öauernbunü gegen£ondbund. Verhandlungen im Landtag. Im Landtag wurde ohne Aussprache angenommen ein gemein- samer Antrag, der sich gegen die Stillegung von Eisenbahnwerk- statten richtet. Hieraus erfolgt die Fortsetzung der Aussprache zum vomänenhaushalt. Abg. Sieleler(Voll.) wird von den Kommunisten mit Ruscus .Verleumder" empfangen. Der Redner erklärte, die Land- Wirtschaft tonne nur zu besseren Verhältnissen kommen, wenn ein stärkerer Z o l l s ch u tz komme. Die Lage der Domänenpächter sei besonders ungünstig in Ostpreußen . Abg. Petra(Z.) legt die Notwendigkeit dar, den Domänen- Pächtern zu helfen. Abg. Hillgcr-Spieaelberg(Dnat.) wirft den Sozialdemokraten vor, überall zeige sich bei ihnen Feindschaft gegen die Landwirtschast. Der Abg. Klaußner habe die S« l b st- b e w i r t s ch a f t u n g al» ein Aiel bezeichnet, das aufs innigste zu wünschen sei. Die Deutschnationale Partei wolle aber«inen freien Bauern auf freier Scholle. Sie könne auch für die Selbftbewirt- schaftung deshalb nicht eintreten, weil sie nicht noch mehr B e- a m t« wolle. Die behaupteten Ergebnisse bei Selbstbewirtschaftung ständen in ausfälligem Widerspruch mit den tatsächlichen. Die Landwirtschaft leide unter unsäglichem Steuerdruck. Sie leid« ferner unter der verkehrten Zollpolitik. Ohne Zölle könne man z. B. auch für den Gemüsebau nichts tun. Wir fordern, daß das deutsche Volk am Leben bleibt. Das ist nur möglich, wenn es von deutscher Scholle ernährt wird.(Zuruf: Denken Sie an die Landarb ei- t e r!) Die Zahl der Landarbeiter ist wesentlich verringert worden. Abg. Zacoby-Rassauf(Ztr.) tritt den Darlegungen des sozial- demokratischen Redners in der Landarbeiterfrage entgegen. Abg. wachhorst de Tvente(Dem.) polemisiert gegen den deutsch - nationalen Abg. Hillger-Spiegelberg bezüglich der Kreditpoli- tik der Rentenbank. Der stellvertretende Vorsitzende der Rentenbank, der Zentrumsabgeordnete Crone-Münzenbrock, habe in öffentlicher Versammlung erklärt, daß die kireditverlellung der Rentenbank nicht in gerechter Weise erfolgt sei. (Hört! hört! links.) Der Großgrundbesitz des Ostens, der verhältnismäßig wenig für die Rentenbank wirke(Zuruf bei den Deutschnationalen: Positiv unwahr!), beziehe das vielfach« an Kre- dilen gegenüber den bäuerlichen Betrieben des Westens. Die Bauern würden durch Deutfchnationale, wie Herr Hillger- Spiegelberg, sehr schlecht vertreten.(Große Unruhe rechts und Rufe: Drei Millionen Bauern im Landbund denken anders darüber! — Hetze!— Gelächter linke.)_
Das �ufwertungs-volksbegehren. Die Reichsregiernng will es nicht zulassen. Wie wir hören, steht die R« i ch s r e g i e r u n g auf dem Standpunkt, daß sie durch das Gesetz über den Volksentscheid nicht verpflichtet sei, einem Antrag auf Einleitung eines Volke- begehren» Zug um Zug stattzugeben. Daraus kann man wohl schließen, daß sie nicht die Absicht hat, einen Volksbcgehrantrag des Sparerbundes sofort zu erfüllen, wenn er eingereicht wird. Man hotte auch erwogen, ob dem bekannten Gesetzentwurf zur Aer- Hinderung eines derartigen Volksbegehrens nicht auch noch r ü ck- wirkend« Kraft gegeben werden solle, aber man war über- einstimmend der Auffasiung, daß das nicht nötig sei, denn maßgebend für die Rechtslage sei der Zeitpunkt der Zulassung des Volks- begehrens durch die Reichsregierung. Das heißt wiederum, wenn wir richtig verstehen, daß man mit dem Gedanken spielt, die Zu- lassung eines solchen Volksbegehren» solange zu vertagen, bis das Gesetz zu seiner Verhinderung angenommen ist.
