Nr. 167 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 85

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Sonnabend, den 10. April 1926

Justizhetze gegen Asmus.

Ein Staatsanwalt, der nicht zu der deutschen   Justiz paßt.

Chemnik, 9. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Am Freitag, dem zweiten Verhandlungstag im Asmus- Prozeß, wurde eine Reihe weiterer Fälle behandelt, aus denen sich ergeben soll, daß der An­geflagte Straffällige der Bestrafung entzogen habe. Die eigentlichen fieben Anklagepunkte werden erst in der Sonnabend- oder Montag­

fizung zur Sprache kommen. Aber selbst die sorgsam herausgesuchten Fälle, etwa 20 von tausenden Bearbeitungen, erbringen tros der eifrigsten Anstrengung des Anflagevertreters nichts für Asmus Belastendes.

Herangezogen wurde zum Beispiel der Fall des Tischlermeisters

Jo ft aus der Nähe von Hainichen  . Der fabrizierte für eine Schüßen­gesellschaft

eine Schießbudenfigur, die den damaligen Reichspräsidenten Ebert   darstellte.

In der einen Hand hielt die Figur einen Geldbeutel, in der anderen eine Schnapsflasche, während der Zylinderhut die Inschrift Ebert trug. Diese hundsgemeine Beleidigung des da maligen Reichspräsidenten ,, ahndete" das Schöffengericht in hai  nichen mit Freisprechung. Weil Oberstaatsanwalt Asmus fich über diesen Fall berichten ließ und zu erkennen gab, daß er auch mit der in der Berufungsinstanz erfolgten Verurteilung zu ganzen 200 mart Geldstrafe nicht einverstanden war, soll er parteiisch gehandelt haben. In einem anderen Fall hat er auf Antrag ein Verfahren gegen Nationalsozialisten eröffnet, die die Schaufenster jüdischer Geschäftsleute mit antisemitischen Heßplafaten, in denen den Juden sittliche, politische und religiöse Berfehlungen vorgeworfen wurden, verunziert hatten. Auch daraus und weil er gegen den erfolgten Freispruch Berufung eingelegt hatte, folgert man seine Parteilichkeit.

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Tschechische Wahlreformpläne.

Zur Entrechtung der Minderheitsvölker. Bon Senator Wilhelm Nießner( Brag).

erhebung nicht zufrieden, das andere Mal hätte man noch dies und Dr. Benesch betriebenen Außenpolitit in einem erheblichen jenes machen können". Eine besondere Rolle spielten die

waren.

Die innere Politik der Tschechoslowakei  , die zu der von Gegensatz steht, ist in eine Sackgasse geraten. Es ist dies nicht das erstemal, denn die politischen Berhältnisse stehen schon seit Jahren im Zeichen der Krise, aber niemals waren sie noch so heillos verfahren wie jeßt. Der Staat wird gegen wärtig von einem Beamtenkabinett, einer Regierung von so­genannten Fachmännern regiert. Ihre Einsetzung ist der Ausdruck der Berlegenheit, fie iſt feineswegs aus dem Bedürfnis erfolgt, die parlamentarischen Minister, die ihr Ressort meist zu arger Parteiwirtschaft mißbrauchten, durch fach und fachkundige, den protektionslüfternen Parteien ent­rückte Menschen zu ersetzen. Die Beamtenregierung wurde eingesetzt, weil jeder andere Ausweg verschlossen war und nach dem Scheitern der ,, allnationalen" Roalition feine Mög­Regierung an ihre Stelle zu setzen. Nunmehr scheinen nur zwei Wege offen: eine noch schärfere Gewaltpolitik, die An­wendung halb oder ganzfaschistischer Methoden oder die Rück­tehr zur Demokratie, was in diesem Falle bedeutet: An­erkennung des tatsächlichen Charakters des Staates als den eines Nationalitäten staates. Ein dritter Weg  . etwa die Erneuerung der bisherigen Koalition, würde nur noch tiefer in das Gestrüpp der Krise hineinführen, womit nicht gesagt sein soll, daß die Erwählung verschärfter absolutistischer Mittel ein besseres Ergebnis zeitigen würde.

