Abendausgabe
Nr. 18443. Jahrgang Ausgabe B Nr. 91
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10 Pfennig
Dienstag
20. April 1926
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Eine Vorlage des Innenministers.
Amtlich wird gemeldet: Nachdem der Reichswahlleiter am 19. April den Reichsminifter des Innern das Ergebnis des Eintragungsverfahrens beim Boltsbegehren des Bolfsentscheidsgefehes mitgeteilt hat, hat der Reichsminister des Innern heute dem Reichsfabinett wegen Einbringung des begehrten Gesetzentwurfes beim Reichstag eine entsprechende Borlage gemacht.
Eine Etappe im Kampf um das Volksrecht. Heute nachmittag tritt von neuem der Rechtsausschuß des Reichstages zusammen. Das Fürstenkompromiß der Regierungsparteien, das vor der Kanzlerreise nach München zu standekam, liegt ihm vor. Es soll der endgültige, nach mochenlangen Beratungen, unter dem moralischen Drud des Boltsbegehrens zustandegekommene Entwurf des Kabinetts fein. So findet sich die Reichsregierung endlich bereit, zu erklären, ob sie ihr eigenes Erzeugnis für verfassung ändernd hält oder ob es mit einfacher Mehrheit angenom men werden kann. Das Luther - Kabinett ist sich schlüssig geworden: heute nachmittag wird es im Rechtsausschuß er flären, daß es die qualifizierte Mehrheit für das Kompromiß für notwendig hält.
Das ist nicht die einhellige Meinung der Regierung. Sie ist in der letzten Kabinettsfigung nur mit einer einfachen Mehrheit zustande gekommen. Der kleinere Teil der Minister, unter Führung des Innenministers, stimmte dagegen, der größere Teil, beeinflußt weniger vom Reichsjustizminister als von seinem Staatssekretär Joel, stimmte dafür. Der Chef der Bureaukratie des Reichsjustizministeriums hatte schon mehrfach geäußert, das Kabinett werde sich seiner Ansicht an schließen. Die Bureaukratie hat im Kabinett gefiegt: die Berfassung soll reaktionär ausgelegt, dem Bolle joll sein Recht genommen werden.
Klar und unmißverständlich bestimmt die Verfassung der Republik : Eigentum verpflichtet; fein Gebrauch soll zu gleich Dienst sein für das gemeine Beste". Das Eigentum wird zwar gewährleistet; aber sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen. Eine Enteignung darf nicht millfürlich vorgenommen werden; eine gesegliche Grundlage ist nötig. Dies Gesez fann bestimmen, daß keine Entschädigung erfolgt. Es fann ebenso bestimmen, daß der Rechtsweg bei den ordentlichen Gerichten über die Höhe der Entschädigung ausgeschlossen wird. Die Enteignung muß zum Wohle der Allgemeinheit" erfolgen." Ein ein faches, mit einfacher Mehrheit im Reichstag anzunehmendes Gefeß genügt also für jeden unbefangenen Betrachter, um entschädigungslos, und unter dem Ausschluß des Rechtsweges zum Wohle der Allgemeinheit zu enteignen.
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Auch die Rechtsprechung verdunkelte bisher nicht den Plaren Sinn der Verfassung. Wir veröffentlichten bereits vor einigen Wochen ein Reichsgerichtsurteil, wonach die entschädigungslose Enteignung der Privilegien der Abdecker rechts
Gegen den Prahlhans Mussolini .
Angriffe im amerikanischen Senat. London , 20. April. ( WTB.) Einer Reutermeldung aus Bashing ton zufolge bildete Mussolini gestern wieder das Ziel eines Angriffs im amerikanischen Senat. Der demokratische Senator Walsh erklärte, die Tripolisfahrt des italienischen Bremiers ft robe von friegerischer Prahlerei". Muffo. linis Trompeten geschmetter" sei ein Ruf zu Eroberung und Angriff, nicht zur Berteidigung. Die Annahme der ita lienischen Schuldenregelung würde lediglich Mussolini , dem obersten Diftator, helfen, feine Finanzen in Drdmung zu brin gen, so daß er einen neuen Krieg vom Zaune brechen oder so lange prahlen fönne, bis die Angst vor einem solchen Plan allgemein sei.
