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Weiße Woche.

Seit der Stabilisierung unserer Wirtschaft hat sich das laufende Bublikum der Großstädte daran gewöhnt, daß den Inventurver: täufen nach einer kurzen Bause auch die Weißen Wochen folgen. Ihr 3wed ist es, in einer Zeit, in der bei normalen Preisen die Käufer ausbleiben, durch Breisherabsegungen Kundschaft heranzuziehen. In diesem Jahre haben die Preisherabsetzungen der Inventurverkäuse und der Weißen Woche noch eine besondere Bedeutung. Sie sind die Wegbereiter des allgemeinen Preisabbaues im Einzelhandel mit Textilien und Bekleidung. Die Erfahrung, die der Einzelhandel aus dem wenig befriedigenden Weihnachtsgeschäft gezogen hat, müffen fich zu der Erkenntnis verdichten, daß es für den Einzelhandel nur eins gibt, die Preise mit dem Einkommen der großen Maffen in Einklang zu bringen. Es tommt alles darauf an, daß der Einzel­handel die große Macht, über die er verfügt, auch in der rich. tigen Weise seinen Lieferanten gegenüber zur Geltung bringt und die notwendigen Preisermäßigungen durchdrückt. Davon wird es abhängen, ob die allgemeine Preisermäßigung auch eine dauernde ist.

Bei dieser Gelegenheit muß einmal auf die Tatsache hingewiesen merden, daß die Frauen der arbeitenden Klassen es bei ihren Ein­fäufen oft an der nötigen Sorgfalt fehlen lassen und deshalb die Ware teurer bezahlen müssen, als die Frauen der bessergestellten Be­völkerungsschichten. Gewiß, den lezigenannten Frauen, die häufig durch Bedienungspersonal der Sorgen um die Häuslichkeit enthoben find, die einen großen Teil ihrer freien Zeit in Geschäften zubringen, dort die Qualitäten und Preise vergleichen können, werden die preis­wertesten Waren vorgelegt. Der auf die Psyche seiner Käufer ein gestellte Verkäufer weiß, daß die befferfituierte Frau eine fritischer veranlagte Kundin ist, als die Arbeiterfrau, die, geplagt durch die Arbeitslast in der eigenen Häuslichkeit, über wenig freie Zeit ver­fügt. Sie fauft sofort und baut darauf, daß der Berkäufer das Bertrauen nicht mißbraucht

Und dann noch eins: Der Verkäufer soll dem Käufer ein Be­rater sein. Dazu gehört aber eine eingehende Warenkenntnis. Wer verfügt über sie?. Bei der heutigen Ausbildung des Personals fann fie der Berkäufer gar nicht besigen. Der ältere Berfäufer aber, der fachtundig genug ist, er verschwindet dank der Arbeitgeberpolitit, die die Inhaber unserer Einzelhandelsgeschäfte treiben, immer mehr. Der Berfäufer von heute fühlt sich nur als Beauftragter feines Chefs. Er muß dem Kunden Ware verkaufen, am besten die Ware, die den größten Nutzen bringt. Der Kunde aber läßt sich gewöhnlich beschwatzen. Er läßt seine Ware durch den Berkäufer kaufen und bezahlt sie mur. Ein Verkäufer aber, der nicht nur feinem Chef, fondern der Wirtschaft dienen will, muß sich in erster Linie als Ver mittler fühlen. In der tapitalistischen Gesellschaft wird das Ideal eines derartigen Berkäufers wohl niemals Wirklichkeit merden.