Fälle, wo Asmus Leute freigelassen hatte, die wegen Beleidigung der Reichswehr   in der Zeit des Reichswehreinmarsches in Sachsen   zum Teil auf Monate ins Gefängnis geworfen waren. Der Angeklagte konnte aber an Hand der Aften darauf verweisen, daß nur die entlassen wurden, die nach dem Gesetz ein Recht auf Freilassung hatten, weil weder Fluchtverdacht noch Ber­hatten, weil weder Fluchtverdacht noch Ber­dunkelungsgefahr vorlag und weil die Angeschuldigten geständig Bon besonderem Interesse war ein Fall Tradowsky. Dieser wegen seiner Ruhe und Besonnenheit bekannte Mann wurde wegen Landfriedensbruch in Untersuchungshaft genommen. Molichkeit bestand, eine anders zusammengestellte parlamentarische nate vergingen, ohne daß die Hauptverhandlung angefeßt wurde. Als der Termin immer wieder hinausgeschoben wurde, trat T. nach fünf Monaten Untersuchungshaft in den Hungerstreit. Das zuständige Gericht hat T. schließlich freigelassen. Weil Asmus in einem Privatgespräch schon vorher geäußert hatte, daß man den Trabowsky freilassen müffe, behauptet die Anklagevertretung auch hier eine unforrette Geschäftsführung.

Asmus äußerte fich zu jedem Fall sehr eingehend und begründete juristisch seine Haltung. Der Bertreter der Generalstaatsanwalt fchaft hatte in jedem Falle Ausstände kleinlichster Art zu machen. Das eine Mal war er mit dem Tempo der Beweis:| abend.

Militäraufstand in Griechenland  . Allgemeine Militärbewegung gegen den Diktator? Athen  , 9. April.  ( WIB.) Die„ Agence d'Athenes" meldet: Das Kriegsminifterium veröffentlicht folgenden amtlichen Bericht über eine unbedeutende Meuferei, die sich in der ver­gangenen Nacht in Saloniki   ereignete.

Die Offiziere Karafufas, Bakirdiis und Diaveas wiegelten Teile der Garnison von Saloniki   auf und marschierten aus der Stadt nach der Ortschaft Allatini. Der Beweggrund der Meuferei ist materieller Art. Die 11. Division umzingelfe schnell die Meuterer, die, von der Außenwelt abgeschloffen, durch einen Abgesandten erklärten, daß die Bewegung sich nicht gegen die Regierung, sondern gegen ihre Vor­gefehten richte und daß fie fich übergeben würden, wenn ihnen ver­sprochen würde, daß diese Vorgesetzten durch andere ersetzt würden.

Die Regierung antwortete, daß fie es ablehne, mit Meuterern zu verhandeln, und stellte ihnen eine Frist, nach deren Ablauf sie mit Waffengewalt auseinandergesprengt werden würden. Man er­wartet von einem Augenblid zum anderen ihre bedingungs. lofe Uebergabe. Die Flotte begibt sich auf eine heute nacht an fie ergangene Weifung mit voller Geschwindigkeit nach Saloniki  

Telegramme aus allen Städten Mazedoniens  , Thraziens und des Epirus  , sowie aus dem übrigen Griechenland   berichten, daß überall vollkommene Ruhe herrscht.

Eine groß angelegte Aktion? Belgrad  , 9. April.  ( EP.) Nach hier eingetroffenen Nach­richten handelt es sich bei der aus Saloniti gemeldeten Militär­revolte im Gegensatz zu der offiziellen Mitteilung des Athener  einen Akt von Kriegsminifteriums teineswegs um lokaler Bedeutung. Aus zahlreichen Städten Thraziens werden ähnliche Vorfälle wie aus Salonifi ge­meldet, die den Eindrud erwecken, daß es sich um eine groß angelegte planmäßige Artion handelt. Allgemein wird vermutet, daß der aus Südjlawien heimgekehrte General Plastiras die gegen den Diffator Pangalos gerichtete Bewegung unterstütze.

