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Ueberträgt man die Berhältnisse der Ruhrknappschaft auf den gesamten Reichstnappschaftsverein, wozu man durchaus berechtigt ist, dann errechnen sich die von der Novelle geforderten Berschlechterungen der Altersrenten auf rund 15 Millionen im Jahr. Man fann also unmög­lich sagen, daß ein solcher Abbau notwendig ist, weil das die ,, berechtigten wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Bergbaues" erfordern. Der Bergbau ist sehr wohl in der Lage, diese Lasten zu tragen. Eine gut ausgebaute Sozialversicherung schädigt überhaupt nicht den Bergbau; sie ist vielmehr die Voraus­segung einer gedeihlichen Entwicklung.

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Bennigsen, Richter& Co. Antisozialistischer Liberalismus.

Die letzte Tagung der sogenannten Liberalen Ber­unter Patronanz des einigung", die Reichstanzlers Dr. Luther stattfand, hat in den beteiligten Parteien eine Diskussion hervorgerufen, die unter der Oberfläche noch lebhafter ist als auf ihr. Die beiden einander entgegen gefeßten Auffassungen sind vielleicht am flarsten formuliert worden von der Kölnischen Zeitung  " einerseits und dem demo­fratischen Reichstagsabgeordneten Lemmer   andererseits. Die Kölnische Zeitung  " gab die Parole aus: Die Front stellung wird ebenso für die Nachfahren Bennigsens wie für die Erben Eugen Richters gegen den Sozialismus gerichtet sein müffen. Sie fordert Ausscheidung des fozi alistischet Giftes", das seinerzeit Na u mann einem Teil des Liberalismus eingeträufelt habe.

mit einer Berurteilung des deutschnationalen Gegners zu 200 M. und zur Tragung der Kosten. Im Prozeß hat sich u. a. folgendes herausgestellt: In einer Versammlung hat von Gräfe behauptet, der deutschnationale Reichstagsabgeord­nete Schlange Schöningen habe gelegentlich des Aus­einanderfallens der Fraktion Mampe bei der Dames- Ab­stimmung im Freundeskreise die Aeußerung getan: ,, Wie heilfroh bin ich, daß ich mir das ein leisten tann." Die Behauptung Gräfes wurde als haltlose Ber­dächtigung" hingestellt. Im Prozeß ergab sich aber nach dem Bericht des Deutschen Tageblatts" folgendes Bild:

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Die wirklichen Gefahren für den Bergbau liegen in Herr v. Bobungen erflärte als Zeuge unter Eid, daß baldigst dem ungeheuren Raubbau, der mit der menschlichen Arbeits­nach der unseligen Dawes- Abstimmung ein Mitglied der deutsch­fraft getrieben wird. Das durchschnittliche Invalidisierungs nationalen Reichstagsfraktion ihm gegenüber voll Widerwillen über alter mit 41 Jahren beweist zur Genüge das Ausmaß dieses die parlamentarische Verseuchung der deutschnationalen Fraktion er­Raubbaues an der menschlichen Arbeitskraft. Wir müssen flärt habe, unter den Neinjagern feien die größten Heuchler; so uns endlich davon frei machen, in den toten Produktions­hätten die beiden pommerschen Abgeordneten Schlange­einrichtungen die einzigen volkswirtschaftlichen Grundlagen zu Auf dem letzten demokratischen Parteitag für Bommern  , Schöningen   und von Dewiß zwar in ihrem Wahlkreise große sehen. Das entspricht einer falschen privatwirtschaftlichen Be­am vergangenen Sonntag, nahm der Abg. Lemmer   gegen Rundgebungen gegen die Dawes- Gefeße veranstaltet, in der Fraffion trachtungsweise, die uns geradezu ins Verderben führt. Auch diese Auffassung in temperamentvoller Weise Stellung. Er selbst aber in der Stille direkt für die Annahme gewirkt; daraus für den Bergbau ist die Arbeitstraft das wichtigste forderte die Partei auf, das Erbe Naumanns hochzuhalten. Die erkläre sich auch die Aeußerung des Abg. Schlange, die er in seiner volkswirtschaftliche Gut, das in erster Linie zu schüßen ist. Liberale Vereinigung" bezeichnete er offen als eine Vor- Gegenwart getan habe, nachdem die Annahme der Dames- Gesetze Wir sind deshalb der Auffassung, daß nicht nur die alten bereitung zum Bürgerblod. Es gelang ihm auch, gesichert erschien: Wie heilfroh bin ich, daß ich mir das Nein Bestimmungen über die Alterspension beizubehalten sind; die eine Entschließung zur Annahme zu bringen, die der Demokracisten fann!" Herr v. Bodungen erklärte weiter, daß der be­Novelle muß eine Benachteiligung jener Knappschaftsversichertischen Partei die Aufgabe zuweist... ,, im Geifte Friedrich treffende deutschnationale Abgeordnete ihn ausdrücklich er. ten, die nicht wesentliche bergmännische verrichten und ten, die nicht wesentliche bergmännische Arbeit verrichten und Naumanns unter Ueberwindung eines überlebten mächtigt habe, diesen Vorgang Herrn v. Graefe mitzuteilen jetzt feinen Anspruch auf die Alterspension haben, beseitigen. manchesterlichen Liberalismus die deutschen   mit der Berechtigung, ja mit dem Wunsche, davon in der Deffent­Auch das Prinzip der gleitenden Rente ist in vollem Menschen zu neuer und wahrhafter Staatsgesinnung zu lichkeit Gebrauch zu machen. Herr v. Gräfe habe also in der Neu­Umfange beizubehalten. Das Reichsknappschaftsgesetz hat brandenburger Versammlung das volle Recht gehabt, jene durch die Einführung dieses Prinzips einen prinzipiell wich Aeußerung wiederzugeben, und die Wahrheit des Inhalts selbst sei tigen sozialpolitischen Fortschritt für die gesamte deutsche   Sozial­durch das Zeugnis jenes deutschnationalen Reichstagsabgeordneten versicherung eingeleitet. Was für die Pensionierung der Staatsbeamten felbstverständlich ist, das sollte eigentlich für erweislich." die Arbeiter und Angestellten durch Ausbau der Sozialversiche rung auch selbstverständlich sein. Für die Angestellten des Bergbaues ist noch von besonderer Bedeutung, daß die Novelle eine gefegliche Festlegung des Beschlusses des Reichsfnapp­schaftsvorstandes vom 28. Januar 1925 über die Berechnung der Angestelltenpension für die vor bem 1. Jamuar 1924 zurüdgelegten Dienstzeiten bringt.

Nach der Denkschrift des Reichsarbeitsministers über die Sozialversicherung betrugen die Einnahmen der fnappschaft lichen Bensionsversicherung 1924 für die Arbeiter 131,4 mil lionen Mart, die Ausgaben 84,3 Millionen Mart, für die Angestellten die Einnahmen 16.6 Millionen, die Ausgaben 6,5 Millionen Mart. Es war also möglich, eine erhebliche Reserve anzusammeln. Von einem reinen Umlagever­fahren fann deshalb nicht gesprochen werden. In letzter Zeit ist häufig die Notwendigkeit eines Abbaues der Leistungen mit dem Hinweis begründet worden, daß die Entwicklung des Bersichertenbestandes die Aufbringung der Mittel gefährde. Auch diese Angaben halten einer ernsthaften Prüfung nicht stand. Bestenfalls beweisen sie nur die Richtigkeit unserer Forderung nach einer Bereinheit. lichung der gesamten Sozialversicherung. Für diese künftige Bereinheitlichung, wie sie auch die Reichs­verfassung verheißt, hat das Reichstnappschaftsgesetz manch Dorbildlichen Weg eingeschlagen; ihn weiterzugehen, muß das Ziel einer Novellierung des Reichstnappschafts­gefeßes sein. Dazu gehört nicht zuletzt der Ausbau der Selbstverwaltung. Die aufgetretenen Mängel bei der Durchführung des Gefeßes find zum erheblichen Teil auf die mangelhafte Konstruktion der Felbstverwaltung zurückzu­führen. Diese Mängel laffen fich beseitigen, wenn die Ver­ficherten den maßgebenden Einfluß erhalten, wie das die Reichsverfassung vorsieht.

