?ibenöaasgabe Nr. 16S ♦ 43. Jahrgang Ausgabe B Nr.$3
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Zentralorgan der öozialdcmokratifchcn partei Deutfcblands
Erster Mai und Kommunisten. Tag des Festes oder Tag des Krakeels?
„Proleiarier aller Länder, oereinigt euch!" lautet der Ruf, unter dem sich in früheren Iahren die Arbeiter der ganzen Welt zur gemeinsamen Kundgebung für Weltfrieden und Achtstundentag, gegen die Mächte des Kapitalismus und der Reaktion zusammenfanden. Das ist anders geworden, feit es eine Kommunistische Partei gibt.„Proletarier aller Länder, spaltet euch und bekämpft euch gegenseitig!" heißt es seitdem— auch am 1. Mai. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund und der Allgemeine freie Angestelltenbund haben einen gemeinsamen Aufruf zur Maifeier erlassen. Dieser Aufruf gefällt der„Roten Fahne" nicht. Tobend und schimpfend fällt sie über ihn her. Sie findet ihn„lendenlahm", sie will als Vertreterin einer kleinen Minderheit der Organisation den Millionen befehlen, welche Forderungen sie am 1. Mai zu proklamieren hat, und sie ist besonders aufgebracht, weil der gewerkschaftliche Aufruf den Arbeitern„die Erhaltung der demokratischen Republik " dringend ans cher�
legt. Im Namen der Arbeiterschaft zu sprechen sind natürlil die Vorstände der Gewerkschaften nicht befugt, das ist die „Rote Fahne" allein. Und so legt sie los: Die Arbeiterschaft... lehnt das Ansinnen ab, für die Erhaltung des kapitalistischen Staates einzutreten, was der ADGB . unter der„Erhaltung der demokratischen Republik in unserem Vaterland«" versteht. Die„Rote Fahne " scheut also vor der blödsinnigen Unter-
stellung nicht zurück, die Gewerkschaften forderten die Arbeiter dazu auf, am 1. Mai„für die Erhaltung des kapitalistischen Staates" zu demonstrieren! Unter solchen Umständen kann es nun als unfreiwillige Komik wirken, wenn die„Rote Fahne" die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie zu gemeinsamen Kuizdgebungen am 1. Mai auffordert. Sie tut das auf ihre eigene Weife, indem sie ruft: Erzwingt die gemeinsame Demonstration! Brecht die Widerstände." Dieses kommunistische Rezept, andere zur Liebe zu zwingen, hat keine Aussicht auf Erfolg. Mögen die Kommunisten den 1. Mai in ihrer Weise unter sich feiern. Aber von ehrliebenden Arbeitern, denen der Begriff der gewerkschaftlichen Disziplin aus- gegangen ist. und von überzeugten Sozialdemokraten können sie nicht verlangen, daß sie zur Feier des 1. Mai dahin gehen, wo ihre Gewerkschaften und ihre Partei in der dümmsten und schmutzigsten Weise beschimpft werden. Die KPD . steht seit längerer Zeit in dem schwarzen Verdacht, ihre Stellung zur Demokratie geändert und ihre putschistischen Illusionen aufgegeben zu haben. Offenbar hat ihre gegenwärtige Führung das lebhafte Bedürfnis, sich von diesem Verdacht gründlich zu reinigen, indem sie den Kampf ! legen die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie in be- anders widerwärtiger Weise führt. Das wird ihr nicht gelingen. Aber, wenn man sieht, was diese Leute aus unserem 1. Mai machen wollen, dann packt einen der Ekel.
