Einzelbild herunterladen
 
  

Abendausgabe

Nr. 24143. Jahrgang Ausgabe B Nr. 118

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise Find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts

Berliner   Dolksblatt

10 Pfennig

Dienstag

25. Mai 1926

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Vorwärts- Berlag GmbH. Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Schwere Zugkatastrophe bei München  . Regierungswechsel in Belgien  .

-

Zusammenstoß zweier Ausflüglerzüge. Die Zahl der Toten bisher 33. In den Krankenhäusern über 80 Verlegte.

München  , 25. Mai.  ( Eigener Drahtbericht.) Am Pfingst­montag abends 10,15 Uhr hat sich zirka 400 meter vor dem Münchener   Ostbahnhof   ein Eisenbahnunglüd von furchtbarer Ausdehnung ereignet, dem nach den bisherigen Feststellungen 23 Tofe( 2 Knaben, 11 Männer und 10 Frauen), deren Verso­nalien noch nicht festgestellt sind, zum Opfer fielen. Schwerver­lehte find bisher 60 in das nächstliegende Krankenhaus ein­geliefert worden. Die Ursache des Unglücks ist folgende: Ein be­fchleunigter Personenzug aus Berchtesgaden  , der voll­befeht war mit Pfingstausflüglern, hielt vor dem Ostbahnhof  , da das Einfahrtsignal auf geschlossen stand. Nach einiger Zeit gab das Signal die Einfahrt frei. Unglücklicherweise kam hinterher auf dem felben Geleise ein beschleunigter Personenzug aus Rosen­ heim  , also aus derselben Richtung, der das geöffnete Signal auf fich bezog und mit voller Wucht auf den Vorzug auf­fuhr. Die beiden letzten Wagen des Berchtesgadener Zuges wurden über die etwa 5 Meter hohe Bahnböschung hinabge­schleudert, während die beiden ersten Wagen des Rosenheimer Zuges ineinander geschoben wurden. Der Schaffner des Berchtes gadener Zuges, der im letzten Wagen war, wurde aus dem offenen Wagen hinausgeschleudert und entging fo dem sicheren Tode. Die Berlehten und Toten mußten zum Teil aus den Wagen herausgehauen werden, zum Teil wurden sie mit Schweiß­apparaten aus ihrer Lage befreit. Die Sanitätsfolonne traf ver­hältnismäßig spät an der Unglücksstätte ein. Ein Teil der verletzten Fahrgäste war bereits in Erregung in die Straßen der Stadt ge­flüchtet. Nach den Berichten von Augenzeugen spielten sich herz­zerreißende Szenen ab.

wärts liegender Wagen des Buges 814 war entgleist und beschädigt. Das Unglück ereignete sich um 10,30 Uhr nachts. Die Rettungs­mannschaften trafen ungefähr 10 Minuten später an der Unglücks­stelle, die direkt an der östlichen Peripherie der Stadt liegt, ein, und ungefähr gleichzeitig waren auch die Berufsfeuerwehr und die freiwillige Feuerwehr eingetroffen, sowie die leitenden Persönlich teiten der Reichsbahndirektion München  . Zusammen mit dem Personal der Eisenbahnbetriebswerkstätte sowie blauer und grüner Polizei gelang es, den mit größter Aufopferung durchgeführten Arbeiten, nahezu sämtliche Tote und Verletzte bis gegen 1 Uhr nachts zu bergen. Die Aufräumungsarbeiten sind in vollem Gange. Der Eisenbahnverkehr sowohl nach Mühlberg- Bassau als nach Rosen­ heim  - Innsbrud- Salzbrunn erleidet feine Unterbrechung, da Um­leitungen über den Rangierbahnhof möglich sind.

Die Opfer.

Die Namen der Toten und die Namen der Schwer­

verlegten sind bisher noch nicht bekannt gegeben, da die teilweise furchtbaren Berstümmelungen die Feststellung erschweren. Tatsache ist, daß die meisten der Berunglückten den arbeiten­Wohnsitz haben. Unter den bereits erkannten Toten befindet den Ständen angehören und in München   ihren fich ein Buchdrucker, ein Straßenbahner, ein Eisenbahnbediensteter, ein Elektrotechniker und seine Frau, ein Apotheker, eine Mechanikers­frau und eine Buchhalterin; wie der Holzarbeiterverband mitteilt, leider auch der Führer der Münchener   holzarbeiter Jugend, Karl Ludewig, der mit einer Gruppe seiner Jugend eine Pfingsttour nach Berchtesgaden   gemacht hatte. Er war so schwer verletzt, daß er furz nach 4 Uhr morgens im Krankenhaus Der amtliche Bericht: feinen Berlegungen erlag. Die gemeinsame Beisetzung der Ueber die Ursache des furchtbaren Eisenbahnunglüds gibt die Opfer findet am Donnerstag statt. An diesem Tage sind sämtliche Reichseisenbahndirektion München   folgenden am tuftbarkeiten in München   verboten. Namens der bayerischen Re­

lichen Bericht aus:

Infolge des starken Pfingstverkehrs fonnte der beschleunigte Personenzug 820( von Berchtesgaden  ) nicht sofort in den Bahn­hof München  - Oft gelaffen werden, mußte also vor dem Einfahrt­signal gestellt werden. Mittlerweile war der etwa 30 Minuten ver­spätete Personenzug 814, der zwischen Grafing   und München  Oft nicht anhält, gleichfalls fällig geworden. Der Blockwärter der Zwischenblockstelle bet Berg am Laim   gab das Blodsignal auf halt. Dieses Blodfignal hat der Führer des Personen­zuges 814 überfahren. Er behauptet, es habe auf Fahrt gestanden. Die bisher gepflogenen Erhebungen haben diese Behauptung zwar richt zu bestätigen vermocht. Die Frage wird noch genauestens untersucht. Als der Zug 814 sich eben dem Ostbahnhof   näherte, hatte dieser Bahnhof dem Führer des Zuges 820 das Einfahrtsignal bereits auf freie Fahrt gegeben. Der Zug hatte sich schon in Be­wegung gesetzt und war einige Wagenlängen weit gefahren, als der Zug 814 mit einer Geschwindigkeit von etwa 60 Stundenkilo­meter angefahren fam. Der Lokomotivführer des Zuges 814 hatte das Einfahrtsignal von München  - Ost auf freie Fahrt stehen sehen und war deshalb in der Meinung bestärkt, daß seiner ungehinderten Einfahrt fein Hindernis entgegenstehe. Erst auf verhältnismäßig furze Entfernung bemerkte der Lokomotivführer des Zuges 814 eines der Schlußlichter des eben in Bewegung gekommenen Buges 820. Er gab sofort Notbremse und traf alle Maßnahmen, um den Zug noch in seine Gewalt zu bekommen. Da die Einfahrt in München­Ost in einer starken Linkskrümmung liegt, war dem auf der rechten Seite stehenden Lokomotivführer die Aussicht auf das Schiußsignal erschwert. Der Aufstoß erfolgte mit ungeheurer Gewalt. Bon dem 3ug 820 wurden die zwei lehten Wagen vollständig zerkrümmert. Der übrige Teil des Zuges blieb so gut wie unbeschädigt. Von Bug 814 war die Maschine nur wenig beschädigt, aber entgleist. Der als Schutzwagen dienende Backwagen war nur ganz leicht beschädigt, dagegen die vier folgenden Wagen 4. Klaffe aus dem Geleis ge­worfen und start ineinander geschoben. Mehrere Reisende waren in schlimmster Lage eingeflemmt. Auch ein wesentlicher Teil rüd.

Friedensbitte Abd el Krims. Französischer Ministerrat über Annahme oder Ablehnung. Paris  , 25. mai.( Eigener Drahtbericht.) Aus Jez wird gemeldet, daß Abd el krim   durch Bermifflung des franzöfifchen Roten Kreuzes an den Generalpräsidenten von Marotto Steeg einen Brief gerichtet hat, in dem er die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen vorjáhlägt. Mit diesem Schreiben wird sich am Dienstag der Ministerrat befassen.

Die franzöfifche Preise unterstreicht die Tatsache, daß der erfolg­reiche Vormarsch der französisch  - spanischen Truppen Abd el krim   zu neuen Friedensverhandlungen gezwungen hat und meint, Abd el Krim   müsse sich erst völlig unterwerfen, ehe wieder Ber­handlungen aufgenommen werden könnten.

Parifer Forderungen.

Paris  , 25. Mai.  ( TU.) Die Raáricht von der Kapitulation Abd el Krims wird von allen Bariser Blättern als etwas längst Erwartetes aufgenommen. Deuvre" sagt, Abd el Krim  appelliere in seinem dem Generalresidenten übermittelten Schreiben an den Edelmut der französischen   Nation". Der Edelmut solle thm zugesagt werden. Zuvor müßten aber die Kriegsgefangenen

gierung hat in Bertretung des von München   abwesenden Minister­präsidenten der Finanzminister ein Beileidsschreiben an den Staats­fetretär von Frant und ein Beileidstelegramm an den General­sekretär der Reichseisenbahnen gerichtet.