Völkerbundskosten. Chamberlain teilte im Unterhaus auf An­frage mit, die Gesamtausgaben Großbritanniens  , Frankreichs   und Italiens   für den Bölferbund seit seinem Bestehen betrügen 430 000 bzw. 400 000 bzw. 230 000 Pfund Sterling( 3ufammen etwas über 20 Millionen Goldmark). In diesen Ausgaben seren die Kosten des Internationalen Gerichtshofes, die für das Jahr 1926 auf 76 300 Bfund veranschlagt werden, enthalten.

Münchner   Fasching.

Bon Peter Scher  .

Auf dem Atelierfest, morgens gegen zwei, ereignete es fich, daß der Bildhauer und seine Frau aus irdendeinem Grunde anein ander gerieten.

Ueberhaupt", sagte er nach mehrfachen scharfen Ausfällen von beiden Seitenüberhaupt scheint es dir absolut nicht zu bämmern, warum wir eine Nacht nach der andern durchtanzen, obgleich wir nicht wissen, von was wir eigentlich leben!"

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" So!" fagte fie scharf und betam eine ganz spige Nase in threm blaffen Geficht- fo! Und wer treibt mit Gewalt dazu oder ich?"

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Weil es daheim noch scheußlicher ist! Weil ich lieber hier den Hanswurst mache, als in einer Wohnung, die du vernachläffigft, weil du teine Frau, sondern ein freier Mensch bist, der sich aus. leben muß! Was haft du mir in der legten Woche als Mittageffen vorgesetzt! Es ist ein Standal!"

" Und wieviel Geld haft du mir gegeben! Warum verdienst du nicht mehr?" " Schäm' dich! Soviel ich hatte, hab ich dir gegeben! Du hättest einen Kitscher heiraten sollen!"

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,, und du eine Köchin! Oh wie gewöhnlich ist das!" Lilli! So geht es nicht weiter mit uns! Wir müssen uns ver. ständigen!"

Nie! Es ist alles aus! Wir müssen uns trennen!" Unsinn!"

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Ja- ich gehe! Ich sehe ein, daß du bei mir verkommst und ich bei dir. Daß du es weißt, ich habe es mir überlegt: ich

nehme eine Stellung an!"

du

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Du

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Als

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" Du

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eine Stelle!? Als was?"

als- ich werde jemand die Wirtschaft führen." die Wirtschaft!? Lilli!!"

Was hast du? Warum schreist du so?"

Ich habe eine glänzende Idee." Du?"

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Ja. Wenn du schon zum Aeußersten entschlossen bist- tönntest mein Gott!-fönntest du nicht mir die Wirtschaft führen?" Ihr Mund blieb offen vor Erstaunen. Rot war sie geworden. Auf diesen Einfall wär sie nie gekommen.

Mussolini   als Prolet".

Benn heute der allmächtige Duce im eleganten Dreß seinen Morgenritt macht oder abends mit untadelhafter Hemdbruft im Theater figt, so fommt gewiß niemand auf den antifaschistischen Ge­danken, daß der italienische Ministerpräsident vor noch gar nicht fo langer Zeit selbst zu den von ihm mit Hohn übergoffenen, primitiv getleideten Individuen" gehört hat, die das ästhetische Empfinden

führen.

Wenn man hinzufügt, daß die Kölnische Zeitung  " ein Organ der großen Industrieherren, Herr Lemmer aber ein demokratischer Gewerkschaftsvertreter ist, so wird das Bild der beiderseitigen Kampfstellung noch flarer.