Wo ist Wahrheit? TU.: Beloborodow ist angeschoffen.- WTB.: Ich darf dementieren. Die TU. ergänzt ihre Meldung von dem Moskauer  Attentat durch folgenden weiteren Bericht:

Die Sowjetregierung hat den Beschluß gefaßt, das Attentat vor der Deffenllidjicit geheim zu halten. Freitag früh wurde Beloborodom unter starter Bolizeischutz nach dem Krankenhaus am

Lebhafte Auseinadersetzungen gab es verschiedentlich wegen der 1923 in Sachsen   bestandenen proletarischen hundert. fchaften und Kontrollausschüsse. Obwohl dem Gericht Der Begriff allnationale Roalition ist geeignet, im Aus­bekannt ist, daß die damalige Regierung die Hundertschaften lande falsche Vorstellungen zu erweden. Wer etwa meinen und Kontrollausschüffe nicht nur geduldet, sondern auch gefördert follte, es sei darunter eine Regierung aller im Staate leben­und sich ihrer bedient hat, macht man es dem Angeklagten zum den Nationen zu verstehen, verfiele der schwersten Täuschung. Borwurf, daß er nicht eingeschritten fei. Die Berteidigung beantragt Allnationale Koalition war nichts als der Name für die Zu­schließlich, den früheren Innenminister Liebmann als Zeugen zusammenfassung von fünf tschechischen Parteien zur Ausübung laden und Regierungsverordnungen beizubringen, aus denen her­der Regierungsgewalt im Sinne des tschechischen. Staatsge­dankens. Unter diesem Staatsgedanten" ist zu verstehen: der vorgeht, daß die damalige Regierung diese Einrichtungen unter­Staat ist ein tschechischer, ist ausschließlich als ein solcher zu ftüßt hat. regieren und die in ihm lebenden anderen Nationen sind nur Die Beschlußfassung über die Beweisanträge erfolgt am Sonn- Bölfersplitter, die als Kolonialmaterial zu dienen haben. Das auf solcher Grundlage aufgebaute Herrschafts­fyftem mußte notwendigerweise zur Ausübung von Gewalt methoden führen. Demokratie und Gewaltpolitit, auch wenn sich diese vorerst nur gegen die Minderheit der Bevölkerung richtete, sind miteinander unvereinbar; die Demokratie, die das Taufgut der tschechoslowakischen Republik gewesen, mußte weichen, ihre letzte ragende Säule ist das demokratische Wahlrecht, das übrigens beim Bersuch, den Sturz der Koa­lition aufzuhalten, im Herbst des Borjahres durch eine Wahl­reform auch schon untergraben wurde. Trotz aller Gewalt­maßregeln und reaktionären Gesetze, die den Weg der Koa­lition bezeichnen, fonnte ihr Niedergang nicht aufgehalten merden. Je weniger die Burgfriedensidee und die nationale Staatsideologie sich als wirksam erwiesen, die fünf heterogenen Parteien der Koalition dauernd beisammen zu halten und in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fragen ihr gemein­fames Handeln zu bestimmen, desto unfähiger wurde dieses Koalitionsgebilde, den Staat zu regieren und diese Unfähig­feit ebenso wie der Umstand, daß die durch die Koalition in den Sattel gesetzte Reaktion aus dem tschechischen Volke fühl­bar wurde, hat das Ende dieser politisch nationalen Bereini­gung herbeigeführt.

Kreml   gebracht, wo er unter persönlicher Aufsicht des Gesundheits­tommiffars Semaschko behandelt wird. Der Täter ist der 25jährige Student Porfiri Alegejem, der Sohn eines Beamten, der vor der Revolution im Kaiserschloß 3arsfoje Selo angestellt war. Allegejem absolvierte 1921 die Petersschule in Leningrad  . Er be findet sich jetzt im Gefängnis der Staatspolizei.

Ein WTB.- Dementi.