Die Wehrmacht der Republik  . ,, Stolz weht die Flagge schwarzweißrot." Ein Leser schreibt uns: Am Sonntagnachmittag zog das Bach tommando der Reichswehr   vom Reichsmehrministerium ab und spielte dabei den Marsch Stolz weht die Flaggefchwarz­meißrot". Ich machte den Offizier darauf aufmerksam, daß es gänzlich unangebracht sei, dieses Lied zu spielen, die Flagge der Republit jei schwarzrotgold. Sofort stürzte ein Mann auf mich zu amb hielt mich fest, ein zweiter perlangte meine Ba piers, die ich bereitwilligst geben wollte, als ein dritter Mann mir mit einem nachdrücklichen Schlag auf die Schulter eröffnete: Sie find verhaftet!" Ich erklärte ihm, daß er bitz Pein Recht hätte, morauf er mich am Arm mitzerrte. Ich wurde aufgefordert, mit der Truppe mitzumarschieren. Das lehnte ich ab, erflärte mich aber bereit, auf dem Bürgersteige mitzugehen. Um feine weiteren Ungelegenheiten zu haben, bat ich ihn, mich loszu laffen und erklärte ihm, daß ich freiwillig mitgehen würde. Ich wurde durch den ganzen Tiergarten und Moabit   nach der Kaserne Rathe­nower Straße von drei Soldaten estortiert, je einer rechts und links, einer hinter mir, mit Gewehr. In der Kaserne wurde ich auf der Bache abgeliefert und nach einiger Zeit dem diensttuenden Adjutanten des Wachregiments vorgeführt. Auf meine Frage, weshalb die Kapelle den Marsch Stolz weht die Flagge schwarzweißrot" spielte, erklärte mir der Adjutant, der Marsch sei ausdrücklich Dom Retchswehrministerium ge­nehmigt. Zu der Verhaftung erklärte er, daß der Offizier der Truppe selbstverständlich fein Recht gehabt hätte, mich zu verhaften. Die Verhandlungen mit dem Adjutanten spielten sich im Gegensatz zu den vorhergegangenen Ereignissen in der liebenswürdigsten und fonziliantesten Weise ab."

Die Berhaftung" zeigt, wie es in den Hirnen gewiffer Reichs mehrleute aussieht.

Ein ernstes Wort an die Republik  ! Der jugendliche Hans Klaffert, ber am Abend des 27. Januar in Charlottenburg   von einem Böltischen durch Bauchschuß schwer verlegt wurde, ist seinen schweren Berlegungen erlegen. Genosse August Bleier, Pfarrer an der Trinitatisfirche,

schreibt uns dazu:

Hans Klaffert, der mit ein Opfer der Schießerei am Wilhelm platz Charlottenburg geworden ist, war mir wohlbefannt. Er war vor 6 Jahren in meinem Konfirmandenunterricht. Sowohl im Unterricht wie später habe ich ihn gern gesehen. Sein frisches, natür­Liches Wesen, seine gefällige Art und die treuen Augen, aus denen etwas Unverdorbenes leuchtete, freuten mich. Als ich jetzt bei der Mutter war, um ihr die Hand zu drücken und sie zu fragen, ob ich ihr helfen önnte, fagte fie leuchtenden Auges: Er trant nicht, er rauchte nicht, er hatte keine Waffe. Noch nicht mal ein Taschenmesser fonnten sie bet ihm finden. Die anderen hatten Doldmesser und Revolver." Ich weiß, wie er für die fußleidende Mutter gesorgt hat, wie er sich zu Weihnachten freute, als die Mutter, die eine arme Kriegerwitwe ist, aus dem Krankenhaus tam. Jegt im Krankenhaufe, als ich bei ihm war, war seine einzige Bitte: Sagen Sie doch der Mutter, daß sie sich nicht sorgt. Das sagte er zum Abschied, nachdem ich gejagt hatte: Nur Mut, du bist hier in guten Händen! Der Arzt hofft dich durchzubringen."

Als ich zurück fuhr, um der Mutter den Gruß zu bestellen, fragte ich mich: Muß das sein? Ich stand neulich an dem Grabe des erschossenen Reichsbannermannes Schulz auf dem Garnisonfriedhof Hafenheide, sprach vor einiger Zeit am Grabe eines erschossenen Reichsbannermannes in Freienwalde  . Beide waren friedliche Menschen, die nie einem Kinde etwas zuleide getan haben. Müffen bei uns die politischen Leidenschaften und Gegenfäße mit Schuß­waffen, Dolchmessern ausgetragen werden, und zwar so, daß eine beftiminte Gruppe über Waffen verfügt, fortgefeht dadurch die Straßen unficher macht, die Menschen bedrohen fann, während die Arbeiterschaft längst entwaffnet ist? Ist unsere Staatsgewalt nicht Start genug, alle zu entwaffnen und diejenigen, die wie Landsknechte Schreden und Mord auf die Straße tragen, in ihre Schranken zurüd zu verweisen?