Tagung der Sozialistischen Internationale. Die Exekutive iu Zürich . Zürich . tt>. April.(Eigener Drahtbericht.) Am 11. und 12. April tritt im Voltshaus in Zürich die Exekutive der SAI. za einer Tagung zusammen. Auf der umfangreichen Tagesordnung stehen u. a. folgeirde Punkte:' ■ Verberatung des Weltmanderungskongresses, der vom 18. bis 21. Mai in London von der SAÄ- und dem Internationalen Gewerkschaftsbund gemeinsam abgehalten werden wird. Aktion für die Ratifikation der Washingtoner Konvention über den Achtstundentag. Kampf gegen die Reaktion in den Ländern der politischen Verfolgungen. Stellungnahme zur Wirtschafts- und Abrüstung?- k o n i e r e n z des Völkerbundes. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist vertreten durch die Genossen Hermann Müller , Otto Wels und Artur C r i s p i e n.,_ Neue Vertagung der Abrüstungskonferenz! Einwände von Nachbarn Sowjetrustlands. London . 10. April. (MTB.) Der diplomatische Korr�ponK>ent des„Daily Telegraph " weist daraus hin. daß die Ankunft Hough- tons, der jüngst in Washington die Unaufrichtigkeit Euro- p a s in der Abrüstungsfrag« gebrondmarkt habe, mit einem Feld- zug der französischen Presse, darunter �>es„Temps", ZU- gunsten einer weiteren Aufschiebung der vorbereitenden Abrüstungskonferenz über den 18. Mai hinaus zusammenfall«. Der Korrespondent nimnü cm, daß die Anregung für eine weiter« Vertagung wahrscheinlich von einigen Nachbarn Rußlands ausgehen werde, und zwar entweder vor Aufananentritt der Kon- ferenz oder ein oder zwei Tag« danach. Es könne nicht bestritten werden, daß die hohen Erwartungen und Hoffnungen, die noch vor kurzem in weiten Kreisen bezüglich der Ergebnisse dieser Kons«- renz gehegt worden seien, infolge der letzten europäischen Ereignisi« eine beträchtliche Verminderung erfahren hätten. Frankreich suchtdie Sowjetunion zur Teilnahme zu bewegen Moskau . 10. April. (TU.) Der sranzösifch« Botschafter in Moskau Herbette hat in einer Unterredung mit Tschitfcherin erklärt, daß die Sowjetregierung einen großen Fehler begehen würde, wenn sie der Abrüstungskonferenz fernbliebe. Die französische Regierung sei bereit, noch einmal die vermttllungsrolle zwischen Sowjetrußland und der Schweiz zu übernehmen. Tschitscherin er- klärt«, er möge Driand den Dank der Sowjetregierung für seine Bemühung uberbringen, lehnte es aber ab. neue Verhandlungen mit der Schweiz aufzunehmen. Gleichzeitig wird mitgeteill, daß die Sowjetregierung in den nächsten Tagen eine Erklärung veröffenllichen wird, aus welchen Gründen sie an der Abrüstungskonferenz nicht teilnehmen könne. Buf dem Wege zum Waffenstillstand. Französisch-spanische«erstäubigung über Marokko . Paris , 10. April. (Eigener Drahtberichi.) Den eigentlichen Friedensverhandlungen über Marokko , die voraussichtlich gegen den IS. April beginnen, werden in Paris Vorbesprechungen zwischen den französischen und spanischen Delegierten vorausgehen, die dazu bestimmt sind, die gemeinsamen Bedingungen der beiden Länder festzulegen. Di« Verhandlungen in Udjdo werden zunächst die Bedingungen für den Waffen st ill st and zum Gegenstand haben, erst später werden die eigentlichen Friedensoerhandlungen beginnen, die, wie angekündigt wird, auf der Grundloge der bestehenden internationalen Verträge und des im vergangenen Jahr obgeschlosienen Madrider Abkommens geführt werden sollen. Abd«l Krim wird bei diesen Verhandlungen xm Frankreich nah Spante» Dicht al» Oberhaupt ei»««
souveränen Staates, sondern als Häuptling seine» Stammes betrachtet werden. Die übrigen aufständischen Stämme werden von den beiden Regierungen aufgefordert werden, b e. sondere Bevollmächtigte zu den Verhandlungen zu eM- senden. Nähere» über die Bedingungen, die Frankreich und Spanien Abd el Krim zu gewähren gedenken, ist noch nicht bekannt. Der „Matin" glaubt zu wissen, daß man Abd el Krim zwingen werde, nicht nur die Souveränität des Sultans, sondern auch das spanische Protektorat anzuerkennen. Man rechnet hier mit langwierigen und schwierigen Berhandlungen, deren Ausgang noch nicht vorauszusehen ist. Ein Scheitern der Berhandlungen würde dieWiederaufnahmederFeindseligkeitenzur Folge haben. Was Spanien und Frankreich erreichen wolle». Parts, 10. April. (WTB.) Nach einem Bericht von Havas ist anzunehmen, daß imler den Programmpunkten für die Ver- Handlungen zwischen Vertretern der Rifleute und Vertretern Frank- reichs und Spaniens die folgenden zu finden sind: 1. Abschluß eines militärischen Waffen st ill stände» nach Besetzung von bestimmten Stellungen. 