Argentiniens Wendung zum Völkerbünde. Teilnahme an de» Kommissionsarbeitcn. Buenos Aires . 24. April. (WTV.) Einer amtlidzen Bekanntmachung zufolge wird Argentinien die Einladung zur Teilnahme an der Tagung de» vorbereitenden Ausschusse» für die Zlb- rüstungstonserenz und der Studirnkommission für ein« Umgestallung de» völkerbundsrale» annehmen. Argentinien gehört zu den bei der Gründung dcs Bundes.zum Bettritt eingeladenen Machten. Seine Regierung meldete den Bei- tritt an, aber bis jetzt hat ihn das Parlament nicht rati- fiziert. Da» ist zwar völkerrechtlich gleichgültig-, Argentinien .zahlt auch die Beiträge zum Bunde. Aber es hat sich von der Mitarbeit seit End« lllN eben deshalb ferngehalten, weil der Kongreß zur Bestätigung des Eintritt» nicht zu bewegen war. Run hat ihn kürzlich wenigstens fein« Kommission für auswärtige Angelegen- Helten gebilligt. Mit ihrem Beschluß, sich an den Kommifsions- arbeiten zu beteiligen, übt der Präsident«inen neuen Druck aus den Kongreß aus, endlich zu ratifizieren. Ob der Kongreß nunmehr zurückweichen oder die verfasfungspolitifchen Spannungen zwischen Präsident und Parlament sich verschlafen werden, steht noch dahin. Bölkerbundspolitlfch ist Argntmiens Pefchluß info- fern von Bedeutung, al» es durch feine Mitarbeit, namentlich an der Studlenkammifsion, andeutet, daß e« als nichtständiges Rats- Mitglied in Betracht kommt. Es ist der Rivale von Ära- f i l i« n. Brasilien hält vorläufig an seinem iMransigenien Stand- punkt noch fest, daß es auf einen ständigen Ratssitz Anspruch habe. weil es Südamerika oertrete. Die südamerikanischen Staaten haben durch chren Schritt an dem lag« vor dem Zusammenbruch in Gens gezeigt, daß Brasilien im Namen Südamerikas zu sprechen keines- weg» da» Recht habe. Treibt Brasilien weiterhin die Politik, durch starres Festhalten an seiner Forderung die Frage der Ratsverände- rung unlösbar zu machen, so bleibt für die Dollvrrsammlung das Mittel übrig, an Stelle Brasilien « einen anderen Staat in den Rat zu wählen: scheidet Brastlien au», wird sein Veto hinfällig. Argen- tinien ist der zweitgrößte südamerikanische Staat. Aus ihn können sich die südamerikanischen Staaten am ehesten als Ratsmit- glied einigen, damit der Gedanke de» Turnus, der Abwechselung dcr nichtständigen Rat-mächte, sich durchsetzt und einer der Wider- stände gegen Deutschlands Ausnahme al« Ratsmacht wegfällt.