Für großkapitalistische Kreise hat der Liberalismus nur noch Sinn und Zwed als eine wirtschaftsauffaffung, die der sozialistischen entgegengesetzt ist. Gerade in dieser Form aber ist der Liberalismus in einer Zeit, in der alle nach Staatshilfe und staatlichen Regelungen schreien, völlig über lebt und sinnlos. Dentbar ist er nur noch als eine Weltauf­fassung, die sich in Fragen der Verfassung zur persönlichen Frei­heit und Gleichberechtigung befennt und dem sozialen Fortschritt, sofern er sich als praktisch erweist, freie Bahn läßt. Ein solcher Liberalismus fönnte sich grundsäglich von der Sozialdemokratie nicht mehr scharf abgrenzen. Gang anders natürlich ein ,, Liberalismus  ", dem Schwarz- Weiß- Rot und Schwarz- Rot- Gold, Republik   und Monarchie, Demokratie oder Dittatur gleichgültig ist und der sich darauf beschränkt, die sozialistische Wirtschaftsauffassung zu negieren. Einem solchen Liberalismus" fehlt jedes Unterscheidungsmerfmal gegen Die weiter rechtsstehenden Parteien, mit denen er sich vielmehr flaffensolidarisch gegen die sozialistisch gesinnten Massen der Lohn- und Gehaltsempfänger stellen müßte.

So ist das Problem flargestellt, und es wird nüßlich sein, Die Diskussion im Lager der Bolkspartei und dem der Demo­traten mit Aufmerksamkeit zu verfolgen.

Partei Mampe.

Deutschnationale Heuchler am Pranger.

Schlange Schöningen und v. Dewiß, die Ab­geordneten des radikalen Pommernlandes find aber offenber feineswegs die einzigen Vertreter der personifizier ten Charafterlosigkeit". Erzellenz Hergt( ,, Hier stehe ich, ich fann nicht anders!) scheint die beiden Ehren­männer noch bei weitem zu übertreffen. Ueber ihn erfährt man folgende Aussage:

Endlich sagte Herr v. Bodungen noch auf eine an ihn gerichtete Frage aus, daß der betreffende deutschnationale Reichstagsabge­ordnete ihm damals voll Entrüstung erzählt habe: Zum Schluß jener Fraktionsfihung habe Erzellenz die Fraktion befragt, ob fie wünsche, daß er seinerseits für oder gegen die Dawes- Gesetze stimmen folle! Die Fraktion scheint sich dann dahin entschieden zu haben, taß es nach außen hin zwedinäßiger fei, wenn der Fraktionsvor sitzende mit Rein stimme."

Das ist die Frattion Mampe, wie sie leibt und lebt. In der wichtigsten Frage der deutschen   Politik läßt der Borsigende der Fraktion durch Abstimmung feststellen, ob er mit Ja oder Nein stimmen solle. Die Mampe- Helden erklären es für 3 wed mäßiger", wenn zur Wahrung des Deforums der Vorsitzende mit Nein stimmt. Das ist die notionale Opposition", das sind die Erneuerer Deutsch­ lands  "!

Die deutsch  - ruischen Wirtschaftsverträge. Austausch der Ratifizierungsurkunden in der Wilhelm­straße.

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Im Lande der Obotrit en mit dem bezeichnenden Heute mittag find im Auswärtigen Amt   die Ratifi Ochsenkopf im Wappen ist die Fehde zwischen den Völtation surkunden über die am 12. Oftober 1925 in tischen und den Deutschnationalen seit langem in höchster tation surkunden über die am 12. Oktober 1925 in Blüte. Hier in der Heimat des streitbaren v. Gräfe. Moskau   geschlossenen deusch russischen Rechts­und Wirtschaftsverträge ausgetauscht worden. Galde bee, in dem Lande der Fememörder und Kapp- Der Austausch wurde auf deutscher   Seite von dem Reichsminister Butschbanditen wird die Entlarvung der Deutschnationalen Sportmäßig betrieben. Das Deutsche Tageblatt" berichtet des Auswärtigen Dr. Stresemann, auf russischer Seite triumphierend über einen Prozeß, den Gräfe- Goldebee gegen von dem Botschafter der Union   der Sozialistischen Sowjet­einen deutschnationalen Ortsgruppenleiter in Neubranden- republiken Krestinsti vorgenommen, die Verträge treten burg dieser Tage ausgetragen hat. Personifizierte am 12. März 1926 in Kraft. Charatterlofigteit", so überschreibt das völkische Blatt seinen Triumphartikel. Damit meinen sie nicht sich, sondern die Deutschnationalen. Der Prozeß endete