Vorfragen des Marokkofriedens. Gefangenenrückgabe und Preisgabe strategischer Stellungen gefordert. Paris , 20. April. ( Eigener Drahtbericht.) Eine von der effiziösen Havasagentur veröffentlichte Mitteilung gibt ein etwas anderes Bild von den am Sonntag geführten Berhandlungen zum Abschluß des Friedens in Marokko , als sich aus den bisher vor liegenden Brivatmeldungen ergab. Die franzöfifchen und spanischen Delegierten sollen an die Riffabylen zwei Forderungen gerichtet und ihre sofortige Durchführung verlangt haben. Es handelt fich dabei um gegenseitigen Gefangenenaustausch und um das Borrüden der spanischen und französischen Front an gewissen Bunkten. Sobald diese Bedingungen von den Riffabylen ausgeführt worden seien, fönnten die Berhandlungen über die weiteren spanisch- französischen Bedingungen beginnen, nämlich über die Anerkennung der Souveränität des Sultans, die Entfernung Abd el Krims, die Entwaffnung der Rifftämme und die Organisation der Berwaltung des Rifs.
gültig war. Das betraf einen engen Personentreis. Er wurde zum Wohl der Allgemeinheit enteignet. Aber auch ein Groß teil des Bolles selbst hat gespürt, daß die entschädigungslose Enteignung nicht verfassungsändernd, sondern daß sie im Sinne der Verfassung sei. In seiner Entscheidung vom 4. November 1925 hat das Reichsgericht über das Aufwertungsgesetz- das die Enteignung durch die Inflation rechts gültig machte- erklärt:
Zur Wiederherstellung ven Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Innern und in der Steuerwirtschaft war eine sofortige und flare, abschließende Regelung der Aufwertungsfrage unbedingt geboten; diese schien ohne eine Schematisierung der Aufwertung zur Erreichung des erstrebten Zieles nicht möglich. Die Herstellung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Innern dient dem Wohle der Allgemeinheit, und eine zu diesem Zwed vorgenommene Enteignung fann daher nicht als unzulässig angesehen werden. Ob der mit dem Gesetz erstrebte gemeinnügige 3wed in dem erhofften Umfang tatsächlich erreicht wird, ist ohne Belang. Wesentlich für die Zulässigkeit einer Enteignung fann immer mur sein, daß ein dem Wohl der Allgemeinheit dienender 3wed erstrebt wird und wenigstens teilweise erreichbar erscheint."
Und ähnlich erflärt die Rechtswissenschaft so z. B. der der Wirtschaftspartei angehörende Professor Bredt: Durch die Verfassung ist es gefeßlich möglich, das gesamte Privat eigentum zu enteignen, ohne jegliche Entschädigung; nicht einmal eine qualifizierte Reichstagsmehrheit ist notwendig zu einer derartigen Maßnahme."
Die Berfassung in ihrem flaren Wortlaut, das Reichs. gericht in feinen grundlegenden Urieilen, die Bissen fchaft fogar in rechtsgerichteten Vertretern, sie ertlären ein hellig, daß die entschädigungslose Enteignung durch einfaches Reichsgesetz erlaubt sei, solange sie zum Wohl der All gemeinheit" vorgenommen wird. Die Bureaukratie des Reichsjuftizminifteriums freilich soll erklärt haben, daß der 3wed des Gesetzes nicht deutlich erkennbar fei, daß es feine Begründung enthalte, daß das vom Reichsgericht geforderte Ziel der Förderung des Allgemeinwohles nicht ersichtlich sei! Wollen fich wirklich Parteien des Reichstages von der Bureautratie die Ansicht aufreden lassen, daß sie nicht zum Wohl der Allgemeinheit", sondern daß sie willfürlich, aus Rachsucht gegen die Fürsten , einen Gesetzentwurf im Reichstage einbringen? Sollten nicht selbst bürgerliche Bar lamentarier die Rechte des Reichstages gegen die Bureaufratie besser mahren wollen?
Erklärt sich eine Reichstagsmehrheit damit einverstanden, daß das Fürstenkompromiß verfassungsändernd sei, dann gesteht sie, daß sie willkürlich, daß fie aus Refsentiment, daß sie nicht zum Wohl der Allgemeinheit handelt. Jedes Barlament, jeder Bolksvertreter nimmt und muß das Recht in Anspruch nehmen, zum Bohl der Allgemeinheit zu handeln er muß dieses Recht in Anspruch nehmen, sonst handelt er gegen den demokratischen Parlamentarismus, sonst gibt er sich selbst auf.