Frankreichs Angebot an Amerika . pari», 24. April. (Eigener Drahtbe-richt.) Wie aus Washington gemeldet wird, hat die amerikanisch« Schuldenkommission am Freitag eine kurz« Sitzung abgeholten, in der der französische Botschafter «in neue» Angebot der französischen Regierung zur Regelung der Schulden Frankreichs an die Bereinigten Staaten überreichte. Frankreich will sich zur Zurückzahlung von 45 Proz. seiner Kriegsschulden an Amerika verpflichten, während da» von Eailliwx gemachte Angebot nur 40 Proz. vorsah. Der Tilgungsplan, der auf die Dauer von«2 Jahren berechnet ist. sieht für die ersten 5 Jahr« Jahreszahlungen in Höh« von 25 Millionen Dollar vor, in denen die bereit» gegenwärtig von Frankreich jährlich al» Zinsen für überlasiene Kriegsvorräte ge- zahlten 20 Millionen mit einbegrijfen fein sollen. Di« Jahres- Zahlungen sollen allmählich anwachsen, und schließlich den Betrog von l2ö Millionen erreichen, wälzend in dem Vorschlag Caillaux ' die höchste Jahreszahlung SV Millionen Dollar betrug.
ypgfeneparaüe. Wenn man zur Hygiencousstellung in der Mtsiehalle am Kaiserdomm geht, hallen einen, zehn Schritt« vom Eingang, zwei Männer an, die dem Passanten mit dem Schlachtgebrüll:„Zur Auf- klärung!" Zettel des Reichsausschusses gegen da» Gemeindebe- stimmungsrccht in die Hand drücken. Parterre amüsiert der Nestau- rationsbetncb unter der Devise:„Hopsen und Malz, Gott erhält's!" Im ersten Stock ist der Abstinenzparole:„Meidet den Alkohol!" ein ganzer Ausftellungsslügel reserviert. Was den Besucher der Aus- ltellung sogleich befremdet, ist das allzu Dekorative. Die einzelnen hygienischen Ressorts bieten wohl Stichproben aus der Praxi» und sind auch in der Behandlung gewisser Spezialthemen recht aufschluß- reich: als Ganzes jedoch riechen sie zum Teil sehr fatal nach Kulisse, hinter der man das Notwendigste den Augen des Volkes verbirgt. „Wie man nicht wohnen soll," lautet ein Plakat. Eine Halbdunkel verschachtelte, lichtlose, muffige Wohnung, Küche, Wohn- und Schlaf- zimmer grausam ineinandergepreßt. Ein kleiner Ausschnitt aus dem Elend dcs Miettasernendaseine der Millionen. Daneben die Wohnung mit hygienischem Komfort:„Wie man wohnen soll!" Mit Verlaub, solche Demonstrotionen sind Phrasen, solange die Lösung fehlt. Wohin sollen die vnzöh gen Familien, die in der Finsternis solcher und weit schlimmerer Wohnhöhlen im Osten und Norden Berlins gepfercht vegetieren? Wo ist der Ausweg? Wie lassen sich im Stadium furchtbarster Wohnungskrisen menschen- würdige Lebensbedingungen schaffen?„Wie man nicht wohnen soll!"— Und eben wohnen mutz! Hier liegt das Entfchei- dende. Wenn Maaßen G. m. b. H.„Gesunde Kleidung" zeigt, so ist ist das doch schon nicht mehr Hygiencousstellung, sondern eben Hygiene messe. Der Reichsoeiband für Freikörperkultur zeigt seine Schriften unter dem Schutz eines Segelschiffmodells, garniert mit drei schwarzweißroten Fähnchen. Wohl bekomm'» den„natio- nalen" Freikörperkulwristen. Einzelne Abteilungen sind gut, so die übersichtlich und eindringlich aufgemachten Kabinen über die Ge- schlechtskrankheiten. Auch der Arbeiter-Samoriter-Bund hat seinen instruktiv eingerichteten Stand. Neue Unfälle in Rummelsburg . Leim Lau de» Grohkrastwerke». Bei dem Bau des Großkraftwerkes Rummelsburg