dieſes arbiter elegantiarum" verleßen. Denn Herr Mussolini  , der den allerbescheidensten Verhältnissen entstammt, ist erst 42 Jahre alt, und das 20. Jahrhundert hatte schon begonnen, als er, ein 18jähriger junger Mann, mit 30 Lire in der Tasche, die ihm seine Mutter mit­gegeben hatte, auf die Walze ging. Als er in Yverdon  , der Bezirks­hauptstandt im schweizerischen Kanton Waadt  , antam, hatte er noch 3 Lire im Befig und weder einen Rohrplattenkoffer noch sonstige Attribute eines eleganten Mannes von Welt in seinem Reisegepäck. Er sah damals vielmehr einem Landstreicher verzweifelt ähnlich. nachdem er die erste Woche im fremben Lande verbracht hatte, schrieb er an einen Freund: Das einzige Metallstüd, das ich in der Tasche habe, ist ein Nickelmedaillon von Karl Mart. Morgens habe ich noch etwas Brot gegessen; aber ich weiß nicht, wo ich heute Nacht schlafen Bon Hunger ge foll. In Verzweiflung bin ich weiter gewandert. peinigt, tam er zu einem Häuschen, wo eine Familie bei offenem Fenster ihr Abendbrot nahm. Er bat: Haben Sie etwas Brot? Geben Sie mir etwas!" und erhielt es, aber ohne freundliches Lächeln.

,, Es gibt eine Brüde in Lausanne  ," so erzählt seine Biographin Margherita Sarforti, die im Leben Mussolinis eine geschichtliche Rolle spielte. Unter dieser Brücke pflegte er zu schlafen. In einer Nacht regnete es einmal so, daß er seine Zuflucht in einer fleinen Werkstatt nahm, die offen stand. Früh am Morgen wurde er dort Schlafend gefunden und verhaftet. Einen Tag und eine Nacht blieb er eingesperrt, als er wieder entlassen worden war, gelang es ihm endlich festen Fuß zu fassen. Er fand Arbeit als Laufbursche bei einem italienischen Weinhändler in Lausanne  . Barhäuptig und bar. fuß fuhr er in dieser Stellung, nur mit Hemd und Hose bekleidet, die Ware zu den Kunden. Er schob seinen Handwagen die Haupt­straße entlang, wo sich die elegante Welt zusammenfand, und lieferte die Weinflaschen bei den Fremdenpensionen und Hausbesigern ab, die am Ufer des Genfer Sees wohnten. Ich lernte Mussolini  ," so erzählt die italienische Sozialistin Angelita Balabonow, im Jahre 1906 bei einem Vortrag tennen, ben ich vor italienischen Wander­arbeitern in Lausanne   hielt. Mussolini  , damals ein Jüngling von 23 Jahren. fiel mir dadurch auf, daß er besonders abgerissen und hilfsbedürftig aussah. Er hatte schon damals den unruhigen und unsteten Blid, wie er erblich belasteten Menschen eigen ist. Ein besonders heruntergekommener Proletarier, dachte ich, fragte ihn, mer er sei, und woher er tomme. Mussolini   erzählte mir, er sei aus Stallen desertiert, weil er nicht einrüden wollte. Er lebte damals in der entsetzlichsten Not und wurde von den italienischen Landsleuten, den durchweg sozialistisch gesinnten Maurern und Straßenarbeitern, die in Lausanne   lebten. auf das opferfreudigfte unterſtügt. Ein Maurer   erzählte mir damals, daß er aus einem überflüssigen Lein­tuch von seiner Frau Unterwäsche für Mussolini   nähen ließ."

Diese bewegte Bergangenheit des italienischen Ministerpräsiden­ten ist sicherlich keine Schande für ihn; für seine Herzensbildung aber spricht es nicht, wenn er mit wenig Wig und viel Behagen Gäste seines Landes höhnt, die immerhin nicht als Landstreicher über die Alpen   tommen, sondern die italienische Gastfreundschaft mit barer Münze bezahlen, auch wenn ihre Anzüge vielleicht nicht immer den legten Londoner   Schnitt haben,

Vandervelde hat mit Briand   in Paris   eine Aussprache über die Bölkerbundratsige, die Besatzungsfrage und über die Berlängerung der französisch- belgischen Handelsabkommen gehabt.