2. Unverzüglicher Austausch der Kriegsgefangenen. Z. Neutralisierung einer bestimmten Zone bis zur Ver- ständigung über die Berichtigung der streitigen Grenzlinie. 4. Entfernung der für die Erhebung verantwort» lichen Führer. Erst wenn ein« Einigung über diese Vorbedingungen erzielt sei, könnten die eigentlichen Friedensoerhandlungen auf der Grund- läge der Madrider Abmachungen beginnen.« Die niedergeschlagene Meuterei. Athen meldet das Ende d«S Militärputsches. Athen , 10. April. (Meldung der Agence dWhenes.) Nach amtlichen Meldungen haben sich die Führer der Meuterei in Saloniki und ungefähr 200 Soldaten, die sich ihnen angeschlossen hatten, dem Kommandeur des Armeekorps von Saloniki b e» dingungslos ergeben. Sie werden mit der Flott« nach Athen gebracht werden. Die Rädelsführer werden vor ein K r l« g»» geeicht gestellt werden. Italiens Kolonialausdehnung. Vorschußlorbeeren für die Tripolisreise. Die faschistische Presse legt Mussolinis Tripolisreise größte Be- deutung bei.«ie sieht darin einen Beweis für den neuen von Mussolini eingeleiteten V o l k s w i l l e n zur kolonialen Ausdeh- nung. Für Italien mit seinem Volksreichtum sei diese 2lusd«hnung eine Naturnotwendigkeit, anders wie für Frankreich , da» zur Kolonisation der Heimat und der nordafrikonischen Kolonien schon auf fremde Arbeitskräfte zurückgreifen müsse. Dem Mißtrauen der französischen Presse setzt„(Biornale d'Italia" die Aufforderung an die anderen Staaten entgegen, über diese italienischen Forderungen nachzudenken, da der europäische Friede nur durch gerechte Würdigung dieser italienischen Forderungen gewährleistet sei! Nach dem„Mesiagero" will Mussolini mit der Reise in seier- licher Weise vor oller Welt das Interesse Italiens am Mittel- m e e r feststellen, das immer die Basis italienischer Größe gewesen sei. Wenn Italien das Mittelmeer auch nicht als„more italicum" betrachten wall«, so könne es doch nicht zugeben, daß irgendeine Macht im Mittelmeer die Vorherrschast beanspruche oder die Freizügigkeit im Mittelmeer behindere. Aehnlich spricht sich der Unterstaatssekretär des Kolonialmini- steriums. Abgeordneter Cantalupe, aus. Er schreibt:.Mussolinis Programm umfaßt nicht nur die Kolonialpolitik im Sinn« einer notwendigen Expansion, sondern auch die Erziehung des ganzen Volkes zum kolonialen Gedanken. Itallen ist zur Kolonialpolitik in Afrika um so mehr befähigt, da es stets volles Verständnis für die religiöse und kulturell« Bedeutung des I» l a w» gq-igt habe,
der volksentscheiö. Ein Beitrag zn seiner Geschichte. Von Paul Kompffmeyer. Das von über 12� Millionen Unterschriften getragene Volksbegehren zur Enteignung der Fürsten hat mit einem Ruck die Bedeutung der direkten Volksgesetzgebung dem deutschen Volke klargelegt. In dieser Art der Gesetz- gebung eröffnet sich der Nation ein Weg zur Lösung großer politischer und sozialer Aufgaben, wenn sich die Parlaments- rifche Maschine in einer drängenden lebenswichtigen Frage einmal festgefahren hat. Daß die direkte Volksgesetzgebung, also eine neue In- stitution, in die Weimarer Reichsverfassung gelangte, ist im wesentlichen der jahrzehntelangen Propaganda der deutschen Sozialdemokratie für diese Art der Gesetzgebung geschuldet. Die Berwirklichung der direkten Volksgesetzgebung im Rahmen einer großen Nation ist zuerst von dem Sozial» demokraten M. Rittinghausen propagiert worden. Im Jahre 1818 stellte er in einer Kölner Versammlung dem Repräsentativsystem die direkte Volksgesetzgebung gegen- über. Nach der Ausweisung von Karl Marx und dem Ein- gehen der„Neuen Rheinischen Zeiung" gründete er mit dem „roten" Dr. Becker die„Westdeutsche