mehren sich die Unglücksfälle in einer derart erschreckenden Fülle, daß die Bau- polizci sich nunmehr veranlaßt sehen sollte, energisch einzuschreiten. Gestern nachmittag ist der Schlosser Paul Gentjch von der Firma Borsig schwer verunglückt. Don einem vier Meter hoben Gerüst stllrtte eine über einen Zentner schwere Eisenkctte herab, die dem Schlosser Gentsch auf den Kops siel. Der Schädel wurde zer- trümmcrt und Gentsch wurde im bewußtlosen Zustand nach dem Rummelsburger Krankenhaus gebracht. An foinem Aufkommen wird gezweifelt.— In der Nacht gegen 42 Uhr ereignete sich«in neues Unglück. Der Arbeiter Erich Kuba, der damit beschäftigt war, aus einer Lore schwere Eisenträger nach dem Bau zu bringen, stürzte bei dem Transport vom Wogen herab. Er erlitt«inen schweren Schädelbruch. Gehirnerschütterung und Nasen- bruch. Die Sonitätswoche aus dem Bau legte ihm den ersten Not- verband an Er wurde nach dem Rettungsamt gebracht, feine lieber- führuikg erfolgte nach drm Krankenhaus Rummelsburg , wo Kuba schwer daruiederliegt. Wie wir erfahren haben, sind die Unfälle zu einem nicht un- wesentlichen Teil darauf zurückzuführen, daß der Bauplatz sehr schlecht beleuchtet ist. Die Baupolizei, die auch diesen Fall untersuchen muß, wird sich auch darum kümmern müssen, ob die baupolizeilichen Vorschriften auch in der Frage der Beleuchtung befolgt werden. Ee kau» auf jeden Fall nicht so weiter gehen.
Ter Liitzotvprozeft. Nach den durch die Erkrankung des Angeklagten bedingten Zwijchenocrhandlungen am Krankenbett in Nikolassee wurden heute die Verhandlungen des Schösfcngericht» Lichterfelde im Schwur- gerichtssaal des Landgerichts II in Moabit wieder aufgenommen. Der Angeklagte Dr. Freiherr von Lützow hat sich von feiner Erkrankung an Lungenentzündung und von den, erst in der vorigen Woche eingetretenen Rückfall schnell wieder erHoll und sieht ziemlich frisch aus, wenn er auch noch von Zeit zu Zeit etwas hüstelt. Das Gericht hat ihm gestattet, feine Wohnung wieder im Landerziehnngs- heim Zossen zu nehmen, obwohl es jeinerzeit die Haftentlafiung von der Bedingung abhängig gemacht hatte, daß sich der Angeklagte von der Stätte seiner Wirkjamkeit und der dadurch gegebenen Möglich- keit einer Beeinflussung von Zeugen fernhalte. Zu den Berhand- lungen wird er vorläufig von Zossen durch ein vom Gericht g e ft e l l t e s Auto nach Moabit gebracht werden. Die Beweis- aufnähme fetzte genau an dem Punkte wieder ein, an dem st« am 17. März durch' den plötzlichen Zusammenbruch des Angeklagten abgebrochen werden mußte. Damals sollte gerade eine Prügelszen«, die am 13. Juli 1921 in dem Landerziehungsheim in Buckow von verschiedenen Einwohnern des Ortes beobachtet worden war, angeschnitten werden. Als erster Zeuge wurde Hausmann Wulprecht aus Buckow vernommen, der bekundete, daß er vom See aus auf einer Kahnfahrt fürchter liches Schreien von der nach dem See hinausgehenden Glasveranda des Landerziehungsheimes gehört habe. Auf Ersuchen Mitsahrender sei er gelandet und vor das Haus gc äanaen. Dort war die Straße sihon voller Menschen und Frau H ö s ch sah zum Fenster hinaus und sagte, sie hätte es nicht mit ansehen und mit anhören können, wie der Jung« geschlagen wurde, deshalb fei sie nach vorn gegangen. Der Zeuge rief