Die Durchgängerin" von Ludwig Fulda   erlebte im Residenz­Theater die 50. Aufführung. Der frühere Luftspielton des Autors ist in dieser Posse ohne Gesang einer starten Hinneigung zur Kari­fatur und einer rücksichtslosen herausarbeitung tomischer Situationen und einer dreisten Freude an der Umbiegung gewichen. Die Dar­stellung geht auf diese Intentionen mit solcher Luft an der Sache ein, daß der Theatererfolg brillant ift. Die Durchgängerin wird von mit soviel charmanter Ausge­Claire Rommer verkörpert laffenheit, Wildheit, Spottluft und frischer Natürlichkeit, daß man ihr zu Liebe viele Schwächen des Stückes nachsieht. Neben ihr zeichnen fich Curt Bespermann und Hermann Picha   durch ihr Spiel aus.

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―r.

Aus der Nationalgalerie. Die Corinth  . Ausstellung der Berliner   Nationalgalerie hat einen bedeutenden Zuwachs erhalten: nach längeren Verhandlungen ist der Altar Corinths aus feiner Geburtsstadt, den der Meister 1909 für die Kirche von Tapiau  malte, nach Berlin   gekommen, ferner auch das Bild Odysseus   und der Bettler" aus der Modernen Galerie in Prag  . Der Eintritts­preis der Ausstellung mußte auf 2 M. festgelegt werden, da die Nationalgalerie die etwa 30 000 m. betragenden Kosten der Ver­anstaltung ganz aus diesen Eintrittsgeldern bestreiten muß. Trok­dem besuchten legten Sonntag mehr als 1700 Gäste die Aus­ftellung. Studenten und Schüler erhalten Karten zu helbem Breife. Die infolge der Corinth  - Ausstellung in der Nationalgalerie ab­genommenen Gemälde sind zum größten Teil bis auf weiteres in der Bildnissammlung der Galerie, Schinkelplatz 6 I, ausgestellt. Die Bildnissammlung ist außer Montag täglich von 10-3 Uhr geöffnet, Mittwoch und Donnerstag bei freiem Eintritt.

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Ein neues Hauptwerk des Delfter   Bermeer. Jan Vermeer  , der Meister von Delft  , gehört heute zu den berühmtesten Malern, deffen Arbeiten so teuer sind wie die Rembrandts. Da man von ihm höchstens 40 Bilder fennt, so ist das Auftauchen jedes neuen Werkes ein Ereignis. Wie Emil Waldmann   in Kunst und Künstler" berichte, ift nunmehr ein neues Meisterwerk dieses großen Malers bekannt geworden, das sich jetzt in Amerika   be findet. Das Bild die ,, Dame mit rotem Hut" gehört zu der Gruppe der großen Röpfe", deren berühmtestes Stück, das Mädchen mit der Flöte und den chinesischen Hut, bereits vor einigen Jahren nach Amerika   wanderte. Auch das Gesicht der Dame auf dem neuen Bild zeigt den eigenartigen chinesischen Typus und atmet die geheimnisvolle Stimmung, die dieser 3cuberer der Farbe den Bügen zu verleihen wußte. Das Bild war, wie jest nachgewiefen ift, 1822 auf einer Pariser Auktion und ist von dem Entdecker Vermeers. Bürger- Thoré, bereits beschrieben. Dann aber war es verschollen und ist erst jest wieder aufgetaucht.

Humboldt- Fochschule. Neber Die leelife Behandlung des nervösen Menschen( von Freud und Adler zu Coné  ?) spricht Dr. Juliusburger Comabenb 8 Uhr in der Aula Dorotheenftr. 12.

Eine Wander- kunffarsstellung. Die Berliner   Segelfion bat im Museum au Breslau   eine Ausstellung eröffnet, in der eine größere Stollektion Lovis Corinth   und der in Breslau   geborenen Mitglieder Jaedel urb Spiro gezeigt wird. Die Ausstellung wandert geschloffen nach Dresden  , Kassel   und anderen deutschen   Städten weiter.