Zeitung", in der er unermüdlich für die direkte Gesetzgebung agitierte. Die Ver- folgungswut der preußischen Reaktion warf dann den wackeren sozialen Demokraten Rittinghausen aus seinem Va» terlande hinaus, und er nahm seinen Wohnsitz in Paris . Hier gewann er das Haupt der sozialistischen Fourier-Schule. Victor C o n s i d r a n t, für die direkte Volksgesetzgebung. Im September 1850 oeröffenllichte er in dem Blatte„La, demoeratie paeifique"(die friedliche Demokratie) drei in französischer Sprache geschriebene Aufsätze unter der Ueber» fchrist ,T)iedirekteDesetzgebungdurchdasVolk und die echte Demokratie". Diese Aufsätze alar» mierten förmlich die französische Presse und entzündeten eine sehr lebhafte Diskussion über diese Frage in den politischen Klubs Frankreichs . Eine große Zahl französischer Zeitungen, unker ihnen Ledru-Rolins„Voix du Proscrit" sprachen sich für den Vorschlag Rittinghausens aus. Der in einer Arbeit von fünf Monaten erzielte Erfolg war um so höher zu bewerten, als sich damals sechs Departements, in denen der demokra- tische Sozialismus die stärkste Anhängerschaft besaß, unter dem Belagerungszustand befanden. Don den Führern der französischen Demokratie hatten sich außer den schon ge- nannten Ledru-Rollin und Victor Co n s i d 6 r a n t, auch Felix Pyat , Caussididre, Delescluse und Vi c t o r Hugo für den Vorschlag ausgesprochen: nur Proudhon und Louis B l a n c blieben abseits. Mit dem Staatsstreich des Dezembermanns Louis Napoleon brach 1852 jede Propaganda für die direkte Volksgesetzgebung in Frankreich jäh ab. Aber der Mörder der Demokratie in Frankreich , Louis Napoldon, mußte es noch erleben, daß in seinem Nachbarland, in derSchweiz, die direkte Voltsgesetzgebung Form und Gestalt annahm: 1874 wurde das Gesetzreferendum im Bund eingeführt. Sehr tüchtige Fortschritte hatte bereits vorher die direkte Volks- gcfetzgebung in einzelnen Kantonen gemacht. Auf dem internationalen Kongreß zu Bafel 1869 ver- suchte Ritttnghausen im Kampfe gegen den Anarchisten B a k u n i n die direkte Volksgesetzgebung auf die Tages- ordnung dieses Kongresses zu bringen, aber, obwohl er sich der totkräftigsten Unterstützung Wilhelm Liebknechts erfreute, scheiterte sein Versuch. Im gleichen Jahr hielt Rittinghausen auf dem Eisenacher Kongreß der Sozialdemokratischer Arbeiter» partei eine feurige Rede für diese Volksgesetzgebung:„Sie. meine Herren, wollen nicht nur dies Ablehnungsrecht, son- dern auch die gesetzliche Initiative des Volkes: die direkte Gesetzgebung durch das Volk in ihrer Reinheit: darum lassen Sie das Wort Referendum fallen." In der Tat, der Partei- tag strich das Wort Referendum und die Programmforderung lautete nun:„Einführung der direkten Gesetz- gebung durch das Volk." Das bedeutete eigentlich die förmliche Ablehnung der parlamentarischen Gesetzgebung. Das Gothaer Einigungsprog-ramm rüttelte 1875 nicht an diesem Programmpunkte. Es forderte direkte Gesetzgebung durch das Volk. 1891 präzisierte der sozial- demokratische Erfurter Parteikongreß diese Forderung und sprach von einer direkten Anteilnahme des Volkes an der Gesetzgebung vermittelst des Vorschlags- und Verwerfungsrecht s". Liebknecht erläuterte diese Programmforderung so: „Das heißt, wir wollen nicht, daß der Schwerpunkt des poli- tischen Leben« in das Parlament kommt. Der Schwerpunkt liegt nach dem demokratischen Prinzip im Volt selbst, und das soll nicht darauf angemiesen sein, zu warten, bis von oben herab, aus der Volksvertretung, notwendige oder erwünschte Gesetze und Gesetzes- Vorschläge kommen— nein, es soll selber das Recht der Initiative haben." Als sich das Volk in Weimar 1918 eine demokratische Verfassung gab. verleibte es ihr sofort das Vorschlags- und Verwerfungsrecht ein. Und im März dieses Jahres wurde dann ein von den Sozialdemokraten und Kommunisten aus- gearbeiteter Gesetzentwurf dem Volke zur Unterschrift vor- gelegt. Das Resultat ist bekannt. Die direkte Volksgesetzgebung hat bisher in keinem Lande die gesetzgeberische Arbett de» Parlaments ausgeschaltet, wohl aber pe'zwedooll«rgänzt._