zwei Lehrern, die auf dem Balkon saßen, zu, st« sollten nach hinten gehen, und es Herrn v. Lützow verbieten, den Jungen weiter zu ver- prügeln, sonst werde er«inschreiten. Die Lehrer gingen auch nach inten und dann habe das Schreien aufgehört. Am nächsten Tage at ein Buckower Bürger an den Bürgermeister«in Schreiben gerichtet und«in Einschreiten wegen der Zustände im Land- erziehungsheim verlangt. Der Angeklagte v. Lützow behauptete. daß die Anzeige beim Bürgermeister aus politischen Gründen erfolgt sei. Aus dem Schreien könne man nicht folgern, daß ein Knabe besonder- schwer gezüchtigt worden sei, denn die Jungen brüllten schon, bevor sie einen Schlag bekommen hätten, wie wahnsinnig. Daß die Strohe voll Menschen war, wäre möglich, aber daß die Lehrer ihm dos Schlagen jemals verboten hatten, bestritt er. Als nächste Zeugin wurde Frau Hösch vernommen, die die Züchtigungen von den Hinterfcnstern ihrer Wohnung beobachten könnt«._ Weil fie einen«nderen liebte. Wegen versuchten Gattenmordes wurde«ine 24 Jahre alt« Wcrkmeisterfrau Frida K. aus der Finowstraße verhaftet. Das junge Paar, das seit 1!4 Jahren verheiratet war. lebt««in Jahr lang in voller Eintracht. Dann sehnte sich die Frau noch einem Jugendfreund, mit dem sie in Briefwechsel trat. Aber auch ihn vergab sie wieder, seitdem sie auf einem Witwenball in der Nähe der Iannowitzbrücke einen Apothekergehilsen kennen ge- lernt hatte. In ihn verliebte sie sich so stark, daß sie mit ihrem Manne nicht länger zusammenleben wollt«. Aber damit nicht genug, kam sie auch aus den Gedanken, d«n Mann zu b«seiti- gen. Eines Nachts stand sie heimlich auf. zog ihr bestes Kleid an und ging zu dem Avothrter, der Nachtdienst hott«. Als sie die Wohnung verließ, dreht« sie den Gashahn auf, um ihren Mann zu vergiften. Morgens um 5)4 Uhr verließ fi« den Ge- liebten, der nicht» ahnte und ging noch«imnal noch der Finow- straße, um zu sehen, wie ihr Anschlag verlausen sei. Ihr Mann war aber rechtzeitig erwacht. Da» Gas hatte ihm nur wenig ge- fchadet. Er hatte da» Fenster geösfnet und sah gerade hinaus, al» fein« Frau herankam. Er drehte ihr schon von oben herab und
nun lief sie davon und kam nicht wieder. Li« Kriminalpolizei , de, K. Anzeig« machte, ermittelte sie bei Bekannten, nahm sie fest und führte sie dem Untersuchungsrichter vor. nachdem sie den Mord- versuch eingeräumt hatte. Ventego-Glücksmann. Au» dem Hungerkäfig heraus verhaftet. Großes Aufsehen erregte in der vergangenen Nacht die u..;« brechung der Schaustellung des Hungcrkünstlers D e n t e g o ini Lehrervereinshau» am Alexanderplatz . Lentego, der Jolly um viele Tage schlagen wollte, saß bereits 47 Tage in seinem Glas- kosten Weil die Schaustellung in Berlin aber nicht mehr recht zog. so wollte er in aller Stille in der vergangenen Nacht nach Werder übersiedeln, um sie dort fortzusetzen und zu beenden. Er rechnete darauf, daß er von den Besuchern der Baumblüte sehr starken Zulauf haben werde. Durch diese Rechnung machte ihm jedoch der Oberstaats- anmalt von Hannover , der ihn wegen Betrügereien suchte, einen dicken Strich. Es war nämlich bekannt geworden, daß sich hinter Ventego ein.37 Jahre alter aus Hamburg gebürtiger früherer Handlungsgehilfe und Schauspieler Adolf Glückemann ver- barg, der