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taufen. In einer der französischen Bresse überreichten Erklärung der Vertreter des Rifs heißt es, daß die Annahme der erwähnten zwei Borbedingungen nicht in Betracht komme. Eine, Rüd frage bei Abd el Krim sei erforderlich geworden. Die Vertreter des Rifs fügten hinzu, daß sie persönlich der Ansicht seien, daß diese Bedingungen niemals angenommen würden, falls die Franzosen und Spanier feine Konzelfionen machten. Ein Delegierter Abd el Krims ist am Montag mit dem Flugzeug zu Abd el Krim gefahren und wird Dienstag abend die Antwort Abd el Krims bereits nach Udjda zurüdbringen.
Der Zug zum Bürgerblock. Die Dentschnationalen sollen die Initiative ergreifen. Die Tägliche Rundschau" wendet sich an die Deutschnationalen, um sie aufzufordern, die Initiative zur Schaffung eines neuen Rechtsblods zu ergreifen:
Den Falchismus freut es, wem. man ihn als eine Drohung für Europa bezeichnet. Da er im eigenen Lande erfährt, wie sehr ein Bolt seiner Begiückung durch den Faschismus widerstrebt, sieht er auch in der Abneigung der anderen Staaten gegen fein Regime nichts als die Angst der blöden Völker vor dem italienischen Uebermenschen, der sie auf die Höhen der Geschichte führen oder sie doch als Stufen für seinen Aufstieg verwerten will. Schreibt da ein römisches Leibblatt Mussolinis:„ Wir haben immer auf der Gegenfront Hasen gehabt, die um hasenhafter wurden, je stärker wir dreinschlugen. Und das ist so, weil man als held oder intelligent zur Welt fommt, wie man als Feigling und Trottel geboren wird. und bis jetzt hat das italienische Bolt noch nicht feinesgleichen gefunden." Dem italienischen Uebermenschen ist somit in der Weltgeschichte ein rosiges Los geworden: er braucht nicht den Menschen, er braucht nur den Hasen zu überwinden.
Es ist nicht verwunderlich, wenn die meisten Leute in Europa und Amerika der Ansicht sind, daß der Faschismus von dem Piedestal feines Größenwahns aus nur seinem eigenen Lande gefährlich werden könne. Wir halten diese Auffassung nicht für berechtigt. Arturo Labriola hat einmal von dem heutigen Italien gesagt, daß die Alpen es von Europa trennen und das Meer es mit dem Balkan vereinigt, und wir alle wissen nur allzu gut, wie viel Kriegsanlässe Europa gerade aus dem Balkan erhalten hat. Glüd" tragen, sie liegt nicht in der Großschnäuzigkeit nach Afrifa fahrenden Panzerflotten, die den Cäsar und sein Glück" tragen, fie liegt nicht in der Großschnauzigkeit nach außen, sondern in der inneren Lage, die durch die wachsende Spannung zu einer Entladung nach außen drängt. Das abwechselnde Gebrüll nach Paris " und nach Berlin " macht noch nicht den Krieg, aber das Intereffe der herrschendes Clique, ihre Scharen über die Grenze zu führen, ehe sie das Land und einander zerfleischen, fann zum Kriege drängen.
Um ihn zu rechtfertigen, ist es zur Regel geworden, auf die demographische Spannung" hinzuweisen. Italien hat 4 Millionen mehr Einwohner als Frankreich und ein Territorium, das wenig mehr als die Hälfte des französischen umfaßt; zum Ueberfluß nimmt es jährlich um 400 000 Seelen zu und befigt keine Siedlungsfolonien. Es handelt sich um annähernd die gleichen demographischen Verhältniffe, die das Deutsche Reich aufweist und deren Ernst niemand beffer verstehen fann als gerade die Deutschen , die auf ihrer Seite doch den Vorteil einer älteren und höher entwickelten industriellen Organisation haben.
Diese Sachlage hat der Faschismus weder geschaffen und entdeckt, wohl aber droht er, sie dadurch zu verschärfen, daß er die italienischen Auswanderer unbeliebt und gefürchtet macht, weil sie Zellen des italienischen Gewaltregimes in ausländischen Staaten zu überpflanzen droht. Bohl möchte der Faschismus die im Lande immer wieder zutage tretenden Exzesse, soweit sie sich nicht verschweigen laffen, damit erflären, daß dem Italiener heute die zum Leben nötige Ellbogenfreiheit fehlt, aber das sind Flausen
und nichts weiter.