Die Gefahren des Großstadtverkehrs. Der Zusammenstoß eines Autoombnibusses der Linie 19 mit einem Feuerwehrzuge, der sich nachts um 1% Uhr am 13. mai 1925 in der Königstraße an der Kreuzung der Poststraße er eignete, und der das Umtippen des Autoomnibuffes zur Folge hatte, beschäftigte gestern in der Berujung nochmals die erste große Straflammer des Landgerichts I  . Das Schöffengericht hatte den Kraftwagenführer Leo Rautenberg an dem Unfall fchuldig be­funden und wegen fahrlässiger Körperverlegung, da 20 Insassen des Autobuffes mehr oder weniger schwer verletzt worden waren, zu brei Monaten Gefängnis verurteilt.

Der Angeklagte hatte Berufung eingelegt. Der zur Bor­bereitung der neuen Hauptverhandlung vorgenommene nächtliche Lotaltermin hatte insofern ein dantenswertes Ergebnis, als eine were Gefahr im Berliner   Verkehrsleben dadurch aufgedeckt worden ift. Es zeigte sich nämlich, daß selbst in der Nacht, bei größter Ver­tehrsstille die Klingeizeichen der Feuerwehr im Autobus nicht zu hören waren. Der Sachverständige, Diplomingenieur und Polizei: hauptmann Engert, führte diesen Umstand darauf zurück, daß die Boſiſtraße sehr schmal ist und zu beiden Seiten hohe Häuser hat, so daß der Schall wahrscheinlich nach oben geht und nicht nach vorn zur Königstraße. Der Vorsitzende äußerte dann auch, daß das ganz unmögliche Zustände seien und es tönnte jeden Augenblic wieder irgend ein Unglück geschehen. Der Sachverständige erwiderte dann auch darauf, daß bereits Besprechungen über eine Aenderung im Signalwesen ber Feuerwehr im Gange feien. Auch dem Staats anwaltschaftsrat Lanzenberger blieb angesichts des Gutachtens nichts anderes übrig, als fich dem Antrage auf Freisprechung anzuschließen. Die Straftammer sprach dann auch demgemäß den Angeklagten frei. Unter Anklage des Mordversuchs.

Die ungetreue Braut.

Treulose Gesinnung, wachsende Eifersucht und der unglückselige Revolver hatten wieder einmal bestimmend in das Schicksal eines Menschen eingegriffen. Weil er die Waffe gegen seine Braut, die es mit einem anderen hielt, richtete, mußte sich der Arbeiter rig St. vor den Geschworenen des Landgerichts I   wegen ver­luchten Mordes verantworten.