schon sehr viel auf dem Kerbholz hat. Glücksmann betrieb unter den Namen Dr. Iatobsohn, Dr. Kaiserberg, Alberti, Schill- mann und Bodenstein, vielleicht auch noch anderen, H o ch st a p e- leien und Heiratsschwindel. Als in der vergangenen Nacht dos Glashaus abgebaut und Ventego in seinen Betten ver- laden werden sollte, erklärten ihn Kriminalbeamte jür verhastet. Unter den vielen Zuschauern, die sich noch eingefunden hatten, gab es eine große Aufregung. Die Beamten ließen sich jedoch in ihrem Vorgehen nicht stören. Mit größter Schonung, die sie dem körperlich Geschwächten vorsichtig angedeihcn ließen, schassten sie Ventego in seinen Betten in ein Auto und brachten ihn als Polizeigefangenen nach dem Staatskrankenhaus. Hier legten sie dem Hungerkünstler den Haftbefehl vor, und er gab dann auch zu, daß er der gesuchte Adolf Glücksmann sei. Ein Arzt untersuchte ihn, stellte fest, daß er erheblich geschwächt war und nahm ihn gleich in«in« entiprechende Krankenhausbehandlung. So wird nun der Hungcrkünstler seine Schaustellung ohne Publikum in einer etwas abgeänderten Form beschließen. Ein zweiter Hungertünsiler wurde von der Kriminalpolizei in Schutzhaft genommen. E» ist das Kurt Wahlmann, der sich it»«mein Lokal in der Frankfurter Straße zeigte und vorzeitig zu hungern aushörte. Dieser verlangte von einem hiesigen Verlagshause die Berichtigung einer Notiz, die es in einer Zeitung über ihn gebracht hott«. Als er damit keinen Erfolg hatte, schrieb er dem Hause gestern einen Bries mit der Drohung, daß er. wenn es seinem Ver- langen nicht entspreche, da» ganze Haus mit einem neuerfundenen Sprengstosi in die Lust sprengen werde. Es sei ihm auch gleich- gültig, wenn dabei Hunderte von Arbeitern mit zugrunde gingen. Aus eine Anzeige wurde Wahlmann in Schutzhast genomnien, weil man ihn nicht für ganz zurechnimgssähig hält und deshalb damit rechnete, daß er irgendwie Unheil anrichten könnte. Er wird auf seinen Geisteszustand untersucht werden.
Reinigt die Tchülerbüchereien! Was ist seit dem November 1918 getan worden, aus den Schulerbüchereien diejenigen Bücher herauszuwerfen, die mit ihrer Verherrlichung der Hohenzollern den Monarchisten als bequemes Werbemittel ernninscht find? Wie bei den Lehr- bücheru, so möchte man auch hier die Weiterbcnutzung alter Schmä- ker damit entschuldigen, daß zur Beschossung neuer Bücher das Geld nach nicht reidjt. Donk dein„Geldmangel" dürfen Schüler- bücherelen heute noch Bücher haben und ausleihen, die zur Repu- blik passen wie die Faust auf's Auge. So wird uns au» Zossen von der Stadtschul« bekannt, daß die Schüler- bücherei noch ein von F. D. H o s s m o n n zusammengeschriebenes Luch„V o ni K u r h u t zur Kaiserkrone" ausleiht, das die Hohenzollern und ihr Wirken in Brandenburg-Preußen-Deuksch- land besingt. Selbstverständlich wird man auch in einer Republik die Kinder über die monarchistische Zeit belehren müssen, aber nicht in blinder Moiiarchcnverherrlichling, wie diese» Buch sie biet«. Reinigt die Schülerbüchereien von solchen Büchern! Hinaus mit diesem Zeug, das schon i» den Zeiten der Monarchie schärfste Ablehnung verdiente! lieber Wilhelm Ii. sagt das erwähnte Buch unter anderem, er habe im Jahr« 1888 bald nach seinem Regierungsantritt gelobt:„Ich will