Mostau, 9. April.  ( BTB.) Der Vertreter des WTB. ist er mächtigt, die Nachricht von einem Anschlag auf den Kommissar des Innern, Beloborodow, zu dementieren.

Dieses Dementi ist merkwürdig. Die russische   Regierung hat ja ihre eigene Depeschenagentur, durch die sie demen­tieren fann. Barum tut sie es nicht? Und warum nimmt ihr das deutsche WTB. diese Arbeit ab?

Amendolas letzter Wille.

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Ist es wirklich das Ende? Es gibt niemanden- außer Laßt wissen, daß ich als Opfer des Faschismus sterbe!" Paris  , 9. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Der korrespondent etwa die Kommunisten, die in Ermangelung fonkreter Bor­des„ Soz. Preffedienst erfährt aus den dem verstorbenen Führer stellungen ihre bekannten Phantasien von der Errichtung einer der italienischen Oppofition, Amendola, naheftehenden Kreifen, Arbeiter und Bauernregierung" spinnen der nicht wüßte, daß der Verstorbene drei Tage vor seinem Tode gegenüber seinen daß die Tschechoslowakische Republik infolge der Zersplitte­Angehörigen wörtlich erklärt hat:„ Wenn mir ein Unglüd passieren rung des Parteiwesens nichts anders als durch follte, so laßt wiffen, daß ich als Opfer des Faschismus Koalitionen regiert werden kann. Aber das, was fterbe." tschechischer Staatsgedante genannt wird, läßt keine andere Also genau das Gegenteil dessen, was ein Havas- Telegramm politische Kombinationsmöglichkeit zu, als eben eine rein am Tage seines Todes verbreitet hatte. Wir hatten zwar aus tschechische Koalition. Diese würde aber, wollte man sie er Gründen der journalistischen Unparteilichkeit diese Havas- Meldung neuern, über eine zu fleine Mehrheit verfügen und ist inner­wiedergegeben, jedoch zugleich die stärksten Zweifel an ihrer Wahrlich derart zersetzt, daß auch ihre Neugeburt ihr kein langes heit geäußert.

Neue föderalistische Pläne? Der Besuch des Reichskanzlers in München  . München  , 9. April.  ( Eigener Drahtbericht.) Bei dem bevor stehenden Besuch des Reichskanzlers, des Reichsinnen und des Reichsfinanzministers in München   dürfte es sich, wie an unter richteter Stelle verlautet, in erster Linie um eine Aussprache über die schwierige Frage des Finanzausgleichs im Zusammen­hang mit den Steuernachlässen und der in Bayern   beab. fichtigten Vereinfachung der Staatsverwaltung handeln. Wenn es nach dem Willen der bayerischen Regierungsstellen geht, wird bei diesem Besuch auch über die Einschränkung der Ausgaben der Reichsverwaltung verhandelt und vor allen Dingen nach einer grundfäglichen Formel für eine föderative Aus gestaltung der Reichsverfassung gesucht werden.

Leben geben würde. Es bleibt noch die Hoffnung, die flomatisch klerikale Volkspartei für die Koalition zu ge­minnen. Der Kaufpreis, den diese verlangt Selbstver waltung der Slowakei   ist jedoch den Prager   Herren zu hoch, auch würde der Eintritt dieser Partei in die Regierung das fleritale und reaktionäre Uebergewicht in einem Maße stärken, daß zumindest für die tschechische Sozialdemo fratie in der Regierung auf die Dauer feines Bleibens wäre. Die Nutznießer der allnationalen Koalition wollen diese aber nicht verloren geben; das System der nationalen Bergewaltigung, das die deutsche Arbeiterschaft auch sozial und wirtschaftlich bedrückt, soll, sei es auch mit mechanischen Machtmitteln, aufrechterhalten werden. neuerliche Befragung der Wähler verspricht nach den Er­fahrungen der Wahlen im Herbst vorigen Jahres wenig Er­folg. Auch eine direkte Nachahmung Mussolinischer Methoden ist in der Tschechoslowakei   nicht gut möglich, doch größer ist

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