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St. war in Storfom in einer bescheidenen Stellung, die es gerade schlagen. Als er dann die Frieda W. tennen lernte, sich in fie ver­nur ihm selbst ermöglichte, fich recht und schlecht durchs Leben zu liebte, fich furze Zeit darauf mit ihr verlobte, trug er doppelt schwer unter der brückenden Sorge seiner geringen Einfünfte. Um feine Braut bald heiraten zu tönnen, wollte er unter allen Um ständen mehr verdienen. Stortow bot ihm teine Ge legenheit dazu, also mußte und tonnte es nur Berlin   sein. Und als das junge Mädchen ihm nach hier folgte, nahmen beide bei der Schwester des Angeklagten, einer Frau R., ein gemeinsames Zimmer. Wie die Großstadt schon so manchen um seine Hoffnungen betrog, so erging es auch St. Arbeit war nur schwer zu finden, das Koftgeld für das junge Baar eine schwere Last, die sich der Angeklagte auf­gebürdet hatte. Streitigkeiten mit der Schwester, die langfame Er. fenntnis, daß seine Braut sich allmählich immer mehr von ihm zu entfremden schien, drückten den weltfremden und unbeholfenen St. immer mehr zu Boden. Seine aufrichtige Zuneigung zu seiner seine Stelle getreten und schien seine neuen Rechte ziemlich ungeniert Braut fand keine Zuneigung mehr. Ein Photograph H. war an geltend zu machen. 3weimal traf der Angeklagte sein Mädchen mit bem Rebenbuhler, verbat sich zunächst energisch diese zusammen fünfte und verabreichte dem H. beim zweitenmal mehrere fräftige Dhrfeigen.. Trogom fand der neue Geliebte Einfaß in die Wohnung der Schwefter bes St. Frau R. machte ihrem Bruder davon teine Mitteilung. Das Verhängnis nahm dann sehr schnell feinen Lauf. Schon oft hatte St. die Abficht geäußert, ein­mal mur fich selbst, dann wieder auch seiner Braut das Leben zu nehmen. Er schrieb einen Abschiebsbrief an eine andere Schwester in Fürstenwalde, die mehr an dem Bruder zu hängen schien. Zuvor hatte er ihr schon einen Besuch gemacht, um sie einmal wiederzusehen, hatte sich aber in Wahrheit einen fleinen Trommelrevolver gekauft, den er in Berlin   ohne Waffenschein nicht erhalten fonnte Drei Tage und Nächte irrte St. dann umher. Als er schließlich bei seiner Schwester in der Berliner   Wohnung wieder Cinlaß begehrte, murde ihm dieser versagt. Frau R. fchickte ihren Bruder auf deffen Frage nach feiner Braut nach dem Weddingplats. wo er fie finden würde. Frieda B. war aber mit dem Photo­graphen ausgegangen. Ein unglücklicher Zufall ließ fie die Wege bes Angeklagten treuzen. Bieber tam es zu unliebfamen Auf tritten, in deren Verlauf sich der Revolver in der Manteltasche des St. von selbst löfte, aber wieder feinen Schaden anrichtete. 5. mußte nochmals Ohrfeigen einstecken und gab dann Fersengeld. Der Angeklagte fuchte dann, scheinbar verföhnt, mit seiner Braut gemeinsam ein Lokal auf. Hier verließ ihn die W. aber mieder, ging in die Wohnung zurück und schloß sich ein. In ihrem Zimmer tam es dann zu der Katastrophe. St. verschaffte sich Einlaß, richtete noch einmal einige bittende Worte an feine Braut, wurde abermals abgemiefen und gab schließlich drei Schüsse auf das Mäb den ab, die sie an Hand und Schulter perlegten. Un gefährlich waren die Handverlegungen, während die Kugel im Oberarm stecken blieb und noch weitere Folgen nach sich ziehen tann. St. gab in der Berhandlung alles zu, wollte jedoch mit dem Schießen nur einen Dentzettel ausgeteilt haben. Der Staatsanwalt hielt versuchten Mord für vorliegend, die Selbstmordäuße rungen des Angeklagten, feine Reise nach Fürstenwalde und ebenjo die ganze Ausführung der Tot sprächen unbedingt für reifliche und norfäßliche Ermägung und leberlegung. Er beantragte fünf Jahre Zuchthaus, ferner für das unbefugte Tragen einer Waffe, die zu Gewalttätigkeiten dienen sollte, ein weiteres Jahr Zuchthaus und bat um eine Gesamtftrafe Don

fünf Jahren und brei Monaten Buchthaus, weiter brei Jahren abgesprochen werden. follten dem St. die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von

legung. Der Angeklagte wurde also mur des persuchten Tot. Auch das Gericht nahm Borsaz an, perneinte aber die leber­lages für schuldig befunden und im übrigen zu einer Ge: fängnisstrafe von brei Jahren verurteilt, wovon drei Monate durch die Untersuchungshaft als verbüßt galten.

Das Rundfunkprogramm. Dienstag, den 2. Februar.