Einige Namen.

gegen das Parlament.

( Bon unserem Brüffeler Rorrefpondenten.) Brüssel  , 23. Ma: 1926.

Der Sturz der Regierung Boullet- Bandervelde war in­fofern bedeutungsvoll, als eine Regierung, die im Parla. ment über eine sichere Mehrheit verfügte und zmei­fellos auch das Vertrauen der großen Mehrheit des Volkes genoß, von mehr oder weniger unfaßbaren außerpar lamentarischen Kräften zur Strede gebracht wurde. Es waren die Finanzkreise, unterstützt von der ihnen untergebenen tapitalistischen Preise, die die von frü­heren Regierungen ererbten inanziellen Schwierigkeiten des Staates in strupellosester Weise ausnüßten, um die ihnen verhaßte demokratisch sozialistische Regierung zu stürzen.

So sehr die Regierung und die Kammermehrheit entschlos sen waren, dem Angriff zu widerstehen, sie mußten schließlich dem Druck der dunklen Gewalten, die aus sicherem Verstec die furchtbare Waffe der systematischen Balutazer­störung handhabten, weichen. Der belgischen Demokratie ist unvergeßlich die Lehre eingeprägt worden, daß die for= male politische Macht nicht genügt, daß sie sich nur behaupten tann, wenn sie auch die finanzielle und wirtschaftliche Macht erorbert.

rung und der Parlamentsmehrheit auf Entfagung auf wich Allerdings beruhte die Einigkeit innerhalb der Regie­tigen Gebieten. Eine wirklich schonungslos demo krutische Finanz- und Steuerpolitik hätte die Frankenkrise wohl lösen tönnen, aber einer solchen Politik stand die Zu­sammensetzung der Regierung im Wege. So mußte fie sich mit den finanziellen Stümpereien Janssens begnügen, die allzu leicht die Zielscheibe der Pfeile der reaktionären Finanzkreise wurden. Als der anspruchsvolle, aber im Grunde schwach fundierte Stabilisierungsplan Janssens endgültig als gescheitert anerkannt werden und die Inflation offen zuge geben werden mußte, war die Regierng nicht mehr zu halten. Rein äußerlich besteht zwischen der Regierung Boullet und der neuen Regierung Jaspar der Unterschied, daß anstelle der sozialistisch- christlich- demokratischen Koalition die die Liberalen und die fonservativen Katholiken als Oppo­fition gegen sich hatte, eine Regierung der sogenannten na­tionalen Einigung tritt, eine Regierung der

München  , 25. Mai.  ( BTB.) Im Krankenhaus lints der far befinden sich zurzeit 83 bei dem Zusammenstoß Berunglückte. Bon den in das Krankenhaus eingelieferten Berlegten sind drei gebrei großen Parteien, die im Parlamente mit fei­storben. Nach dem Ostfriedhof in München   sind 22 Tote gebracht nerlei Opposition, ausgenommen etwa die der zwei Kommu­worden. Ein großer Teil der Toten ist noch nicht erkannt. Die nisten und der vier flämischen Frontisten, zu rechnen haben Berlegungen sind teilweise furchtbarer Art. wird. Der Einfluß der Sozialisten ist sowohl zahlenmäßig wie nach der Persönlichkeit ihrer Bertreter in der neuen Regie­rung ebenso start wie in der alten. Aber an Stelle von po= litisch doch einigermaßen nahestehenden christlichen Demokra ten wie Boullet, werden die sozialistischen   Minister nunmehr energische und einflußreiche Sozialistengegner, wie Jaspar, Hymans, de Brocqueville, sowie mächtige Ban­tiers, die die Frankenoffensive gegen die bisherige Regie rung geleitet haben, wie Francqui und Houtart, am Minister tisch sich gegnüber finden.

Bon den bei dem Eisenbahnunfall in München  - Oft tödlich Berunglüdlen fonnten bisher folgende Namen festgestellt werden: Lehner, Anna, Elektrotechnifersfrau, 25 Jahre. Lehner, Ludwig, Elektrotechniker, 26 Jahre. Leinberger, Franz Xaver, Straßenbahnangestellter,

34 Jahre.

Arnold, Franz, Buchdrucker, 34 Jahre. Feldschmidt, Eisenbahnangestellter.

Dr. Brenner, Mar, Apotheker.

Glaser, Michael, Kaufmann, 61 Jahre.

Edelhaußer, Wilhelm.

Milchbauer(?), Therese, Postinspektorsfrau.

