahlen abgewartet hätten, weil sie da auf ein günstigeres Entgegenkommen rechnen fönnten. fogar hinzugefügt, daß diese Lohnbewegung von angeblich radi. taler Seite, zu dem zwecke, fie für die Wahlagitation auszu nüßen, angezettelt worden sei. Diese offenbar gleichfalls von städ= tischer Seite inspirierte Notiz verkennt die einfache Tatsache, daß der ohnvertrag am 30. September abgelaufen ist und daß die Ablehnung der Forderungen der Gemeindearbeiter durch den Magistrat und die städtischen Werke und das Hinziehen durch die Schlichtungsinstanzen es mit sich gebracht haben, daß wir heute

furz vor den Wahlen unmittelbar vor einem Streit der Gas- und Wafferarbeiter und vielleicht auch der übrigen Ge­meindearbeiter stehen. Die radikale Seite" ist in diesem Falle einzig und allein der Magistrat und die von ihm in. fpirierten städtischen Werte.

Es wird dann weiter behauptet, daß die Gas- und Wasser­arbeiter dieselben Löhne hätten wie die Kämmerei und Staats­arbeiter, was freilich nicht viel besagen will. Faktisch sind die Löhne der Handwerker bei den Kämmereiarbeitern um 2, bei den Staats­arbeitern bis zu 3 Pf. höher; bei den Arbeitern der Elektrizitäts­werke sind die Löhne um 8 bis 10 Pf. die Stunde höher!

Wie eine Berhöhnung flingt es, wenn man z. B. den Gasarbei tern das Ruhegehalt und die dauernde Beschäftigung porrechnet. Vor dem Kriege beschäftigte die Stadt Berlin   mit den ist die Belegschaft weiter um 1500 Personen verringert worden, seitdem hinzugekommenen Gaswerfen rund 8000 Gasarbeiter. Da von waren bis zum 1. Januar 1924 rund 1000 abgebaut. Seitdem obwohl inzwischen noch das Gaswert von Niederbarnim   mit 300 Arbeitern dazu fam und obwohl sich der Gastonsum im Laufe des Jahres allein um 17 Proz. erhöht hat.

Nun gibt die städtische Seite" selbst zu, daß die Friedens­reallöhne nicht erreicht sind, obwohl der Stundenlohn haupten, daß die Teuerung feit 1914 nur 30 bis 40 Proz. beträgt? um 30-40 Proz. erhöht worden ist. Will man damit etwa be­Oder daß die Löhne 1914 besonders hohe waren? Wenn man die verminderte Stundenzahl hervorhebt, dann wäre es die verdammte

Pflicht und Schuldigkeit der städtischen Seite" gewesen, hinzuzu­fügen, daß gleichzeitig

ist. Man hätte auch hinzufügen müssen, daß der Wochenlohn weiter die Leiftung außerordentlich geffiegen verkürzt wird durch die erhöhten Abzüge.

Warum aber diese verlogene und deshalb höchst ungeschicte Verteidigung? Ungesdidt ist sie, weil die Deffentlichkeit, sobald sie über den wahren Stand der Dinge aufgeklärt sein wird, fich gegen die Tendenzlügen der städtischen Seite" wenden wird und weil die städtischen Arbeiter durch solche Lügen nur noch mehr er. bittert werden müssen. Die städtische Seite gefteht es am Schluß ziemlich unverblümt ein, warum man die Lohnerhöhung ablehnt, Unternehmer der Privatindustrie fürchten, diese Lohn beren Berechtigung man nicht zu bestreiten wagt. Weil die erhöhungen könnten auch auf die Privatindustrie eine Rüd wir. tung haben.

Um

nur ein

Darauf ist zu erwidern, daß die städtischen Werfe einmal erst die Löhnef zahlen sollen, die in der Privatindustrie gezahlt werden, ehe sie sich auf diese berufen. Beispiel zu wählen: Im privaten Kohlenhandel beträgt der Lohn der Kohlenarbeiter 98 Pf.; in den Gaswerten 75 Pf. die Stunde. Alfo ein Minus von 23 Pf. Die Gemeindearbeiter verlangen eine Aufbesserung von 10 Pf. Wer fann behaupten, daß diese Forderung

unbescheiden ist? Wer tann die Stirn haben, wenn ihm diese Tat fachen bekannt sind, gegen die Gasarbeiter Vorwürfe zu erheben? Wenn es nach dem Willen des Magistrats und der Werke bei der 2blehnung der bescheidenen Forderung bleibt und es zur Kata­strophe tommt, dann wird die Deffentlichkeit allein die Reaktion im Magistrat dafür verantwortlich machen.

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