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Außer dem üblichen Tagesprogramm: 4.30-6 Uhr nachm.: Kammermusik von Haydn   bis Schönberg. Kniestädt, 2. Violine; Hans Mahlke  , Bratsche; Adolf Steiner  , Havemann- Quartett: Prof. Gustav Havemann  , 1. Violine; Georg Cello. Mitwirkend: Rudolf Schmidt, Klavier. IX. Beethoven. 1. Sonate A- Dur, op. 47( Kreutzer- Sonate), für Violine und Klavier: Adagio sostenuto Presto Finale: Andante con Variazioni Presto( Prof. Gustav Havemann   und Rudolf Schmidt). 2. Streich­quartett Cis- Moll, op. 131: Adagio ma non troppo e molto espressivo Allegro molto vivace Allegro moderato Andante ma non troppo e cantabile Presto Adagio quasi un poco Andante Allegro. 6.45 Uhr abends: Stunde mit Büchern: törichte Herz und Die arme Johanna". Eine neue Romanreihe Neue Romane". F. W. Bischoff: Alter". Paul Zech  : Das ( Georg Hirschfeld  , Rudolf Huch  . Hans v. Hülson, Emil Lucka  ). Kellermann: Die Brüder Schellenberg. 7.15 Uhr abends: Hans­Bredow- Schule Bildungskurse). Abteilung Sprachunterricht. Eng lisch( R. Herdman Pender). 8-10 Uhr abends: Sendespiele. Ab­teilung Operette. Leitung: Cornelis Bronsgeest  . Spielzeit 1925/26. 25. Veranstaltung. Der Gauklerkönig". Operette in drei Teilen von Jean Gilbert  . Dirigent: Bruno Seidler- Winkler  . Der König: Paul Harden; Fürst Stefan: Fritz Greiner  ; Jolante, seine Tochter: Edith Karin; Boris. sein Neffe, Adjutant des Königs: Bernhard Bötel  ; Maurus Strudel: Franz Groß; Sari, seine Tochter: Pepi Zampa; Camillo: Paul Harden; Melitta: Bozena Bradsky( die letzteren vier sind Mitglieder einer wandernden Schauspieler­truppe). Der Kammerherr. der Haushofmeister, der Verwalter. der Bürgermeister, Hoflente, Offiziere, Soldaten. Schauspieler, Dorfleute, Diener. Anschließend: Dritte Bekanntgabe der neuesten Tagesnachrichten, Zeitansage. Wetterdienst. Sportnach­richten. Theater- und Filmdienst. 10.30-12 Uhr abends: Tanz­musik( Rapées Jazzsinfoniker, Dirigent: Ernö Rapée  ). Königswusterhausen, Dienstag, den 2. Februar.

3-3.30 Uhr nachm.: Geh Reg.- Rat Dr. Ministerialrat Kühne: Der innere Ausbau der Berufsschulen. 3.30-4 Uhr nachm.: Frau Mathes- Wimermark: Schwedisch für Anfänger. 4-4.30 Uhr nachm Wirkl. Geh. Ober- Reg.- Rat Dr. v. Seefeld  : Die rechtlichen Grund­lagen der Berufsschulen. 4.30-5 Uhr nachm: Frl. Lili Droescher:

Die Frau als Erzieherin.

Die Grundwafferplage in Niederschönhausen  . Ein Sachverständigengutachten.

Die von nichtamtlicher Seite verbreiteten Meldungen über die Kellerüberschwemmungen in Niederschönhausen   lassen immer noch die Frage offen, ob diese mit der im Juli 1922 porgenommenen Stillegung des fleinen Wasserwerks Nieder­ schönhausen   in Verbindung stehen. Die Berliner Städtische Wasserwerfe 2.-G. vertritt ben Standpunkt, daß dies nicht der Fall ist und stüßt sich hierbei auf eine Reihe ganz unwiderleglicher Be­weise. Als einer von diesen sei angeführt das im Jahre 1901 ver Erbauung des Wassermerts im Auftrage der Gemeinde Nieder­ schönhausen   auf Grund vorangegangener hydrologischer Borarbeiten erstattete Gutachten eines namhaften Wasserfachverständigen; er jagt:

Bom hydrologischen Standpunkt aus zeigen die beiden er­schlossenen Brofile A B und CD die bemerkenswerte Tatsache, daß das Verfuchsfeld zwei besonders entwidelte, voneinander durch un­durchlässigen Ton getrennte Wafferstocwerke aufweist. Das obere Stod wert, welches die Flachbrunnen der Umgebung mit Grurd­waffer fpeist, besteht aus ziemlich feinen Sanden und die Mächtigkeit der wasserführenden Schichten desselben beträgt im Durchschnitt etwa zwei bis drei Meter. Dieses obere Stedwerk fann als Wasserbezugsort schon infolge seiner geringen Mächtigkeit reinigungen von der Erdoberfläche aus faum in Frage kommen. und in Ermangelung einer hinreichenden Schugtede gegen Berun Immerhin erscheint es erforderlich, durch Beobachtung festzustellen, ob dieses obere Stockwerf mit den unteren wasserführenden Lagen in hydraulischem Zusammenhang steht oder nicht. Die Feststellung dieser Tatsache ist insofern von großer Tragweite, als im ersteren Falle die Gefahr vorhanden ist, daß das untere Wasser­fiecwerk vom oberen aus auf dem Wege der Kommunikation in fiziert werten tann." Es werden sodann die zur Feststellung der Sachlage erforderlichen Vorrichtungen beschrieben und als Ergeb nis der Beobachtungen und Messungen weiter fol­gendes gesagt: lleber den bereits vorstehend erörterten hydrauli schen Zusammenhang zwischen dem oberen und dem unteren Stod. werf gibt das Spiegelverhalten von Beobachtungsrohr 1 b, welches auf Blatt 5 dargestellt ist, Aufschluß. Ein Vergleich feines Spiegel. ganges mit demjenigen von 1a lehrt ohne weiteres, daß ein der­artiger Zusammenhang taum besteht, denn sonst müßte eine Uebereinstimmung im Spiegelgange beider in Erscheinung treten. Aus diesem Grunde bin ich der Ansicht, daß das untere Stoďwert Dom eberen hydraulisch unabhängig ist und daß damit auch in hygienischer Beziehung feinerlei Einwand gegen den in Aussicht genommenen Wafferbezugsort erhoben werden fann."

Auf Grund dieses Gutachtens ist dann das Wasserwerf gebaut morden. Die Erbauung hätte aus hygienischen Gründen nicht er­folgen können, wenn ein Zusammenhang zwischen dem oberen und dem unteren Wasserstockwert festgestellt worden wäre. Es ergibt fich hieraus, daß alle auf der Borauslegung eines Zusammenhanges zwischen den beiden Wasserstockwerfen beruhenden Kombinationen irrtümlich find.

Ten Fürsorgezöglingen zur Ehrenrettung!

Was gilt die Ehre eines Fürsorgezöglings? Hat der überhaupt mahrioste und verfommene Jungen und Mädel, die einmal nichts so etwas, wie eine Ehre"? Sind die Fürsorgezöglinge nicht ,, per­anderes als Verbrecher merden? Ach ja, einen Fürsorge­baß er Dom rechten Wege abgewichen war, einen Lumpen und Ber­zögling darf jeder, bem selber noch niemals nachgewiesen murbe, brecher schimpfen! Gegen dieses leichtfertige Urteil über bie Gesamtheit ber Fürsorge3öglinge, bem man in in einer mit Vertretern der Breffe veranstalteten Besprechung ber meiten Kreisen der Bevölkerung immer noch begegnet, wandte fich bermagiftratsat naut, ber Direktor des Erziehungswesens ber Löfung die städtische Jugendwohlfahrtspflege herangehen muß, über Stadt Berlin  . Er äußerte fich über eine Reihe Aufgaben, an deren Jugendnot und Jugendberatung, über Homoferualität und Jugend, über Gefährdung der zugewanderten und erwerbslosen Jugend. Auf einige der von ihm berührten Fragen werden wir bei Gelegenheit zurüdtommen. Heute wollen wir nur auf die von starter Herzens­wärme erfüllten Ausführungen hinweisen, die Direttor Knaut den Fürsorgezöglingen zur Ehrenrettung widmete.