ein gerechter und mil- der Fürst sein: den Armen und Bedrängten will ich Helsen , den Frieden schirme» und die Wohlfahrt des Landes fördern. Der Buchschreiber fügt hinzu:„Und das Gelübde hat er gehalten." Ja. das merken wir! Und solche Geistcskost bietet man Kindern noch heute! Das„Tempo der Zeiten". Zlm Mittwoch wie om Freitag war der Rundfunk Mittler der Kunst de« Wories, und so verschieden die beiden Abende auch waren, kann man sie doch wohl aus«inen gemeinsamen Faktor bringen: Zeitkrittk. Walter Mehring macht dos mit dem Intellekt, fängt dos..Tempo der Zeit"«in. Mit Paul G r a« y und Renate Müller ließ er es dann packend, ohne Atcmvaus«, ab- rollen. Kuri G o e tz' Grotesk«„Lohengrin " gab danach die heitere und doch stilgcmäße Entspannung.— Georg Büchner , der am Freitag zu Worte kam, kritisierte seine Zeit mit dem Herzen. Nicht u u r mit dem Herzen, so wenig wie Mehring nur mit dem Intellekt: aber das Gesiihlsmoßige überwiegt wich in dieser Lustspielsalire Leone« und Lena" wie in allen Werken des genialen Hesten, der sich und sein Genie am eigenen Lebenstempa aufrieb. Di« Sendebühnc untre Alfred Braun « Leitung nahm sich des Wertes verständnisvoll an. Ihr w>« den Darstellern, von denen Werner K r a» ß und Günther H a d a n k besonders gerühmt seien, gebührt Lob._ Ein größeres jener, das«ine Turnhalle einäscherte, kam gestern Nacht in Frohnau . Maximiliankorso, zum Ausbruch. Da«(ieuer wurv« kurz nach l Uhr bemerkt und die Wehren von Frohnau , Hermsdorf , Glienick « und Wittenau alar- miert. Schon beim Eintressen der Frohnauer Feuerwehr hatte das Feuer eine erhebliche Ausdehnung angenommen. Es wurde mehrere stunden lang Wasser gegeben. Trotzdem konnte die Vernichtung de» Gebäudes nicht verhindert werden. ver Schleswig-Holsteiuer Sund. Orttgruvp« Berlin , veranstaltet« eine Kundgebung im großen Sitzungslaale des Reich»w>riichastZ- rat«, Bellevuestraße. Nach der Begrüßungsrede de« Voisitzcnden Petersen sprach der Kieler UniversiiöiSprosesior Dr. Ott« T ch a e l über.Ventsche BolkStumlorbeit in Schleswig " Augenblicklich zeigt sich folgender Vorgang, der national« Staat icheint durch den Balte- tnmsstaat abgelöst zu werden. Teile eine« Volte«, die unter anderer staatlicher Hoheit leben, wollen doch mit ihrem Volk eine Einheit bilden. Dteie« Gefühl der ZuiommengehLrlgkeit muß erftaiken und in allen Teilen de» Volte» lebendig werde». Die Arbeit muß in der Familie einsetzen. Diese«»»«geprägte vollsempsinden trägt keinen chauvinistiichen Charakter, im Gegenteil, e» lehrt da» VolkSempsinden der anderen ichätzen. Kein Staat darf einem fremden Vollsteil in seinen Grenzen ver« bieten, die eigene Sprache und Kultur zu pflegen, vor allem dürien ihm nicht Schulen in der Mutteriprach« verboten werden. Die« der Weg zu einer Verständigung und Besriedung der Völker, ein Weg, den der Echle««ig-Holsieiner Bund mit seiner Arbeit in Schlei wig gegangen ist. Eisenbahnunglück bei Gemünden . L-r beschleunigte Personenzug Frankfurt— Nürnberg— München ist am yrei- tagvonnittag hinter der Station Gemünden entgleist, wo- bei ein Wagen umstürzte. Etwa 12 Personen wurden teil? schwer, teile leicht verletzt. Der größte Teil der Viru?' glückten Reisen tonnt« jedoch nach Anlegung von Notverbänden t Reis« fortsetzen.