Die wirkliche Situation in Jialien ist die, daß im Lande ein Zustand der Rechtlosigkeit herrscht, bei dem die Gerichte und die Polizeibehörde nicht die Handlanger des Gesezes, sondern der Willkür sind. Auf die Bluitaten vom 3. Oftober in Florenz ist bis heute feine gerichtliche Ahndung gefolgt, die Berwüster und Plünderer find fast alle freigesprochen worden, nur einige haben eine minimale Strafe erhalten. Die neuen Gewaltafte, die sich an das Attentat anschlossen, beschränkten sich feineswegs auf die aus Rom gemeldeten Sachbeschädigungen und Hausfriedensbrüche. In Mailand und Genua hat man viel fchlimmer gehauft. in Mailand wurde Genoffe Schiavello durch Knüppelhiebe ver= wundet, in Genua find mehrere Berwundete zu beklagen, unter ihnen der Genosse Striglia von der Redaktion des Die a porno", dessen Zustand Besorgnis erregt. Polizei erklärte, sie werde gegen die Urheber vorgehen, die zum großen Teil bekannt sind, aber der Sefretär des Fascio von Genua hat seinen Leuten versprochen, sich zu ihren Gunsten an hoher Sielle zu verwenden!
„ Man orafelt in linksradikalen Kreisen viel davon, daß fich Be strebungen geltend machten, die gegenwärtige Regierungstoalition zu einer bürgerlichen Regierung auszugestalten. Daß wir die Politik, die zum Eintritt der Deutschnationalen in die Regierung führte, gebilligt haben, weiß jedermann, ebenso daß wir das 3er brechen dieser Politik durch den Austritt der Deutschnationalen aus Das gelegentliche Aufflackern von Gewalttaten hat an der Regierungsfoalition bedauert haben. Gegenwärtig aber stehen sich keine große politische Bedeutung. Dagegen ist die die Dinge so, wie sie Minister Dr. Scholz wiederum in seinem Ar- inftematische Straflosigkeit dieser Gewalttaten, titel geschildert hat, daß nämlich die Deutschnationale Volkspartei von der Farce des Matteottiprozesses zu dem Nichteinschreiten fich nicht zu wundern braucht, wenn durch ihr Verhalten die ander Gerichte bei dem Anschlag, der dem Abgeordneten deren bürgerlichen Parteien zu einem Kompromiß mit der Sozial Amendola das Leben getoftet hat, von eminenter demokratie gezwungen werden. Es liegt bei den Deutsch politischer Tragweite. Die Richtung, die die Stärke nationalen, ob fie die Initiative ergreifen moldes Faschismus nach dem Maße der Gefeßzwidrigkeiten bemißt, len, um eine Aenderung dieser Politit herbeizu führen. Dazu gehört ein rüdhaltlejes Bekenntnis zur gegenwärtigen Außenpolitif, dazu gehört, daß sie die Torheit wieder gut. machen, mit der sie sich den Wiedereintritt in die Regierung dadurch verscherzt haben, daß sie die bestehenden internationalen Berträge als rechtswidrig zustande gekommen bezeichnet haben."
Die Bertreter Abd el trims sollen sich bereit erklärt haben, die legte vier Bedingungen als Basis für die Berhandlungen anzu. fehen, jedoch glaubt man hier, daß die Berbannung Abd el Krims Der Alarmruf des Demokratischen Zeitungsdienstes" ethebliche Schwierigkeiten hervorrufen würde. Hingegen sollen die gegen die Rechtstendenzen in der Koalition ist wohlbegründet. Rifvertreter es abgelehnt haben, den Abschluß des Waffenstill- Die Bolkspartei nimmt ihre altgewohnte Tätigkeit der Krisenstandes burch Austausch der Kriegsgefangenen und Auslieferungen fabritation wieder auf. Wir haben auch lange schon teine gemiffer strategischer Buntte an die Franzosen und Spanier zu ertegierungstrije mehr gehabt...
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die er sich leisten kann, hat heute mehr als je die Oberhand im Lande. In Zeiten ſtrengster 3ensur darf eine faschistische Zeitschrift gelegentlich einer Rede des( seinerzeit der Mitschuld an der Ermordung Minzonis angeklagten) Unterstaatssekretärs Balbo schreiben: Hier wird zum erstenmal offiziell für Mussolini bie Baterfchaft beansprucht für jene Maßnahmen, wie die Verteilung der Waffen an die Kasernen der Legionen und die Konzentration der Miliz in den strategischen Gebieten des Botals und des Latiums." Diese Worte beziehen sich auf die Aufteilung der Waffen des italienischen Heeres unter die Faschisten, um das Regime nach