daß die Fürsorgezöglinge meist Berbrecher" feien. 25 Prozent Eine Beleidigung und Berleumbung nannte Knaut das Gerede, der Kinder, die in Fürsorgeerziehung fommen, haben ja über­haupt nichts perbrochen. Sie sind nur, weil die Eltern nichts taugen, zu ihrem Schuh in Fürsorgeerziehung genommen worden. Die anderen 75 Brozent der Fürsorgezöglinge zeigten bei ihrer leberweisung zur Fürsorgeerziehung schon jelber Spuren der Berwahrlosung. Aber darf man sie deshalb Berbrecher" schelten? Die Hälfte dieser Kinder war in Familien auf. gewachsen, benen der Bater oder die Mutter fehlte. Sind solche Kinder nicht besonderer Berwahrlosungsgefahr ausgefegt? Und fann man bei der Zusammenpferchung großer Familien in engen Wohnungen sich über die Folgen wundern? Wer diese Kinder als Verbrecher" beschimpft, der handelt fagte Direttor Knaut in zornigem Eifer felber wie ein Bera brecher! Auch das ist Gerede von Unwissenden, daß die Jungen und Mädel in der Fürsorgeerziehung nur schlechter werden". Ja, wenn einmal ein früherer Fürsorgezögling bei einer schweren Ge­fegesverlegung betroffen wird, dann stellt man fest: ein frühe= rer Fürsorgezögling". Aber von den Fürsorgezöglingen, bie gut geraten sind, erfährt fein Mensch. Ermittelungen aus einem längeren Zeitraum haben ergeben, daß 70 Prozent der aus der Fürsorgeerziehung Entlassenen das geworden sind, was man einen ordentlichen Menschen" zu nennen pflegt. Unter den wegen ,, Unzucht" in Fürsorgeerziehung genommenen Mädchen waren 62 Prozent, die man als ehrbare Hausfrauen wiederfand.

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Direktor Knaut beklagte auch das Borurteil, das gegenüber der Anstaltserziehung immer noch herrscht. Die Anstalten werden für die angeblichen Mißerfolge ganz besonders verantwortlich gemacht. Aber die wenigsten dieser Kinder werden in Anstalten fchon in Lehr- oder Dienststellen, wo sie Wohnung und Beföstigung erzogen, die meisten find in fremden Familien untergebracht oder beim Arbeitgeber haben. Richtig ist nur, daß bie meisten, etwa 80 Prozent, a una ch ft für einige Zeit in Anstalten untergebracht werden, damit man durch Beobachtung feststellen kann, ob fie fort­dauernder Anstaltserziehung bedürfen oder sich zur Unterbringung in Familienpflege eignen. In Preußen gibt es zurzeit 70 000 Für­forgezöglinge, wovon 10 000 auf Berlin   entfallen. Schon aus diesen Bahlen ist bei dem bekannten Mangel an Anstalten zu schließen, daß die Anstaltserziehung nur wenig beteiligt sein kann.

Es gibt wieder Sammelfleisch.

den Berliner   Schlachtviehmarft einen ham melbontott verhängt. Die Berliner   Hammelengrosfchlächter hatten befanntlich über da die Zahl der dem Berliner   Schafmartt zugeführten trächtigen Tiere so überhand genommen hatte, daß die Biehzucht leiden mußte und dem Engrosschlächter wie der tonfumierenden Bevölkerung ein beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden entstand. Nach etwa 14tägiger Dauer des Bontotts ist nun, wie die Allgemeine Fleisher- Reitung" meldet, zwischen dem Interessenverband der Groß hlächtervereine Berlins   einerseits und den Bich handelsorganisationen andererseits eine dahingehende Bereinbarung getroffen morden, daß zum Ausgleich für bie Trachtenschäden bei allen Käufen an Schafnieh in Berlin   bei Sahlung der Rechnung 10 Bf. pro Stüd Schafvieh abgezogen werden. Die Bereinbarung tritt jofort in Kraft, so daß bereits von morgen, Dienstag, ab Hammelfleisch wieder überall in den Berliner  Fleischerläden erhältlich sein wird. Es ist zu hoffen, daß diese Regelung auch zu einer Verminderung des der Biehzucht feindlichen Auftriebes am trächtigen Schafvich führt.

Diplomgartenbauinfpettor Baul Radhe hält am Donnerstag, 4. Februar, 6 Uhr, im Dorfaal 6 der Landwirtschaftlichen   Hochschule, Invalibenftr. 42, einen Lichtbildervortrag Sier und Bliitensträucher. Rostenloser Eintritt.