Megger, Betty, 50 Jahre.

Ludwig, Karl, 40 Jahre.

sbd

Die Frage, ob die Sozialisten bei ihrer umerschütterten Machtstellung im Parlament diesen Wechsel ruhig hinnehmen und in die Regierung Jaspar eintreten sollten, wurde in Bar­teitreisen leidenschaftlich erörtert. Die Partei entschloß sich jedoch zu diesem Schritt in der Hauptsache aus folgenden Gründen: Man fonnte sich über die bittere Erkenntnis nicht hinwegsehen, daß man tein sicheres

Außerdem find geborgen und noch nicht ertannt mittel zur Eindämmung der Frankentrise an der Hand 12 männliche und 10 weibliche Tote.

Nach den letzten Meldungen aus München   hat sich die Zahl der Opfer auf 33 erhöht. Im Krankenhause befinden sich u. a. auch Tochter und Schwiegerfohn des Berlagsdirettors unferes Parteiorgans, der Münchener Bost", Mürriger. Die Unglücksstelle ist jetzt in weitem Umkreise durch Landespolizei abgesperrt.

herausgegeben werden. Abd el Krim selbst müsse das Rif   für immer verlaffen. Alle übrigen Angelegenheiten würden alsdann mit den Bevollmächtigten der einzelnen Rifftämme erlebtgt werden.

Abd el Krims Hauptquartier besett.

Paris  , 25. Mai.  ( Eigener Drahtbericht.) Die französisch  - spanische Offensive ist nach zwölftägiger Dauer am Pfingstfonntag nachmittag durch Einnahme des früheren Hauptquartiers von Abd el Krim  , Targuist, beendet worden. Das Ergebnis dieser Offen­five ist, daß sich der ganze östliche Teil des Rifs nunmehr in den Händen der Franzosen   und Spanier befindet. Abd el Krim in den Händen der Franzosen   und Spanier befindet. Abd el Krim hat sich in den westlichen Teil des Rifs geflüchtet und von dort aus einen Aufruf an die Stämme gerichtet. Seine Stellung ist jedoch angesichts der zunehmenden Abfallsbewegung fehr gefährdet. Das Ziel der Franzosen   und Spanier scheint nunmehr dahin zugehen, Abd el Krim einzuschließen und zwar durch einen Borfteß der spanischen   Truppen von Targuist aus in westlicher Richtung und der Franzosen   vom Mittellauf des Uergha aus in nördlicher Richtung. Dabei dürfte es in den nächsten Tagen noch einmal zu lebhaften Rämpfen fommen, deren Ausgang entscheidend ist für das Schicksal Abd el Krims.

hatte, wenn die niederträchtige Heze in den Finanzkreisen und ihrer Presse nicht zum Schweigen gebracht wurde. Dazu war es aber notwendig, gerade die Führer dieser Fi Liberalen mit zur Verantwortung heranzu nanztreise sowie die ihnen nahestehenden listischen Partei wurde vorgeschlagen, diesen Herren doch ein­iehen. Von verschiedenen Seiten innerhalb der sozia­mal die ausschließliche Verantwortung zu überlassen. Dem stand die Erwägung gegenüber, daß dies vermutlich die Er­holung des belgischen Franken erschweren würde. Erholte fich aber der Franken bei einer sozialistenreinen Regierung, dann hätten die konservativen Parteien allen politischen Vor­teil davon eingeheimft. Ging der Frankensturz weiter, dann hätte man behauptet, die Sozialisten hätten durch ihre Ver meigerung der Mitarbeit die Erholung der Währung verhin­hindert

Die fapitalistischen Kreise werden der neuen Regierung ficher Was fommen wird, läßt sich nicht leicht voraussagen. etwas mehr Zuneigung entgegenbringen als der alten. Das mag dem Franken einigermaßen zugute fommen. Aber auf der Regierung ab, und das ist vorläufig noch in voll­die Dauer hängt natürlich alles vom Finanzprogramm mittel, mit dem Francqui den Franken retten will, vielleicht tommenes Dunkel gehüllt. Kein Mensch kennt das Zauber­auch er selber nicht. Ohne sehr schwere Opfer wird es ganz bestimmt nicht abgehen. Ist Francqui der Mann, den befizenden Klassen solche aufzubürden? Es ist schwer zu glauben. Wird er versuchen, die Hauptlast auf die arbeitenden Massen abzuwälzen? Ein solcher Versuch würde an dem Widerstand der Arbeitervertreter im Parlament und an der Entschlossenheit und Wachsamteit der sozialisti­ schen   Partei im Lande scheitern. don